Wetterlage und Gesundheitsreform

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Heute habe ich mir Lebkuchen gekauft, in kurzer Hose und mit T-Shirt sowie Schlappen bekleidet. Warum erzähle ich das? Weil es einfach Banane ist. So wie der Auftritt von Philipp Rösler bei der Präsentation seiner Gesundheitsreform(mir fällt dafür kein passender Begriff ein). Da ist im Prinzip auch alles Banane. Gelacht habe ich vor allem darüber, als Rösler meinte, dass das System nun einmal teurer werde und deshalb alle auch mehr bezahlen müssten. Eine bahnbrechende Erkenntnis im Lager der notorischen Steuersenker und „Mehr Nutto vom Bretto“ Optimierer.

Der Umstand nun, dass der Arbeitgeberbeitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung eingefroren werde, hätte etwas mit dem Faktor Arbeit zu tun. Die würde sich nämlich durch Röslers Gesetz nicht verteuern, weil die Unternehmer von künftigen Beitragssteigerungen verschont blieben. Auf der anderen Seite müssten sich die Arbeitnehmer, vor allem die Geringveriener, aber auch keine Sorgen machen, dass sie von den zu erwartenden steigenden Zusatzbeiträgen, die die gesetzlichen Kassen erheben werden (spätestens dann, wenn viele gutverdienende junge Menschen von der nunmehr vereinfachten Möglichkeit eines Wechsels in eine private Krankenversicherung Gebrauch machen und aus der Solidargemeinschaft aussteigen), in die Pleite getrieben werden. Die bekommen nämlich einen Ausgleich über die Steuern, so der Minister. Und Steuern würden schließlich auch die Unternehmer zahlen.

Da stellen sich im Prinzip zwei Fragen. Erstens, warum ändert man das System von paritätischer Umlage auf einseitige Knallkopfpauschale, wenn nach Aussage des zuständigen Fachministers die Arbeitgeber sowieso über die Steuern zur Finanzierung mit herangezogen werden? Wäre es dann nicht viel einfacher, den Beitragssatz wie gewohnt im Rahmen der nach wie vor paritätisch besetzten Selbstverwaltung für beide Seiten gleich steigen zu lassen? Oder will die FDP, und damit komme ich zu zweitens, in Zukunft die Steuern erhöhen? Vor allem für Unternehmer? Wohl kaum.

Ach ja und drittens. Wird der Gesundheitsfonds nun abgeschafft? Das war doch ein zentrales Wahlversprechen der FDP. Übrigens haben die anderen Reformer, die gerade Opposition spielen dürfen, also SPD und Grüne angekündigt, das gesamte Röslersche Jahrundertwerk, nicht Revolution – die Kanzlerin war schließlich in New York und hatte wichtigeres zu tun (LOL) – bei einem Wahlsieg kurzerhand wieder abschaffen zu wollen. Psst, da kann ich ihnen ein Geheimnis verraten. Die werden das nicht einfach wieder abschaffen. Die werden wieder eine neue Reform machen. Sie kennen doch noch den Spruch von Gerhard Schröder, nachdem er 1998 ins Kanzleramt gewählt wurde und seine Wähler gleich zu Beginn erschreckte. Er sagte, dass er nicht alles anders, aber vieles besser machen wolle. Ein echter Merkelsatz eben. Wenn wir das gewusst hätten?

Ach wie ich mich auf den Weihnachtsmann freue. Ab morgen wird es dann auch wieder kälter.

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Neues zum Fachkräftemangel: "Vielen Studenten und Azubis gelten technische Berufe als unsexy"

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Die aus dem Regenbogen-Fernsehen bekannte Redakteurin Anne Backhaus schreibt im Spiegel über den Fachkräftemangel in Deutschland und geht einer DIHK-Studie auf den Leim. Der Artikel heißt „Firmen klagen über deutsche Technik-Muffel“, dabei scheint Frau Backhaus etwas unausgeschlafen zu sein.

Deutschlands Wirtschaft boomt, schon finden manche Unternehmen keine Arbeitskräfte mehr. Vor allem im technischen Bereich fehlt es an qualifiziertem Nachwuchs: Vielen Studenten und Azubis gelten diese Berufe als unsexy. Nun wollen die Firmen ihr Image aufpeppen – und umwerben gezielt junge Leute.

Zum ersten gibt es keinen wirtschaftlichen Boom, sondern lediglich einen Aufholprozess der deutschen Wirtschaft nach dem biblischen Einbruch von fünf Prozent im letzten Jahr. Zum zweiten ist die wirtschaftliche Erholung vor allem dem Lageraufbau geschuldet und der Auslandsnachfrage, die nahezu vollständig durch staatliche Konjunkturprogramme der nachfragenden Länder induziert ist. Diese Programme werden aber auslaufen und die Nachfrage folglich schwächer werden. Da der deutsche Binnenmarkt hingegen kaum etwas zum derzeitigen wirtschaftlichen Wachstum beiträgt, wie im übrigen in der Vergangenheit auch, ist nicht davon auzugehen, dass die angebliche „Boomphase“ von Dauer sein wird.

Das hätte man schon einmal als Überlegung vorweg stellen können, bevor man darüber schwafelt, dass bestimmte Berufe als „unsexy“ gelten. Vielleicht besteht die Unattraktivität ja auch gerade darin, dass es in kaum einem anderen Land so viele arbeitslose Ingenieure gibt, wie in Deutschland. Irgendetwas scheint da mit der Wahrnehmung nicht zu stimmen, wenn man dieses hier liest.

Die Konjunktur läuft gut, viele Firmen fragen sich schon, wie sie all ihre Aufträge bewältigen sollen. Vor allem qualifizierte Mitarbeiter fehlen den Unternehmen. Genauer gesagt: Bau- und Elektroingenieure sowie Spezialisten für technische Gebäudeausrüstung. In diesem Bereich kommen auf einen Hochschulabsolventen in etwa drei freie Stellen. Aber auch Auszubildende sind in der Technikbranche ein knappes Gut.

Es ist natürlich bequem und einfach, den angeblichen Mangel an Fachkräften mit der mangelnden Bereitschaft potentieller Arbeitskräfte zu erklären und nicht mit der mangelnden Fähigkeit der klagenden Unternehmen, entsprechend auszubilden oder Personal zu schulen und dauerhaft zu beschäftigen zumal jedes Jahr eine hohe Zahl von jungen Schulabgängern keine Ausbildungsplätze finden und ältere qualifizierte Arbeitnehmer in die Sozialsysteme regelrecht entsorgt werden. Bis jetzt hieß es ja immer, die Bewerber seien einfach zu dumm. Nun heißt es also, die Stellen seien zu „unsexy“. Ist das jetzt eine Selbstkritik der Unternehmer? Wo liegt eigentlich das Problem, wenn man sich einmal vergegenwärtigt, dass zwischen fünf und sechs Millionen Menschen in diesem Land einen richtigen Arbeitsplatz suchen und etwa neun Millionen sich mehr Arbeit wünschen und damit auch Jobs mit mehr Gehalt.

Fachkräftemangel und anhaltende Massenarbeitslosigkeit, die zwar geleugnet, aber nicht durch fingierte Statistiken weggezaubert werden kann, passen einfach nicht zusammen. Glaubt wirklich jemand an eine vermeintliche Unattraktivität von Stellen, die dem Vernehmen nach beste Karrierechancen bieten? Der Brüderle wahrscheinlich. Der glaubt auch an den Weihnachtsmann und an Vollbeschäftigung im Jahr 2015. Prost!

Nach einer Studie des Deutschen Industrie- und Handelskammertags haben bereits 70 Prozent der Unternehmen Probleme, offene Stellen zu besetzen. Nach Einschätzung der Unternehmen wird sich der Fachkräftemangel in den kommenden fünf Jahren noch verstärken – über alle Qualifikationsniveaus hinweg.

Dieser Schwachsinn des DIHK ist natürlich ein beliebter Aufhänger für Journalisten, die sich keine Arbeit machen wollen und so vollkommen kritikfrei zum PR-Sprachrohr der Arbeitgeberlobby werden. Wenn es wirklich stimmte, dass 70 Prozent der Unternehmen offene Stellen besetzen müssten, bleibt die Frage zu klären, warum dieselben Unternehmen langjährige Angestellte mit Aussteigerprogrammen locken, wie z.B. das Unternehmen Siemens. Das stand auch im Spiegel, Frau Backhaus, vor gerade einmal sechs Wochen, also mitten im Aufschwung XL:

Quelle: Spiegel

Siemens greift tief in die Tasche, um ältere Mitarbeiter seines Tochterunternehmens SIS zum vorzeitigen Ausscheiden zu bewegen.

Was steckt dahinter? Fanden die Bosse ihre Mitarbeiter plötzlich zu „unsexy“? Wer will das Gejammer der Arbeitgeber eigentlich noch hören? Der beklagte Fachkräftemangel ist ein Mythos nichts weiter. Real sind hingegen hohe Anforderungen, schlechte Arbeitsbedingungen und mickrige Löhne, die nach gängiger Glaubenslehre sein müssen, um die Wettbewerbsfähigkeit der hiesigen Exportwirtschaft zu sichern. Unter diesen Bedingungen würde in Wirklichkeit keiner arbeiten wollen, aber weil die eigene Existenz davon abhängt und nur die persönliche Ware Arbeitskraft verkauft werden kann, müsste es jeder tun.

Es kann also nicht daran liegen, dass eine Stelle zu „unsexy“ ist, sondern nur daran, dass Arbeitgeber keine Bewerber akzeptieren, die entlohnt werden und eine sichere Perspektive haben wollen. Vor allem die Exportwirtschaft verlangt nach passfertigen Arbeitskräften, die zu möglichst geringen Kosten nur dann zur Verfügung stehen sollen, wenn sie gebraucht werden und ansonsten dahin zurückgehen, wo sie hergekommen sind. Warum sonst schreit die Arbeitgeberlobby ständig nach ausländischen Fachkräften, obwohl sie sich nur aus der bestehenden nationalen Reservearmee von Arbeitslosen und Unterbeschäftigten zu bedienen bräuchte? Sind die Sozialgesetze etwa noch nicht hart genug und die Leiharbeit zu unflexibel?

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Haushaltsdebatte als Farce – der Lobbyismus als Staatsprinzip

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Im letzten Jahr saß Frau Merkel bei Anne Will und beschrieb sich und ihre Amtsführung mit folgendem Satz:

„Ich bin mal liberal, mal christlich-sozial, mal konservativ.“

Man könnte das für ein schönes Beispiel Merkelscher Beliebigkeit halten, und ich habe das anfangs auch gedacht, in Wirklichkeit aber folgt ihre Politik nur einem ganz konkreten Muster. Und zwar den Lobbyismus zum Staatsprinzip zu erklären. Quasi unter Ausschaltung des deutschen Bundestages dürfen Banken und Finanzwirtschaft darüber bestimmen, was sie zu zahlen haben und was sie vom Staat bekommen. Ferner dürfen Pharmaunternehmen und private Krankenkassen bestimmen, was sie zu bezahlen haben und was sie vom Staat bekommen. Und nun ist auch klar, dass die Atomwirtschaft bestimmt, was sie zu bezahlen hat und was sie vom Staat bekommt.

Geheimabkommen machen es möglich. Das ist nicht neu. Wahrscheinlich erinnert sich noch jemand an den tollen Deal der SPD-Gesundheitministerin for ever Ulla Schmidt mit den Apothekern. Dafür, dass nämlich die Menschen dank Praxisgebühr und Medikamentenzuzahlung weniger Pillen konsumierten und damit für Einsparungen bei den Arzneimittelkosten sorgten, mussten die Apotheker natürlich aus den nunmehr entstandenen Einsparungen/Gewinnen entschädigt werden, weil die ja auf dem ganzen Pillendreck sitzen geblieben waren. Dieser Vertrag mit der rot-grünen Bundesregierung trug auch die Unterschriften von Union und FDP und regelte die Existenzsicherung der Apotheken auf deren Umsatzbasis aus dem Jahre 2002. Toll oder? Da hätte man die Pillen auch gleich weiterfressen können, meinte Georg Schramm in seinem damaligen Kabarettprogramm Thomas Bernhard hätte geschossen und fügt sehr scharf hinzu, dass das selbe Argument für Hartz IV-Empfänger freilich und bewusst nicht gegolten habe, weil die Existenzsicherung des Einzelnen in Zeiten der Globalisierung angeblich nicht mehr möglich sei.

Das wiederum gilt auch heute in Zeiten der scheinbaren Merkelschen Beliebigkeit. Wenn es um Kürzungen im Sozialetat geht, wird die Debatte sehr offen im Parlament und in der Bild-Zeitung geführt. Da gibt es keine geheimen Deals und Absprachen. Der Pöbel soll sich schließlich aufregen und seine Wut gegen jene richten, die noch weniger haben, als man selbst. Klassenkampf im Armenhaus lautet da das Motto. Mit dummen Argumenten und absurden Zusammenhängen wird demenstprechend die aktuelle Haushaltsdebatte geführt. Allein schon der Auftritt – es müsste viel eher das Aufrollen heißen – von Dr. Wolfgang Schubladen-Schäuble ist albern durch und durch. Gerade mal einen oder zwei Tage nach der erneuten 40-Mrd. Garantie an die HRE schwafelt der Finanzminister von der dringenden Notwendigkeit der Haushaltskonsolidierung.

Es gäbe halt keine Alternative, um die HRE langfristig zu sanieren. Das ist schon klar, wenn man sich vor Augen hält, dass die HRE bis dato jedesmal mit der Pleite drohte, um weitere Garantien vom Staat zu erpressen. Wer garantiert denn, dass die Banker in Staatsdiensten nicht noch einmal 40 Mrd. oder vielleicht ein bissel mehr fordern? Wonach richten sich überhaupt die Zusagen für weitere Staatsgarantien, die immer sehr zügig am Parlament vorbei gewährt werden? Dazu schweigt Schäuble bzw. heuchelt Verständnis für die vielleicht etwas verstörte Bevölkerung. Aber der Mann für Finanzen hat ja den Sozialbereich, der sich prima zum Vorführen öffentlicher Kürzungsorgien eignet. Da ist jeder mit dabei, kann mitreden und glaubt wahrscheinlich auch, gar nicht zu jenen zu gehören, die am Ende beim Tritt in die Wichteile betroffen sein werden.

Besonders widerwärtig war dann auch Schäubles Behauptung, mit dem Sparpaket der Bundesregierung würde sich die Politik vertärkt darauf konzentrieren, dass die Menschen wieder Arbeit aufnähmen. Konkret steht in dem Kürzungsprogramm aber drin, dass gerade die Eingliederungshilfen der Arbeitsagentur, die, wie der Name es schon sagt, für die Eingliederung Arbeitsloser/-suchender in den Arbeitsmarkt als Versicherungsleistung bisher vorgesehen waren, einfach ersatzlos gestrichen werden sollen. Was ist das nun?

Liberal? Christlich-Sozial? oder konservativ?

Oder einfach nur dummes Geschwätz? Es muss wohl an den Genen liegen, dass so viel Unsinn vor einer breiten Öffentlichkeit vorgetragen wird. Herr Sarrazin hat sich übrigens ebenfalls mit einem Deal von seinem Bundesbanker-Posten verabschiedet. Die aktive Rolle der Bundesregierung, wird dabei natürlich wieder dreist geleugnet. Rund 1000 Euro mehr Rente und der Rückzug war perfekt. Da fragt man sich, wie viele Dosen Ravioli und warme Pullover sich ein Herr Sarrazin eigentlich zulegen möchte, um über die Runden zu kommen. Das wird den Stammtisch aber wieder nicht interessieren. Was sind schon 1000 Euro mehr für einen Banker. Peanuts! Aber ein auf Steuerzahlerkosten finanzierter Rollkragenpullover für einen Hartz IV-Empfänger, das geht nicht. Auf diesem Niveau in etwa bewegen sich die Denk- und Hasshorizonte der von Sarrazin und auch Schäuble verseuchten Massenhirne.

Und nur der Gysi warnt…

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Monitor zur AKW-Laufzeitverlängerung

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Der Bundesumweltminister Röttgen muss wohl zum Optiker, scheint er doch seine eigenen Gesetzesvorlagen nicht zu kennen. Dabei müsste man nicht einmal gut sehen können, um zu begreifen, dass ein Staatsekretär (Gerald Hennenhöfer), der vor seiner öffentlichen Berufung als Atomlobbyist unterwegs war, wohl kaum einen Nouvellierungsvorschlag zu Stande bringt, der seinen aktuellen ehemaligen Brötchengeber schadet. Dringende Maßnahmen zur Sicherung der älteren Atommeiler werden laut einer Bund-Länder-Liste auf die lange Bank geschoben bzw. mit einer Erledigungsfrist über den jetzt ausgehandelten Abschalttermin hinaus belegt.

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Nachtrag zum abschwingenden Aufschwung

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Laut Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle befindet sich die deutsche Wirtschaft in einem Aufschwung XL. Nun haben wir ja heute anhand statistischer Daten und Fakten festgestellt, das Herr Brüderle einmal mehr zu tief ins Glas geschaut hat. Jochen Hoff sagt es auf Duckhome so:

„Es ist noch nicht einmal einen Monat her, als der Wirtschaftsminister mit der roten Nase, die aber nicht vom übertriebenen Alkoholgenuss stammen soll, für Deutschland einen Aufschwung XL präsentierte. Er nahm eine Momentaufnahme, als die Lager wieder gefüllt werden mussten um dies als Aufschwung zu deuten, während überall auf der Welt die Wirtschaft in stärkste Probleme geriet.

Die Steigerung bei der Nachfrage nach den Vorleistungsgütern ist nichts anderes als das Auffüllen der Lager, nachdem man im Vormonat noch einiges an Aufträgen abgewickelt hat. Alles in allem wird die wirtschaftliche Lage weltweit schlechter.

Gekaufte und völlig verkommene Parteien wie die FDP, möchten nun dieses Geld, dass sie mit einem Lachen den Reichen gegeben haben, von den Arbeitenden, Armen und Kranken aufbringen lassen, damit die Reichen noch reicher werden. Um die, die von Brüderle und der gesamten Bundesregierung jetzt zugunsten der Reichen ausgeplündert werden, ruhig zu halten, belügt Brüderle die Menschen mit einem Aufschwung XL, während es die Spatzen von den Dächern pfeifen, dass es schnell abwärts geht.

In den USA spricht der Präsident schon von neuen Konjunkturprogrammen die er gerne über neue Schulden finanzieren möchte, während ihm der Markt für Wohn- und Gewerbeimmobilien mit steigender Geschwindigkeit zusammenbricht und die Industrie erschreckend schnell schrumpft.“

Nun kommt noch etwas anderes hinzu. Im Aufschwung XL ist es offenbar auch möglich, dass die deutschen Kommunen in diesem Jahr das größte Haushaltsloch aller Zeiten verzeichnen werden. Die dazugehörige Agenturmeldung, die im Radio zu hören und im Internet nachzulesen ist, ist an Lächerlichkeit kaum zu überbieten. Denn die beginnt so…

Trotz der Konjunkturerholung steuern die Städte und Gemeinden dieses Jahr nach einem Pressebericht auf das größte Haushaltsloch aller Zeiten zu.

Quelle: Stern

Häh? Steckt in diesem Satz nicht ein großer Widerspruch? Könnte es nicht vielleicht sein, dass es überhaupt keine signifikante Konjunkturerholung gibt, wenn die Städte und Gemeinden mit einem Rekorddefizit in ihren Kassen rechnen müssen? Ist es wirklich zuviel verlangt, das Offensichtliche beim Namen zu nennen? Nämlich das wir von der schwarz-gelben Bundesregierung und den Mietmäulern der Wirtschaft schamlos belogen und betrogen werden? Nein, das ist nicht möglich. Die Sozialausgaben sind schuld. Der Sozialstaat ist einfach noch viel zu aufgebläht, lautet die Erklärung. Und damit sich der Kreis schließt, könnte man Sarrazins absurde Thesen über dumme gebährfreudige Ausländer, die der Allgemeinheit nur auf der Tasche liegen würden, doch prima mit den aktuellen Zahlen zur Haushaltslage verbinden und zur Hatz auf diese Menschen in den Kommunen aufrufen…

Denn am Aufschwung XL wird nicht gerüttelt.

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Im Aufschwung ist halt alles möglich, sogar ein Abschwung

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So könnte man die Meldung des Bundeswirtschaftsministeriums, das eigentlich Mysterium heißen müsste, zum völlig überraschenden Rückgang der Auftragseingänge in der deutschen Industrie von gestern in etwa beschreiben.

Quelle: BMWi

Die Auftragseingänge in der Industrie sind vorläufigen Angaben zufolge [1] im Juli preis- und saisonbereinigt [2] um 2,2 % zurückgegangen.

Im Zweimonatsvergleich Juni/Juli gegenüber April/Mai, der den grundlegenden Trend besser widerspiegelt, erhöhte sich das Auftragsvolumen in der Industrie saisonbereinigt um +2,4 % weiter deutlich.

Ihren Vorjahresstand überschritten die Industrieaufträge im Juni/Juli kalenderbereinigt um 21,2 %.

Die derzeit kräftigen Nachfrageschwankungen sind vor allem auf die Entwicklung der Großaufträge im Bereich der Investitionsgütersektoren zurückzuführen. In der Tendenz ist die Nachfrage nach industriellen Erzeugnissen dagegen weiter aufwärts gerichtet. Das Wachstum der Bestellungen schwächte sich nach der außergewöhnlich starken Bestelldynamik im Frühjahr dieses Jahres allerdings weiter ab.

Hier versucht das Bundeswirtschaftsministerium einmal mehr die Lage zu beschönigen. Besonders die Erwähnung der 21,2 % mehr Aufträge im Vergleich zum Juni/Juli des Vorjahres ist mehr als unseriös, wenn man nicht gleichzeitig ausführt, dass letztes Jahr der Tiefpunkt der wirtschaftlichen Entwicklung erreicht wurde. Mit dem Ausbruch der Wirtschaftskrise sackten die Auftragseingänge der deutschen Industrie nämlich um knapp 30 Prozent ab. Wer also nun die aktuelle Lage lediglich mit der vor einem Jahr vergleicht, wird zwangsläufig zu einer positiven Tendenz kommen. Gesamtwirtschaftlich betrachtet verläuft die Erholung aber auf einem nach wie vor unterirdischen Niveau. Vielleicht hilft dabei eine offizielle Grafik des statistischen Bundesamts, um den Sachverhalt zu verstehen.

Auftragseingänge

Die deutsche Wirtschaft befindet sich also noch immer in einem langsamen Aufholprozess, bei dem das Vorkrisenniveau längst noch nicht erreicht wurde. Im Gegenteil. Es geht bereits wieder nach unten. Denn nicht nur die Auftragseingänge gehen zurück, sondern auch die Exporte, wie das statistische Bundesamt heute mitteilt. Unter der wie immer irritierenden Überschrift „Deutsche Ausfuhren im Juli 2010: + 18,7% zum Juli 2009“ steht im Text:

Kalender- und saisonbereinigt nahmen die Ausfuhren gegenüber Juni 2010 um 1,5% und die Einfuhren um 2,2% ab.

Auch hier wird also eine Beschönigung der Lage vorgenommen, in dem man den zweistelligen Zugewinn der Exporte (+ 18,7 Prozent) im Vergleich zum Krisentiefpunkt des letzten Jahres plakativ in den Vordergrund rückt. Es fehlt auch hier der Hinweis auf den deutlich höheren Einbruch der Ausfuhren im Jahr 2009 im Vergleich zum Vorkrisenzeitraum 2008. Wenn sie sich die in der Meldung beigelegte Tabelle anschauen, werden sie die schwache Basis sofort erkennen.

Ausfuhren

Tja, so sieht es aus. Doch was wollen uns die Politiker weismachen, wenn sie ihre auf gemessenen Stimmungslagen beruhenden Monatsberichte vorlegen?

Quelle: Aus dem Monatsbericht August 2010 des Bundesfinanzministeriums vom 20.08.2010

Die monatlichen Konjunkturindikatoren signalisieren einen günstigen Einstieg der deutschen Wirtschaft in das 3. Quartal. So ist eine Vielzahl von Stimmungsindikatoren klar aufwärtsgerichtet. Zugleich wird die industrielle Produktion weiterhin von einer deutlich verbesserten Auftragslage profitieren.

Statt den Fakten folgen wir doch lieber den offensichtlich sehr genauen Stimmungen. Na dann gute Nacht.

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Zur wirtschaftlichen Lage (Einzelhandel und Arbeitsmarkt)

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Vor einer Woche jubelten die Medien wieder über das gestiegene Verbraucherklima und den ifo-Geschäftsklimaindex. Die Erholung der Wirtschaft schreite mit großem Tempo voran, hieß es. Die Wirklichkeit sieht indes anders aus. Das statistische Bundesamt hat kürzlich seine Methode zur Messung der Einzelhandelsumsätze geändert und prompt eine nachträgliche Verbesserung der Lage gemeldet. Dennoch kann auch die neue Messmethode nicht darüber hinwegtäuschen, dass der private Konsum weiter im Keller bleibt. Für den Monat Juli melden die Statistiker heute einen Anstieg der Umsätze im Einzelhandel im Vergleich zum Vorjahreskrisenmonat Juli um schlappe 0,8 Prozent (Quelle: destatis). Im Vergleich zum Vormonat Juni allerdings gingen die Umsätze schon wieder zurück. Und das zu einem Zeitpunkt, von dem die Wahrsager der GfK meinten, dass die Kauflaune der Deutschen in realen Konsum umgesetzt werden würde.

Pustekuchen. Wie immer eigentlich. Besonders auffällig ist mal wieder der Rückgang beim Handel mit Lebensmitteln. Das kann auch den statistischen Laien nicht verwundern. Denn wer mit wachen Augen durch die Discounter dieser Republik seinen Einkaufswagen schiebt, wird sicherlich bemerkt haben, dass eine Angebotswoche mit neuen Tiefstpreisen der nächsten folgt. Inzwischen werden Lebensmittel regelrecht verramscht. Ob XXL-Wochen oder Kampfpreise im Cent-Bereich. Der Kunde braucht schon gar nicht mehr auf Aktionsware zu warten, weil die entsprechenden Produkte bereits dauerrabattiert sind, immer im Wechsel zwischen den großen Handelsketten. Ich frage mich an dieser Stelle, ob dieser Prozess überhaupt noch umkehrbar ist.

Am Arbeitsmarkt sieht es ähnlich trübe aus. Unreflektiert feiert man eine angeblich positive Entwicklung. Der Einzelhandelsverband entblödet sich auch nicht zu behaupten, dass gerade wegen der guten Aussichten auf dem Arbeitsmarkt die Umsätze im Einzelhandel ansteigen würden.

„Die sinkende Arbeitslosigkeit und der kräftige Aufschwung heben die Kauflaune“, sagte der Sprecher des Handelsverbandes HDE, Kai Falk. „Die hochsommerlichen Temperaturen führten außerdem dazu, dass den Händlern Bade- und Sommerbekleidung geradezu aus den Händen gerissen wurde.“

Quelle: ZDF

Dabei hat sich auf dem Arbeitsmarkt im August gar nichts verändert (-0,1 Prozent im Vergleich zum Juli 2010, Quote unverändert bei 7,6 Prozent). Über das Jahr betrachtet entpuppt sich die angebliche Erholung als ein reiner statistischer Effekt. Im Vergleich zum letzten Jahr sind nämlich hunderttausend Personen aus der Statistik verschwunden, weil diese in Rente gegangen sind und weitere Zehntausende, die einfach nicht mehr mitgezählt werden, wie Arbeitssuchende z.B., die durch private Vermittler betreut werden (siehe Spiegel Online). Der Anteil der Langzeitarbeitslosen hat im Vergleich zum Vorjahr sogar um zwei Prozent auf rund eine Million zugenommen.

„Mehr als zwei Drittel (69,0 %) des Abbaus von Arbeitslosigkeit im Jahresvergleich geht allein auf das Konto der Zunahme an unsicherer und schlechter bezahlter Leiharbeit.

Nur noch knapp 55 % der Arbeitslosengeldempfänger werden ehrlich als arbeitslos ausgewiesen.“

Quelle: Jahnkes Infoportal

Angesichts dieser Fakten muss jede Aufschwungseuphorie als pures Fantasiegehabe betrachtet werden. Die Menschen werden nicht mehr Geld ausgeben, um die Wirtschaft zu stabilisieren. Dagegen spricht gerade die Entwicklung des Arbeitsmarkts. Prekäre Beschäftigungsverhältnisse führen eben nicht zu einem Mehr an Sicherheit oder höheren Konjunktur- und Einkommenserwartungen, wie die Wahrsager von GfK, ifo und andere immer wieder behaupten, sondern gerade zum Gegenteil. Die Menschen müssen sich immer öfter mit der Situation arrangieren, dass nichts mehr sicher ist. Viele hochintelligente Turboleister geben das auch ganz unverhohlen zu, wenn sie von der Notwendigkeit der Flexiblilisierung des Arbeitsmarktes faseln, dabei aber nur die Flexibilität der Arbeitnehmer meinen.

Über alledem schwebt natürlich auch die beabsichtigte Kürzungs- und Sparpolitik der Bundesregierung, die bereits jetzt Kommunen und Städte trifft. Die Menschen bekommen dort ganz konkret zu spüren, was es heißt, wenn die öffentliche Hand Subventionen und Aufgaben aus Sparzwängen heraus einstellen muss. Die offenen Beträge zahlt der Bürger. Diese simple Rechnung ist jedem klar vor Augen und gar nicht so schwer zu kapieren, nur die Medienverteter tun sich dabei schwer, weil sie sich so gern an den Schnittchenbuffets von Politik und Wirtschaft satt fressen und lieber das Hirn ausschalten, als ordentliche Arbeit zu verrichten…

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"Amerika erlebt einen düsteren Sommer"

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Die Krise zeigt sich in den USA erneut mit aller Macht: Wer Geld übrig hat, der spart und lässt das Konsumieren sein. Ein Augenschein an der neuenglischen Küste bestätigt diese Einschätzung. An den weiten Sandstränden hat es zwar weiterhin Besucher. Aber in den Läden der Badeorte bleibt die Ware liegen, obwohl viele Besitzer bereits Rabatte von 50 Prozent und mehr anbieten. Die Zahlen bestätigen den subjektiven Eindruck. Seit dem Frühsommer sind die private Nachfrage und das Wirtschaftswachstum überall in den USA erlahmt, während die Arbeitslosigkeit im Juli erneut anstieg. Dabei führt die offizielle Quote von 9,5 Prozent in die Irre, da sie Arbeitsfähige ausklammert, die bei der Jobsuche aufgegeben haben. Von der miserablen Wirtschaftslage besonders betroffen sind neben Schwarzen und Latinos jugendliche US-Bürger, von denen jeder vierte arbeitslos ist. Dies ist der schlechteste Wert seit 1949. Der Anteil der Langzeitarbeitslosen ist inzwischen so hoch wie während der Grossen Depression in den dreissiger Jahren des 20. Jahrhunderts.

Quelle: NZZ (via Hinweisen des Tages auf den NachDenkSeiten)

Im zweiten Quartal wuchs die amerikanische Wirtschaft um lediglich 0,6 Prozent, nachdem sie im ersten noch um 0,9 und im letzten Quartal 2009 um 1,2 Prozent zunahm. Aber bei uns ist „Aufschwung XL“, weil die Exportwirtschaft so boomt. Irgendetwas kann da nicht stimmen. Die Amerikaner fallen jedenfalls als künftiger Abnehmer deutscher Waren aus. Am meisten exportiert Deutschland in die EU. Und auch die fallen demnächst als Abnehmer aus, so fern die Bundesregierung als wirtschaftspolitisches Zugpferd der EU auf den Sparprogrammen seiner europäischen „Partner“ besteht.

Die Griechen zum Beispiel setzen trotz oder vielmehr gerade wegen des von der EU und dem IWF forcierten Sparprogramms ein Quartal nach dem nächsten in den Sand (Q3/2009 -0,5; Q4/2009 und Q1/2010 -0,8; Q2/2010 -1,5 Prozent). Die Wirtschaft schrumpft und die Schulden wachsen. Wollte man nicht das Gegenteil erreichen?

In Deutschland hingegen lobt sich die frisch erholte Kanzlerin selbst für ihre Politik. Sie ließ durch den frisch gebackenen Regierungssprecher Seibert ausrichten, dass sowohl die Politik als auch Unternehmen und Gewerkschaften etwas richtig gemacht hätten (siehe FAZ). Und dann sagte Seibert oder Merkel, keine Ahnung:

„Wir haben nicht mehr Geld, sondern nur ein bisschen weniger Schulden.“

Bei dem Satz habe ich lange überlegt. Wenn man nun festgestellt hat, durch volkswirtschaftliches Wachstum weniger Schulden zu haben, wieso sollte man dann eine hirnrissige Sparpolitik weiterbetreiben wollen, die das Wachstum ausbremst, wie der Fall Griechenland sehr schön zeigt? Aus welchem Grund? Wenn es also richtig ist, dass kreditfinanzierter Staatskonsum zu weniger Schulden führt, weil die so entstehende Nachfragesteigerung die Wirtschaft belebt, verstehe ich die Logik der Bundesregierung an dieser Stelle einfach nicht. Sie widerspricht sich in einem Satz.

Den obigen Satz könnte man allerdings auch so verstehen, dass erst dann wieder von mehr Geld gesprochen werden könne, wenn es gar keine Schulden mehr gibt. So gesehen, wird es nie wieder mehr Geld geben. Aber wie der Film im vorigen Beitrag zeigt, gibt es viel Geld, auf das der Staat einfach verzichtet.

Aber ich war ja noch bei Amerika und der dortigen Wirtschaftsflaute. Die Deutschen „Star-Ökonomen“ meinen ja, dass die Entwicklungsländer wie China und Indien gerade Maschinen und chemische Produkte „made in Germany“ für ihren Aufstieg bräuchten und somit die deutsche Konjunktur längerfristig beflügeln würden. So zum Beipiel der fälschlicherweise als „Experte“ titulierte INSM-Botschafter Michael Hüther kürzlich (siehe NDR-Info). Das ist natürlich nur eine Teilwahrheit. Denn ohne amerikanische Nachfrage wird auch der aktuelle Exportweltmeister China keine Waren „made in Germany“ brauchen, um die in Kombination mit noch niedrigeren Personalkosten hergestellten Billigprodukte auf dem Weltmarkt anbieten zu können. Wer soll den Mist denn kaufen, wenn der Rest der Welt mit Sparen beschäftigt ist?

Aber es ist ja noch etwas anderes. Michael Hüther, der hierzulande gegen jede Form des Keynesianismus wettert und Konjunkturprogramme und eine Stärkung der Binnennachfrage am liebsten ins Reich der Märchen verbannen würde, ausgerechnet dieser neoliberale Hampelmann stellt sich hin und lobt die Konjunkturpolitik der Volksrepublik China, von der die Deutschen in Zukunft wohl profitieren sollen, wenn die USA und ganz Europa als Nachfrager deutscher Billigprodukte ausfallen. Dabei war China doch in den Augen dieser angeblichen „Experten“ immer ein Konkurrent. Nun soll also ausgerechnet China, in dem bereits Immobilienblasen zu platzen drohen, zur Lokomotive der Weltwirtschaft werden (siehe Jens Berger, Telepolis)? Wohl kaum.

„Am chinesischen Wesen wird die deutsche Volkswirtschaft genesen? Wenn man hierzulande nicht bald die Weichen in Richtung Binnenwirtschaft stellt, wird man in Nibelungentreue zusammen mit dem Dogma der freien Märkte untergehen.“

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Zum Thema Rente…

Geschrieben von:

…fällt mir eigentlich nix mehr ein. Offensichtlich ist jeder geil darauf, endlich bis 67 oder neuerdings bis 70 arbeiten zu dürfen. Jedenfalls vermitteln zahlreiche Medien diesen Eindruck. Wenn ich mir den Michael Hüther, Chefideologe der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, kurz INSM, so anschaue und seine nicht wenigen Auftritte in den Nachrichten der letzten Tage revue passieren lasse, frage ich mich, was die Journalistinnen und Journalisten in diesem Land befallen haben mag, diesen angeblichen Wirtschaftsexperten überall zu Wort kommen zu lassen. Ist es wegen der Aussage, das Renteneintrittsalter gleich auf 70 hochzusetzen, bevor die Überprüfung der Rente mit 67 abgeschlossen wird? Oder soll die Drohung mit dem Renteneintrittsalter ab 70 nur wieder Verhandlungsmasse sein, die das Arbeitgeberlager anbietet, um wenigstens die Rente mit 67 ohne große Proteste durchdrücken zu können?

Denn schließlich hat sich die SPD in Gestalt ihres wuchtigen Vorsitzenden in geradezu lächerlicher Art und Weise hingestellt und unter dem Eindruck völliger Überraschung festgestellt, dass viele ältere Menschen nicht einmal bis 65 arbeiten, sondern schon viel früher in Rente gehen oder einfach arbeitslos sind. Michael Hüther weiß das übrigens auch und meinte, dass das Recht, früher in Rente zu gehen, ja gar nicht beschnitten werde. Mit entsprechenden Abschlägen sei das ja auch weiterhin möglich. Bei dieser Bemerkung Hüthers wusste ich gar nicht, was ich zuerst machen sollte. Das Radio an der frisch renovierten Wand zerdeppern oder die Tapeten gleich wieder abreißen oder einen der Umzugskartons als künftigen Altersruhesitz beiseite packen.

Denn wenn ich nach heutigem Stand mit 65 Jahren in Rente gehen will, hätte ich einen Abschlag von jährlich 3,6 Prozent hinzunehmen, also im ganzen 7,2 Prozent. Bei den Versicherungen und Finanzberatern heißt das „Versorgungslücke“, die es zu schließen gilt. Das haben sie bestimmt schon einmal gehört. Und vielleicht können sie sich dann auch denken, warum der Herr Hüther von der INSM und der Herr Gabriel von der SPD und die gesamte Medien-Mietmaul-Landschaft so ein Theater veranstalten. Richtig. Die Versicherungsbranche braucht wieder neue Kunden. Denn das Geschäft, das Carsten Maschmeyer (neuerdings ja auch Regierungsberater) in seiner früheren Funktion als Chef des AWD als Ölquelle bezeichnet hatte, scheint an Fahrt zu verlieren. Zumindest würde ich so die Entwicklung der Zahl der abgeschlossenen Riester-Verträge interpretieren.

Riester Verträge
(Daten für die Grafik aus Wikipedia übernommen)

Die Drohung mit der 70 und das Herumgeeiere der SPD sowie die gleichgeschaltete und verständnislose Reaktion der Medien gegenüber einer Rücknahme der Rente mit 67, wird die Kurve sicherlich wieder etwas ansteigen lassen. Denn den Arbeitnehmern wird ganz klar signalisiert, dass ihr nur dann eine gesetzliche Rente in voller Höhe bekommt, wenn ihr die Altersgrenze erreicht, die wir (gemeint ist jetzt die Versicherungswirtschaft, die durch politische Hampelmänner vertreten wird) vorgeben. D.h, dass sich jeder Arbeitnehmer zwangsläufig überlegen muss, was er nun macht. Denn eins ist jedem, also Arbeitnehmern und der Versicherungswirtschaft, klar. Bis 67 oder 70 werden die wenigsten arbeiten können. Sie müssen also vorsorgen und lächelnde Versicherungsvertreter, die dabei gern behilflich sind, gibt es nach wie vor an jeder Ecke.

Es geht also nicht um die Alterung der Gesellschaft oder um die Generationengerechtigkeit, sondern schlicht und ergreifend um ein mieses Geschäft. Wer das noch immer nicht begriffen hat, dem ist auch nicht mehr zu helfen. Übrigens sind es gerade die Versicherungskonzerne, die die kapitalgedeckte Altersvorsorge zunnehmend kritisch sehen, weil sie in permanenten Niedrigzinszeiten (wir haben ja Krise und keinen Aufschwung, aber das ist ein anderes Thema) ihre Renditeversprechen nicht mehr einlösen können. Aber das ändert ja nichts daran, dass die Menschen einen Teil ihres Geldes diesen Konzernen zur Verfügung stellen sollen. Für ausgefallene Renditen könnte doch der Steuerzahler wieder einspringen.

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Neue Wirtschaftsdaten: Manipulationen und Dummheiten wohin man schaut

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Heute meldete das statistische Bundesamt in manipulativer Weise:

Bruttoinlandsprodukt im 2.Quartal 2010 mit Rekordzuwachs

Die deutsche Wirtschaft holt rasant auf: Im zweiten Vierteljahr 2010 war das Bruttoinlandsprodukt (BIP) – preis-, saison- und kalenderbe­reinigt – um 2,2% höher als im ersten Vierteljahr, teilt das Statistische Bundesamt (Destatis) mit. Ein solches Wachstum zum Vorquartal gab es noch nie im vereinigten Deutschland. Zudem wurde auch das Ergebnis für das erste Quartal 2010 deutlich nach oben korrigiert auf nun + 0,5%. Der zum Jahreswechsel 2009/2010 ins Stocken geratene Aufschwung der deutschen Wirtschaft hat sich damit eindrucksvoll zurückgemeldet.

Und Springers Märchen-Welt macht daraus:

Was wurde Deutschland beschimpft. „Dumm“ sei die Bundesregierung, wetterte Wirtschafts-Nobelpreisträger Paul Krugman. Die größte Wirtschaft der Eurozone müsse ihr Modell umstellen, mehr auf Pump konsumieren, weniger exportieren.

Die heute veröffentlichten Wachstumszahlen sagen daher vor allem eines: Das deutsche Geschäftsmodell ist richtig. Furios hat sich die Bundesrepublik an die Spitze des Wachstums in den Industrieländern gestellt. Sie erholt sich schneller als alle anderen von der Finanzkrise. Der Grund liegt vor allem im Export in die Schwellenländer, die wieder boomen. Deutsche Unternehmen haben frühzeitig darauf gesetzt, das kommt ihnen jetzt zugute.

Die deutsche Bundesregierung ist immer noch „dumm“ und ich füge hinzu, zahlreiche Journalisten auch, die der Jubelmeldung des statistischen Bundesamts auf den Leim gehen. Vergessen ist noch immer der tiefe Einbruch im Jahr 2009, den man doch als Basis des aktuellen Konjunkturpluses im Blick behalten muss. Natürlich erholt sich Deutschland schneller als alle anderen. Herr Gott noch mal, das ist kein Zauber. Deutschland ist doch auch am deutlichsten in den Abgrund gerauscht. Vergleicht man die Zahlen, wird man feststellen, dass die deutsche Wirtschaft im Vergleich zum Vorjahresquartal zwar deutlich gestiegen ist, aber zum Vorkrisenquartal Q2/2008 immer noch im Minus liegt – mit 2 Prozent (siehe Joachim Jahnke). Das verschweigt das statistische Bundesamt im Text. Dagegen kann sich jeder anhand der beigefügten Tabelle selbst ein Bild machen.

Im Augenblick geht es rasant nach oben, aber nicht so rasant, wie es im Jahr 2009 nach unten ging. Und da liegt der Hase im Pfeffer. Denn es stellt sich die Frage, was passiert, wenn die schönen weltweiten Wachstumsmotoren, von denen Deutschland schon wieder brutal abhängig ist, abermals ihre Kraft verlieren, weil der Sprit ausgeht? Nach gegenwärtigem Stand müsste Deutschland genauso schnell wieder nach unten rutschen, vielleicht sogar noch tiefer als 2009. Warum? Weil es außer dem Export nichts weiter gibt, das die deutsche Wirtschaft tragen könnte. Zwar deuten die Statistiker an, dass Investitionen sowie privater und staatlicher Konsum zum Wachstum beigetragen hätten, es ist aber klar, dass vor allem der Außenhandelsbeitrag für das Wachstum entscheidend war und damit die Tatsache, dass Deutschlands Wirtschaft von der Verschuldung anderer Staaten abhängig ist.

Zur Erläuterung noch einmal die sehr schöne Grafik von Michael Schlecht, Chefvolkswirt der Partei die Linke im Bundestag, über die Verwendung des BIP im ersten Quartal 2010:

Wachstumsbeiträge
Quelle: Michael Schlecht, MdB

Sollte der schöne blaue Balken „Außenhandel“ wie im Jahr 2009 plötzlich ins Minus drehen, wäre nichts mehr da, dass einen Absturz aufhalten könnte. Das zeigt die Grafik im Vergleich zum Vorjahr sehr schön. Im Übrigen wird der gelbe Balken „staatlicher Konsum“ in diesem Jahr einfach weg- oder deutlich kleiner ausfallen, weil die Konjunkturmaßnahmen auslaufen. Deutschland verlässt sich also nur auf den Export und damit auf die Konjunkturprogramme anderer Länder, denen es aber gleichzeitig einen Konsolidierungskurs empfielt und aufzwingt.

Deutschland verlässt sich aber auch darauf, dass der alte Weltwachstumsmotor USA wieder kräftig brummen wird. Immerhin hängt die amerikanische Wirtschaft zu 70 Prozent vom Konsum der eigenen Leute ab. Aber hat einer der jubelnden Journalisten einmal auf die aktuellen Arbeitsmarktdaten geschaut? Die gab es doch gestern und haben den DAX nach unten gedrückt. Das ist aber dann auch alles was Journalisten bedrückt, wenn der DAX einen Knicks nach unten macht. Was nun aber die amerikanischen Arbeitsmarktdaten konkret für unser deutsches „Geschäftsmodell“ bedeuten, bleibt unerklärt.

Quelle: Reuters

Nach enttäuschenden Daten vom Arbeitsmarkt haben die US-Börsen ihre Talfahrt am Donnerstag fortgesetzt.
Ein überraschender Anstieg der Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe schürte die Sorgen, dass die US-Wirtschaft in die Rezession zurückfallen könnte.

Die Lage am US-Arbeitsmarkt verschlechterte sich weiter: In der Woche bis 7. August meldeten sich dem Arbeitsministerium zufolge so viele Bürger arbeitslos wie seit einem halben Jahr nicht mehr. Ihre Zahl stieg auf 484.000. Analysten hatten lediglich 465.000 erwartet. In den zurückliegenden vier Wochen lag der Schnitt bei 473.500. Auch das ist der höchste Wert seit Februar. „Die Regierungshilfen sollten eigentlich jetzt richtig greifen. Die Erstanträge entwickeln sich aber in die falsche Richtung. Sie bestätigen, wie schlecht die Dinge geworden sind“, sagte Marktexperte John Brady von MF Global.

Und was hat die deutsche Exportwirtschaft nun davon, wenn die amerikanische Arbeitslosenquote steigt? Richtig. Nichts oder zumindest weniger. Sollten die USA erneut einbrechen, ist Deutschlands erfolgreiches „Geschäftsmodell“, wie es oben in der Märchen-Welt schon wieder gefeiert wird, abermals am Ende. Ob es dann zu einem Umdenken reichen wird, hängt maßgeblich von der Absturztiefe ab… Ich fürchte aber, dass auch dieses drohende Szenario kaum etwas an dem vorherrschenden Dogma ändern wird.

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