
Die Serie der haltlosen Ultimaten gegen Russland ist beendet. Offiziell spielen sie keine Rolle mehr, denn die Europäer verfolgen eine komplizierte Strategie, erklärt der Spiegel verständnisvoll. Und die besteht gar nicht darin, Putin unter Druck zu setzen, sondern darin, den amerikanischen Präsidenten Trump wieder auf die Seite der Europäer zu ziehen. Deshalb werde Putin seit Wochen als Friedensverhinderer gebrandmarkt. Wie nützlich wären dann eigentlich Fortschritte bei den Verhandlungen in der Türkei?
Hier zunächst einmal die Zitate aus dem Bericht des Spiegel, die bemerkenswert sind.
Tatsächlich aber geht es den Europäern derzeit nicht in erster Linie darum, Putin unter Druck zu setzen. Macron, Tusk, Merz und Starmer haben mittlerweile vor allem Trump im Blick. Ihn wollen sie doch noch auf ihre Seite ziehen, zumindest so weit es geht. […] Seit Wochen setzen die Europäer alles daran, Putin als Friedensverhinderer zu brandmarken. Dem amerikanischen Präsidenten soll vor Augen geführt werden, dass der Bremser im Kreml sitzt. Man selbst sei gesprächsbereit – im Gegensatz zum Mann im Kreml. Oder wie Selenskyj es ausdrückt: »Trump muss zur Überzeugung kommen, dass Putin lügt.«
Das ist doch sehr interessant und erklärt natürlich auch die laufende Berichterstattung, wonach das Hauptargument der Medien darin besteht, dem russischen Präsidenten vorzuwerfen, gar nicht selbst zu den Verhandlungen zu erscheinen, die er vorgeschlagen hat. Dabei wäre das ohnehin die Ausnahme und nicht die Regel gewesen, wie ich im Artikel Haltlose Ultimaten II versucht habe zu zeigen.
Die Strategie der Europäer, die der Spiegel so nonchalant aufgeschrieben hat, wird von den Handelnden tatsächlich so umgesetzt. So verurteilt der britische Premier die „Hinhaltetaktik“ des Kremls und spricht von einer „Verweigerung des Friedens“ durch Russlands Präsidenten Wladimir Putin, was Konsequenzen haben müsse. Doch diese Konsequenzen sind zahnlos, wie die Woche der haltlosen Ultimaten zeigte.
Zum Glück klärt der Spiegel darüber auf, dass die ganze Übung nur dem Zweck dient, Trump zu beeindrucken und davon zu überzeugen, auf die Seite der Europäer zu wechseln, damit man wieder gemeinsam gegen Russland vorgehen könne, weil klar ist, dass jede Drohung ohne die USA vergeblich ist. Friedensgespräche sind da nur hinderlich, weshalb es aus westlicher Logik zu Fortschritten auch gar nicht kommen könne, selbst wenn es sie gebe.
Fünf Prozent fürs Militär, na klar. Das sagt Deutschlands neuer Außenminister und stellt sich damit hinter eine Forderung des amerikanischen Präsidenten. Das passt ins Bild der Strategie, die im Spiegel beschrieben wird. Man will Trump beeindrucken und bei allem entgegenkommen, um seine Gunst zurückzugewinnen. Ob das hilft, der bislang leeren Sanktionsdrohung neue Schärfe zu verleihen und aus der Woche der haltlosen Ultimaten gestärkt hervorzugehen, bleibt abzuwarten. Ziel ist nicht die Beendigung des Krieges, sondern dessen Fortsetzung, bis sich das öffentliche Bild der Verlierer verbessert hat. So könnten sie ihr Gesicht wahren, wenn es gelänge, die USA zur Zusage von härteren Maßnahmen gegen Russland zu bewegen, die im amerikanischen Kongress bereits vorbereitet sind.
Und was ist mit den deutschen Waffenlieferungen? Darüber sollte öffentlich nicht mehr gesprochen werden, ließ der Kanzler verkünden, wobei der neue Fraktionschef der SPD, Matthias Miersch, diese Woche klarstellte, dass es auch künftig keine Lieferung des Taurus geben werde. Die preisgekrönte Journaille witterte da sofort Verrat und fühlte sich bestätigt in der Annahme über eine ungute Russland- oder Moskau-Connection. Dabei scheinen diese geifernden Trottel geflissentlich zu übersehen, dass die Strategie der Bundesregierung, über Waffenlieferungen öffentlich nicht mehr zu sprechen nur dem Zweck diente, öffentlich nicht mehr darüber zu sprechen. Denn die Kriegsgeilheit der Medien wird immer bedrohlicher. Oder wie es der Kanzler in einer Talkshow formulierte: „Der Taurus wird so ein bisschen hochgejazzt wie so kurz unterhalb der atomaren Schwelle. Das ist falsch.“
Eine öffentliche Debatte um die Taurus-Lieferung hätte auch zu Zeiten der Ampel nicht geführt werden dürfen und sei nicht von der Union begonnen worden, betonte Merz. Er habe sich als damaliger Oppositionsführer jedoch äußern müssen, „weil es einen offenen Streit um dieses Waffensystem gab“. Merz hatte seiner Zeit klar für die Lieferung der deutschen Marschflugkörper an Kiew plädiert.
Na ja, und eigentlich war er ja dann wie sein Vorgänger im Amt offenbar immer gegen den Taurus und der SPD-Fraktionschef hat nur ein wenig dabei geholfen, dass sich der Kanzler nun auch noch einmal konkret dazu hat äußern müssen. Die mangelnde Regierungserfahrung führt eben zu solchen dilettantischen Auftritten und Äußerungen. Wache und vor allem kritische Medien müssten das aufspießen, anstatt diese armselige Politik mit der Sofageneralität, die immer Zeit für Interviews hat, unbedingt ersetzen zu wollen. Reicht es denn nicht, dass Journalisten als Sprecher der Bundesregierung auch offiziell die Seiten wechseln?
Bildnachweis: Screenshot.
MAI
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.