Gedanken zur Amtseinführung

Geschrieben von: am 20. Jan 2009 um 14:48

Heute ist der Tag, an dem Barack Obama vereidigt und ins Weiße Haus einziehen wird. Sie kommen gar nicht am neuen Präsidenten der Vereinigten Staaten vorbei. Nahezu alle Kanäle berichten live über den traditionsbeladenen Festakt zur Amtseinführung. Man kann nur hoffen, dass die journalistische Begleitung bei ARD, ZDF, RTL, Phoenix, n-tv und N24 anders sein wird, als wir das zum Beispiel aus Sendungen wie „ZDF Royal“ kennen, in der sich stundenlang über den Schluckauf ihrer Majestät unterhalten wird.

Vielleicht hören wir ja auch etwas über den Präsidenten Obama und seine künftige politische Linie. Neben all der Freude über den Sieg des Demokraten und dem rauschähnlichen Zustand ganzer Massen, die gar vom größten Ereignis seit Jesus Christus fantasieren, möchte man doch gern wissen, wie der neue Präsident seinen Wandel zu gestalten gedenkt. In Sachen Außenpolitik hat er ja, wie Amtsvorgänger Bush, ebenfalls deutlich aber höflich erklärt, dass er sich ein größeres Engagement der Europäer und besonders der Deutschen an den Krisenherden der Welt wünscht. Der Krieg wird für Amerika einfach zu teuer.

Innenpolitisch muss sich Obama mit der Finanz- und Wirtschaftskrise auseinandersetzen. Zu diesem Punkt hat er etwas sehr Interessantes gesagt. Und zwar müsse man nun massiv investieren, um die Konjunktur zu stützen. Über höhere Schulden solle man sich keine Sorgen machen, denn kurzfristig sei es am wichtigsten, eine sich vertiefende Rezession zu verhindern. Mit dieser Einstellung wäre er in Deutschland bei allen unten durch, die bereits nach einer Schuldenbremse riefen, als das deutsche Konjunkturprogramm noch gar nicht beschlossen war.

Daran kann man erkennen, wie unsachlich die Schuldendebatte in Deutschland eigentlich geführt wird, um kurzfristige Wahlerfolge zu erzielen. Deshalb halte ich die FDP nach wie vor für einen widerlichen opportunistischen Haufen von Parolendreschern, die sich der langfristigen Wirkung ihrer einfachen Politrezeptur, die sie medienwirksam unters Volk streuten, gar nicht bewusst sind. Die Amerikaner hingegen wissen ganz genau, dass nicht Schulden das Problem sind, sondern die wirtschaftliche Entwicklung. Die gilt es in der Krise aktiv zu beleben.

Die deutsche Ablehnung Schulden gegenüber, ist eigentlich nicht zu verstehen. Vor allem nicht von der FDP, die sich immer als Hüterin marktwirtschaftlicher Prinzipien aufspielt. Freiheit statt Sozialismus, hieß es da kürzlich in Erinnerung an den Altnazi Filbinger noch. Dabei beruht auf der Tatsache, Schulden machen zu können, doch das ganze marktwirtschaftliche System. Ohne Schulden stünde doch alles still. Mario Müller bringt es in seiner FR-Kolumne auf den Punkt:

„Ohne Kredit stünden nicht nur alle Räder still, sie wären gar nicht erst produziert worden. Wie schnell es eng werden kann, zeigen die Klagen von Unternehmen über die aktuelle Kreditklemme. Und selbst der sparsame Bürger ist auf Darlehen angewiesen, will er Wohneigentum oder ein Auto kaufen.“

Der Staat muss in der Krise also Schulden machen, um den Laden am Laufen zu halten, den alle übereinstimmend für den besten und schönsten halten, den es je gab. Tut er es nicht oder wird er per Gesetz gezwungen, sich weniger Geld zu leihen, als nötig wäre, muss er zwingend an sich selber sparen. D.h., der Staat muss seine Ausgaben den sinkenden Steuereinnahmen anpassen, denn breite Steuersenkungen will die FDP ja auch. Und die Menschen freuen sich dann über mehr Netto vom Brutto? Nein, denn durch das Ausbleiben von staatlichen Investitionen, geraten die Jobs in Gefahr und durch das Einsparen von staatlichen Leistungen, verschiebt sich der Finanzierungsbedarf z.B. bei den Sozialversicherungen auf die persönliche Ebene. Da muss dann jeder selbst zusehen, wie er zu Rande kommt.

In den USA kann man das sehr schön am dortigen Gesundheitssystem studieren. Jeder fünfte US-Haushalt hat dort inzwischen einer Umfrage zufolge Gesundheitsschulden von mehr als 1 000 Euro (siehe Berliner Zeitung). Einen schlanken Staat können sich also nur jene leisten, die über genügend Kapital verfügen. Dass man die nun an der Finanzierung von Konjunkturprogrammen beteiligt, kommt der FDP aber auch Barack Obama nicht in den Sinn. Denn öffentliche Verbindlichkeiten stehen immer entsprechenden Forderungen gegenüber, schreibt auch Mario Müller. Beides wird vererbt. Die Zinsen zahlen künftige Steuerzahler, den künftigen Gläubigern. Es geht also um die Verteilungsfrage innerhalb einer Generation, nicht zwischen dem heutigen und dem morgigen Steuerzahler. Aber von Verteilungsfragen versteht die FDP nix. Das war ihr schon immer viel zu sozialistisch.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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