Denkwürdige Absage

Geschrieben von: am 18. Nov 2015 um 8:29

Das ist eine denkwürdige Pressekonferenz nach der kurzfristigen Absage des Länderspiels in Hannover gestern Abend gewesen. Da wartet der Bundesinnenminister geduldig, bis auch die ARD ihr Tonkabel gefunden und angeschlossen hat, um dann ein Statement abzugeben, bei dem vermutlich auch die NSA ihre Schwierigkeiten hätte, irgendeinen speicherbaren Inhalt festzustellen.

Der Minister bat um einen Vertrauensvorschuss und entgegnete auf die Nachfrage von Journalisten, die wissen wollten, was da eigentlich in Hannover passiert war: „Ein Teil dieser Antworten würde die Bevölkerung verunsichern“. Ein Satz, wie gemalt für die nächste Verkehrskontrolle oder Kabarettsendung. Das Schlimme ist nur, dass unsere Medien den Vertrauensvorschuss auch gewähren und melden, dass da irgendwas gewesen sein muss. Nur was? Das erfährt der verunsicherte Bürger nicht.

Offenbar waren es konkrete Hinweise auf einen Anschlag. Welche? Das bleibt Spekulation, weil die Minister die Preisgabe der Information für zu gefährlich halten. Hannover in Terrorangst, lauten dennoch die Schlagzeilen. Dabei war eher das Gegenteil zu beobachten. Frustrierte Fußballfans traten enttäuscht, aber ruhig die Heimreise an. Dazu gab es einen Haufen Gerüchte wie gesichtete Gefährder, Sprengstoff im Krankenwagen, Kanzlerin im Stadion, Festnahmen. Alles Unsinn. Lediglich ein verdächtiges Paket hat die Polizei auf dem Hauptbahnhof kontrolliert gesprengt und hinterher von einer Attrappe gesprochen.

Viel Lärm um Nichts könnte man auch sagen. Aber nein. Die Spur der Mörder von Paris führe auch nach Deutschland, titeln deutsche Blätter. Schließlich habe es Festnahmen in der Nähe von Aachen gegeben. Das SEK war sogar im Einsatz. Doch von den sieben Festgenommenen sind am Abend alle wieder auf freien Fuß gesetzt worden. Vom Verdacht keine Spur mehr. Der Innenminister knapp dazu: Die Festnahmen stünden nicht in „engsten Zusammenhang“ zu den Terrorattacken von Paris. In welchem Zusammenhang denn dann? In einem lockeren?

Offenbar scheint die Qualität der Informationen, die der deutsche Innenminister von schützenswerten Informanten erhält nicht besonders hoch zu sein, was ihn und seine Kollegen aber nicht davon abhält, so zu tun, als sei die Lage ernst und der Bürger nicht stark genug für Einzelheiten. Sicherlich ist die Lage ernst. Es sollte aber Aufgabe der Behörden sein, darüber aufzuklären, warum sie es ist und nicht durch wirre Aussagen, Raum für Spekulationen zu lassen, die erst zu der Unruhe/Hysterie führen, die eigentlich vermieden werden soll.

Während in Deutschland wegen des abgesagten Fußballspiels alle am Rad drehten, interessierte das im Ausland niemanden. Die Augen waren ohnehin auf Wembley gerichtet – der Mutter aller Symbole. Der deutsche Versuch ein Zeichen zu setzen, ist dagegen erbärmlich gescheitert. Schon die massiven Sicherheitsvorkehrungen waren ein bizarrer Kontrast zur eigentlichen Botschaft, die ausgesendet werden sollte. Vielleicht ist es besser, auf das krampfhafte Setzen von Zeichen zu verzichten und lieber Normalität zu üben.

Oder wie Helge Schneider in Hannover: Einfach mal ne Mandarine essen und wiederkommen, wenn sich die Aufregung gelegt hat.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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