
Bundeskanzler Merz im O-Ton: „Frau Zimmermann, ich bin Ihnen dankbar für den Begriff Drecksarbeit. Das ist die Drecksarbeit, die Israel macht – für uns alle.“ Das sagte er im ZDF und in der ARD: „Es wäre gut, wenn dieses Mullah-Regime an sein Ende käme.“ Er plädiert also offen für einen Regime Change. Offenbar weiß er gar nicht, wie die Mullahs an die Macht gekommen sind. Ihm ist dann vermutlich auch egal, was nach einem möglichen Sturz folgen könnte. Wird schon nicht so schlimm werden.
Der Begriff Drecksarbeit ist vor allem ein Schlagwort, das gut klickt. Die Medien sind voll davon. Und dabei fallen auch alle Hemmungen. Der Kapitalismus funktioniert. Nur hätte vor einer Woche niemand einen Angriff auf den Iran wegen dessen Atomprogramm als gerechtfertigt erachtet, heute gilt es dagegen als unvermeidbar und logisch. Hat man sich letzte Woche noch über Russlands völkerrechtswidriges Vorgehen in der Ukraine erregt, diskutiert man heute, ob das Völkerrecht überhaupt noch eine gültige Kategorie ist.
Hat man vor einer Woche noch an den Lippen der Geheimdienste gehangen, wenn die mal wieder etwas über die dunklen Absichten Moskaus verlautbarten, weshalb man schnell aufrüsten und kriegstüchtig werden müsse, ignoriert man dieses Mal derer gleich 18, weil deutsche Staatsräson offenbar bedeutet, alles zu tolerieren und zu unterstützen, was Israel im Nahen Osten macht. Begründung: Der Iran stehe kurz vor der Bombe, was übrigens seit rund 30 Jahren der Fall zu sein scheint, wie das Archiv verrät. Der Vorgang erinnert auch an die Massenvernichtungswaffen des Iraks, die bis heute nicht gefunden worden sind.
Zweite These, die derzeit ständig wiederholt wird: Der Iran beabsichtige, Israel vollständig von der Landkarte zu tilgen. Sie soll wohl die Tatsache schmälern, dass Unterhändler bis zum 13. Juni 2025 über ein Abkommen verhandelten. Doch der Iran hatte offenbar alle getäuscht, weil er auf militärische Angriffe Israels und die Ermordung des Verhandlungsführers mit empfindlichen Gegenschlägen reagierte. Und dank des Zensors wissen wir, das Iran vornehmlich zivile Objekte zerstört, während Israel ausschließlich militärische Ziele bekämpft. Das werten Staatskünstler wie der Zweitewahlkanzler als infam.
Teheran müsse seine Aggression umgehend einstellen und an den Verhandlungstisch, den es ja nie verlassen hatte, zurückkehren. Das Ziel ist offenbar ein Abkommen über jenes Atomprogramm, das vor einer Woche noch keine Bedrohung war. Wenn man nur schon so ein Abkommen hätte. Laut Gedächtnis, Wikipedia und der KI soll das ja im Jahr 2015 der Fall gewesen sein, gefiel dann aber dem heutigen Präsidenten der Vereinigten Staaten in seiner ersten Amtszeit nicht. Er hielt es für einen schlechten Deal und kündigte den Vertrag, vielleicht auch, um sich für die Witze zu rächen, die sein Vorgänger und Friedensnobelpreisträger beim Korrespondenten-Dinner im Weißen Haus über ihn machte.
Heute hat der selbsternannte Deal-Maker nur noch die Wahl zwischen schlechten Optionen. Die eigene Fanbase (MAGA-Bewegung) lehnt einen Krieg gegen Iran ab, das sonst so verhasste Establishment befürwortet ihn wohl eher. Mit Sprüchen allein, ist es nun nicht mehr getan. Und die innere Stimme sagt wohl: You don’t have the cards. Bleibt also nur, sich der Drecksarbeit anzuschließen, die dann diesem unsäglichen Kanzler wohl ein weiteres Mal große Bewunderung entlocken wird.
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Bildnachweis: Screenshot, ZDF.
JUNI
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.