GfK-Studie: "Deutsche finden ihr Land ungerecht" – Neue Presse Hannover hält mit einem absurden Kommentar dagegen

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Es ist Sommer, Urlaubszeit. Die Redaktion der Neuen Presse Hannover ist sicherlich dünner besetzt als sonst und das PR-Büro Slangen+Herholz hat vorerst Kreativpause. Das heißt aber nicht, dass es nicht doch noch irgendwo einen Möchtegernredakteur gibt, der mal auf Seite 1 beweisen will, was für ein toller PR-Hecht er ist.

Fabian Mast darf heute zu einer Studie Stellung beziehen, die besagt, dass Drei Viertel der Befragten meinen, in Deutschland gehe es ungerecht zu. Das will der aufstrebende Youngster im NP-Team offenbar nicht wahrhaben und schreibt die ganze Palette neoliberalen Neusprechs und bereits enttarnter Lügen gedankenlos wieder hin. Aber der Reihe nach. Auf der Homepage der Neuen Presse Hannover findet sich unter dem Link „Wir über uns“ folgender Text.

So liest man heute – der Slogan der Neuen Presse ist Programm. Als moderne Tageszeitung für Hannover profiliert sie sich als kompetente City-Zeitung, immer nah am Puls der Stadt und am Leser. Flott und frech, dabei wahrheitsgetreu und glaubwürdig bietet sie ihren Lesern neben Berichten aus aller Welt vorrangig Neuigkeiten aus der Region.

Behalten sie diesen Anspruch bitte im Gedächtnis, wenn ich ihnen jetzt den Kommentar von Fabian Mast in Auszügen zitiere.

„Wir sollten stolz sein“, überschreibt Mast seinen Kommentar und beginnt zunächst mit geheuchelten Verständnis für den „Kleinen Mann“.

„Es rumort im kleinen Mann, der Zorn bebt im Takt der Schlagzeilen. Die staatlichen Milliarden für Krisenbanken machen wütend, eine dreistellige Millionenabfindung für den Porsche-Chef ratlos. Noch dazu, wenn der eigene Job flöten geht.“

Das war es dann aber auch schon mit einer Würdigung des Ergebnisses. Denn was nicht sein kann auch nicht sein darf und dafür fährt Fabian Mast das letzte Geschütz auf. Im Krieg war alles noch viel schlimmer.

„Die Zeiten waren schon mal besser – meistens waren sie aber bedeutend schlechter. Zwei Kriege zwangen im vergangenen Jahrhundert Generationen in Armut und Chaos, wer damals von einer Krise sprach, meinte den täglichen Kampf um Leben und Tod.“

Aus dieser Perspektive sieht der heutige Zustand der Republik natürlich glänzend aus.

„Das ist Deutschland heute: Das soziale Netz ist so dicht wie fast nirgendwo auf der Welt, von unserem Gesundheitssystem träumen Amerikaner. Niemand muss verhungern oder sich aus dem Mülleimer ernähren.“

Wenn sie an dieser Stelle schon der Meinung sind, Fabian Mast sei ein Arschloch, dann kann ich ihnen nicht widersprechen. Mal eben blendet der „kompetente“ NP-Redakteur, der flott und frech die Wahrheit vermitteln will, um Glaubwürdigkeit zu unterstreichen, den Sozialabbau einer ganzen Dekade aus. Aber es wird noch besser bzw. schlimmer – sie dürfen da frei wählen.

„Dafür sorgen Millionen Steuerzahler, mit deren Zahlungen Arbeitslose über die Runden kommen. Das alles kostet Geld, das Deutschland eigentlich nicht hat: Derzeit wächst der staatliche Schuldenberg um rund 2500 Euro pro Sekunde. Trotzdem leistet sich das Land sein Versorgungsnetz, aus einem tiefen sozialen Konsens heraus.“

So, wenn sie jetzt der Meinung sind, Fabian Mast sei auch noch ein „dummes Arschloch“, dann kann ich ihnen ebenfalls nicht widersprechen. Denn obige Behauptungen sind glatte Lügen. Zunächst einmal scheint Herr Mast überhaupt nicht zu wissen, dass Arbeitslose immer noch eine Versicherungsleistung beziehen (Bezugsdauer ALG I zwischen 6 und 24 Monaten), deren Anspruch sie mit Beiträgen erworben haben. Der Staat leistet sich da überhaupt nix, er sorgt lediglich per Gesetz dafür, dass diese Versicherung, wie im Übrigen jede andere Sozialversicherung auch, einen Zwangscharakter hat.

An dieser Stelle kann man sich dann natürlich darüber unterhalten, warum es der Staat zulässt, dass sich Menschen ab einem bestimmten Einkommen von der Sozialversicherungspflicht befreien lassen können und ihre Beiträge nur zu einer bestimmten Bemessungsgrenze ans Sozialsystem abführen müssen. Alles was dann über dieser Grenze liegt, ist abgabenfrei. Das hat in der Tat wenig mit Gerechtigkeit zu tun und mehr mit der Frage, was sich Deutschland eigentlich leistet.

Fabian Mast denkt, Deutschland leiste sich trotz hoher Verschuldung ein Versorgungsnetz. Darauf solle man gefälligst stolz sein, mault er im nächsten Satz seine Leser an. Dabei leistet sich Deutschland trotz unglaublich hoher Vermögen, die den Grad der Verschuldung bei weitem übersteigen, ein Steuer- und Abgabenrecht, dass auf Einnahmen sträflich verzichtet. Die Vereinigten „sozialistischen“ Staaten von Nordamerika spielen aktuell mit dem Gedanken eine Reichensteuer einzuführen. Warum wohl, lieber Herr Mast? Richtig aus Gerechtigkeit, aber nicht das, was sie darunter verstehen.

„Gerechtigkeit ist auch eine Sache der Möglichkeiten. Deutschland hat zu wenig Einnahmen, um die Renten weiter zu erhöhen, ohne die Jungen zu schröpfen. Um Unis auszubauen und gleichzeitig kostenlos zu halten. Oder um die Hartz-IV-Sätze zu erhöhen und gleichzeitig den Mittelstand zu entlasten. Deswegen dem Land Ungerechtigkeit vorzuwerfen, ist ziemlich ungerecht.“

Die stupide Reaktion eines Gläubigen, dessen Weltbild schon längst durch die Wirklichkeit überholt worden ist. Es ist kein Geld da, deshalb kann es auch kein Geld für soziales „Gedöns“ geben, so einfach ist das. An dieser Stelle möchte ich noch einmal einen der ersten Sätze von Fabian Mast in seinem Kommentar wiederholend anfügen:

„Die staatlichen Milliarden für Krisenbanken machen wütend, eine dreistellige Millionenabfindung für den Porsche-Chef ratlos.“

Und der Wut und Ratlosigkeit soll eben mit einer sinnfreien Aneinanderreihung von PR-Sprüchen begegnet werden, aus denen der Leser etwas über Gerechtigkeit lernen soll. Die Tatsache, dass Banken und gescheiterte Manager haufenweise Geld grundlos hinterhergeschmissen bekommen, hat im Kontext des Fabian Mast also nichts mit der Gerechtigkeitsfrage zu tun.

Die Neue Presse Hannover kann wirklich stolz sein, so einen begabten Redakteur in ihren eigenen Reihen zu haben. Im Übrigen wundere ich mich dann doch ein zweites Mal über diesen abscheulichen Auswurf von Fabian Mast. Denn wenn man aktuellen Umfragen Glauben schenken darf, würde rund die Hälfte der Deutschen CDU oder FDP wählen. Das passt dann irgendwie nicht zu dem Appell von Herrn Mast. Es läuft doch. Noch blöder kann man den Urnenpöbel doch nicht mehr bekommen.

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Zum Sozialbericht 2009

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Eigentlich habe ich heute einen Kommentar von Christoph Slangen in der Neuen Presse Hannover zum Sozialbericht 2009 erwartet. Ich hatte angenommen, dass gerade er auf den Zug derer aufspringt, die steigende Sozialausgaben anprangern. Das hätte dann auch gut zum gestrigen Steuerzahlergedenktag gepasst. Komisch. Ist der Slangen krank oder strickt er bereits an einer größeren Story?

Jedenfalls druckt die Neue Presse heute auf Seite 1 eine dpa-Grafik über die Entwicklung der Sozialleistungen. An der kann man schön studieren, wie die Öffentlichkeit auch mit Hilfe visueller Darstellungen getäuscht werden soll. Denn bei dieser Abbildung springt sofort die steigende Kurve ins Auge, auf der die absoluten Mrd. Beträge eingetragen sind, die bisher jedes Jahr für Sozialleistungen aufgewendet werden mussten.

Sozialleistungen_NP

Das soll schocken und die Botschaft transportieren, der Sozialstaat verteile immer mehr „Wohltaten“. Aber neben scheinbar gekonnter Manipulation steckt in dem Schaubild auch ein Beleg für offensichtliche Dummheit. Denn im unteren Teil der Grafik steht korrekterweise der Anteil der Sozialleistungen am jeweiligen Bruttoinlandsprodukt. Und für jeden nachvollziehbar kann man nun ablesen, dass die Aufwendungen gemessen an der Wirtschaftsleistung seit 2003 kontinuierlich zurück gegangen sind und im Jahr 2008 mit 29 Prozent sogar noch unterhalb des Wertes für das Jahr 1992 gelegen haben.

Und nun kommt Herr Slangen ins Spiel. Der hat nämlich immer behauptet, die Regierung hätte nie richtig gespart und deshalb würden sich die Defizite in den Kassen der öffentlichen Hand vergrößern. Am 22.11.2008 schrieb Slangen unter der Überschrift Die Fehlkalkulation der Koalition in der Neuen Presse Hannover:

„Dass es nun 2011 mit der Nullneuverschuldung wieder nichts werden wird, kann man der Regierung dennoch zum Teil vorwerfen. Es sind jedoch nicht Konjunkturprogramme oder Bankenschutzschirm, die kritisch gesehen werden müssen. Zu ihnen gibt es kaum eine Alternative. Der Fehler ist in den ersten Jahren der Koalition gemacht worden. Union und SPD verließen sich zu sehr auf Steuererhöhungen und darauf, dass die Konjunktursonne weiter scheinen werde, mindestens bis zum Wahltag 2009. Das war eine Fehlkalkulation. So zeigt sich jetzt, dass die Finanzen des Bundes gerade in der wirtschaftlich guten Phase der Großen Koalition mit mehr Ehrgeiz hätten saniert werden müssen. Und zwar durch entschlosseneres Sparen.

Und am 18.12.2008 schrieb er unter der Überschrift Höhere Schulden in Kauf nehmen:

„Statt Haushaltskonsolidierung heißt es nun Konjunkturstützung um jeden Preis. Die neue Priorität ist der Regierung nicht zu verdenken, im Gegenteil. Alle Maßnahmen zu ergreifen, um den Einbruch der Wirtschaft so gering wie möglich zu halten, ist die Aufgabe der Stunde. Wenn dazu deutlich höhere Schulden aufgenommen werden müssen, ist das in Kauf zu nehmen. Hätte sich die Regierung allerdings in den vergangenen Jahren weniger auf die Konjunktur verlassen, stattdessen mit strikterem Sparen besser vorgesorgt, wäre die antizyklische Konjunkturstützungspolitik jetzt aus einer besseren Position darstellbar. Das ist das Versäumnis der Koalition.

Und am 26.01.2009 schrieb er es noch mal hin unter der Überschrift Regierung war nicht sparsam genug:

„Geld auszugeben, um den Konjunktureinbruch abzufedern, sei das Gebot der Stunde. Doch ist das nur ein Teil der Wahrheit. Die schwarz-rote Regierung hatte sich von Beginn an zu sehr auf Steuererhöhungen und konjunkturellen Rückenwind verlassen. Sie hätte bei der Sanierung des Haushalts schon weiter sein können, wenn sie sparsamer gewesen wäre.

Tja, wie sich auch dieses Mal wieder zeigt, hat Slangen einfach nur etwas behauptet, was nicht der Wahrheit entspricht. Die Originalgrafik aus dem Sozialbericht ist übrigens aufschlussreicher.

Sozialleistungen

Denn hier werden neben der Sozialleistungsquote auch die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts und der Sozialleistungen im Verhältnis zueinander angegeben. In der NP-Grafik oben wurden ja nur die absoluten Zahlen für die Sozialleistungen genommen und isoliert dargestellt. Daneben müsste aber auch eine Kurve sein, die das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts abbildet. Die Tabelle mit den entsprechenden Werten findet sich ebenfalls in dem Sozialbericht, der für jeden Journalisten auf der Seite des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zugänglich ist.

Sozialleistungen_Tabelle

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Rente: Mietmaul Neue Presse Hannover

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Gestern haben sich die angeblichen Rentenexperten Raffelhüschen und Börsch-Supan zu Wort gemeldet und auf die beabsichtigte Rentengarantie der Bundesregierung mit Panikmache geantwortet. Die Neue Presse Hannover erweist sich ein weiteres Mal als Mietmaul dieser von der Versicherungswirtschaft und der Arbeitgeberlobby organisierten Kampagne. Raffelhüschen ist noch immer

Aufsichtsrat beim ERGO-Versicherungskonzern und Berater des Gesamtverbandes der Versicherungswirtschaft. Sein Forschungzentrum Generationenverträge an der Universität Freiburg wird über einen Förderverein von der Versicherungswirtschaft und der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft finanziert.

Quelle: NachDenkSeiten

Börsch-Supan ist Ökonomieprofessor am Mannheim Research Institute for the Economics of Aging (Mannheimer Forschungsinstitut Ökonomie und demographischer Wandel), das vom Land Baden-Württemberg und der deutschen Versicherungswirtschaft finanziert wird. Dieses Institut fertigt Gutachten, unter anderem für Versicherungen und Banken an.

Eigentlich sollte es die Aufgabe von Journalisten sein, richtig zu recherchieren. Anja Schmiedeke von der Neuen Presse hat darauf mal wieder verzichtet, weil sie nur das nachplappert, was die Herren „Rentenexperten“ über den Ticker haben verbreiten lassen. Somit versagt Anja Schmiedeke erneut. Von der vierten Gewalt, die von sich noch immer behauptet, eine Kontrollfunktion zu übernehmen, existiert schon lange nichts mehr.

Im Gegenteil. Anja Schmiedeke springt auf den Panikzug auf, berichtet und kommentiert das angebliche „Versprechen auf Pump“. Dabei ist auch Frau Schmiedeke beim dumpfen abschreiben nicht aufgefallen, dass die Rechnung von Raffelhüschen einfach falsch ist. Dazu Martin Betzwieser von den NachDenkSeiten(s.o.):

„Eigentlich wäre es die Aufgabe der Journalisten, nachzurechnen, anstatt die Angaben der Arbeitgeber- und Versicherungslobby ungeprüft zu übernehmen. Also muss ich das machen. Nun verfüge ich nicht über die mathematischen Fähigkeiten eines Finanzwissenschaftlers sondern über die Grundrechenarten einschließlich Prozentrechnen und ein bisschen mehr:

Professor Raffelhüschen geht von einer Beitragserhöhung auf 20,2% für 2010 bzw. auf 21,1% aus. Bei einem Jahresgehalt von € 30.000,00 wäre das eine jährliche Mehrbelastung von € 90,00 (2010) bzw. 210,00 (2011). In einer Zusammenfassung der Studie werden diese Mehrbelastungen ausschließlich mit „aufgrund der höheren Beitragssätze“ begründet.

Quelle 4: Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft [PDF – 104 KB]

Die Beitragsdifferenz zum aktuellen Beitragssatz (19,9%) beträgt 0,3% (2010) bzw. 1,2% (2011). Der Rentenversicherungsbeitrag wird paritätisch bezahlt, also halbe-halbe für Arbeitnehmer/innen und Arbeitgeber, also 0,15% (2010) bzw. 0,6% (2011). Da komme ich ausgehend von € 30.000,00 auf eine Mehrbelastung von € 45,00 (2010) bzw. € 180,00 (2011).
Wie kann das sein?
Äußerst irritierend finde ich auch, dass weiter unten im INSM-Artikel ein Beitragssatz von 20,4% für 2011 prognostiziert wird.
Hauptzweck der Studie ist wohl, die Leser/innen mit steigenden Beitragssätzen zu schockieren und in die Versicherungsbüros zu treiben, damit sie eine Riester-Rente abschließen. Wenn Reporter/innen dann nicht nachrechnen, ist auch nichts mehr zu retten.
Der Mannheimer Versicherungsvertreter mit Professorentitel Axel Börsch-Supan geht sogar von einem Beitragssatz von 22,2% für 2010 aus.“

Wie gesagt, Frau Schmiedeke hat die falschen Zahlen einfach übernommen, ohne nachzurechnen und schreibt dann manipulierend in ihrem Kommentar:

„Ein ganz erstaunlicher Beschluss, nicht nur angesichts der Wirtschaftskrise. Die Politik knebelt damit künftige Generationen – seien sie nun Beitrags- oder Steuerzahler. Denn klar ist doch: Im Ernstfall kostet das Gesetz richtig viel Geld.“

Das ist also klar? Für so einen groben Schnitzer würde es in der Mathearbeit nicht mal ein Folgerichtig geben. Einfach erbärmlich die Leistung. Doch es sind noch weitere Aussagen schlicht falsch:

„Wenn es nicht genug Beitragseinnahmen gibt, um die Rentenzahlungen zu decken – und dass es so kommt, dafür spricht vieles – gibt es nur zwei Lösungen. Höhere Steuerzuschüsse oder höhere Beiträge. Vor allem letzteres wird bei Jüngeren irgendwann an Grenzen stoßen. Die heute Erwerbstätigen zahlen schon jetzt nicht nur höhere Beiträge als ihre Großeltern, sie können am Lebensende zudem selbst weniger Rente erwarten. Auch höhere Steuerzuschüsse werden vor allem die jüngeren Generationen zu schultern haben. Dass sich dieses Geld in einem überschuldeten Bundeshaushalt gut verstecken lässt, sollte aber niemanden trösten. Es bleibt bei einem Versprechen auf Pump. Sicher sind in dieser Rentenrechnung nur die Zinsen.“

Frau Schmiedeke hat noch immer nicht kapiert, wie unser Rentensystem läuft. Sie glaubt wahrscheinlich, dass die private Altersvorsorge gänzlich anders abläuft und keine künftigen Generationen belaste. Das ist schlicht falsch. Die Finanzierungsweise einer Sozialversicherung egal ob umlagefinanziert oder kapitalgedeckt ist vollkommen wurscht, da die Aufwendungen in beiden Fällen aus dem laufenden Bruttoszialprodukt erbracht werden müssen. Mit anderen Worten: Es kommt auf den Produktivitätszuwachs an. Und da ist es auch völlig wurscht, wenn der Beitragssatz zur viel günstiger arbeitenden Umlageversicherung steigt. Schauen sie sich dazu bitte die Folienpräsentation zum Mackenroth-Theorem von Kai Ruhsert an. Zeigen sie das auch ihrem übereifrigen Bankberater oder Versicherungsvertreter.

Es ist unglaublich wichtig, in real terms zu denken – also realen Wirtschaftsgrößen.

Rentner produzieren keine Güter oder Dienstleistungen mehr. Die Produktionsmenge kann aber nur einmal konsumiert werden. Wer durch frühere, monatliche Einzahlungen in ein Versicherungssystem Ansprüche erworben hat, bekommt dafür später etwas, was sonst an andere verteilt werden könnte. Das gilt gleichermaßen für die gesetzliche wie die private Rente.

Bei der privaten Rente, die einem individuellen Sparmodell folgt, wird schlicht auf Kaufkraft verzichtet. Dies wiederum hat zur Folge, dass weniger produziert werden muss, Investitionen bleiben somit aus, die Wirtschaftsleistung sinkt. Und mit sinkendem Wachstum und sinkendem Bedarf an Investitionskapital auch sinkende Gewinne aus Sparanlagen. Das kann man gerade jetzt eindrucksvoll beobachten!!!

Zudem kostet die private Altersvorsorge ein Schweinegeld. 10-20 Prozent ihres eingezalten Beitrags wandern als Kostenabschlag direkt an den Versicherer. Dessen Werbung muss ja bezahlt werden und Mietmäuler wie Raffelhüschen, Börsch-Supan und auch Frau Schmiedeke wollen für ihre Propaganda auch einen Anteil. Der Rest wird dann erst angelegt. Mal mit mehr Risiko, mal mit weniger. Eine Überschussbeteiligung ist zudem immer abhängig vom Daumen des Versicherungskonzerns.

Wichtig ist, dass sie sich nicht durch Kampagnen wie diese verwirren lassen. Gucken sie doch einfach mal, wie man als Arbeitnehmer seine Rente finanzieren soll. Frau Schmiedeke und die „Rentenexperten“ verbreiten Panik, weil der Beitragssatz steigen könnte. Das ist plumpe Irreführung, denn die Beiträge sind längst gestiegen. Durch die private Altersvorsorge. Vier Prozent ihres Einkommens sollen sie für die private Altersvorsorge abzweigen und anlegen. Deshalb werden ihnen auch die Renten später gekürzt. So und nun rechnen sie bitte. Die Bundesregierung hat den Beitrag zur gesetzlichen Rente auf maximal 22 Prozent begrenzt. Darüber darf er nicht ansteigen. Und jetzt rechnen sie bitte die vier Prozent dazu, die sie privat anlegen müssen, um ihr Rentenniveau zu halten. Das macht 26 Prozent. Das sind zwei Prozentpunkte mehr, als die Rentenversicherung im übrigen gebraucht hätte, um ein auskömmliches Rentenniveau von 64 Prozent zu erreichen, das in der Regel deutlich über dem Sozialhilfeniveau läge.

Worüber regt sich Frau Schmiedeke eigentlich auf? Sie sollte noch mal einen Mathematikkurs in der Volkshochschule belegen, dabei aber unbedingt aufpassen, dass sie nicht in einem von Münteferings Rentenkursen landet, die dieser hat einführen lassen, als er noch Arbeitsminister war und in denen die Vorzüge seiner „Rente mit 67“ den Menschen da unten erklärt werden sollen. Unter uns, diese Kurse taugen nix… ;)

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Riester Rente: Staatsgeld fürs Kasino

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Am 15. Mai 2009 wurden laut Bundessozialministerium rund 1,6 Milliarden Euro staatlicher Zulagen an Riester-Sparer ausgezahlt. Das sei die höchste Summe, die bisher zu einem Zahlungstermin förderfähigen Altersvorsorge-Verträgen gutgeschrieben wurde. So steht es auf der Seite der Regionalträger der Deutschen Rentenversicherung und der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See, kurz: Ihre Vorsorge. Insgesamt seien bereits 5,3 Mrd. Euro an Riester-Sparer geflossen.

Doch was haben die Sparer eigentlich davon? Niedrige Renditen bis gar keine aufgrund unrealistischer Sterbetafeln und lediglich eine Bestandsgarantie für einbezahlte Beiträge. Dabei ist zu beachten, dass ein einbezahlter Beitrag, der auch letztendlich angelegt wird, jener ist, der übrig bleibt, wenn der private Versicherer seine Kosten abgezogen hat. Und die können weit über 10 Prozent des Gesamtbeitrags ausmachen. So gesehen fördert der Staat nicht die Sparer, sondern vor allem die Versicherer.

Wenn ich mir die aktuelle Bilanz der Deutschen Rentenversicherung angucke, stelle ich für den Zeitraum Januar bis April 2009 ein Minus von rund 1,376 Mrd. Euro fest. Wenn man also die bejubelte Rekordsubvention für die Versicherungsbranche in Höhe von 1,6 Mrd. Euro lieber in die umlagefinanzierte Rentenversicherung gesteckt hätte, statt der Finanzbranche und dem angeschlossenen Kasino zu überlassen, wäre ein Defizit in der gesetzlichen Rentenversicherung vermeidbar gewesen. So aber finanzieren wir alle mit unseren Steuergeldern das Defizit der gesetzlichen Rente und die Gewinne der Versicherungsunternehmen mit.

Wo ist da eigentlich sicher fürs Alter vorgesorgt? Übrigens weist die Statistik der Deutschen Rentenversicherung bei den Ausgaben in Höhe von rund 68,6 Mrd. Euro einen Verwaltungskostenanteil von lediglich 1,1 Mrd. Euro aus. Das sind nur 1,6 Prozent Kosten. Eine ziemlich günstige Versicherung, finden sie nicht?

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Das absurde Wahlgefasel

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Da ist man mal ein Wochenende privat unterwegs, um mal etwas Anderes zu sehen, da holt einen nach der Heimkehr der geschriebene und gesprochene Müll der geistigen Elite unseres Landes ungebremst wieder ein. Zunächst einmal beklagen sich alle darüber, dass keiner zur Europawahl geganen ist. Am Samtag meckerte der Vizechef der Neuen Presse, Bodo Krüger, über meckernde Wähler, die sich nicht an die Urnen trauten. Dann, so seine Worte, würde man den Rechten Vorschub leisten. Das hätte man in Holland deutlich beobachten können. Unverschämte Worte von Krüger am Schluss seines beknackten Kommentars über, Achtung Wortspiel, Gedämpfte EU-phorie:

„Und bei allem Verständnis für eine gewisse Laxheit in europäischen Fragen – ein mit rechten Rattenfängern beladenes EU-Parlament hat Europa nun wirklich nicht verdient. Deshalb: Meckern Sie ruhig weiter, aber wählen Sie!“

Ich muss ihm ja ein bissel Recht geben. Denn die CSU mit dem ziemlich nach rechts gedrifteten Bernd Posselt von der Sudetendeutschen Volksgruppe darf wohl aller Voraussicht nach weiter machen im „Schloss Neuwahnstein“, so nennt man unter der Hand die bayerische Landesvertretung in Brüssel. Ob im bayerischen Volk die Kunde bereits angekommen ist, dass dieser Prachtbau rund 30 Millionen Euro gekostet hat? Ich weiß, Peanuts würde der neue HSH-Nordbank Aufsichtsrat und Ex-Deutsche Bank Chef Hilmar Kopper sagen, wenn er sich die Milliardenfehlbeträge der Bayern LB anguckt.

Die Bayern LB, man könnte auch sagen, die Hausbank der CSU. Seehofer will ja vor allem deshalb mit seiner CSU weiterhin in Brüssel wurschteln, weil man schärfere Auflagen der EU bezüglich der Bayern LB verhindern will. Wer weiß, welche prachtvollen Leichen da noch im Keller liegen. Aber davon erfährt man nix im allgemeinen Wahlkrampfgetöse. Bodo Krüger, von der Neuen Presse Hannover erwähnt lieber groß und breit, dass Frau Silvana Koch-Mehrin, dank der tollen FDP-Plakatierung, immerhin 13 Prozent der Deutschen als Kandidatin der FDP bekannt ist. Natürlich ist Herrn Krüger die frisch aufgedeckte und äußerst miserable Anwesenheitsquote von Frau Koch-Mehrin in Europa keine Silbe mehr wert. Wie schreibt er doch so deppert:

„Es ist einfach so: Europa findet in den Köpfen der Menschen kaum statt.“

Jawohl Herr Krüger. Und warum wundern ausgerechnet sie sich darüber? Statt aufzuklären bieten sie nur dummes Gesülze an. Machen der FDP den Hof und zitieren sogar noch deren Wahlkampfslogans, um auf die Wähler zu schimpfen. Dümmer geht es nun wirklich nicht mehr. Aber die Angst vor einem europäischen Rechtsruck ist schon irgendwie witzig. Zumal Deutschland angeblich dauernd nach links wegzubrechen droht. Diesmal offenbar nicht. Man wendet die eigene Meinung halt mit jeder Wahl aufs Neue.

Dabei ist das Ergebnis doch so, wie alle es sich gewünscht haben. Schwarz-gelb ist auf dem Vormarsch, trotz des wohl zu vernachlässigenden sechs Prozentverlustes der CDU. Die Tatsache, dass die SPD noch einmal ihren historischen Tiefststand unterbieten wird, reicht aus, um auf dieser Seite des Parteienspektrums ordentlich auf den Busch zu klopfen. Am Abend habe ich den Oberdeppen der ARD gesehen, Herrn Deppendorf, wie er den Steinmeier in die Zange nahm. Mit einer tollen Umfrage vom Vizedeppen der ARD, Herrn Schönenborn. Der, bzw. sein Umfrageinstitut infratest dimap haben nämlich Folgendes fragen lassen.

Haben sie das Gefühl, dass die SPD zu leichtfertig staatliche Gelder in die Hände von Unternehmen gibt?

Ich habe Statistik ja immer gehasst wie die Pest, und es nicht so, dass ich den Steinmeier in Schutz nehmen möchte, aber eins hat der begeisterte, in die Aussagekraft von erhobenen Daten verliebte Hochschullehrer, uns Studenten selbst in der quantitativen Sozialforschung beigegbracht. So offensichtlich gesteuert fragt man seriöser Weise nicht. Hier wird doch die Antwort dem Befragten quasi in den Mund gelegt. Die manipulative Ausrichtung der Frage sticht so dermaßen ins Auge, dass man zu dem Schluss kommen muss, hier soll einfach nur vorgeführt und abgefertigt werden. Das ist übrigens eine ziemlich linke, äh nein, klassisch rechte Nummer. Volksverdummung in der ARD.

Doch die ging noch weiter. Der Deppendorf hat auch Gregor Gysi interviewt und diesen erneut vorgeworfen, dass aus dem Programm der Linken nicht hervorginge wie man alles finanzieren möchte. Dabei war der Deppendorf doch selbst dabei, als Oskar Lafontaine im Sommerinterview 2008 der ARD alles genau vorrechnete. Aber wie man damals bereits erkennen konnte, waren die geistigen Größen der ARD ziemlich überrascht und konnten im Kopf gar nicht mehr so schnell mitdenken, weshalb sie ihren Beschuss holpernd und reflexhaft auf die persönliche Ebene verlagerten. Ja ja, alles schon wieder vergessen. Ist das etwa Ausdruck wachsender Demenz in der ARD oder schlicht das Ergebnis eines bereits stattgefundenen Rechtsruckes innerhalb der Medienlandschaft?

Gerade höre ich die Tagesthemen im Hintergrund. Da läuft ein Bericht über die mangelnde Wahlbeteiligung. Tom Buhro blickt vorwurfsvoll nach Mecklenburg-Vorpommern. Denn obwohl da massenhaft EU-Gelder hinflössen, sei das Interesse an der heutigen Wahl ziemlich gering. Empörend diese Scheiß-Ossis. Undankbar, jaulend und überhaupt liegen doch die faulen Säcke den Leistungsträgern wie Frau Koch-Mehrin von der FDP nur auf der Tasche herum. Wissen sie noch, was Westerwelle in Hannover stellvertretend für seine Partei in die Mikrofone schrie:

„Es gebe kein Recht auf staatlich bezahlte Faulheit“

Ich verkneife mir jetzt noch mal auf die Fehlzeiten von Frau Koch-Mehrin hinzuweisen, bzw. auf ihre Einkünfte, die sie trotz Abwesenheit, aber perfekter Vermarktung ihres Mandats an Lobbyinteressen, eingestrichen hat. Wir sind beim Treten gegen sozial Schwache angekommen. Am Freitag schoss Christoph Slangen, vom Berliner PR-Büro Slangen+Herholz, noch einen Kommentar zum Thema Hartz IV Überwachung ein. Darin schrieb er Folgendes:

„Verdachtsfälle und Bußgelder zeigen aber auch, dass Leistungsmissbrauch kein ganz seltenes Phänomen und Kontrolle angebracht ist. Das hat nichts mit der Stigmatisierung Arbeitsloser zu tun, sondern mit der Sorgfaltspflicht gegenüber Versicherten und Steuerzahlern.“

Verdachtsfälle und Bußgelder zeigen also gefühlt etwas, was amtliche Statistiken klar widerlegen. Sozialleistungsmissbrauch ist ein seltenes Phänomen. Nahezu vernachlässigbar. Das Gegenteil ist richtig. Das sträfliche Vorenthalten von Leistungen nimmt aufgrund des Kostendrucks in den Argen immer weiter zu. Das beweisen die zahlreichen Entscheidungen vor Sozialgerichten gegen erteilte Hartz IV Bescheide. Das ist mittlerweile so dramatisch, dass der Gesetzgeber überlegt, den Klageweg für Betroffene zu erschweren. Aber weil Slangen als Anwalt der Versicherten und Steuerzahler, zu denen er Hartz IV Bezieher offenbar gar nicht mehr zählt, Schaum vorm Mund hat, verteidigt er auch noch eine rechtswidrige Überwachungspraxis, die nur deshalb von der Bundesagentur zurückgenommen wurde, weil der Landesdatenschutzbeauftragte von Schleswig-Holstein, Thilo Weichert, klare Worte fand und das Erwerbslosen Forum Deutschland gerichtliche Schritte gegen die BA einleiten wollte.

Wenn es aber um den Leistungsmissbrauch am oberen Ende der Vermögenstabelle geht, wenn es darum geht, Steuerhinterziehung zu bekämpfen, die den Staat Milliarden kostet, hört man vom Slangen nix. Da geht es ja auch um das scheue Reh des Kapitals, das sofort erschrickt und im Dickicht verschwindet, wenn man ihm zu sehr auf die Pelle rückt. Im Gegenteil, Slangen feiert ein Steinbrück-Gesetz zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung, das nachweislich nicht mal einen Placebo-Effekt entfaltet. Da ist der Sorgfaltspflicht gegenüber Versicherten und Steuerzahlern offenbar Genüge getan.

Wenn sie hier auch einen Widerspruch in der Kommentierung sehen, sollten sie sich solche provozierenden Sprüche, wie die von Bodo Krüger vom Samstag, dass man ruhig weitermeckern darf, aber gefälligst wählen gehen soll mit Ausrufezeichen, nicht gefallen lassen. Im Grunde ist es die Laxheit unserer Journalisten, die verantwortlich dafür ist, dass den Leuten die Politik zum Halse raushängt. Wählen sie doch einfach die Neue Presse Hannover ab oder ein anderes Parteiorgan der FDP. Da können sie nichts falsch machen.

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Schuldenbremse: Die Neue Presse jubelt

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Claus Lingenauber kommentiert in der Samstagsausgabe der Neuen Presse Hannover den Bundestagsentschluss zur Schuldenbremse. Und er freut sich.

„Sparsame Haushaltsführung sollte auch in der Politik eine Selbstverständlichkeit sein. Leider sieht die Realität oft anders aus. Wie an der Schuldenuhr des Steuerzahlerbundes abzulesen ist. Zurzeit hat Deutschland 1613 Milliarden Euro Schulden – Tendenz steigend.“

Und was heißt das, lieber Herr Lingenauber? 1,6 Billionen Euro Schulden hat der Staat. Das ist aber schlimm. Bei wem denn? Genau. Bei denen, sie sich ein Vermögen von rund vier Billionen Euro in Deutschland teilen – Tendenz noch viel mehr steigend. Nämlich jenes obere Zehntel, das über 60 Prozent des Gesamtvermögens von rund 6,6 Billionen Euro verfügt. Gegen die viel schneller laufende Vermögensuhr sieht die bekloppte Schuldenuhr des Steuerzahlerbundes wirklich armselig aus.

Es ist immer dieselbe Leier.

„Allgemein aber muss der Grundsatz „Auch in Zeiten guter Konjunktur und sprudelnder Steuereinnahmen sollte sparsam gewirtschaftet werden“ gelten. Damit während einer Rezession noch Geld übrig ist und der Staat nicht sofort wieder in der Schuldenfalle sitzt. Hier ist ein grundsätzliches Umdenken notwendig. Vielleicht hilft die geplante Grundgesetzänderung ja dabei. Schön wärs.“

Gegen sparsames Haushalten ist überhaupt nichts einzuwenden, nur bedeutet das Geschreibsel von Herrn Lingenauber in Wirklichkeit, dass der Staat mit Hilfe der Schuldenbremse gezwungen werden soll, sinnvolle Ausgaben zu streichen, notwendige Investitionen zu verschieben, große öffentliche Bedarfe wie zum Beispiel Investitionen in Bildung und soziale Dienstleistungen auszusparen. Im Kern heißt das eine Fortsetzung der Sozialstaatsdemontage.

Dabei hätte Lingenauber von seinem Nachrichtenlieferanten aus Berlin, Christoph Slangen (vom PR-Büro Slangen+Herholz), etwas wichtiges erfahren können. Slangen hat nämlich Peter Bofinger interviewt und ihn zur Schuldenbremse befragt. Und Bofinger antwortet auf die noch immer dusselige Frage, ob eine Schuldenbremse von der Idee her nicht gut sei, weil an künftige Generationen gedacht werde, die ja dann ohne die Belastung von Schulden aufwachsen könnten, wie gewohnt sachverständig und einleuchtend.

„Der Staat muss aber auch in Bildung, Infrastruktur, Umwelt investieren. Ich fürchte, dass diese aktive Vorsorge unter die Räder gerät. Das sieht man auch an den Befürwortern der Schuldenbremse: Sie wird am lautesten von denen gefordert, die auch Steuersenkungen propagieren. Um beides zu verwirklichen, müssten die Staatsausgaben massiv beschnitten werden. Und am einfachsten lassen sich Investitionen in die Zukunft einsparen, weil diese Einschnitte nicht direkt spürbar sind. Unsere Kinder werden jedoch darunter leiden, wenn der Staat zu wenig investiert. Sie werden fragen: Warum habt ihr nur an Geld gedacht, nicht an Bildung und Umwelt?“

Und Bofinger liefert noch ein weiteres Argument. Man kann nämlich ausrechnen, was eine Schuldenbremse gebracht hätte, wäre sie schon früher zum Einsatz gekommen. Die Staatsausgaben der Vergangenheit sind ja bekannt. Wäre die Schuldenbremse zu Zeiten des zarten Aufschwungs in den vergangenen Jahren bereits wirksam gewesen, hätte sie dafür gesorgt, dass die Ausgaben, die mittels neuer Schulden getätigt wurden, nicht gemacht worden wären. Dies hätte wiederum zur Folge gehabt, dass das kleine Konjunkturpflänzchen rigoros zertrampelt worden wäre und am Ende höhere Schulden gestanden hätten. Diesen Zusammenhang begreifen Leute wie Lingenauber einfach nicht.

Ich zitiere mal aus einer aktuellen IMK-Studie, die die Auswirkungen einer Schuldenbremse auf die Wirtschaftsentwicklung und die Staatsfinanzen untersucht hat.

In einem ähnlichen Experiment wurde daher die Entwicklung nachgezeichnet, die sich ergeben hätte wenn die Schuldenbremse für den Bund schon ab dem Jahren 2001 gegolten hätte. Die Berechnungen zeigen, dass bei einer restriktiven Fiskalpolitik, wie sie die Schuldenbremse in jenem Zeitraum impliziert hätte, das Wirtschaftswachstum massiv reduziert worden wäre (IMK-Report 29/2008). Das nominale BIP wäre um bis zu 50 Mrd. Euro bzw. um bis zu 2,4 Prozent niedriger ausgefallen als im Status quo, am Ende des betrachteten 8-Jahreszeitraums hätte das nominale BIP 1,5 Prozent unter dem Status quo gelegen. Damit ist der BIP-Verlust deutlich höher als die Reduzierung des Staatsverbrauchs, der (implizite) Multiplikator liegt bei 1,75. Auch das reale BIP wäre deutlich gedrückt worden, und das Beschäftigungsniveau hätte zeitweise um mehr als 500 000 Personen niedriger gelegen. Insgesamt hätte die Anwendung der Schuldenbremse zu Beginn dieses Jahrzehnts zu wachstumsbedingten Einnahmeverlusten des Staates geführt, die einen nennenswerten Teil der intendierten Reduzierung der Nettokreditaufnahme zunichte gemacht hätten.

Mit anderen Worten – alles für die Katz. Am Ende stehen höhere Schulden, weil wirtschaftliches Wachstum verhindert wird. Das ist auch gar nicht so schwer zu begreifen, wenn man sich die Sparversuche der Minister Waigel, Eichel und Steinbrück anguckt. Sie haben prozyklisches Sparen auf die Spitze getrieben und somit Konjunkturzyklen regelrecht abgewürgt. Schauen sie sich die Staatsquote an. Ein historischer Tiefstand nach dem anderen. Erst als Deutschland vom weltwirtschaftlichen Wachstum profitierte, verringerte sich auch die Verschuldung der öffentlichen Haushalte. Leider wird diese positive Wirkung immer den eigenen Reformen zugeschrieben. Dass das Blödsinn ist, kann man schon daran erkennen, dass in der Krise der Reformgrundsatz plötzlich nicht mehr gilt. Denn stagniert oder schrumpft die eigene wirtschaftliche Leistungskraft, ist natürlich die Weltwirtschaft Schuld, wächst hingegen die eigene Wirtschaftsleistung, so liegt das immer an den Reformen.

Wer also der Schuldenbremse einen Verfassungsrang zugesteht, will in Wirklichkeit keine Schulden verhindern, denn er weiß es ja besser, sondern seinem Dogma von der Zurückdrängung des Staates Geltung verschaffen, um so den Sozialstaat vollständig zugrunde richten zu können. Der öffentliche Sektor soll auf ein Minimalmaß zurückgestutzt werden. Es soll nur noch einen Nachtwächterstaat geben. Sämtliche Aufgaben sollen in privater Hand liegen und den Bedingungen des freien Marktes unterworfen sein. An diesem Vorgang kann man viel verdienen, wie die Privatisierung der Rente bereits heute zeigt. Eine Schuldenbremse in Verbindung mit Steuersenkungen bedeutet also nur eins:

Sozialstaatsdemontage!

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Die nächsten Sparorgien sind bereits geplant

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Angesichts der riesigen Steuerausfälle liegen die Nerven blank. An dem Dogma, Ausfällen nur mit Einsparungen begegnen zu können, hat sich nichts geändert. Mittlerweile ist diese schizophrene Auffassung an Absurdität kaum noch zu überbieten. In Hannover rechnet man im Rathaus mit Einnahmeausfällen von bis zu 750 Millionen Euro bis zum Jahr 2012. Natürlich ist man sich darüber im Klaren, dass sich so eine gewaltige Summe überhaupt nicht durch Einsparungen ausgleichen lässt. Das ändert aber nichts an der Überzeugung aller Beteiligten, es dennoch mit allen Mitteln zu versuchen. Und zwar radikal.

Nach Angaben der Neuen Presse Hannover gibt es zwei dicke Ordner mit Vorschlägen für Etatkürzungen. Darunter Beihilfekürzungen für Vereine und Verbände, Einsparungen bei Personalkosten und auch Privatisierungen von Kindertagesstätten und Heimen. Bisher habe man ein Einspraungsziel von jährlich 40 Millionen Euro angepeilt. Nun denkt man über mehr nach. Da fragt man sich, wohin die Reise nun gehen soll. Augenblicklich haben wir es nämlich in Sachen Haushaltspolitik mit einem handfesten Paradoxon zu tun.

Einerseits will man auf Grundlage der Zuweisung von finanziellen Mitteln des Bundes im Rahmen eines Konjunkturprogramms Investitionen tätigen, weil das Setzen von staatlichen Impulsen die Krise bekämpfen helfen soll und andererseits trägt man bereits einen Berg von Vorschlägen mit sich herum, die sich mit der Konsolidierung der Haushalte gerade in der Rezession beschäftigen. Das ist widersinnig, konterkarrierend und daher offensichtlich das Ergebnis einer nach wie vor krankhaften Wahrnehmungsstörung.

Dass es anders geht, zeigen aktuell französische Kommunen, die ihre Ausgaben noch einmal massiv erhöhen wollen, um so einen deutlicheren Impuls gegen die Wirtschaftskrise setzen zu können. So haben 18 785 Städte, Gemeinden und Landkreise eine entsprechende Konvention mit der Regierung unterzeichnet.

Demnach wollen die Gebietskörperschaften ihre Investitionen in diesem Jahr auf 53,5 Mrd. Euro ausbauen. Das entspricht einem Zuwachs um 54 Prozent gegenüber den durchschnittlichen Ausgaben in den Jahren 2004 bis 2007, teilte Patrick Devedjian, Sonderminister für das Konjunkturpaket, mit.

Quelle: Handelsblatt

Vor allem die regionale Wirtschaft soll dadurch profitieren und das ist auch legitim, so zu denken. Denn nur eine Steigerung der Nachfrage schafft Jobs, sichert Jobs, Bildung, Ausbildung – also Qualifikation und somit Wachstum und Steuereinnahmen. Nur die deutschen Schäfchen, die noch immer brav dem Glauben an eine gescheiterte Wirtschaftspolitik anhängen wie der moralisierende Christ dem durch die Gesellschaft längst getöteten Gott. Sie glauben nur an die Erlösung durch das Sparen in der Bilanz, die den Blick auf den engen Horizont eines Betriebswirtschaftlers reduziert.

Denn wie soll durch Einsparungen wie sie augenscheinlich geplant sind wieder Wachstum entstehen? Wie soll durch das Streichen von Personal oder das Kürzen von Löhnen im öffentlichen Dienst wieder mehr Steuereinnahmen generiert werden? Wie soll die Privatisierung von öffentlichen Aufgaben, wie das Betreiben von Kindertagesstätten zu einer Sicherung von Betreuung beitragen, die notwendig ist, damit Eltern vor Ort einer Beschäftigung nachgehen können, aus der wiederum Steuereinnahmen fließen?

Die Angst vor Schulden ist zu vergleichen mit der Angst des Gläubigen vor dem Teufel. Das Böse bedarf dann auch keiner näheren Erklärung mehr. Seine bloße Existenz reicht aus, um den Verstand zu betäuben, damit man im Sinne der Lehre handelt. Vielleicht ist die Kiste Bier zum Vatertag und das mehr oder weniger kollektive Besäufnis eine möglicherweise unbewusste Handlung, um den Glauben an die Rückkehr Christi auf Erden mal kurz zu verdrängen. Denn wie heißt es drohend im christlichen Credo:

Er sitzt zur Rechten des Vaters
und wird wiederkommen in Herrlichkeit
zu Richten die Lebenden und die Toten;
seiner Herrschaft wird kein Ende sein.

Da kann man es schon mit der Angst zu tun bekommen und sich glücklich schätzen, an den Hochfesten mal etwas über die Stränge schlagen zu dürfen. Nur ändert das nichts an der weltlichen Wirklichkeit. Die Franzosen haben das lange vor uns begriffen. Sie haben Gott und den Glauben dejure abgeschafft und ihn der Privatsphäre überlassen. Wo er auch hingehört. In der politischen Wirklichkeit hingegen zählt die Vernunft – das kommt übrigens von den großen deutschen Denkern. Und nach dieser ist es eben vernünftig, in einer solchen Wirtschaftskrise nicht mit Sparorgien zu antworten, um den Glauben zu erneuern, sondern aktiv etwas gegen die Verschärfung der Rezession zu tun, um die Wirklichkeit zu retten.

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FDP-Hofberichterstattung

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Manchmal sind die Widersprüche so offensichtlich und keinem Journalisten fällt es auf. Die FDP poltert in Hannover und fordert massive Steuersenkungen. Grund: „Das wäre das beste Konjunkturprogramm“

Am gestrigen Freitag gab es ein Interview mit FDP-Landeschef Philipp Rösler in der Neuen Presse Hannover. Darin sagt er wörtlich:

„Wir dagegen sagen den Menschen ehrlich: Ihr braucht den Steuervorteil, weil wir die Sozialsysteme reformieren müssen. Wir müssen weg vom Umlageverfahren und brauchen mehr Kapitaldeckung. Das bedeutet, dass man den Menschen mehr Geld geben muss, damit sie selber vorsorgen können.“

Den beiden fragenden Journalisten Heiko Randermann und Anja Schmiedeke ist die Brisanz dieser Aussage überhaupt nicht aufgefallen. Im Gegenteil Frau Schmiedeke schrieb dann in ihrem Kommentar über den FDP-Parteitag folgendes:

„…,im Entwurf zum Wahlprogramm ist wenig Provozierendes. Die Unaufgeregtheit ist auch ein Indiz für das frische liberale Selbstbewusstsein.

Wenig Provozierendes? So so. Die mal eben geäußerte Forderung nach der Abschaffung des Umlageverfahrens ist nicht weiter der Rede wert. Kapitaldeckung ist angesagt, auch in Zeiten der Finanzkrise, die gerade belegt, dass das Umlageverfahren sehr viel effizienter und auch renditeträchtiger ist, als die Kapitaldeckung. Das können sie sogar beim Versicherungsvertreter mit Professorentitel Bernd Raffelhüschen nachlesen. Der hat im Manager Magazin gesagt, dass die kapitalgedeckte Altersvorsorge eine durchschnittliche Rendite von 2-3 Prozent einbrächte. O-Ton Raffelhüschen:

„Mit diesen Größen sollten wir uns vertraut machen. Es gibt keinen langfristigen realen Zinssatz, der bei 5 Prozent oder höher liegt. Das ist und war schon immer eine Mär.“

Im Gegensatz dazu meldet die Deutsche Rentenversicherung:

„Ledige Männer, die 2020 in Rente gehen, können eine Rendite von etwa 2,8 Prozent erwarten, Frauen und verheiratete Männer 3,3 Prozent. Selbst Versicherte, die heute noch keine 40 Jahre alt sind, machen ein rentables Geschäft: Auch ihre Rentenrendite bleibt in dieser Größenordnung.“

Und nun nehmen sie mal die deutliche Aussage von Rösler, den Leuten durch Steuererleichterungen mehr Geld zu geben, dass sie dann in die teure private Altersvorsorge, aber auch in die private Krankenversicherung und natürlich auch in eine private Arbeitslosenversicherung stecken können, wenn sie sich denn, ganz freiheitlich gesprochen, dagegen auch absichern möchten – von können ist ja gar keine Rede. Und die Parteispitze sagt dann noch dazu, dass die Steuersenkungen die Konjunktur ankurbeln. Ja wie jetzt? Wenn noch Geld übrig bleibt? Oder meint die FDP eine Sonderkonjunktur für die private Versicherungswirtschaft?

Die Neue Presse Hannover reiht sich nahtlos in die Liste der FDP-Propaganda-Medien ein. Heute siniert der Ochs, Udo Harms, im Leitkommentar auf Seite 1 schon darüber, wie eine Regierung mit der FDP nun konkret aussehen könnte. In seinem letzten Satz schreibt er hoffend:

„Es trifft sich gut für die FDP, dass sich auch die Grünen bei ihrem Parteitag vor einer Woche die Ampel-Option offen gehalten haben.“

Und auch Frau Schmiedeke darf noch einmal ran. Auf Seite 2 kommentiert sie die hohe Kostenbelastung im Gesundheitssystem. Ganz auf Linie der FDP schreibt sie folgende unmöglichen Sätze:

„Denn egal, was wir uns wünschen würden – dass das Geld nicht reicht, um jede Medizin für alle zu bezahlen, ist offenkundig. Also müssen Entscheidungen gefällt werden – nicht nur von Ärzten, sondern von allen Mitspielern in dieser gesetzlichen Krankenversicherung wie Krankenkassen, Politik und Patientenverbände. Ziel muss eine ernsthafte Debatte darüber sein, welche Basisversorgung die Solidargemeinschaft ihren Mitgliedern zugestehen will – unabhängig vom Alter und individuellen Gesundheitsrisiken.“

Den Gründen für das Dilemma wird schon gar nicht mehr nachgegangen. Es wird einfach nur dumm behauptet, was die FDP schon immer predigt. Das Geld reiche nicht, das sei klar. So klar ist das aber gar nicht. Vor allem dann nicht, wenn man sich die ökonomischen Zusammenhänge einmal krisenbewusst vor Augen führt. Doch dazu reicht die journalistische Kraft nicht mehr. Die Basisvorsorge wird dann so bereits als Zukunftsmodell ausgerufen mit dem Zusatz, für den Rest solle man sich dann gefälligst eine private Lösung überlegen.

Im Nachbarkommentar von Christoph Slangen von der Berliner PR-Agentur Slangen+Herholz über die Möglichkeiten des Staates, in der Krise aktiv zu werden, lese ich dann auch die logische Konsequenz, die das Bild dieser abartigen PR-Kampagne nach dem Gusto der FDP und ihrer vermögenden Anhänger abrundet, die es sich eben leisten können, die öffentliche Meinung zu kaufen.

„Bis Ende des Jahres, womöglich bis Mitte des nächsten dürfte es dauern, bis es wieder stabiles Wachstum gibt. Die Arbeitslosenzahlen dürften bis dahin weiter steigen. Es ist ein Wettlauf mit der Zeit, bei dem die Möglichkeiten der Regierung begrenzt sind.“

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Nichts gelernt, das Ziel bleibt "Minimalstaat"

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Das können sie sehr schön aus zwei Meldungen dieser Tage herleiten. Zum einen möchte Merkel in der Tradition der Chicago Boys, auch in der Krise die Steuern weiter senken und auf weitere staatliche Impulse zur Unterstützung der Konjunktur verzichten. Zum anderen möchte Innenminister Schäuble mit Billigung Merkels eine Grundgesetzänderung herbeiführen, die es künftig zulässt, dass die Bundeswehr auch polizeiliche Aufgaben übernehmen kann. Das Ganze läuft etwas verschleiert unter dem Schlagwort „Priatenabwehr“.

Aus diesen beiden Meldungen kann man nun die Grundkonzeption der Union beschreiben. Nach wie vor geht es hier um eine ganz bestimmte Vorstellung vom Staat. Es geht um den „Nachtwächterstaat“, dessen Kennzeichen idealerweise darin besteht, auf polizeiliche Aufgaben reduziert zu sein, zum Schutz von Personen und deren Eigentum. Die Schieflage bei der Verteilung von Eigentum und Vermögen interessiert dabei nicht, da die Verteilung per Definition ein Ergebnis von Selbstregulierung ist. So kann es auch nicht verwundern, dass Hilfsprogramme für die Verlierer der gesellschaftlichen Umverteilung im Ergebnis kritisch betrachtet werden. Folgt man zum Beispiel Albert O. Hirschman so bedeuten soziale Hilfsprogramme, dass sie die Armut verschlimmern, statt sie zu verringern (siehe Hirschman, The Rhetoric of Reaction, dt: Denken gegen die Zukunft)

Für die Chicago Boys um Milton Friedman ist der Kapitalismus stabil. Gerade das Eingreifen des Staates hat nach Auffassung dieser Denkschule die Destabilisierung verursacht. Sie finden diesen Ansatz in der Union, vor allem aber bei der FDP und auch in der SPD. Die Zurückhaltung Konjunkturprogrammen gegenüber fußt also auf dem theoretischen Verbot, massive staatliche Interventionen zur Überwindung von wirtschaftlichen Krisen zuzulassen. Denn wenn die staatliche Intervention notwendig ist, bedeutet das in der Konsequenz, dass der Kapitalismus instabil ist. Und das wäre für unsere marktgläubigen Anhänger die Desavouierung ihres Leitbildes. Das ist der Kern der Auseinandersetzung. Es geht also weniger um Staatsschulden und das Gerede vom Leben über Verhältnisse, als vielmehr um die Wahrung von Weltanschauungen, die durch ein Systemversagen, wie wir es gerade erleben, fundamental bedroht werden.

Die Geldpolitik ist der einzige Bereich, bei dem die Dogmatiker dem Staat Handlungsspielraum zugestehen. Die Aufgabe über die Geldmenge zu wachen, finden sie aktuell wieder bei unserem Starökonomen im Bundes-HRE-Ministerium. Peer Steinbrück lässt keine Gelegenheit aus, vor der Gefahr einer Inflation zu warnen, obwohl die Deflation so sichtbar vor der Türe steht. Die Geldmenge muss stabil bleiben, lautet die Botschaft. Und die EZB folgt dieser Parole schon seit Jahren nur allzu gern. Der „Minimalstaat“ ist nach wie vor das Ziel herrschender Politik. In dieser Konzeption ist es unausweichlich, dass der öffentliche Sektor noch grundsätzlicher zur Disposition gestellt werden wird, als es ohnehin schon der Fall war. Im Augenblick erleben wir in Deutschland den Versuch, die Erschütterung der dogmatischen Weltanschauung mittels einer konservativen Reaktion zu begegnen, die im Gewandt einer Täuschung daherkommt und die Chiffre „Neue Soziale Marktwirtschaft“ oder plump „Mitte“ trägt.

Die von schwarz-gelb favorisierte Steuer- und Sicherheitspolitik, die von der der Großen Koalition favorisierte Schuldenbegrenzungspolitik sind Merkmale dieser folgenschweren Reaktion und ein Alarmzeichen für die Beständigkeit der Begriffe öffentlich, Sozialstaat und Daseinsvorsorge. Die Bedeutung des „Privaten“ wird ganz im Sinne der Chicago Boys in erheblichem Umfange zunehmen. Das können sie aktuell an einem Gesetzentwurf von CDU/CSU und SPD unter dem Titel „Faire Wettbewerbsbedingungen für Öffentlich Private Partnerschaften schaffen“ erkennen. Die Förderung von PPP ist auch in der Krise noch immer eine zentrale Aufgabe dieser Regierung. Und das, obwohl die Rechnungshöfe bereits angemahnt haben, dass öffentlich private Partnerschaften vor allem den öffentlichen Partner viel kosten.

In Zukunft wird der Gesetzgeber die Frage beantworten müssen, wie die immensen Kosten der Krise finanziert werden sollen. Die Antwort wird zu Lasten der sozialen Sicherungssysteme ausfallen. Einmal mehr wird die Vorstellung bemüht, der Sozialstaat sei schädlich. Den Schwachen dürfe keine Hilfe zu Teil werden, da sie sonst zur Gewohnheit würde. So einfach wird die Begründung ausfallen, wenn die Dogmatiker des Monetarismus sich neu formieren, um dem Freihandelsextremismus, der Deregulierung und dem Wettbewerbsdenken abermals oder verschlüsselt das Wort zu reden.

Daneben wird bürgerliches oder zivilgesellschaftliches Engagement an die Stelle staalicher Verantwortlichkeit treten. Die Woche des Ehrenamts können sie gerade in der ARD bestaunen. Nicht, das daran etwas auszusetzen wäre. Nur liegt hier der Verdacht nahe, dass mit Hilfe der Diskussion um das bürgerliche Engagement, das künftige Zurückweichen des Staates vorbereitet werden soll. Gestern zum Beispiel bei Anne Will. Dort war Ursula von der Leyen wieder in der Sendung zu Gast. Laut Focus hält sich die Ministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend seit 2005 am Häufigsten von allen Politikern in solchen Talkrunden auf. Da kann man sich jetzt seinen Teil zu denken.

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Maschmeyer feiert wieder

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Und zwar seinen 50.Geburtstag. In sein großzügiges Anwesen im Osten Hannovers waren nach Informationen der Neuen Presse gestern 50 Paare eingeladen. Darunter Ex-Kanzler Gerhard Schröder mit seiner Frau Doris Schröder-Köpf sowie Ministerpräsident Christian Wulff und seine „Bettina“, wie die NP ganz kuschelig schreibt. Man darf doch wohl ruhig zweite Ehefrau sagen oder nicht? Am Freitag war auf der Klatsch-Seite ein riesen Beitrag mit tollen Fotostudien von Maschmeyer ganz klein über Maschmeyer im Jahr 1992 als der AWD noch in den „Kinderschuhen“ steckte – man könnte auch sagen, als man noch mit Methoden einer Drückerkolonne unterwegs war – bis hin zu Maschmeyer mit Ferres ohne Schnauzbart. Darunter dann noch Freund Schröder mit seiner „Doris“.

Dank der großen AWD-Anzeigen-Kampagne: „Der nächste Kanzler muss ein Niedersachse sein“ 1998, tat Maschmeyer Herrn Schröder einen großen Gefallen. Er leistete damit einen Beitrag zum Wahlerfolg der SPD. Dafür bedankte sich Schröder artig, in dem er Reformen zum Nutzen der Versicherungswirtschaft und insbesondere des AWD durchsetzte. Sie kennen ja die Erfolgsgeschichte der Riesterrente. Eine Ölquelle nannte Maschmeyer dieses Geschenk ganz offen in seinen Rechenschaftsberichten als Chef des AWD. Für die Versicherten und Steuerzahler sieht die Sache hingegen anders aus. Sie bekommen nicht die versprochenen Renditen, dürfen aber mit ihren Steuergeldern (vor allem Mehrwertsteuer) den ganzen Spaß finanzieren. Über zehn Milliarden fließen aus dem Bundeshalt in die Riesterförderung. Das ist ihr Geld.

Und nun gehört ein Teil davon Carsten Maschmeyer, der sich zu jedem Anlass eine tolle Party gönnt. Erinnern sie sich bitte an die AWD-Geburtstagsparty in Hannover im letzten Jahr, bei der der AWD-Gründer ein paar Millionen springen ließ, um tolle Showacts seinen Gästen zu präsentieren. Auch damals waren die oben genannten Weggefährten dabei. Außerdem Bert Rürup, der mittlerweile auch offiziell für den AWD arbeitet, Walter Riester, Béla Anda usw. Übrigens war die Ferres damals auch schon mit von der Partie. Sie wurde neben Wulffs „Bettina“ abgelichtet. Da lief wohl bereits was zwischen Maschmeyer und der Schauspielerin. Oh man, jetzt mach ich auch noch die Klatscharbeit für die NP.

Na ja, jedenfalls geht’s dem Maschi gut. Er bekommt jetzt sogar einen Ehrendoktor von der Uni Hildesheim, will die NP erfahren haben. Das ist natürlich die große Aufmachung wert. Andere Themen müssen da zurücktreten. Wie zum Beispiel der Bericht über die Entwicklung des Arbeitslosengeld II in der Region Hannover, der gleich unter dem Glamour-Artikel platziert wurde. Demnach lebt mittlerweile jeder Zehnte in der Region Hannover von Hartz IV – also 114.631 Menschen. Da gibt’s dann nicht so viel zu Feiern.

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