Kurz notiert

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  • Wolfgang Ischinger meint, mehr Krieg hilft gegen Flucht: So wörtlich hat das der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz jetzt nicht gesagt, sondern: „Unsere Strategie in der Syrienkrise ist nur dann glaubwürdig, wenn sie mit glaubwürdigen militärischen Handlungsoptionen unterlegt ist.“ Er findet, Deutschland habe vor vier Jahren fälschlicherweise weggeschaut. Eigentlich ist das Gegenteil richtig. Deutschland hat immer ziemlich genau hingeschaut und darauf geachtet, dass jede Konfliktpartei mit ausreichend Waffen versorgt ist.
  • Merkel erkennt ihr Land nicht wieder: Die Bundeskanzlerin wolle sich nicht dafür entschuldigen, „in Notsituationen ein freundliches Gesicht zu zeigen“. Ein emotionaler Ausbruch, schreiben einige. Doch keine Angst. Sigmar Gabriel hält das Bild vom hässlichen Deutschen weiter aufrecht. Er spielt jetzt die Rolle des bad guy, indem er mit dem Stopp von Zahlungen droht, falls sich die EU Partner weiterhin weigern, bei der Verteilung von Flüchtlingen den deutschen Vorstellungen zu folgen. Nur wer sagt denn, dass sich Flüchtlinge an die Vorgaben aus Brüssel oder Berlin auch halten würden? Nachdem die Grenze zwischen Ungarn und Serbien mit NATO-Stacheldraht verbarrikadiert worden ist, nehmen die Menschen, die in Not sind, jetzt einen noch beschwerlicheren Umweg über Kroatien auf sich. Und wenn diese Menschen dann irgendwann an der deutschen Grenze stehen, werden sie freundlich darauf hingewiesen, dass das Land sie leider nicht aufnehmen könne, da die Politik eine Atempause brauche, um unter anderem auf dem Oktoberfest den Kopf fürs Kampftrinken frei zu haben.
  • EuGH schützt deutsche Sozialkassen: Einige Medien erkennen in dem Urteil aus Luxemburg ein höchstrichterliches Votum gegen „Sozialtourismus“. Laut Angaben der Bundesregierung sind in dem Regelsatz von 399 Euro ganze 44,05 Euro pro Monat für Freizeit, Unterhaltung und Kultur vorgesehen. Klar, das muss auf den Touristen aus dem Ausland schon sehr anziehend wirken. Der „Sozialtourist“ darf übrigens nicht mit dem „Asyltouristen“ verwechselt werden. Denn wie „besorgte Bürger“ immer wieder betonen, gibt Letzterer nämlich ein gutes Leben in Afrika, in Syrien oder auf dem Balkan auf, um es sich in einem leerstehenden deutschen Baumarkt noch besser gehen zu lassen.
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SPD heißt „Willkommen“

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„Deutschland heißt Willkommen“, lässt Sigmar Gabriel über sein Facebook-Profil verbreiten. Die SPD und ihre Werbetexter. Das wird nichts mehr. Denn zu diesem Deutschland, das Willkommen heißt, gehört die Große Koalition offenbar nicht. Denn das Ergebnis des gestrigen Koalitionsgipfels, an dem auch Spitzen der SPD teilgenommen haben, hat mehr mit „Abschreckung“ denn mit „Willkommen“ zu tun. Mehr dazu hier.

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Aufklärung stößt an Grenzen

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Die Behauptung wird zur Wahrheit und der Versuch, das zu kritisieren zu einem Grund, Menschen auszugrenzen.

Die Gegenöffentlichkeit arbeitet sich daran ab, die unbelegten Behauptungen des Mainstreams immer wieder zu widerlegen. Das wirft die Frage auf, warum der Mainstream seine Behauptungen eigentlich nicht beweisen muss. Nun, die Antwort hat zum Beispiel Kai Gniffke (Chef der ARD Aktuell Redaktion) einmal gegeben als er sagte „Wir haben den Begriff ‚OSZE-Militärbeobachter’ richtig verwendet. … Die Bezeichnung … steht im Einklang mit dem Wording von Nachrichtenagenturen und Qualitätszeitungen…“

Mit anderen Worten, wir wissen schon, dass eine Aussage falsch ist, benutzen sie aber trotzdem, weil alle anderen es auch tun. Ich will das Verhalten nicht als Propaganda bezeichnen, kritikloser Herdentrieb, der auf einem falschen Vertrauen beruht, trifft es besser. Das Problem dabei ist nur, dass eine sachliche Diskussion nicht geführt werden kann, wenn die Hauptredezeit dafür verwendet werden muss, unwahre Behauptungen aus der Welt zu schaffen.

Der Sinn von Rede und Gegenrede ist doch wohl Argumente auszutauschen. Im Augenblick ist es aber so, dass statt dieses Austauschs und der Suche nach der besten These lieber eine Art Hinterherlaufen praktiziert wird. In der Politik ist das nicht anders. Sigmar Gabriels Begründung, warum Deutschland den umstrittenen Freihandelsabkommen TTIP und Ceta zustimmen sollte, folgt dem gleichen Muster. Er sagte: „Wenn der Rest Europas dieses Abkommen will, (…) dann wird Deutschland dem auch zustimmen. Das geht gar nicht anders.“

Herrscht der Herdentrieb, ist es vorbei mit der Vernunft. Wenn alle ein schwachsinniges Finanzprodukt vertreiben, muss ich das auch tun. Wenn alle von OSZE Beobachtern sprechen, mache ich das auch. Wenn alle TTIP und Ceta wollen, will ich es auch. Und wenn alle von der Brücke springen, springe ich eben hinterher. Diese bornierte Haltung ist gegen Aufklärung weitgehend resistent, weil die Kreise, in denen man sich bewegt, Halt geben. Schlimmer als bewusst falsch zu handeln, ist die Aussicht, nicht mehr dazu zu gehören.

Wie Lafontaine, der ewige Hinschmeißer oder jetzt Platzeck, der unerhörte Russlandversteher. Die Entsolidarisierung einer Gesellschaft heißt ja nicht, dass es keine Solidarität mehr gebe. Sie gibt es nach wie vor in den Netzwerken der Eliten oder in jenen Gruppen, die neuerdings wieder der Hass auf die Anderen oder die Schwächeren eint. Die Solidarität grenzt sich ab und tritt in Konkurrenz zueinander. Interessen werden gegeneinander ausgespielt. Dazwischen wird zerrieben, was vernünftig war und wieder sein könnte.


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Regierung redet Lage weiter schön

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Während sich die neue EU-Kommission längst vom Aufschwung verabschiedet hat und die Entwicklung der Wirtschaft in der Eurozone und vor allem Deutschland halbwegs realistisch einzuschätzen vermag, mauert das politische Berlin. Beim Arbeitgebertag trafen daher Not und Elend aufeinander.

Das Land taumelt am Rande einer Rezession und der Wirtschaftsminister warnt. Nicht vor einer Krise, die längst da ist, sondern vor einer, die nur herbeigeredet werde. Denn als Wirtschaftsminister glaubt Sigmar Gabriel wie seine Vorgänger auch, ganz fest an das Wachstum und jenen Pfad, auf dem es seit Jahren nur dahin schleicht. Nun ist es elendig verschieden, doch Anlass für eine Kurskorrektur sieht die Bundesregierung nicht. Sie mauert sich weiter ein.

Glaube hilft nicht weiter

Beim Treffen der Arbeitgeber darf die Kanzlerin unwidersprochen sagen, dass die deutsche Wirtschaft keineswegs an einer Wachstumsschwäche im Innern leide, schließlich sei der private Konsum eine starke Stütze. Die muss man sich aber einbilden, denn sichtbar ist sie nicht, nicht mal als Krücke. Die gesunkenen Wachstumserwartungen, so die Kanzlerin, gehen vor allem auf geopolitische Risiken sowie die Ukraine-Krise zurück, an deren Verschärfung die Außenpolitik der Bundesregierung natürlich vollkommen schuldlos ist.

Die Regierung Merkel begreift die konjunkturelle Lage als Herausforderung, tut aber nichts weiter, als die gescheiterten Rezepte, die ja nur Glaubenssätze sind, wieder und wieder aufzuwärmen. Beispiel Lohnnebenkosten. Ihnen geht es immer dann an den Kragen, wenn die Zeiten düster werden. Sie sind daher eine beliebte Stellschraube der Politik. Denn eine Senkung der Beiträge entlaste ja Arbeitgeber wie Arbeitnehmer, so die Lehre.

Dass aber nur der Arbeitgeber Kosten spart, während dem Arbeitnehmer der Lohn und die Sozialversicherungsleistung gekürzt werden, sagt die Regierung nicht. Sie glaubt ganz fest daran und mit ihr die Arbeitnehmer, dass die Arbeitgeber die eingesparten Kosten in Investitionen schon umsetzen und damit mehr Arbeitsplätze schaffen werden. Eine Fehlannahme wie die Realität beweist, die allerdings vom Glaubensdogma und immer neu vermeldeten Beschäftigungsrekorden regelmäßig in den Schatten gestellt wird.

Von der Last der permanenten Begünstigung

Seit Jahren werden die Investitionsbedingungen für Unternehmen verbessert. Steuern wurden gesenkt, der Arbeitsmarkt flexibilisiert und das Bildungssystem nach den betriebswirtschaftlichen Wünschen der Arbeitgeber umgebaut. Genutzt hat es nichts. Zwar explodierten die Gewinne, diese standen als Investitionen im Inland aber nicht zur Verfügung. Zum einen, weil die Erwartungen von Anteilseignern vorrangig zu bedienen waren, zum anderen aber auch, weil die gesamtgesellschaftliche Nachfrage fehlte, die ein Investment hätte lukrativ erscheinen lassen.

Die Folge: Das Geld fließt in Form von Krediten ab und Deutschland ist abhängig von Märkten, auf denen tatsächlich Nachfrage herrscht. Das leugnet selbst die Bundesregierung nicht und nennt das ganze Wettbewerbsfähigkeit. Dabei verschuldet sich das Ausland aber bei uns mit rund 200 Milliarden Euro pro Jahr. So hoch ist nämlich der Bilanzüberschuss, den die Bundesrepublik ausweist. Das heißt konkret, dass die Mittel für Investitionen im Inland zur Verfügung stünden. Warum sollten dann also Firmen weiter entlastet werden, wie die Arbeitgeberlobby fordert und die Kanzlerin in Aussicht stellt?

Angebliche Belastungen sind nicht das Problem, sondern eine fehlende Nachfrage. Die kann sich aber nur dann entwickeln, wenn die Arbeitnehmer auch an den wachsenden Gewinnen beteiligt würden. Nur so hätten die bisherigen Aufschwungsfantasien der Politik, die bereits Wahnvorstellungen gleichen, eine Chance vom Reich der Träume in die Wirklichkeit überführt zu werden. Danach sieht es aber nicht aus, weil nicht einmal die Worte Nachfrage und Lohn im Glaubensbekenntnis der handelnden Akteure einen Platz finden.

Von der Schutzbedürftigkeit der Wertschöpfungskette

Löhne sind Kosten, die Arbeitgeber stören. Und was die Arbeitgeber stört, stört auch die Politik, der es schon reicht, wenn irgendwie Arbeitsplätze entstehen. Welche sind egal. Oder doch nicht? „Du sollst froh sein, Arbeit zu haben und nicht auch noch nach einem Lohn verlangen“, so könnte es in der Bibel der Arbeitgeber stehen. In Wirklichkeit stehen da aber Sätze wie: „Ich warne davor, dass ein weiterer Eingriff, eine weitere Reglementierung und auch eine weitere Reduzierung der Flexibilität am Ende ganze Wertschöpfungsketten gefährdet.“ (Daimler-Personalvorstand Wilfried Porth im Handelsblatt).

Gemeint sind Werkverträge, die angeblich Wertschöpfungsketten schützen und in deren unternehmerische Gestaltung sich niemand einmischen dürfe, weil sie vom Himmel direkt in den Schoß der Arbeitgeber fielen. Das stimmt nicht ganz. Denn die berühmten Arbeitsmarktreformen einer rot-grünen Bundesregierung gelten eindeutig als weltliche Ursache für diesen Trend und einer bis heute ungebrochenen Konjunktur im Bereich der Leiharbeit.

Dann gab es aber noch eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts im Jahr 2010, das die ausgehandelten Tarifverträge zwischen Scheingewerkschaften wie der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personal-Service-Agenturen (CGZP) für ungültig erklärte und den um ihren Lohn betrogenen Beschäftigten ein Klagerecht einräumte. Das wiederum führte zu den Werkverträgen wie wir sie heute kennen und bei denen Mitbestimmung durch Arbeitnehmer grundsätzlich ausgeschlossen ist.

Missbrauch ist nicht gleich Missbrauch

Bloß keine Regulierung, fordern die Arbeitgeber daher, was nicht heißt, dass dieser Grundsatz auch für die Tarifpolitik gilt. Hier liegen die Interessen bekanntlich anders. In diesem Bereich stören Flexibilität und Deregulierung wieder, weil diese Bedingungen von den Arbeitnehmern ja ausgenutzt werden, um mit den Mitteln des Arbeitskampfes Forderungen zu stellen. Sie müssen schon verstehen, wenn die Arbeitgeber Scheingewerkschaften gründen, um quasi mit sich selbst Tarifverträge auszuhandeln, ist das eine kluge Politik, die Wertschöpfungsketten schützt. Wenn aber Arbeitnehmer den Spieß umdrehen und sich eine Gewerkschaft suchen, die ihre Interessen vertritt, ist das ein klarer Missbrauch der Tarifautonomie.

Dann muss die SPD als letzte Instanz zur Rettung von Arbeitgeberinteressen ran und ein Gesetz ausarbeiten, dass möglichst rasch für Klarheit sorgt und die Rechte von Arbeitnehmern beschränkt. Und so ist es auch. Das verfassungswidrige Gesetz zur Tarifeinheit liegt schon zur Verabschiedung bereit, wie Bundesregierung und Arbeitgeber im Gleichklang loben. Mit einer Regulierung der Werkverträge, von denen die SPD einst noch sagte, sie würden missbräuchlich Anwendung finden, will sich die Arbeitsministerin hingegen noch etwas Zeit lassen. Frühestens 2016 werde das Thema angegangen, so versicherte es Nahles den Personalvorständen.

Trotz dieser Fakten, bewundern die Medien die Kanzlerin dafür, dass sie den jammernden Arbeitgebern die Stirn biete und zum Beispiel an der Frauenquote festhalte oder im Angesicht zunehmender Altersarmut eine Senkung der Rentenbeiträge ankündigt. Es gebe wahrscheinlich wieder Spielräume, trotz schwächelnder Konjunktur? Dass die Senkung der Beiträge zuletzt noch ausgesetzt worden war, mit der Begründung, nur so Mütterrente und Rente mit 63 finanzieren zu können, wirft zwar Fragen auf, stört die Medien aber auch nicht weiter. Schließlich missbraucht die Kanzlerin ihren Posten ja nicht. Sie schwänzt ja nur einen anderen Beruf.


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Europa in der Dauerkrise

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Nach den Personalentscheidungen in Brüssel dürfte die Wirtschaftspolitik in der kommenden Woche wieder eine Rolle spielen. Das neoliberale Weltbild ist erschüttert, denn die versuchte Sparsamkeit ist teuer. Neue Schulden wären billiger.

Am Donnerstag tagt der Rat der EZB. Thema ist die Dauerkrise in der EU. Denn deren Wirtschaftsleistung stagniert im zweiten Quartal, was am Mittwoch durch die offizielle Schätzung der Statistiker noch einmal deutlich werden dürfte. Deutschlands BIP ist im zweiten Quartal sogar geschrumpft. Die selbsternannte Wachstumslokomotive hat den Rückwärtsgang längst eingelegt.

Allein die Lokführerin Angela Merkel will es nicht wahrhaben und stellte vergangene Woche den EZB-Präsidenten Draghi am Telefon zur Rede. Der hatte nämlich auf einer Konferenz der Notenbanker vorsichtig angedeutet, dass Investitionsprogramme helfen könnten, die lahmende Konjunktur in der Eurozone wieder anzukurbeln.

Ordnungsruf für die Wirklichkeit

Solche spalterischen Gedanken ärgern die Berliner Eisenbahngesellschaft, die trotz Irrtums an ihren Sparversuchen festhalten will. Dazu gebe es keine Alternative, heißt es (t)rotzig. Und obwohl die Arbeitslosenquote in der Eurozone im Juli bei 11,5 Prozent verharrt und die Inflationsrate inzwischen nur noch 0,3 Prozent beträgt, lautet die einfache Formel durchhalten statt umdenken.

Wer auch nur in die Nähe eines vernünftigen Gedankens wankt, erhält sofort einen Ordnungsruf. In Frankreich wird gar eine ganze Regierung ausgetauscht. Minister mit eigener Meinung werden durch Minister mit der Meinung des Regierungschefs ersetzt. In Deutschland empfiehlt ein sozialdemokratischer Wirtschaftsminister die Schaffung eines lukrativen Fonds, der private Gelder für öffentliche Investitionen einsammeln soll.

Die schwarze wie heilige Haushaltsnull darf nicht umfallen und die Schuldenbremse nicht reißen. Wer genau hinschaut, stellt aber fest, dass das Ziel der Sparversuche krachend gescheitert ist. Gemessen an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit haben die Schulden, die mit strikter Austerität ja reduziert werden sollten, in der Eurozone neue Rekordstände erreicht. Gebremst wurde hingegen nur das Wachstum und damit jene Einnahmequelle, die Staaten in die Lage versetzt, ihre Schulden überhaupt zu bedienen.

Schulden so billig wie nie

Im August meldete das statistische Bundesamt, dass die öffentlichen Schulden der Bundesrepublik das erste Mal seit 64 Jahren gesunken sind. Die Medien erweckten daraufhin den Eindruck, dass Deutschland erstmals Schulden zurückbezahle oder tilge.

Das ist natürlich grober Unfug, da ein Land ständig seine Schulden zurückzahlt und zwar immer dann, wenn die Laufzeit von Anleihen abgelaufen ist, der Gläubiger also seine Kohle zum vereinbarten Termin nach ein paar Monaten oder zehn Jahren wiedersehen will. Woher nimmt der Staat das Geld? Er leiht es sich. In letzter Zeit geht das zu sehr günstigen Konditionen, weil die EZB mit Draghi an der Spitze notfalls für alle Anleihen bürgt.

Im Umkehrschluss bedeutet das, dass die Refinanzierung dieser Schulden deutlich billiger ist, als vor der Krise. Die laufenden Kreditkosten, also Zinsen, die aus dem Haushalt bezahlt werden müssen, sinken. Im Fall Deutschlands ist das der Grund für die schwarze Null. Schäuble hat nicht gut gewirtschaftet, sondern profitiert vielmehr vom Zinsvorteil, den ihm die EZB gewährt. Er tilgt alte Schulden mit günstigeren neuen Schulden. Mehr nicht.

Gewollte Sparsamkeit kann teuer werden

Gleichzeitig maulen er und Merkel aber herum, dass die lockere Geldpolitik der Zentralbank die Sparabsicht aller konterkariere und zum Schuldenmachen einlade. Nur, wer seine alten Schulden zurückzahlen will, muss neue Schulden machen. Wer darüber hinaus investieren will, muss noch mehr neue Schulden machen, bekommt im Gegenzug aber eine Zunahme der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, weil sich die gesamtwirtschaftliche Nachfrage insgesamt erhöht. Das heißt, der Schuldenstand sinkt in Relation zum BIP. Eine expansive Fiskalpolitik wie von Draghi sachte empfohlen, wäre die günstigste und eine nachhaltige Alternative.

Berlin lehnt das aber ab, weil es dem eigenen Weltbild widerspricht. Nur wer gar keine neuen Schulden machen und auch gar nicht investieren will, hat den Kapitalismus nicht verstanden und muss am Ende noch viel mehr neue Schulden machen, nur um die Substanz zu erhalten. Wirklich sparen kann also nur der, der Schulden regelmäßig macht und das Geld sinnvoll investiert. Stattdessen wollen Teile der Politik lieber der Finanzindustrie mit der absurden Idee höherer Zinsversprechen im Rahmen eines Fonds zu einem Geschäft verhelfen, nur um den Anschein zu vermeiden, eigene Schulden aufnehmen zu müssen.

Der Vorteil beim Weg über einen Fonds liegt natürlich auf der Hand. Seine vergleichsweise hohen Kosten taugen als Begründung für kommende Kürzungsrunden, die dem Mantra der Sparsamkeit und damit dem zerbröselten Weltbild wieder entsprechen. Dass dafür Ressourcen sinnlos verplempert bzw. Geld von unten nach oben umverteilt werden müssen, geschenkt. Wer übrigens Schulden abbauen will, muss das Vermögen reduzieren. Steuern zu erhöhen, wäre da ein probates Mittel, das aber seit der letzten Wahl quasi ausgeschlossen ist. Über Steuererhöhungen redet man nicht mehr. Damit ist an dieser Stelle eines sicher: Die Krise bleibt von Dauer.

Noch ein Lesetipp: Heiner Flassbeck fasst die Lage sehr viel besser zusammen.

http://www.flassbeck-economics.de/was-im-august-wichtig-war/


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Die Dialektik der Kanzlerin

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Nach Angela Merkel verbaue sich Russland durch Rücksichtslosigkeit und Stärke seine Zukunft selbst. Beim Blick in den Spiegel müsste die deutsche Regierungschefin eigentlich zum selben Ergebnis kommen.

„Wir wissen, dass diejenigen, bei denen das Denken nur um ihre eigenen Interessen kreist, die ohne Rücksicht auf andere ihre Stärken ausspielen, keine Chance haben, Zukunft zu gestalten. Niemand, der erfolgreich sein möchte, kann heute nur seine eigenen Belange in den Vordergrund stellen. Er verbaut sich damit selbst seine eigene Zukunft.“

Dieser Satz von Merkel, gefallen heute während der Generaldebatte im Bundestag, ist bemerkenswert. Gesprochen hat sie ihn im Zusammenhang mit der Krise in der Ukraine. Die Medien verstehen diesen Satz als Mahnung an den Kremlchef und die Menschen an den Volksempfängern sollen ihn so verstehen, dass Merkel die Friedensstifterin nur den Ausgleich suche und gegenseitige Rücksichtnahme fordere. Wie aber ist dann Merkels Haltung zur Wettbewerbsfähigkeit zu verstehen?

Vor einem Jahr sagte sie auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos:

„Wenn wir uns in Europa bei den Lohnstückkosten genau in der Mitte treffen würden, beim Durchschnitt aller europäischen Länder, dann würde ganz Europa nicht mehr wettbewerbsfähig sein und Deutschland nicht mehr exportieren können. Das kann nicht das Ziel unserer Bemühungen sein. Deshalb sind Überschüsse in den Leistungsbilanzen zum Teil natürlich auch Ausdruck einer guten Wettbewerbsfähigkeit. Und diese dürfen wir auf gar keinen Fall aufs Spiel setzen.“

Merkel stellt vermeintliche Belange Deutschlands in den Vordergrund, ohne zu erkennen, dass sie damit die Zukunft des Landes verbaut. Sie glaubt, es läge im Interesse Deutschlands, Überschüsse in den Leistungsbilanzen permanent und für alle Ewigkeit anzuhäufen. Diese Überschüsse können aber nur existieren, weil es auf der anderen Seite Defizite gibt, deren Existenz die Kanzlerin als allererste scharf verurteilen und als Ausdruck mangelnden Stabilitätsbewusstseins identifizieren würde. Südeuropa kann ein Lied davon singen. Diese Länder werden von einer Troika letztlich für das Vergehen bestraft, den Exporterfolg Deutschlands jahrelang finanziert zu haben.

Merkel versteht Wirtschaftspolitik als einen Kampf um Wettbewerbspositionen und weniger als Ausgleich, der dem Welthandel aber genuin zugrunde liegt. Sie hängt dem falschen Glauben an, alle auf der Welt könnten profitieren, wenn Deutschland nur beständig hohe Leistungsbilanzüberschüsse ausweise. In Wirklichkeit aber sind diese Ungleichgewichte auf Dauer schädlich für die Weltwirtschaft und den internationalen Handel wie die Eurokrise eindrucksvoll beweist. Dennoch dürfe die hohe Wettbewerbsfähigkeit nicht auf Spiel gesetzt werden, meint Merkel, schon gar nicht durch eine Politik, die dem Außenhandel schade.

Dabei hat sie das gar nicht mehr in der Hand. Die Wechselkursentwicklung korrigiert inzwischen das Missverhältnis, das sich in der gesteigerten Wettbewerbsfähigkeit widerspiegelt. Seit einiger Zeit wertet der Euro gegenüber anderen Währungsräumen kontinuierlich auf. Waren und Dienstleistungen aus Europa werden auf dem Weltmarkt damit teurer. Umgekehrt werden Produkte aus anderen Ländern günstiger. Die Märkte reagieren damit auf die niedrige Inflationsrate in der Eurozone, die Ausdruck einer zu geringen Steigerung der Löhne und Lohnstückkosten ist. Wollte Frau Merkel ihr Versprechen also einlösen und die Wettbewerbsfähigkeit noch ein wenig behalten, müsste sie gegen alle Vernunft und Logik eine neue Runde von Lohnsenkungen einläuten.

Oder aber die Menschen die Energiewende bezahlen lassen, um den Unternehmen, die gar nicht in Not sind, ihren relativen Wettbewerbsvorteil zu erhalten. Denn mit nur 40 Euro mehr im Jahr für Strom retten Sie Ihren Arbeitsplatz, meint der oberste Sozialdemokrat, der gleichzeitig Bundeswirtschaftsminister ist. Merkel hat ja versprochen, die Wettbewerbsfähigkeit verteidigen zu wollen. Und Gabriel hat versprochen, ein staatstragender und verlässlicher Koalitionspartner zu sein, dem nichts zu Blöde ist, um es als Argument zu verkaufen. Prüfen Sie mal Ihre eigene Wettbewerbsfähigkeit und rufen sich dann den Satz der Kanzlerin in Erinnerung.

„Wir wissen, dass diejenigen, bei denen das Denken nur um ihre eigenen Interessen kreist, die ohne Rücksicht auf andere ihre Stärken ausspielen, keine Chance haben, Zukunft zu gestalten. Niemand, der erfolgreich sein möchte, kann heute nur seine eigenen Belange in den Vordergrund stellen. Er verbaut sich damit selbst seine eigene Zukunft.“


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Fakten und Regeln sind bei Hetzjagden egal

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Wer hat sich im Fall Edathy eigentlich nicht blamiert? Inzwischen ist der schwarze Hans-Peter zurückgetreten, nachdem die Mutti ein intensives Gespräch mit ihm am Telefon führte. Offensichtlich ging es dabei um einen neuen Job, denn Friedrich kündigte an: “Ich komme wieder!” Bei der Bahn dürfte diese Ankündigung für Aufregung sorgen. Die Schaffung eines weiteren Vorstandsposten droht. Was bleibt, sind die Widersprüche in den offen vorgetragenen Äußerungen von SPD-Spitzen und BKA-Präsident. Wer wusste was, zu welchem Zeitpunkt und ließ sich das Gewusste wie bestätigen, obwohl das rechtlich gar nicht erlaubt ist? Die Staatsanwaltschaft Hannover ist „fassungslos“ und hat weiterhin nichts Belastendes gegen Edathy in der Hand.

Die Behörde sieht sich vornehmlich als Opfer vieler undichter Stellen, aus denen Dienstgeheimnisse heraus getropft sein mussten. Nicht einmal die Post (ich weiß nicht welche) spielt mit, wenn ein Brief aus Hannover, am Freitag abgeschickt, erst am Mittwoch in Berlin beim Bundestagspräsidenten angekommen sein soll. Lustig ist aber, dass das Bekannte im Städtchen Rehburg der Staatsanwaltschaft in Hannover ebenfalls völlig fremd gewesen war. In dieser Woche soll sie nämlich einen Tipp bekommen haben, wonach Edathy auch ein Büro direkt neben der zuerst durchsuchten Wohnung unterhalte, weshalb sie dieses mit einem Richterbeschluss bewaffnet ebenfalls durchsuchte. Das sagt viel über die affektierten Ermittlungsmethoden aus.  

Hinzu kommt das verschwurbelte Amtsdeutsch, um die Rechtmäßigkeit des Vorgehens im Nachhinein zu legitimieren. Der Leiter der Staatsanwaltschaft Hannover, Jörg Fröhlich, verwies darauf, dass das Bundeskriminalamt ja eine Kategorisierung bei kinderpornografischem Material vorgenommen habe. Eindeutige Fälle gehörten der Kategorie eins an, weniger eindeutige Fälle der Kategorie zwei. „Was Edathy zur Last gelegt werden kann, sind Bestellungen der Kategorie zwei“, so Fröhlich. Das heißt also, dass ihm gar nichts zur Last gelegt werden kann, wenn die weniger eindeutigen Fälle nicht zu eindeutigen Fällen hinführen. Es wird ja weiterhin nur vermutet, dass derjenige, der solches Material bestellt, möglicherweise auch im Besitz schlimmeren Materials sei, also die Schwelle zur Strafbarkeit überschritten habe.

Verdacht ist nicht gleich Verdacht

Doch worauf gründet die Annahme, dass das im Fall Edathy zutrifft? Entweder gibt es einen Anfangsverdacht auf Besitz kinderpornografischen Materials oder nicht. Was die Staatsanwaltschaft Hannover, die vorgibt, nur Spezialisten zu beschäftigen, hier aber gemacht hat, sind Beweisermittlungsdurchsuchungen, sagt Monika Frommel, emeritierte Professorin für Strafrecht, im Deutschlandfunk. Das sei ein Verstoß gegen Grundrechte. “Ich kann nicht einfach, um einen Verdacht erst mal zu bekommen, in die Privatsphäre eindringen und dann auch noch unter Einschaltung der Presse. Das ist ja dann noch mal eine Stufe.”

Die Bemerkung ist interessant, weil sie den Blick auf die Medien richtet, die offenbar im Verbund mit den Sicherheitskreisen Informationen und wilde Spekulationen in die Öffentlichkeit getragen haben, über die sich ein Staatsanwalt, der ja Teil der Ermittlungsbehörde ist und nicht Teil der Justiz, dann auch noch beklagen kann. In meinen Unterlagen zum Verfahrensrecht für angehende Journalisten steht zu den Verdachtsarten.

Anfangsverdacht:

Voraussetzung für Einleitung eines staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens. Für Anfangsverdacht genügt die auf Tatsachen gegründete Möglichkeit, dass eine Straftat vorliegt und der Verdächtige an der Tat beteiligt sein kann.

Handschriftlich habe ich hinzugefügt, dass der Anfangsverdacht in den seltensten Fällen berichtenswert ist, da rund 90 Prozent der Ermittlungsverfahren aufgrund dünner Faktenlagen wieder eingestellt werden. Eigene Recherchen des Journalisten wären notwendig. Über die Qualität dieser Recherchen ist schon einiges gesagt und geschrieben worden. Neben dem Anfangsverdacht gibt es aber auch noch den hinreichenden und den dringenden Tatverdacht, die beide eine ganz andere Qualität besitzen, im Fall Edathy aber überhaupt keine Rolle spielen.

Trotzdem erzählt der Leiter der Staatsanwaltschaft, dass Edathy grenzwertiges nicht indiziertes Material gekauft und sich dabei konspirativ verhalten habe. Damit erweckt die Behörde, die rein gar nichts in der Hand hat, dennoch den Eindruck eines höherwertigen Tatverdachtes. Er hätte ebenso korrekt und damit verständlich für alle sagen können, dass Edathy moralisch fragwürdige, aber vollkommen legale Bilder und Fotos gekauft hat, für die er ein eigenes Konto und eine eigene Email-Adresse verwendet hat. Mit den Zuspitzungen “grenzwertig”, “nicht indiziert” und “konspirativ” hilft er aber denjenigen, die mit Vorverurteilungen bereits um sich werfen. Diese scheinen auf einer soliden Grundlage zu stehen und niemand fragt sich mehr, ob es in Ordnung ist, jemanden strafrechtlich zu verfolgen, dem ein legales Verhalten vorgeworfen wird.

Eigene Spielregeln in Berlin

Festzustellen bleibt, dass jeder an dem Verfahren Beteiligte, seine Haut zu retten versucht. Was wir hier aber beobachten können, ist der Einsturz einer Fassade, hinter der Demokratie und Rechtsstaat nur noch vermutet werden können. Natürlich hat es eine Warnung an Edathy gegeben, weil die Clique im politischen Berlin zusammenhält und glaubt, in eigenen Rechtsräumen agieren zu dürfen, wie übrigens auch der Anruf des ehemaligen Richters und jetzigen SPD-Fraktionschefs Oppermann beim BKA-Präsidenten Ziercke beweist. Diese Leute brauchen sich auch nicht vor Strafverfolgung zu fürchten, weil sie dem Establishment bereitwillig dienen und eigene Spielregeln haben.

Deshalb hat Friedrich aus Sigmar Gabriels Sicht auch vollkommen richtig gehandelt, wie er im ARD-Brennpunkt sagt. Ihnen sei es nur darum gegangen, keine Ämter zu beschädigen und die Bildung der GroKo nicht zu gefährden. “Man würde Herrn Friedrich heute den Vorwurf machen, warum hast du damals nichts gesagt, bevor Menschen in ihre Ämter gekommen sind.” Das heißt, die SPD-Führung hat Sebastian Edathy ganz bewusst bei der Vergabe von Posten ausgeklammert. Gleichzeitig behauptet Gabriel aber auch, dass er, Oppermann und Steinmeier nicht mehr mit Herrn Edathy gesprochen hätten.

Es ist schwer zu glauben, dass ein Übergehen Edathys bei der Zusammenstellung des Personaltableaus stillschweigend vonstatten ging. Immerhin hatte sich der Mann als Vorsitzender des NSU-Untersuchungsausschusses einen Namen gemacht. Möglicherweise hat sich ja Edathy die Stille gefallen lassen, der Rest der SPD aber bestimmt nicht. Vor allem aus Niedersachsen dürften Nachfragen gekommen sein, die sicherlich auch beantwortet wurden, was wiederum die Quelle erklären könnte, auf die der Redakteur der “Harke” Anfang der Woche stieß. Was dann aber folgte, war nicht weniger als eine Hetzjagd, die sich weder an Fakten noch an Regeln hielt.


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Armseliges Schwarze Peter Spiel

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Die Ermittlungen gegen den ehemaligen Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy haben inzwischen eine weitere absurde Stufe erreicht. Noch immer hat eigentlich niemand genaue Informationen, diese scheinen aber bereits lange vor den angeordneten Hausdurchsuchungen die Runde gemacht zu haben, was die Staatsanwaltschaft nun dazu veranlasst hat, politischen Volljuristen, besser wäre die Bezeichnung Vollpfosten, vorzuwerfen, sie hätten Geheimnisverrat begangen und damit die Ermittlungen behindert.

Thomas Oppermann, Frank-Walter Steinmeier und Sigmar Gabriel wussten über etwas Bescheid, über das sie hätten nicht Bescheid wissen dürfen, wenn ich es richtig verstanden habe. Den Fehler hat aber offenbar der damalige Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich begangenen, als er die SPD-Spitze über den Verdacht der Ermittlungsbehörden unterrichtete. Mit Unterricht kennt sich Lehrer Sigmar Gabriel aus, weshalb er die ungenaue, aber sensible Information an seine Parteikollegen didaktisch weitergab. Oppermann und Steinmeier sind wie Friedrich Volljuristen, haben bis auf Oppermann aber nie praktisch als solche gearbeitet.

Oppermann habe sich nach eigener Darstellung nun die ungenaue, aber brisante Information vom BKA-Chef Jörg Ziercke in einem Telefonat bestätigen lassen, was der gelernte Kriminalpolizist natürlich sofort dementierte. Er will sich am “Schwarze Peter Spiel” nicht beteiligen, schließlich gibt es den ja auch schon, den schwarzen Hans-Peter, der offenbar die Arschkarte nicht mehr loswerden wird. Ach, die Plaudertasche Hans-Peter Friedrich, der zur NSA-Affäre im Bundestag sagte: “Die Verschwiegenheit unserer amerikanischen Partner führt leider zu Verschwörungstheorien.”

Jetzt wissen wir auch, welche Themen für Friedrich in seiner Amtszeit wichtiger waren, als der NSA-Skandal oder das flächendeckende Behördenversagen im Zusammenhang mit den NSU-Morden. Wäre Friedrich schlau, würde er die Unterrichtung seines Hauses ebenfalls als Behördenversagen titulieren, ist doch für die Strafverfolgung nicht der Bundesinnenminister, sondern das Justizministerium zuständig. Als Minister des Innern hatte er sich allerdings um die Gefahrenabwehr zu kümmern. Diese Aufgabe hat er dann wohl auch erfüllt und die gerade im Entstehen befindliche Große Koalition, der alle erwartungsfroh zujubelten, vor Schaden bewahrt.

Zu Edathy selber, kann man immer noch nichts Genaueres sagen. Er soll gewarnt worden sein. Er soll Festplatten zerstört haben und er soll, laut Fernsehberichten (via Klaus Baum), ein lustbezogenes Verhältnis zum Leben gehabt haben. Klaus schreibt und zitiert treffend weiter: “Der Schwachsinn in dieser Gesellschaft besteht in ihrer an den haaren herbeigezogenen Kausalität, die keine ist.” Ich würde sagen, dass es einfach viel Sendezeit für wenige bedeutungslose Fakten gibt und zu wenig Sendezeit für viel wichtigere Themen, deren Fakten darauf warten, endlich einmal einem breiten Publikum mitgeteilt zu werden.


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Mal wieder ein Tag der guten Stimmung

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Es ist erst ein paar Tage her, da meldete das Statistische Bundesamt lauter Umsatzeinbrüche. Im verarbeitenden Gewerbe wie auch im Einzelhandel will die Realität  einfach nicht zu den Erwartungen passen. Deutschland ging es im Dezember offenbar so gut, dass die Leute doch glatt das Einkaufen an Weihnachten vergessen hatten. Die Umsätze rauschten regelrecht in den Keller, ein reales Minus von 2,5 Prozent mussten die Einzelhändler hinnehmen. Den Medien war das kaum eine Meldung wert.

Heute war wieder der Tag der guten Stimmung. Und wie erwartet, hat es die Meldung der GfK zur “stabilen” Konsumlaune wieder in die Nachrichten geschafft. Hier ein Screenshot mit den Headlines zum Schlagwort “Kauflaune” bei Google News:

Kauflaune

Auch die Bundesregierung legte ihren Jahreswirtschaftsbericht vor. Nun freuen sich die Medien auf ein angeblich “kräftiges” oder wahlweise “robustes” Wachstum von 1,8 Prozent. Denn laut Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel habe die deutsche Wirtschaft auf einen stabilen und breit angelegten Erholungskurs eingeschwenkt. Das Bruttoinlandsprodukt, so Gabriel weiter, dürfte vor allem zulegen, weil es von der Binnenwirtschaft gestützt werde.

Die Botschaft ist also klar. Die Deutschen haben an Weihnachten nur für das BIP-Wachstum 2014 gespart. Doch warum jubeln alle über ein angeblich robustes/kräftiges Wachstum? Die Zahlen haben sich nicht geändert. Es sind jene Werte, auf die die optimistischen Prognosen, die bis zum vergangenen Herbst galten, nach unten korrigiert werden mussten. Damals jubelte aber keiner, weil die Experten die schwächeren Zahlen mit sinkenden Exporten und rückläufigen Investitionen begründeten. Daran hat sich also nichts geändert. Somit gebührt es erneut dem ökonomischen Analphabetismus und der Vergesslichkeit der Medien, dass heute wieder gejubelt werden darf.

Diesen propagandistischen Mist muss man eigentlich nicht mehr kommentieren, wäre da nicht die Aussage von Gabriel, die ungeprüft und unwidersprochen blieb. Er behauptete, dass die Dynamik der deutschen Binnenwirtschaft auch gut für die europäischen Partner wäre. “Wir kommen damit unserem Ziel, die wirtschaftlichen Ungleichgewichte im Euroraum abzubauen, ein Stück näher.” Dieses Ziel liegt ferner denn je. Die deutschen Ausfuhren sanken 2013 um 0,2 Prozent. Die Importe gingen mit 1,2 Prozent allerdings noch stärker zurück, was den Handelsbilanz-Überschuss auf 198,9 Mrd. Euro anschwellen ließ.

Das heißt, insgesamt reicht die Binnennachfrage eben nicht aus, um die Ungleichgewichte abzubauen. Sie werden sogar noch vergrößert. Aber Gabriel meinte ja die Eurozone. “In die Länder der Eurozone wurden im Jahr 2013 Waren im Wert von 401,9 Milliarden  Euro (– 1,2 Prozent) geliefert und Waren im Wert von 401,2 Milliarden  Euro (– 0,2 Prozent) aus diesen Ländern bezogen.” Beinahe ausgeglichen, möchte man meinen. Doch diese Zahlen sind geschönt, wie Stephan Kaufmann in der Frankfurter Rundschau feststellt. Er schreibt:

“Doch so rosig ist die Lage nicht. Denn die aktuelle Statistik beruht auf dem Versendungsland-Prinzip. Das bedeutet: Eine chinesische Ware, die über die Niederlande nach Deutschland geliefert wird, zählt als niederländischer Export. Aussagekräftiger ist das so genannte Ursprungsland-Prinzip, in dem diese Ware als chinesische Lieferung gezählt wird.

Nach dieser Statistik – die erst für die ersten elf Monate 2013 vorliegt – sieht es so aus: Deutlich mehr nach Deutschland exportieren konnten 2013 nur die Niederlande, Portugal und Belgien. Spanien gelang ein moderates Plus. Aus Frankreich, Griechenland, Irland und Italien bezog Deutschland weniger Importe. Das Defizit dieser Länder im Handel mit Deutschland schrumpfte nur, weil ihre Einfuhren aus Deutschland noch stärker sanken. Gegenüber Griechenland konnte Deutschland seinen Überschuss im vergangenen Jahr sogar ausweiten.

Fazit: Trotz einigen Verbesserungen erzielt Deutschland gegenüber den EU-Krisen- und  Wackelstaaten weiter hohe Handelsüberschüsse. Berechnet nach dem Ursprungsland-Prinzip lag der Überschuss mit der Euro-Zone 2013 bei 56 Milliarden Euro.”

Also, auch hier tut sich nichts. Um die Ungleichgewichte tatsächlich innerhalb der Eurozone abbauen zu können, müsste Deutschland deutlich mehr Importe aus den Defizitländern zulassen als es selbst Waren dorthin ausführt. Da das aber nicht so ist, haben die Staaten im Süden auch keine Chance wirtschaftlich aus der Krise herauszuwachsen. Die von Gabriel erhoffte Wirkung wird also ausbleiben, spätestens dann, wenn sich das Gerede von einer Zunahme der Binnennachfrage wieder als Luftnummer herausstellen wird, da eine dringend notwendige Anpassung der Kaufkraft an die ständig kolportierte Kauflaune auch in diesem Jahr wohl wieder ausbleiben wird. Darauf deuten übrigens auch schon die ersten mageren Tarifabschlüsse des Jahres hin.


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Es wird Zeit für die Anstalt

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Die SPD will sich nach den Worten von Parteichef Gabriel im anstehenden Europawahlkampf klar vom Koalitionspartner Union abgrenzen. Denn gerade in den Bereichen Arbeit und soziale Gerechtigkeit gebe es unterschiedliche Vorstellungen, so der SPD-Chef zum Abschluss einer zweitägigen Klausurtagung in Potsdam. Gabriel nahm auch Stellung zu einer umstrittenen Bürgschaft seines Wirtschaftsministeriums für ein Rüstungsgeschäft mit Saudi-Arabien. Die rund 100 bestellten Patrouillenboote dienten zum Schutz von Erdölplattformen und nicht zur Unterdrückung der Bevölkerung, betonte er.

Das muss man wohl so verstehen: Im Wahlkampf gibt es Unterschiede, in der Regierung nicht. Denn selbstverständlich trete der SPD-Chef nach wie vor für eine Begrenzung von Rüstungsexporten ein und bleibe damit seiner Meinung nach auch glaubwürdig. Als Bundeswirtschaftsminister muss er hingegen umsetzen, was lange vor seiner Amtsübernahme beschlossen worden sei. Eine Abgrenzung zur alten Regierung ist in der neuen Regierung also leider nicht möglich. Glücklicherweise sind es ja nur Patrouillenschiffe und keine Panzer, die man einem despotischen Regime samt Bürgschaft zur Verfügung stellen will.

Das Ansinnen der saudischen Machthaber sei legitim, so Gabriel weiter. Ob diese unter demokratischen Gesichtspunkten selbst Legitimität besitzen, interessiert den Minister eher weniger. Er sei ja auch nicht als SPD-Chef eingestellt worden, sondern als Vorsteher eines Superressorts, in dem staatspolitische Verantwortung unter Beweis gestellt werden müsse. Diese Haltung würde der SPD-Chef im Wahlkampf sicherlich kritisieren, so Gabriel in Gedanken weiter, ihr im Amt aber nicht widersprechen.

Das wäre doch ein Fall für die Anstalt. Mal gucken, was die beiden Neuen von Wagner und Uthoff am Dienstag, 4. Februar, um 22:15 Uhr im Zweiten daraus machen. Bei Lanz gab es am vergangenen Donnerstag, 30. Januar, einen kleinen Vorgeschmack.

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