Die Ampel wird nicht darum herumkommen, auch in 2024 eine Notlage zu erklären, um die Schuldenbremse aussetzen zu können. Wahrscheinlich wird man sich auf den Krieg in der Ukraine als Grund einigen. Darauf deuten einige Äußerungen an diesem Wochenende hin.
Das Jahr neigt sich dem Ende und die Haushaltsfrage nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist immer noch nicht gelöst. Dabei hatte die Ampelregierung zunächst signalisiert, einen Plan zu haben. Doch den gibt es nicht, weil weder in Politik noch in der Öffentlichkeit verstanden wird oder werden will, wie die Staatsfinanzen funktionieren. Daher wird permanent versucht, zwischen den ideologischen Überzeugungen mit Tricks hin und her zu navigieren. Das ist nun aber viel schwieriger geworden, weshalb ich auch in einer ersten Reaktion auf das Urteil aus Karlsruhe schrieb, dass das nun das Ende der Ampel sein muss.
Die Schuldenbremse ist nicht mehr zeitgemäß. So hört man es nun vielfach, unter anderem vom ehemaligen Bundesfinanzminister Peer Steinbrück, der 2009 die Verfassungsänderung der Großen Koalition vorantrieb. Das ist insofern bemerkenswert, da es sich ja nicht um ein einfaches Gesetz handelt, dass man parlamentarisch wieder ändern könnte, weil die Zeit nun eine andere ist, sondern um mehrere Verfassungsartikel, die durch einfache Mehrheit unantastbar bleiben. Man bräuchte mehr Mehrheit, eine Art Zeitenwende vielleicht, die aber nicht erkennbar ist, dafür ist der politische Wert der Schuldenbremse zu verlockend.
Während der Bundesfinanzminister neue Schulden nur für Aufrüstung und eine „Aktienrente“ zum Zocken am Kapitalmarkt erlaubt, muss an anderen Stellen im Haushalt gespart werden. Das ist häufig sehr abstrakt. Konkret wird es für die Menschen vor Ort. Und leider ist es dann auch immer wieder dieselbe alte Leier. Gekürzt wird bei den sogenannten „freiwilligen Leistungen“, die offenbar nur deshalb so heißen, damit man sie auch zusammenstreichen kann, weil sie quasi die Begründung dafür gleich mitliefern. „Freiwillig“ suggeriert ja, das etwas entbehrlich ist, vielleicht sogar nur Luxus, auf den man in schwierigen Zeiten verzichten kann, ja sogar muss. Doch öffentliche Ausgaben, ob nun freiwillig oder nicht, bedeuten auch immer Einkommen von Menschen, die davon wiederum Steuern und Sozialabgaben zahlen, also zu den Einnahmen der öffentlichen Hand beitragen. Daher gilt auch der Satz, dass der Staat nicht mehr einnehmen kann, als er ausgibt. Er schafft mit seinen Ausgaben überhaupt erst Einkommen. Öffentliche Ausgaben sind also nicht bloß Kosten, sondern haben einen volkswirtschaftlichen Sinn, der leider von denen nicht begriffen wird, die ständig behaupten, dass der Staat nur das ausgeben könne, was er zuvor eingenommen hat. Falsch: Gibt er weniger aus, nimmt er auch weniger ein.
Es sind derzeit keine rosigen Zeiten für Deutschland. Das angekündigte Wirtschaftswunder bleibt aus, die Bevölkerung verliert an Einkommen, Kaufkraft und Wohlstand, die Infrastruktur verlottert immer mehr, die Kosten steigen und Karl Lauterbach plumpst ins Sommerloch.
Der Begriff Zeitenwende hat derzeit Konjunktur. Er wird vielfach verwendet, zum Beispiel in der Verkehrs- und Energiepolitik. Die stärkste Verknüpfung besteht aber zur Verteidigungspolitik. Dort ist die Zeitenwende anhand von großen Zahlen sichtbar gemacht worden. Das 100 Milliarden Euro schwere Sondervermögen für die Bundeswehr, darüber hinaus die geplanten Aufwüchse im Haushalt des Verteidigungsministeriums, obwohl die Ampelregierung mit Verweis auf die Schuldenbremse die Ausgaben an allen anderen Stellen radikal kürzt. Das ist ein Rückfall in den deutschen Dogmatismus, der sich der ökonomischen Zeitenwende verschließt.
Manchmal hat man den Eindruck, deutsche Politiker reisen nur zu Gipfelgesprächen, um den Tagesthemen per Live-Schaltung ein Interview zu geben, bei dem sie der Öffentlichkeit die Politik der Amerikaner erklären. Die NATO ist und bleibt der militärische Arm der US-Außenpolitik, das hat der Gipfel in Vilnius wieder gezeigt. Dort gab es eine Biden-Show ergänzt um ein wenig Lärm von Erdogan.
Nun sollen mit dem neuen Entwurf des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) alle Unstimmigkeiten innerhalb der Koalition beseitigt und der Weg für eine klimafreundliche Zukunft geebnet sein. Dabei fallen die Interpretationen der Ampelparteien über den gefundenen Kompromiss wieder unterschiedlich aus. Ist also doch noch nicht alles geklärt? Überraschen würde es nicht. Was aber auffällt und sich wie ein roter Faden durch die Politik dieser Bundesregierung zieht. Probleme werden einfach mit Geld gelöst. So auch hier. Und das ist nicht besonders klimafreundlich.
Puh, das ist ja noch einmal gut gegangen. In den USA haben sich Demokraten und Republikaner auf eine vorläufige Aussetzung der Schuldenobergrenze geeinigt. Da atmen vor allem deutsche Medien erleichtert auf, die sich wochenlang mit der albernen Frage beschäftigten, ob so etwas wie ein Zahlungsausfall, also Staatsbankrott drohe. Übrigens soll in Deutschland nun doch noch das Heizungsgesetz verabschiedet werden und damit ein Beschluss noch vor der Bekanntgabe irgendwelcher Eckwerte zum Haushalt erfolgen. Nur eins ist in allen Fällen klar. Es sollen Ausgaben des Staates konsequent gestrichen werden, außer fürs Militär. Die Zeitenwende besteht also künftig in militärischer Austerität.
Wer sich schon einmal den Arm gebrochen hat, weiß, wie schmerzhaft das ist. Die Verletzung zwingt zum Arztbesuch und der Patient muss sich dann für eine Weile schonen. Ein Weiter so ist also nicht möglich. Anders sieht es bei logischen Brüchen aus. Da wird trotz aller Widersprüchlichkeit einfach immer weitergemacht.