Ein Déjà-vu mit Frank-Walter

Geschrieben von:

Auf Handelsblatt Online lese ich gerade:

Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier machte ein Jahr vor der Bundestagswahl klar: „Wir spielen auf Sieg, nicht auf Platz.“ Man wolle nicht als Juniorpartner in einer großen Koalition landen – Rot-Grün sei das Ziel. Beide Parteien setzen nun auf mehr Zuspitzung gegenüber Merkel und Schwarz-Gelb.

Genau dasselbe hatte der damalige Spitzenkandidat der SPD Frank-Walter Steinmeier im Bundestagswahlkampf 2009 gesagt. Das desaströse Ergebnis – bekanntlich hat es nicht mal für eine Platzierung als Juniorpartner gereicht – dürfte den meisten noch gut in Erinnerung sein. Dennoch will die SPD verstärkt angreifen und 2013 mit einer sozialen Reformagenda das Kanzleramt zurückerobern.

„In unserem Land ist etwas aus dem Lot geraten. Deutschland braucht ein neues Gleichgewicht“, sagte Parteichef Sigmar Gabriel zum Abschluss eines „Zukunftskongresses“ der SPD-Fraktion am Samstag in Berlin.

Ob ein Gleichgewicht mit „Sigmar“ und seiner SPD hergestellt werden kann, ist mehr als fraglich. Die soziale Reformagenda muss für viele, die bereits von der letzten Agenda der SPD schwer getroffen wurden, wie eine Drohung klingen. Da kriegt die Kanzlerin jetzt aber bestimmt Angst.

1

Ein zweifelhafter Sieg in Frankreich

Geschrieben von:

Mit der Wahl Francois Hollandes werden sehr viele Hoffnungen verknüpft. Der europäische Fiskalpakt und das deutsche Spardiktat könnten nun vor der Aufkündigung stehen. Doch soweit ist es noch lange nicht und auch die offene Anbiederung von Sigmar Gabriel an Hollande zeigt, dass hier keine neue Politik im Entstehen ist, sondern es darum geht, aus der Wahl in Frankreich innenpolitisches Kapital zu schlagen. Aus Sicht der SPD reicht es ja schon, wenn Hollande die “handwerklichen Fehler” Merkels beim Namen nennt und etwas Kosmetik an der neoliberalen Agenda betreibt, die ansonsten von der SPD voll mitgetragen wird.

Der Sieg Hollandes ist aber auch deshalb von zweifelhafter Natur, weil er mit den Stimmen der Rechtsextremen erkauft worden ist und somit von kurzer Dauer sein wird. Hollande ist wohlmöglich nur ein Übergangspräsident, weil Marine Le Pen vom Front National mit dem Abgang von Sarkozy auf einen Zerfall der bürgerlichen Rechten setzt. Geht ihre Strategie auf, könnte sie in fünf Jahren die große Gewinnerin sein. Vorausgesetzt in Europa ändert sich nichts bis auf die kosmetischen Korrekturen, die von machtlosen Linken und geschäftstüchtigen wie karrieregeilen Sozialdemokraten unter großem Getöse durchgesetzt werden.

4

Gabriels Erleuchtung und Naivität

Geschrieben von:

Der SPD Vorsitzende Sigmar Gabriel hat die Zeichen der Zeit erkannt und schlägt vor, eine stärkere Regulierung der Banken dadurch herzustellen, indem man sie aufteilt. In Geschäftsbanken einerseits, die die Kreditversorgung der Wirtschaft sicherstellen, und in Investmentbanken andererseits, die weiterhin spekulieren dürfen. Der Vorschlag ist nicht neu, sondern liegt bereits seit einigen Jahren auf dem Tisch. Allerdings hätte es wenig Sinn, den mit Milliardenhilfen gestützten Bereich des Investmentbankings aufrecht zu erhalten und ihm zu erlauben, mit einer geringfügig höheren Eigenkapitalquote riskante Geschäfte zu tätigen. Gabriel meint dazu sozialdemokratisch naiv:

„Es geht nicht um Zerschlagung, sondern um die Trennung der Geschäftsbereiche“, beteuerte er. Gabriel schlug vor, das Spekulieren in den Investmentmärkten auf einen bestimmten Prozentsatz des Eigenkapitals von Banken zu begrenzen. „Damit, wenn das schiefgeht, nicht die Sparkunden dran glauben“, sagte er.

Quelle: Reuters

So richtig die Trennung der Geschäftsbereiche ist, so falsch liegt Gabriel bei der Vorstellung, die Spekulation mit bestimmten Prozentsätzen aufs Eigenkapital eindämmen zu können. Wer spekulieren will, muss das zu 100 Prozent des Eigenkapitals tun. Er muss für die erlittenen Verluste voll haften und darf keinesfalls die Hilfen der Steuerzahler in Anspruch nehmen. Wer eine Trennung der Geschäftsbereiche vorschlägt, muss konsequenterweise auch fordern, die Investmentbanken in die Insolvenz gehen zu lassen.

Eine Bank, die mit Milliarden Euro Steuergeldern vor dem Zusammenbruch bewahrt wird, hat keinerlei Anreiz, die eigenen Verluste offen darzulegen. Das gescheiterte Spitzenpersonal wird im Gegenteil versuchen, „die Bank zu plündern und so viel Geld mitzunehmen wie möglich, bevor das wahre Ausmaß der Schäden ans Tageslicht kommt. Dazu streichen die Manager noch in dieser Situation Boni und Dividenden ein“, sagt der Ökonom James Galbraith, der schon lange jene Zerschlagung fordert, vor der sich Sozialdemokraten wie Gabriel immer noch fürchten. Schließlich sind die Banken nach dem „Duktus“ der Kanzlerin und des größten Krisenmanagers aller Zeiten, Peer Steinbrück (SPD), systemrelevant.

0

Realsatire im Bundestag

Geschrieben von:

Im Bundestag soll es heute heiß her gegangen sein. Die Reform des Hartz-IV-Gesetzes stand auf der Tagesordnung und Arbeitsministerin von der Leyen schritt gleich zweimal ans Rednerpult, nachdem die SPD überraschend ihren letzten Redner gegen Parteichef Sigmar Gabriel ausgetauscht hatte, der zum Rundumschlag ausholte. Das konnte sich die ehemalige Unions-Barbie und Zensursula natürlich nicht gefallen lassen und wechselte sich kurzerhand gegen den letzten Redner der Union noch einmal selbst ein.

Wütende Proteste hüben wie drüben. Auf Antrag der Linken wurde die Sitzung dann unterbrochen und später wieder fortgesetzt. Am Ergebnis hat der inszenierte Zoff natürlich nichts geändert. Hartz-IV bleibt Armut per Gesetz und zwar ganz unabhängig davon, ob die SPD ihren Mindestlohn bekommt oder nicht. Rot-Grün steckt in einer Glaubwürdigkeitsfalle, weil sie die Arbeitsmarktreformen buchstäblich zu verantworten haben und das immer noch toll finden. Union und FDP können der Opposition somit genüsslich die Beteiligung und das Versagen während ihrer eigenen Regierungszeit vorhalten und jeder kann dem spontan zustimmen.

Dass Union und FDP die Arbeitsmarktreformen von Schröder selber mitbeschlossen haben, als damals SPD und Grüne die Zustimmung im Bundesrat brauchten, ist nur eine Randnotiz, aber auch ein entscheidender Hinweis auf die Gegenwart, die unter veränderten Vorzeichen genauso schäbig abzulaufen droht wie damals. Jetzt brauchen Union und FDP halt die Zustimmung von der SPD oder nur von den Saarland-Grünen, um ihr Gesetz im Bundesrat zu verabschieden.

Gregor Gysi wies in seiner Rede darauf hin und betonte noch einmal die seltsame Rolle der Grünen mit Blick auf Hamburg und das Saarland sowie auf die Tatsache, dass die große Hartz-IV-Konsenssoßenvereinigung im deutschen Bundestag einmal mehr ein verfassungswidriges Gesetz beschließen wird.

Die neue Chefmathematikerin der Union Ursula von der Leyen wurde am Ende ihres zweiten Auftritts, bei dem sie schon eigenartige Schüttelsätze von sich gab, frenetisch gefeiert und mit minutenlangem Applaus bedacht. Das war im Prinzip der zweifelhafte Höhepunkt dieser geschmacklosen Show. Die Frage aber, warum man für die Rechnung fünf Euro mehr fast ein ganzes Jahr braucht und damit jene Frist, die das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber gesetzt hat, bis zum Schluss ausnutzen muss, bleibt weiterhin ein Rätsel.

Bei der Ablösung des kriminellen Vorstands der HSH-Nordbank, Dirk Jens Nonnenmacher, sind die Politiker offenbar bereit, zwei Millionen Euro Abfindung unter Vorbehalt zu zahlen.

Der Bankchef soll nach dem Willen der Eigentümer – vor allem Hamburg und Schleswig-Holstein – die zwei Millionen Euro nur unter Vorbehalt bekommen, wie die „Süddeutsche Zeitung“ weiter berichtete. Sie wollen vertraglich festlegen lassen, dass Nonnenmacher das Geld zurückzahlen müsse, falls er wegen Straftaten verurteilt werden sollte oder noch Sachverhalte bekannt würden, die eine fristlose Kündigung gerechtfertigt hätten.

Und wie soll die „vertragliche Festlegung“ dann heißen. Ausgliederungsvereinbarung? Und wieso sagt man nicht einfach, dass Nonnenmacher sein Vermögen zunächst aufbrauchen müsse, bevor der Steuerzahler, der schon seine Bank und sein Gehalt gerettet hat, ihm noch einen Abschiedsbonus hinterschiebt? Die Schnösel von der FDP meinen ja, dass man diese beiden Dinge, also Eingliederungsvereinbarung und Ausgliederungsvereinbarung nicht miteinander vergleichen könne.

Wenn aber Gabriel den Vergleich in seiner Rede gezogen und auf die Schieflage innerhalb der Gesellschaft hingewiesen und Vorschläge zur Abhilfe unterbreitet hätte, dann wäre ihm vielleicht auch die Zuschauertribüne applaudierend zur Seite gesprungen, obwohl die Besucher des Bundestags das eigentlich gar nicht dürfen.

8

Bundesversammlung: Der unsinnige Vergleich

Geschrieben von:

Weil immer wieder darauf verwiesen wird, dass Roman Herzog schließlich auch erst im dritten Wahlgang zum Bundespräsidenten gewählt worden sei, lohnt es sich doch, die damalige Wahl noch einmal anzuschauen. Damals, im Jahr 1994, hatte die FDP als Regierungspartei mit Hildegard Hamm-Brücher eine eigene Kandidatin ins Rennen geschickt, zwei Wahlgänge lang. Die Grünen hatten mit Jens Reich, übrigens auch ein DDR-Bürgerrechtlier, ebenfalls einen eigenen Kandidaten am Start. Und die SPD mit Johannes Rau sowieso.

1994 gab es also vier Kandidaten (plus dem inzwischen obligatorischen Rechtsradikalen) und davon zwei aus der damals amtierenden Regierungskoalition. Mehrere Wahlgänge waren somit absolut vorhersehbar und auch wahrscheinlich. Nur fällt das wieder keinem der fragenden Journalisten auf. Es kommen immer wieder dieselben Fragen und dieselben Antworten. Der heutige zweite und nunmehr dritte Wahlgang war nun hingegen keinesfalls vorhersehbar, sondern eine faustdicke Überraschung. Das kann man auch nicht mehr schönreden, wenn aus einer klaren 21 Stimmen Mehrheit keine ausreichende Zustimmung für den eigenen Personalvorschlag zu Stande kommt.

Eigentlich müsste man jetzt abbrechen. Wieso stürmen die Menschen vor dem Reichstag nicht ihr Parlament und beenden dieses bescheuerte und abgekartete Schauspiel? Steht doch oben dran, wem das Gebäude gehört. „Dem deutschen Volke“. Das einzig Positive ist doch, dass alle Verfassungsverbrecher auf einem Haufen hocken und kollektiv die Demokratie beschädigen. Und die Medienvertreter fressen Schnittchen, Saufen Schampus und stellen blöde Fragen. Aber die Mehrheit der Bevölkerung glaubt wahrscheinlich tatsächlich, dass sie Gauck lieber mögen und drücken die Daumen, dass die SPD mit ihrem Gaunerstück der großkoalitionären Ablenkung durchkommt.

„Yes, We Gauck!“

So titelte Springers „Märchen-Welt“ am Tag nach der Nominierung Gaucks. Fast wie abgesprochen. Was war da nur los?

Inzwischen geben die rot-grünen Parteigranden sogar ehrlich zu, wer sie auf die Idee mit dem Kandidaten Joachim Gauck gebracht hat: Thomas Schmid war es, Chefredakteur der „Welt“ aus dem Verlag Axel Springer. Als Gaucks Kandidatur dann offiziell war, jubelten „Welt“ und „Bild“ („Yes, we Gauck“) so demonstrativ und laut, dass Kanzlerin Angela Merkel mehrmals zum Telefonhörer griff, um sich bei Verlegerin Friede Springer zu erkundigen, was denn mit ihrem Verlag los sei.

Quelle: FTD

Also hat der Springer-Mann Thomas Schmid Herrn Gabriel angerufen, um den Kandidaten Gauck vorzuschlagen. Aber warum hätte die SPD diesen Vorschlag annehmen sollen? Weil Gauck für den demokratischen Sozialismus steht oder für soziale Grundrechte und den Sozialstaat? Nein! Gabriel stimmte nur deshalb zu, weil er von Springer eine positive Presse als Gegenleistung angeboten bekam. Und unter diesen miesen und korrupten Bedingungen soll die Linke nun zeigen, auf welcher Seite sie stehe? Sie soll zeigen, dass sie fähig ist, sich endlich von der DDR-Diktatur zu lösen? Häh??? Um sich dann was? Einer anderen Diktatur anzuschließen oder Bündnissen, in denen SPD und Grüne nicht davor zurückschrecken würden, das Druckmittel der DDR-Vergangenheit anzuwenden, um die Linke auf Linie zu zwingen.

Nein, die Enthaltung ist die richtige Antwort. Nur hätten die Linken von Anfang an diesen Weg beschreiten müssen und darum werben sollen, diesem miesen Parteigeschachere mit Ablehnung zu begegnen. Die Regierung ist am Ende und die Opposition, die in Wirklichkeit mitregiert (siehe Hartz IV, Afghanistan und Finanzmärkte) und Verantwortung für das Scheitern trägt, auch.

5

Volker Pispers über den politischen Todesengel aus der Uckermark

Geschrieben von:

Wer darf auf Muttis Schoß? Darum ging es bei den zurückliegenden Wahlen und darum wird es auch bei zukünftigen Bundestagswahlen gehen, so Pispers. Merkel hat ja keinen natürlichen Feind mehr, sondern alle Gegner sprichwörtlich weggebissen. Im Augenblick koche sie sich den Westerwelle weich. Gleichzeitig habe sie die leckeren Grünen im Blick, deren Unterwerfung in einer schwarz-grünen Koalition ihr nächstes großes Projekt sein dürfte. Wer solle sie denn ablösen? Da will ja keiner mehr. Im Gegenteil, wie ich gerade bei Welt-Online lese. Der SPD-Chef Gabriel bietet der Kanzlerin ein sog. „Bündnis für Vernunft“ an, bei dem es darum gehe, „gemeinsam mit der Bundeskanzlerin die richtigen steuerpolitischen Signale zu setzen“.

So, das wäre dann die dritte Bemerkung des SPD-Chefs heute, bei der ich kotzen muss.

0

Wie blöd ist eigentlich Sigmar Gabriel?

Geschrieben von:

Zwei Bemerkungen des SPD-Chefs heute rufen bei mir akuten Brechreiz hervor. Erstens: Gabriel könne sich ein Bündnis mit Grünen und der FDP in NRW vorstellen (siehe u.a. hier). Gabriel setzt dabei auf die bereits mehrfach gescheiterte Ausgrenzungsstrategie zur Partei die Linke. Er lässt wieder Beton anrühren, damit die SPD ihre Mauer um sich herum noch höher bauen kann.

Und zweitens, und das ist noch viel schlimmer: Gabriel fordert von der Kanzlerin eine Klarstellung über die Bezeichnung des Afghanistan-Einsatzes. Wenn Merkel das deutsche Engagement am Hindukusch für einen Krieg hält, müsse sie im Bundestag ein neues Mandat beantragen. Auf Spiegel-Online lese ich völlig entsetzt:

Wenn Merkel den Einsatz für einen Krieg halte, müsse sie ein neues Bundestagsmandat beantragen. „Dann würde mit Sicherheit die Abstimmung anders verlaufen.“

Häh? Was will uns der Harzer Roller denn damit sagen? Wenn die Bundesregierung das Offensichtliche beim Namen nennen würde, dann würde die SPD nicht mitstimmen, weil es sich bei der SPD um eine große Anti-Kriegs-Partei handelt? Ist der Gabriel jetzt völlig bescheuert? Seine Erläuterung zu diesem Unsinn ist noch unsinniger:

Gabriel sagte, er verstehe die Gefühle in der Bevölkerung, fügte aber hinzu: „Trotzdem müssen Politiker etwas anderes tun.“ Der Uno-Einsatz in Afghanistan diene dem Schutz der Regierung und dem „Kampf gegen die terroristischen Bastionen der Taliban“. Er sei an ein klares völkerrechtliches Mandat gebunden. Wenn die Bundesregierung der Meinung sei, dass dieses Mandat nicht mehr ausreiche, müsse sie das offen sagen, „und die Bundesrepublik Deutschland muss entscheiden, ob sie sich an einem Krieg beteiligen will“, sagte Gabriel.

Für die Sozialdemokraten ist es also entscheidend, genau zu wissen, wie man etwas nennt, als zu wissen, was tatsächlich in Afghanistan vor sich geht, um daraus dann die entsprechenden Schlüsse zu ziehen? Das ist ein starkes Stück. Wenn die Regierung also offiziell von Krieg spräche, würde die SPD ihre Zustimmung verweigern, um wahrscheinlich das sinnlose Sterben von Unschuldigen zu verhindern und um deutsche Soldaten vor einem lebensgefährlichen Kriegseinsatz zu bewahren. Solange aber die Bezeichnung stimmt, darf gekämpft, gemordet und gefallen werden. Das trägt die SPD dann aus Überzeugung mit oder wie? Ich fasse es nicht.

5

Kritik an Deutschlands "Geschäftsmodell"

Geschrieben von:

Das ist ja mal sehr interessant. Nun meldet sich der große Nachbar Frankreich endlich mal zu Wort und beklagt die deutschen Exportüberschüsse, die in der europäischen Gemeinschaft mehr schädlich als nützlich sind und sofort formiert sich hierzulande die gesamte Presse, Wirtschaftsvertreter und Politik, um dem alten „Erzfeind“ die Krallen zu zeigen. Man müsse sich schließlich nicht dafür entschuldigen, dass man seine Hausaufgaben gemacht hätte. Und schon gar nicht müsse man sich von EU-Staaten, die ihre Hausaufgaben nicht gemacht hätten, etwas vorwerfen lassen. Schließlich sei Deutschland der größte Beitragszahler der Europäischen Union.

Das ist natürlich ein Argument. Zieht man mal die Gelder ab, die auch Deutschland aus dem EU-Topf erhält, überweisen wir jährlich rund 9 Mrd Euro nach Brüssel. Zum Vergleich, der Handelsbilanzüberschuss Deutschlands wuchs bis zum Jahr 2007 auf rund 195 Mrd Euro an. Im Jahr 2008 waren es noch etwa 176 Mrd und im Krisenjahr 2009 immerhin noch 136 Mrd Euro. Im Januar 2010 beläuft sich der Überschuss auf 8,71 Mrd Euro. Mit anderen Worten: In der EU sind wir zwar ein sog. Nettozahler, aber volkswirtschaftlich betrachtet sind wir ein großer globaler Gläubiger.

Und Frankreich ist bilanztechnisch unser Schuldner wie im Übrigen der gesamte südeuropäische Raum auch. D.h. wir exportieren in diese Länder mehr als wir aus diesen importieren. Wenn jetzt also die französische Wirtschaftsministerin Christine Lagarde sagt, dass Deutschland seine Handelsbilanz ausgleichen müsse, mit anderen Worten, mehr aus den Schuldner-Ländern importieren sollte, dann wäre das ein Beitrag zur Stabilität des Euroraums und jener Länder, die hoch verschuldet sind. Deutschland müsste dazu aber die eigene Binnenkaufkraft stärken und das heißt wiederum höhere Löhne und höhere Sozialleistungen zulassen statt ständig dem Kürzungsdogma oder unverdächtig formuliert, der moderaten Lohnentwicklung, zu folgen.

An diesem Vorschlag ist nichts Falsches und zwar aus einem ganz wichtigen Grund. Wegen John Maynard Keynes. Im letzten Jahr noch gefeiert, in 2010 wird er schon wieder verdammt. Eine Volkswirtschaft kann sich nicht auf Dauer von der globalen Wirtschaft abkoppeln und so tun, als gäbe es auf der anderen Seite keine Bilanz, die negativ ausfällt. Während Deutschland seine Exporterfolge feiert und am liebsten dahin zurück möchte, muss einer positiven Bilanz immer auch eine entprechend negative gegenüberstehen. D.h. damit Deutschland überhaupt Exporterfolge vorweisen kann, bedarf es eines Schuldners, der bereit ist, über seine Verhältnisse zu leben. Deutschlands Überschüsse müssen also in den Handelsbilanzen der Partner-Staaten als Defizite wieder auftauchen.

Doch was passiert, wenn der Schuldner zahlungsunfähig wird bzw. an den Rand der Zahlungsunfähigkeit gerät? Wie muss der Gläubiger dann reagieren? Mit Beschimpfungen und wilden Sparvorschlägen, die die Rückzahlungsfähigkeit des Schuldners weiter verschlechtern?

Nein, aber genau das tut Deutschland mit seinen Schuldnern in Südeuropa, aber auch mit Frankreich. Statt auf einen Ausgleich zu setzen, um die Rückzahlungsfähigkeit zu wahren, schwadronieren die hiesigen Hausaufgabenweltmeister davon, dass die anderen gefälligst für ihre Finanzprobleme selber geradestehen und sich vielleicht am Welt- und Europameister ein Beispiel nehmen sollten. Dann hätten wir mehr solide Gläubiger und weniger schlechte Schuldner, so die deutsche Logik. Aber wer nimmt dann am Ende die Kredite der Gläubiger?

„Der Mond? Der Mars? Oder doch wieder die Amerikaner?“

Das fragt Heiner Flassbeck in seinem Buch „Gescheitert“. Deutschland selber wolle nichts an seinem Geschäftmodell der ständigen Verbesserung der Wettbewerbsposition ändern. Das bedeutet aber ganz zwangsläufig, dass Schuldner wie Griechenland ihre Verbindlichkeiten nicht mehr ohne Hilfe bedienen können. Sie können eben nicht auf Dauer über ihre Verhältnisse leben und die Exporterfolge der Deutschen finanzieren. Das durch die EU den Griechen auferlegte Sparprogramm ist gerade deshalb auch ein Witz, weil es dem Ziel der Defizitreduzierung zuwider läuft. Auch das lehrt John Maynard Keynes, dem selbst Frau Merkel im letzten Jahr mit der Bemerkung folgte, dass es falsch sei, in die Krise prozyklisch hineinzusparen.

Baut Deutschland die Ungleichgewichte innerhalb der EU nicht ab, in dem es beispielsweise mit einem Konjunkturprogramm antizyklisch in die Wirtschaft eingreift und selbst für eine Nachfragebelebung sorgt, wird man als Gläubiger zwangsläufig zahlen müssen. Entweder über verbesserte Zinskonditionen, einen Schuldenerlass oder im Fall der Pleite mit einem Totalausfall der Ansprüche gegen Griechenland. Wenn sich also die Finanzminister der 16 EU-Staaten heute in Brüssel treffen, kann nur als Ergebnis herauskommen, dass Deutschland zahlt und zwar als größter Gläubiger einen riesigen Batzen.

Und statt den französischen Vorstoß zu geißeln, sollte man einmal darüber nachdenken. Dazu noch einmal Heiner Flassbeck (aus: „Gescheitert“):

„Wenn nicht bald im Bundeswirtschafts- oder Finanzministerium ein Referat eingerichtet wird, das nichts anderes tut, als die Auswirkungen der deutschen Wirtschaftspolitik auf andere Länder abzuschätzen und den Minister vor den Rückwirkungen zu warnen, wird Deutschland noch oft in diese Falle der Globalisierung tappen.“

Auf diese Tatsache hin könnte man ja auch mal die Westerwellsche Türöffnungspolitik im Ausland abklopfen und nicht die Frage stellen, wem Westerwelle da die Tür öffnen will, sondern welchen Zweck die Öffnung eigentlich volkswirtschaftlich erfüllen soll. In diesem Zusammenhang finde ich übrigens Sigmar Gabriels heutige Kritik am „rechthaberischen Schreihals“ Westerwelle sehr amüsant:

„Diejenigen, die Herr Westerwelle – zum Teil aus der Schweiz – mitnimmt auf Auslandsreisen, sind das Gegenteil von Leistungsgesellschaft. Sie gehören eher zur Lumpenelite, die den Wirtschaftsstandort Deutschland schädigen und nichts dazu beitragen, dass es in diesem Land vorangeht.“

Quelle: Stern

1

Mal wieder auf Grün geeicht: Oder wie im TV erneut für schwarz/grün getrommelt wird

Geschrieben von:

Natürlich ist mal wieder eine Infratest dimap Umfrage scheinbarer Auslöser einer neuerlichen medial gestützten Werbekampagne für Schwarz-Grün. Im gestrigen Bericht aus Berlin in der ARD konnte man einmal mehr im Vorfeld einer Wahl den Versuch absichtlicher Stimmungsmache in Richtung einer solchen Konstellation studieren. Zuletzt wurde das ja bei den Wahlen in Hamburg und im Saarland praktiziert. Dabei gibt es dafür überhaupt keinen Grund. Zwar sagen die Wahlforscher, dass sich die Bevölkerung in Deutschland ein solches Bündnis lieber wünschen würde als das bisherige, doch diese Klimaforschung deckt sich ja nicht einmal mit den gemessenen Abstimmungszahlen.

Wahltrend NRW
Quelle: infratest dimap

Demnach würde es im Augenblick eindeutig weder für schwarz-gelb, noch für schwarz-grün in NRW reichen. Das Thema der Sendung ist also absolut nicht zu verstehen. Man hätte eher danach fragen sollen, wie die sich abzeichnende große Koalition die Arbeit angehen will.

Doch um seriöse Berichterstattung ging es am Sonntag in der ARD nicht. Moderator Rainald Becker bezeichnete schon zu Beginn der Sendung das griechische Sparprogramm wahrheitswidrig als „alternativlos“ und die Finanzkrise gar als ein Ereignis, das bereits ein Jahr zurückläge. So ein Blödsinn. Zur Politik der Bundesregierung in Sachen Griechenland und der internationalen Finanzmärkte wurde im Anschluss der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel befragt. Zum Ende des Interviews dann der entscheidende unseriöse Dreh auf die „Das Volk liebt Schwarz-Grün“ Geschichte. Dabei müssen sie in dem folgenden Audio-Ausschnitt mal darauf achten, mit welchen Wahlforschungs-Ergebnissen derselben Umfragefirma da beide Geprächspartner hantieren. Ich kläre das am Ende einmal auf.

Moderator Becker unterstellt, dass alle von Schwarz-Grün reden würden und bezieht sich dabei auf ein Umfrageergebnis, welches er auch Gabriel ins Wort spricht und wonach rund 46 Prozent der Deutschen Schwarz-Grün toll fänden. Das ist eine grobe Manipulation und eine sträfliche Verletzung journalistischer Sorgfaltspflichten. Denn das Umfrageergebnis, das selbst ein Manipulationsstück ist, stellt sich in Wirklichkeit wie folgt dar:

Schwarz-Gelb oder Schwarz-Grün
Quelle: infratest dimap

Bundesweit wurde also eine Alternativfrage gestellt nach dem Muster entweder oder. Andere Optionen wurden gar nicht gemessen. Sigmar Gabriel bezog sich nun auf ein Umfrageergebnis desselben Instituts zur NRW Wahl, welches auch am selben Tag veröffentlicht wurde. Und da sieht das Ganze nun so aus:

Koalitionswünsche NRW
Quelle: infratest dimap

Also deutlicher kann man die absichtliche Meinungsmanipulation schon gar nicht mehr treiben. Nach dem Interview behauptete Moderator Becker erneut wahrheitswidrig und auf der Grundlage eines äußerst dubiosen Umfrageergebnisses, dass sich eine Mehrheit der Deutschen eine andere Politehe wünschen würde und Schwarz-Grün dabei ganz vorne stünde. Er behauptete auch, dass es nach der NRW-Wahl ganz schnell gehen könne mit Schwarz-Grün, weil es diese Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene bereits gibt. Es ist unerträglich wie in diesem Beitrag darauf hingesteuert wurde, positive Stimmen und Stimmungen einzufangen. Das ist kein Journalismus, das ist einfach billige PR.

Und das anschließende Interview mit Claudia Roth müssen sie sich anhören. Offenbar überrascht von der „theoretisch“ gehaltenen Frage Beckers, ob ein Trio aus Seehofer, Merkel und Roth besser funktionieren würde, als ein Trio Seehofer, Merkel, Westerwelle, musste die Parteivorsitzende der Grünen notgedrungen mit ja antworten: Einfach witzig, aber hören sie selbst:

_______________________________________________

Link zur Sendung:
http://www.tagesschau.de/bab/

Das komplette Video zur Sendung:
http://www.tagesschau.de/multimedia/video/video666274.html

0

Umfrage: SPD unter 20 Prozent

Geschrieben von:

Man soll ja nichts auf Umfragen geben und schon gar nicht, wenn sie von Forsa kommen. Dennoch sollte man darauf hinweisen, dass die SPD nunmehr bei 19 Prozent angekommen ist. Ein bissel Personalkarussell hier, ein bissel Vermögenssteuer da und ansonsten viel Schulterklopfen für das, was man erreicht hat, vor allem für die Versager Müntefering, Steinbrück und Steinmeier scheint die Menschen nicht sonderlich zu beeindrucken. Sie sehen ganz genau, dass bei der SPD sehr wenig Erneuerung, wenn überhaupt, stattgefunden hat.

Trotz seiner umjubelten Antrittsrede auf dem Dresdner Parteitag punktet der neue SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel bei den Wählern nicht. Auf die Frage, wen sie direkt zum Kanzler wählen würden, entschieden sich nur 19 Prozent der Deutschen für Gabriel, 60 Prozent zogen Merkel vor. Damit schnitt Gabriel schlechter ab als der damalige Parteichef Kurt Beck, der zu Beginn seiner Amtszeit im Mai 2006 auf eine Zustimmung von 25 Prozent kam.

Quelle: Stern

Wer ernsthaft mit einem anderen Ergebnis gerechnet hat, ist wirklich zu bedauern. Allerdings könnte man das Ergebnis auch wieder anders deuten. Und ich bin mir sicher, dass die Agenda-Verfechter es auch tun werden. Denn Steinmeier hat die besseren Zustimmungswerte. Forsa-Chef Güllner spielt dabei mal wieder den nützlichen Idioten und weist gesondert auf diesen Umstand hin.

Alarmierend für Gabriel sei, dass sich lediglich 15 Prozent der Jüngeren (18- bis 29-Jahre) für ihn entscheiden würden. Und nur 46 Prozent der SPD-Wähler würden ihn zum Kanzler wählen, Steinmeier habe dagegen im Augenblick noch 54 Prozent der SPD-Wähler hinter sich.

Ich könnte mir jetzt vorstellen, dass Steinmeier, Steinbrück und der kümmerlich Rest der Bundestagsfraktion nun behaupten werden, dass die aktuellen Umfragewerte eine Quittung für den angeblichen Linksschwenk von Dresden sei. Na dann, Gute Nacht. :yawn:

2
Seite 6 von 7 «...34567