
Nachdem Donald Trump und Wladimir Putin am Montag miteinander telefoniert haben, ist klar, dass Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine stattfinden können, während der Krieg mit unverminderter Härte weiterläuft. Die Europäer, die gefordert hatten, Gespräche erst dann aufnehmen zu wollen, wenn Russland eine 30-tägige Waffenruhe ohne Vorbedingungen akzeptiert und umsetzt, sind ein weiteres Mal düpiert und auf ihren Platz am Katzentisch verwiesen worden.
Bereits in der vergangenen Woche ist das deutlich geworden, als ein direktes Treffen zwischen Russland und der Ukraine in Istanbul stattfand, bei dem sich beide Seiten auf einen Gefangenenaustausch verständigten und darüber hinaus auf eine Fortsetzung der Verhandlungen, möglicherweise auch auf höchster Ebene zu einem späteren Zeitpunkt. Jedenfalls haben die Russen den Wunsch der Ukrainer zur Kenntnis genommen. Nach dem Gespräch zwischen Trump und Putin spricht Moskau nun von einem Memorandum, an dem man mit der Ukraine arbeiten wolle und das eine Vereinbarung zu einer Waffenruhe beinhalten könne.
Mit diesem Ergebnis zeigt sich wiederum Washington zufrieden, auch wenn klar ist, dass Russland gar keine Zusagen macht. Putin hat es einfach nur besser als die Europäer verstanden, Trump zu umgarnen und für sich zu gewinnen, während gleichzeitig der Krieg weiterläuft, von dem Moskau glaubt, ihn auf dem Schlachtfeld auch gewinnen zu können. Russlands Ziel wird also sein, einen bedingungslosen Waffenstillstand abzuwenden, ohne sich komplett mit Trump zu überwerfen. Dass das gelingt, danach sieht es derzeit aus.
Denn aus dem angeblich gemeinsamen Plan der Europäer, zusammen mit den USA die Sanktionsschraube noch fester zu drehen, wird nichts. Man wolle nun allein den Druck auf Moskau erhöhen, erklärt aber nicht, wie das ohne die USA gelingen kann oder warum es dann überhaupt nötig war, die Strategie darauf auszurichten, den transatlantischen Partner wieder zurück ins Boot zu holen. Kleinlaut ist nun zu hören, dass man den abgesprochenen Verhandlungsprozess, den man ohne Waffenruhe eigentlich ausgeschlossen hatte, „eng koordinieren“ und die Ukraine auf dem Weg zu einem Waffenstillstand „eng begleiten“ wolle. Das ist nichts anderes als das Eingeständnis des Scheiterns, nachdem man mit haltlosen Ultimaten um sich warf.
Im Ergebnis führt das dazu, dass man Moskau nicht mehr glaubwürdig drohen kann, egal wie viele Sanktionspakete noch verabschiedet oder in Aussicht gestellt werden. Selbst die Trump-Regierung scheint verzweifelt, weil der große Deal-Maker im Weißen Haus bei Putin nicht wirklich weiterkommt. Auch hier hat man offenkundig keine Druckmittel in der Hand. Sanktionen sind Maßnahmen, die es schon gibt und bei denen man eine Anpassung beobachten kann, die also in der Wirkung kaum noch etwas bringen, dafür aber die Kosten im Westen weiter erhöhen. Wenn Trump sagt, es sei nicht sein Krieg, sondern der seiner Vorgänger, wird er den Konflikt vermutlich auch nicht zu seinem Krieg machen wollen, indem er selbst Maßnahmen billigt, die mit ihm in Verbindung gebracht werden können.
Den Krieg durch ein Abkommen zu beenden, ist daher für Trump die einzige Option, wie er in der Sache erscheinen möchte. Gut möglich, dass der Amerikaner genau überlegt und zu der Einschätzung kommt, dass der Krieg verloren ist und dieses Ergebnis dann eben auch eine Niederlage der USA wäre. Für diesen Fall hat er bereits klargestellt, wer die Schuld dafür trägt. Biden, Selenskyj, die Europäer. Die amerikanische Öffentlichkeit realisiert das schon längst und erkennt die Ursachen des Konflikts, die hierzulande immer noch als russische Propaganda gelten. So erklärt die New York Times in einem aktuellen Bericht, dass die NATO-Erweiterung eine der Ursachen für den Ukraine-Krieg war.
„From Moscow’s perspective, the Russians need to bolster their defenses to protect themselves from NATO expansion, which has always been a sore subject. The Baltic nations were the first members of the former Soviet Union to join NATO, bringing large stretches of Russia’s border up against NATO’s. The prospect of Ukraine, an even bigger former Soviet republic, following suit was so threatening to Moscow that it became one of the causes of the most devastating land war in generations.“
Diese Überlegungen zur Rolle der USA hätten die Europäer anstellen müssen, bevor sie mit haltlosen Ultimaten drohten, von denen sie dann auch noch annahmen, die Amerikaner würden sie schon unterstützen, wenn man das nur entschlossen genug in der Öffentlichkeit vorträgt. Mit dem Versuch, Trump zu umgarnen, sind die Europäer gescheitert, während Putin mit der gleichen Methode erfolgreich war. In dem einen Fall kostet das nun 5 Prozent des BIP für Rüstungsausgaben, in dem anderen Fall wohl gar nichts. In dem einen Fall wird anerkennend von einer komplizierten Strategie gesprochen, in dem anderen von einer Verzögerungstaktik. Dabei führt das Umgarnen von Trump in beiden Fällen zu einer Verlängerung des Krieges.
Ironischerweise findet das einstige Friedensprojekt Europa durch Krieg und Aufrüstung wieder stärker zusammen. So nähern sich beispielsweise die Briten nach ihrem Brexit Brüssel wieder an. Sie können schließlich vom 150 Milliarden Euro schweren SAFE-Programm profitieren, das die EU auf den Weg bringen will.
Es ist eine bittere Ironie der Geschichte, dass ausgerechnet ein Krieg und EUropas “Wiederbewaffnung” den Brexit überwinden hilft. Eigentlich war die EU gegründet worden, um Krieg zu verhindern – und um dauerhaft abzurüsten!
Kriegstüchtigkeit ist angesagt. Bundeskanzler Friedrich Merz kündigte in seiner ersten Regierungserklärung an, Deutschland zur „konventionell stärksten Armee Europas“ ausbauen zu wollen. „Wir wollen uns verteidigen können, damit wir uns nicht verteidigen müssen“, so Merz. Und dafür wird dann so etwas wie eine freiwillige Wehrpflicht benötigt, die in erschreckender Weise an die Impflichtdebatte während der Corona-Zeit erinnert. Wir machen das erst einmal freiwillig und führen dann eine Pflicht ein, bei der aber niemand gezwungen wird oder frei nach Karl Lauterbach: „Eine Wehrpflicht bedeutet nicht, dass jemand mit Zwang rekrutiert wird. Es bedeutet, dass man den Wehrdienst ableisten muss – aber freiwillig.“
Bildnachweis: KI generiert mit Grok.
MAI
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.