Griechenland: Merkels ökonomischer Offenbarungseid

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Heute im deutschen Bundestag. Kanzlerin Angela Merkel erleutert dem Parlament kurz ihre Griechenland-Strategie, die sie heute Abend und morgen auf dem EU-Gipfel in Brüssel vertreten wird. Sie bleibt natürlich bei ihrem bescheuerten Konzept einer Beteiligung des IWF und zusätzlicher bilateraler Hilfen. Dabei versucht sie schon krampfhaft den Eindruck zu zerstreuen, dass Deutschland Geld zahlen muss.

Quelle: Bundestag

„Die Bundesregierung wird sich beim Rat heute und morgen dafür einsetzen, dass im Notfall eine Kombination von Hilfen des IWF und gemeinsamen bilateralen Hilfen in der Eurozone gewährt werden müsste. Aber dies ist – ich sage es noch einmal – die Ultima Ratio. Ich werde entschieden dafür eintreten, dass eine solche Entscheidung – IWF plus bilaterale Hilfen – gelingt. Dabei werden wir wieder sehr eng mit Frankreich zusammenarbeiten. Ich wiederhole: Es geht nicht um konkrete Hilfen, sondern um eine Spezifizierung und Fortschreibung der Entscheidung vom 11. Februar.

Immerhin betrachtet Merkel das Thema als Teil der Tagesordnung. Ein bemerkenswerter Wandel, wenn man bedenkt, dass nicht mehr viel Zeit bleibt, um überhaupt zu reagieren. Der Kanzlerin, aber auch der Öffentlichkeit sollte man noch einmal konkret darlegen, worum es eigentlich geht. Griechenland muss bis Mai Kredite in Höhe von 22 Mrd. ablösen. Dieses Geld haben die Griechen kurzfristig einfach nicht zur Verfügung. Weder durch ihr Sparprogramm, noch durch neue Kredite. Frisches Kapital wäre nämlich nur durch deutlich höhere Zinsen am Markt zu haben (5,5 Prozent). Den Griechen geht es nun darum, die möglichen Zinsbelastungen zu drücken. Das ist auch verständlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass die Bonität eines Landes von Ratingagenturen und Zockern abhängt, die auf eine Pleite des Staates wetten.

Griechenland will deshalb auch keine direkten Gelder von den EU-Partnern, sondern ein Signal, dass diesen kriminellen Spekulanten zeigt, dass sie auf eine Pleite nicht wetten brauchen, weil im Notfall die EU mit entsprechenden Maßnahmen reagieren würde. Dem miesen Spiel wäre sozusagen das Ziel entrissen. Darum geht es im Kern. Würde die EU einen solchen Beistandsplan beschließen, würden die Zinsen auf neugeliehenes Geld automatisch sinken, weil der Kapitalrückfluss nicht mehr durch das Szenario eines Staatsbankrotts bedroht wäre. Für Griechenlands Staatshaushalt würden niedrigere Zinssätze eine enorme Entlastung in Milliardenhöhe bedeuten. Ein rigoroser Sparplan, wie ihn Deutschland und Europa fordern und der bereits umgesetzt wurde, ergibt ja auch nur dann einen monetären Sinn (volkswirtschaftlich sehe ich persönlich keinen), wenn die Ausgabenbelastungen zurückgefahren und nicht durch einen ausufernden Schuldendienst konterkariert werden. Wer also, wie die Deutschen, an soliden griechischen Staatsfinanzen interessiert ist, müsste einen Beistandsplan unterstützen und nicht mit allen Mitteln bekämpfen.

Aber weil Merkel dumm ist oder einfach nur auf die deutschen Banker hört, die mit einem höheren Zinssatz vielleicht auf fettere Gewinne hoffen, fährt sie einen Kurs, der nicht nur europafeindlich, sondern auch für das eigene Land ökonomisch unverantwortlich ist. Merkel will mit aller Macht den Eindruck vermeiden, deutsche Steuergelder nun für ganze Staaten ausgeben zu müssen, nachdem man sie schon für die eigenen Banken verpulvert hat. Dabei klingt die IWF-Lösung toll, weil der deutsche Steuerzahler keine Ahnung hat, mit wie viel Geld er schon an diesem Weltfinanzfonds beteiligt ist. Gestern habe ich Wolfgang Lieb von den NachDenkSeiten dazu zitiert, der in Erinnerung rief, dass die Mittel für den IWF im Zuge der Finanzkrise und unter tatkräftiger Mithilfe Deutschlands enorm aufgestockt worden sind.

Dennoch ist der IWF allein keine Lösung, weil der nur rund 10 Mrd. Euro locker machen könnte. Die Höhe der Hilfen richtet sich nämlich immer nach der Beteiligung des betroffenen Landes an dem Fonds. Im Falle Griechenlands wären das 1,2 Mrd. Dollar. Aber Merkel ist nicht nur im Rechnen eine Null, sondern auch dünnhäutig, was Kritik angeht. Zum Problem der Bilanzungleichgewichte innerhalb der EU, die von Deutschland zu verantworten sind und als Ursache der Krise zu Recht betrachtet werden, sagt sie im Bundestag:

„Eines möchte ich an dieser Stelle noch erwähnen, wenn auch nur am Rande: Es ist geradezu absurd, Deutschland mit seiner wettbewerbsstarken Wirtschaft gleichsam zum Sündenbock für die Entwicklung zu machen, die wir jetzt zu bewältigen haben.

Unsere Kritiker in Europa verkennen, dass unsere Exportgewinne zum Teil in die Defizitländer zurückfließen und dass Deutschland auch das größte Importland Europas ist. Deutsche Unternehmen haben 500 Milliarden Euro in der EU investiert und beschäftigen dort mehr als 2,7 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Damit leisten wir einen wichtigen Beitrag zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit Europas, auch auf den Weltmärkten. Darauf können wir zu Recht stolz sein.“

Hier beweist sie, dass sie von Ökonomie überhaupt keine Ahnung hat. Ein Offenbarungseid. Dass Deutschland das größte Importland ist, ist angesichts der volkswirtschaftlichen Größe und gemessen an der Einwohnerzahl (80 Millionen Menschen) eine schlichte Banalität. Merkel hat noch immer die Kritik nicht verstanden. Deutschland müsste gemessen an seiner volkswirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sehr viel mehr Waren importieren, um die Handelsbilanzungleichgewichte mit den Defizitländern endlich abzubauen. Es geht um Verhältnisse, nicht um absolute Zahlen. Wenn Deutschland deutlich mehr exportiert als importiert, bedeutet das zwangsläufig, dass eine andere Ökonomie mehr importiert als exportiert. Dieser Zusammenhang ist evident. Alle Handelsbilanzen müssen zusammengerechnet eine Null ergeben. Da hilft eine Aufzählung über Investitionen nur sehr wenig, denn die stecken in der Leistungsbilanz schon mit drin.

Merkel will also verwirren. Mehr noch, sie will kriminelle Akte von Banken und Spekulanten decken. An dieser Stelle würde ich ja gern wieder dafür plädieren, Angela Merkel nicht mehr einreisen zu lassen. Das tue ich aber nicht. Denn dann würde Guido Westerwelle neuer Bundeskanzler…

Abschließend Albrecht Müller von den NachDenkSeiten zum Thema und als Antwort auf Merkels Stolzsein auf deutsche Wettbewerbsfähigkeit:

Mit ständigen Leistungsbilanzüberschüssen häufen wir Forderungen gegenüber anderen Völkerschaften an, wie fast im gesamten letzten Jahrzehnt geschehen. Wir leisten mehr, als wir selbst zur Verfügung haben. Wir leben unterhalb unserer Verhältnisse. Ob die angehäuften Forderungen dann irgendwann auch noch zum angemessenen Wert an uns zurückgezahlt werden, ist zudem oft fraglich. Wenn zum Beispiel der Dollar auf mittlere und lange Sicht an Wert verliert, dann haben wir zum Teil um sonst gearbeitet und geleistet.

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Nachtrag zur Griechenland-Strategie der Bundesregierung

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In den Nachrichten wird die Beteiligung des IWF an einem möglichen Rettungsplan für Griechenland als Zugeständnis an Merkels Bundesregierung betrachtet. Der Spiegel feierte ja gestern schon die Kanzlerin als „Siegerin im Griechenland-Poker“ (siehe letzten Beitrag). Doch ganz so dumm sollte man nicht sein und annehmen, dass das Geld, welches der IWF bereitstellen könnte, von einem Goldesel käme. Wer finanziert denn den IWF, wäre die richtige Frage. Wolfgang Lieb von den NachDenkSeiten weist auf ein Dokument der Bundesregierung vom 02.04.2009 hin, aus dem die Absichten einer Neuausrichtung der weltweiten Finanzarchitektur hervorgehen, die dann auch später von den G20 so beschlossen wurden. In dem Papier heißt es:

Insgesamt mehr als eine Billion Dollar stellen die G20 in den kommenden Jahren für Investitionen in den Entwicklungs- und Schwellenländern bereit. Die Weltbank und die regionalen Entwicklungsbanken erhalten 100 Milliarden. 250 Milliarden fließen für sofortige Hilfen an den IWF (davon mehr als 100 Milliarden von der EU), weitere 250 Milliarden später. Dieses Geld soll unter anderem dazu beitragen, den Welthandel wieder ans Laufen zu bringen. Hinzu kommen Bürgschaften und andere Liquiditätshilfen, um den Handel der ärmeren Länder stützen.

Und sie dürfen einmal raten, wer den Löwenanteil an den EU-Geldern für den IWF beigesteuert hat. Wolfgang Lieb bezeichnet dieses Vorgehen von Merkel und Co. als besonders elegante Vertuschung und schreibt dazu:

„Damit könnte Merkel vordergründig ihre starre Haltung im Hinblick auf ein Beistandsverbot der EU beibehalten und durch die IWF-Hintertür Finanzhilfen leisten. Damit würde allerdings die Funktion des IWF als eine monetäre Institution missbraucht und dieser als Kreditgeber zur Überwindung kurzfristiger Zahlungsbilanzprobleme eingesetzt werden, um damit wiederum die Gläubigerbanken Griechenlands zu schützen. Damit könnte man natürlich auch dem IWF in bewährter Manier die „Drecksarbeit“ übertragen und Griechenland die neoliberale Rezeptur für die Überwindung der Haushaltskrise überlassen. Deutschland wäre damit seine Rolle los, dass am deutschen Reform-„Wesen“, mit Lohn- und Steuerdumping die Europäische Union genesen soll.“

Aber wie von mir schon gestern geschrieben, geht es meiner Meinung nach natürlich um die Sanktionen. Mit denen lässt sich im Wahlkampf prima Politik machen und die Hetze gegen die Griechen aufrecht erhalten. Das Feindbild Geriechenland braucht die Merkel auch, um davon abzulenken, welch falsches Spiel sie selber spielt.

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Notfallplan für Griechenland: Merkel & Co lenken endlich ein, diktieren aber unsinnige Bedingungen

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Das muss man so klar schreiben, weil deutsche Medien, wie hier der Spiegel etwa, Merkel als strahlende Siegerin verkaufen wollen.

Merkel vor Sieg im Griechenland-Poker

Kurz vor dem Gipfeltreffen der europäischen Staats- und Regierungschefs am Donnerstag und Freitag in Brüssel zeichnet sich ab, dass die EU der Bundeskanzlerin in der Frage der Griechenland-Hilfen in einem entscheidenden Punkt entgegenkommt: Die französische Regierung zeigt sich offen, den Internationalen Währungsfonds (IWF) in einen Notplan für Athen miteinzubeziehen, wie es Merkel zuletzt immer wieder ins Gespräch gebracht hatte. Angesichts der bisher herrschenden Vorbehalte gegen den IWF könnte die Kanzlerin ein solches Zugeständnis als großen Erfolg für sich verbuchen.

Das ist kein Erfolg, sondern das Eingeständnis, ein real existierendes Problem nicht weiter verleugnen und aussitzen zu können. Internationale Medien sehen das etwas realistischer. Dort steht Deutschlands Bewegung im Mittelpunkt und die Tatsache, dass Berlin bestimmte und sehr problematische Bedingungen diktiert.

Quelle: New York Times

Germany Seems to Signal a Compromise on Greece

Germany indicated on Tuesday that it might agree on an aid package for Greece financed in part by the countries of the euro zone — but only as a last resort and subject to tough conditions.

In addition, European countries would have to agree to negotiate “additional instruments” to enforce budget discipline, beyond the existing rules that allowed Greek finances to run out of control. That raised the possibility of a change to the European Union’s governing treaties, something that would probably take several years to achieve.

Es geht also nicht nur um die Beteiligung des IWF, sondern um tough conditions. Mit anderen Worten, die deutsche Zustimmung gibt’s nur, wenn auch härtere Strafen gegen Defizitsünder, bis hin zum Ausschluss aus der Eurozone, in Zukunft möglich werden. Das wiederum ist eine Scheindiskussion, nicht nur weil es dazu einer Änderung der gerade erst verabschiedeten EU-Verfassung bedarf, die nicht mal eben über Nacht stattfinden kann, sondern weil sich das Überschussland Deutschland selbst ins Knie schießt, wenn es gerade jene Länder härter bestrafen will, die artig deutsche Produkte kaufen und somit für die gefeierten Überschüsse der Deutschen erst Sorge tragen. Deutschlands Vorschlag bedeutet konkret nichts anderes, als eine unter Strafandrohung verordnete Deflation in Südeuopa.

Merkel greift also nicht an, sondern rudert planlos zurück. Dabei versucht sie das Gesicht zu wahren, indem sie Bedingungen stellt, die ökonomisch betrachtet völlig unsinnig sind. Für diese Dumm- und Albernheiten wird sie nun vom Spiegel gefeiert. Aber von diesem Blatt darf man ökonomischen Sachverstand schon lange nicht mehr erwarten. Europa indes atmet etwas auf, dass Deutschland endlich von seinem nach außen hin propagierten kategorischen Nein zu möglichen Hilfen Abstand nimmt. Die Frage ist halt nur, ob sich Europa diesen Berliner Quatsch gefallen lässt. Ich fürchte schon…

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Die Verarsche mit der Bankenabgabe

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Gestern wurde der Vizekanz-Nicht Westerwelle im Anschluss an das Koalitionstreffen wie folgt zitiert.

„Die Dinge finden zueinander und wir haben konkrete Fortschritte bei der Bankenregulierung und Bankenverantwortung erreicht.“

Damit entließ uns die Bundesregierung in die Nacht, wohl in der Hoffnung, dass wir uns auf das Überraschungsei am heutigen Tag freuen würden. Doch so überraschend war es dann doch nicht, was uns die Regierung da wieder anbietet. Volker Kauder hatte bereits zuvor im Bericht aus Berlin der ARD ausgeplaudert, dass er und seine Partei eine Bankenabgabe mit angeschlossenem Notfallfonds anstreben. Doch worum geht’s dabei eigentlich. Bankenabgabe klingt zunächst einmal gut. Diese Meldung schaffte es zumindest auch als Schlagzeile in die Medien. Die Geschichte mit dem Notfallfonds, den die Banken mit ihrer Abgabe selbst finanzieren, kam nun als Detail hinterher. Und das klingt nun wieder überhaupt nicht überzeugend.

So einen ähnlichen Fonds haben wir schließlich schon. Der heißt Einlagensicherungsfonds. Und der hat in der Finanzkrise ja prima funktioniert. Die deutschen Bankkunden mit super sicheren Lehman-Zertifikaten werden sich erinnern. Oder haben sie noch den Auftritt der Kanzlerin vor Augen, wie sie für sämtliche Spareinlagen der Bundesrepublik garantierte? Tolle Sache so ein Fonds. Offensichtlich kann die Regierung heute schon ausschließen, dass der nächste Finanzcrash einen Schaden verursacht, der die Höhe der Einlagen nicht übersteigt. Denn in diesem Fall müsste die Kanzlerin ja wieder mit dem Steuergeld aller Bürger systemische Garantien aussprechen. Oder etwa nicht?

Finanzminister Schäuble meint, dass mit dieser Wahnsinnsidee der Koalition nun endlich die Lehren aus der Finanzkrise gezogen würden. Die Belastungen für die Banken dürften freilig nicht zu hoch ausfallen und müssten „zumutbar“ sein. Man dürfe die Institute nicht „überfordern“, so Schäuble. Stimmt, die haben mit ihren Zahlenspielereien, dem neuerlichen Verpacken fauler Finanzpapiere und ihrem Schneeballsystem schließlich genug zu tun. Merken sie da was? Ein schlauer Journalist hätte die Regierung doch einmal fragen können, warum man mit einem „Versicherungsfonds“, bei dem kein Versicherer der Welt das Risiko übernehmen würde, ein untaugliches Instrument gewählt hat, anstatt endlich eine sehr viel wirkungsvollere Steuerabgabe auf Finanztransaktionen zu beschließen? Mit so einer Steuer würde nämlich schlagartig die Attraktivität schwinden, durch den Einsatz hoher Risiken, schnelles Geld machen zu wollen.

Das Risiko darf sich nicht mehr lohnen! Das ist doch eine zentrale Lehre aus der Finanzkrise, wenn man sie denn richtig verstehen will. Risikoreiche und damit kriminelle Geschäfte gleich ganz zu verbieten, wäre übrigens auch nicht schlecht.

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Über Merkels absurde griechische Tagesordnung

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Wenn es um Griechenland geht, beharrt die Kanzlerin auf ihrem Standpunkt. Sie sieht diesbezüglich keinen Handlungsbedarf und könne nicht verstehen, warum der Rest Europas das nicht erkennt.

Griechenland braucht keine Zahlungshilfen, Hilfen für Griechenland stehen nicht auf der Tagesordnung usw. (siehe Seite der Bundeskanzlerin)

Auf dem Gipfel seien Hilfen für Griechenland kein Thema, „denn Griechenland sagt selber, dass es im Augenblick keine Hilfe braucht“. Ministerpräsident Giorgos Papandreou habe ihr mehrfach versichert, dass sein Land keine finanziellen Forderungen an die EU stelle.

Das Land strebe „vielleicht eine bestimmte Klarheit“ über mögliche Hilfen an, so die Kanzlerin weiter. Zur Zeit gehe es aber lediglich um „technische Fragen“ für den Fall einer Zahlungsunfähigkeit.

Wie in solchen Fällen vorzugehen sei, „über diese Fragen müssen natürlich die Finanzminister einmal miteinander sprechen“, sagte Merkel. Abgewogen werden müsse, was Staaten bilateral tun könnten, oder ob die Hilfe des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Anspruch genommen werde. Dazu gebe es aber noch keine politische Entscheidung.

Toll oder, was da unser Pudding im Hosenanzug von sich gibt? Man merkt doch, dass Merkel ihre bisherige Taktik der Tatenlosigkeit wegen angeblich fehlendem Grund nicht mehr aufrecht erhalten kann. Schließlich brüllt Halbeuropa unüberhörbar in Richtung Berlin. Immerhin gibt die Merkel nun zu, dass Griechenland ein bissel Klarheit wünsche. Diese müsse aber, wie immer bei Merkel, erst einmal ruhig abgewogen und in einer gemeinsam hersgestellten europäischen, wenn nicht gar weltumspannenden, Lösung erzielt werden. Da möchte man doch am Liebsten und aus lauter Verzweiflung das Kanzlerinnenbild anschreien…

…und fragen, was die deutschen Superhirne auf den zahlreichen Brüsseler Gipfeltreffen eigentlich besprochen haben. Ich fasse es nicht. Letzten Montag hatte man doch schon verkündet, die technischen Fragen geklärt zu haben (siehe hier im Blog). In diesem Artikel habe ich Schäuble wie folgt zitiert:

„Ich glaube, es ist ein Missverständnis, wenn man sagt, gestern Abend ist eine Hilfszusage für Griechenland beschlossen worden.“ Es sei lediglich eine technische Abwicklung vorbereitet worden für einen Fall, den keiner will. „Griechenland hat keine Unterstützung erbeten. Aber es wäre unsinnig gewesen, wenn man diesen Fall technisch ausgeschlossen hätte“, sagte Kampeter dem Nachrichtensender N24.

Quelle: Focus

Laut Schäuble hat man also über den konkreten Fall und die Abwicklung einer griechischen Notlage gesprochen. Technisch dürfte also nichts mehr unklar sein, weil es ja laut Schäuble schlicht unsinnig gewesen wäre, dies auf dem Treffen der Finanzminister auszuschließen. Merkel lügt der Öffentlichkeit also dreist etwas vor, wenn sie nun behauptet, dass die Finanzminister erst miteinander sprechen müssten, wie man auf den Fall einer eventuellen Zahlungsunfähigkeit Griechenlands reagieren will.

Die Regierung Merkel spielt auf Zeit, weil sie im Vorfeld der Landtagswahl in NRW den bloßen Anschein vermeiden will, Deutschland würde zum Zahlmeister der Griechen. Vielleicht erinnern sie sich noch an die Springer-Bild-Hetze gegen Griechenland in den letzten Wochen:

BILDblog-Grafik
Quelle: BILDblog
siehe auch Print Würgt

Wenn man Friede Springers Sturmgeschütz zum Maßstab der politischen Marschroute nimmt, ist klar, dass es unter keinen Umständen offene Hilfe für Griechenland geben dürfe. Die Botschaft werden Merkel und Co wohl verstanden haben. Ist es doch ein Leichtes für Frau Springer, diese Regierung aus dem Amt schreiben zu lassen. Dazu noch einmal Georg Schramm aus Neues aus der Anstalt – Folge 28:

„Bild und Bertelsmann! Die lautstarken Herolde eines maroden Systems, das weltweit an den Fäden der Geldverleiher zappelt. Ein Handstreich von Friede Springer würde reichen, und ihre Tintenknechte schreiben die Kanzlerin vom Thron herunter und werfen sie ihrer eigenen Partei zum Fraß vor.“

Man stelle sich nur vor, Westerwelle müsse der Öffentlichkeit erklären, dass sein Freibier für alle Konzept nicht umgesetzt werden könne, weil die Griechen deutsche Steuergelder dringender bräuchten. Da wäre aber was los in diesem Land. Doch dieses ganze Theater kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Deutschland zahlen muss und zahlen wird. Allein schon deshalb, weil Deutschland als Bilanzüberschussland den Kampf gegen die Defizitländer verlieren wird. Das deutsche Exportkonzept braucht zahlungsfähige Abnehmerländer, wenn man so weitermachen will wie bisher und das will man ganz offensichtlich, wie Merkel letzte Woche im Bundestag zu Protokoll gab. Und da liegt das Problem, wie Martin Wolf in einer Kolumne für die Financial Times Deutschland schreibt:

„Beide Länder (die Überschussländer China und Deutschland, Anm. at) sind der Ansicht, ihre Kunden sollten weiter kaufen, aber gleichzeitig eine unverantwortliche Kreditaufnahme beenden. Da ihre Überschüsse Defizite anderer mit sich bringen, ist diese Position unlogisch. Überschussländer müssen Defizitländer finanzieren. Wird der Schuldenberg zu hoch, gehen die Schuldner pleite und die viel gepriesenen „Ersparnisse“ der Überschussländer erweisen sich als illusorisch.“

Kurzum: Wer kaufen soll, braucht auch das Geld dazu, sonst funktioniert das nicht mehr mit dem Exportüberschuss. Die Schwierigkeit besteht nun darin, dass man, wie ich oben bereits schrieb, nicht einfach hergehen und dem deutschen Volk mitteilen kann, die Griechen nun finanziell unterstützen zu wollen. Da würde man wohl tatsächlich einen empfindlichen Nerv treffen und einigen Zorn auf sich ziehen. Deshalb bleibt man bei der Positition und sucht nach einer Lösung, die den Anschein direkter Hilfen vermeidet. Am eigenen Wirtschaftskonzept will und darf die Regierung ohnehin nichts ändern, weil damit ein Glaubensdogma zusammenbrechen würde, das zu den Eckpfeilern der herrschenden Parteien gehört. Über dieses Dogma werden schließlich ganze Karrieren von Politikern abgewickelt. Zum Glaubensgrundsatz noch einmal Martin Wolf:

„Ursache all dessen ist eine Kluft zwischen den Standpunkten. Überschussländer beharren darauf, weiterzumachen wie bisher. Sie weigern sich zu akzeptieren, dass ihre Abhängigkeit von Exportüberschüssen zwangsläufig wie ein Bumerang zurückkommt, sobald ihre Kunden pleitegehen. Und genau das geschieht gerade. Zugleich können Länder, die in der Vergangenheit ein enormes Außenhandelsdefizit angehäuft haben, ihr massives Haushaltsdefizit nur über einen starken Anstieg der Nettoexporte reduzieren.

Gleichen Überschussländer diese Verschiebung nicht aus, indem sie die Gesamtnachfrage erhöhen, entsteht ein Kampf, in dem jedes Land verzweifelt versucht, sein Überangebot auf die Handelspartner abzuwälzen. Auch während der Katastrophe der 30er-Jahre spielte dies eine gravierende Rolle.

Es ist höchst unwahrscheinlich, dass die Überschussländer diesen Kampf gewinnen. Eine Zerrüttung der Euro-Zone wäre schlecht für die deutsche Produktion.“

Im Übrigen geht es Griechenland nicht nur um die Zusage eines Notfallplans, der den Zugang zu billigem Kapital an den Finanzmärkten ermöglicht, sondern auch konkret um die Rolle Deutschlands in der EU. In der franzöischen Zeitung Le Monde fand ich heute eine Stellungnahme des stellvertretenden griechischen Ministerpräsidenten Theodoros Pangalos.

Le vice-premier ministre grec s’en prend à l’Allemagne

„Tant que le sud de l’Europe est sous pression, l’euro est ébranlé et baisse, et les conditions dans lesquelles ils (les Allemands) peuvent accroître leurs exportations massives vers le tiers-monde, vers le reste du monde, s’améliorent“, a déclaré le vice-premier ministre grec, Théodoros Pangalos, lors d’une conférence à Athènes.

Il a ajouté que l’Allemagne autorisait ses banques à prendre part au „jeu déplorable“ de la spéculation sur les obligations grecques. „Je crains que si aucune décision n’est prise rapidement (…), alors l’euro n’aura aucun sens, et si l’euro échoue, cela nous ramènera plusieurs décennies en arrière en termes d’intégration européenne.“

Quelle: Le Monde

Er spricht den fallenden Euro an, der den Deutschen zunächst einmal zu Gute käme, weil deutsche Waren außerhalb Europas billiger werden. Er spricht aber auch die Tatsache an, dass Deutschland es seinen eigenen Banken weiterhin erlaube, an der Spekulation gegen Griechenland mitzumachen. Falls dagegen nichts unternommen würde, führe dieser Kurs unmittelbar zum Scheitern des Euro.

Und ein Scheitern des Euro will die Bundesregierung nach eigener Aussage unbedingt verhindern. Dafür muss sie aber mehr als bisher tun.

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Über Frankreichs deutliche Wahl und die deutsche Spießbürgerlichkeit

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Es ist schon lustig. Vorhin habe ich mir den Bericht aus Berlin im Ersten angetan, weil es einen Themenblock zu den Linken gab. Das war ja auch klar, nachdem die Partei, aus Sicht der scheinbürgerlichen Medienwelt, am Wochenende nun endlich ein Programmentwurf vorgelegt hatte. Und natürlich nutzte die Hauptstadtredaktion des ersten deutschen Fernsehens die Stunde, um da mal beim Nochvorsitzenden nachzuhaken.

Der Moderator der Sendung Rainald Becker bleibt diesbezüglich auch weiterhin eine totale Vollnull und Fehlbesetzung. Seine erste Frage an Lafontaine kam wie ein Reflex, der keiner Übung mehr bedurfte. Und dennoch musste Becker die Schlagworte aus dem Programmentwurf ablesen, um sie dann Lafontaine vorzuhalten:

„Verstaatlichung von privaten Banken, Generalstreik, Systemwechsel!“

Mit dem Programm entferne man sich doch in Berlin von jeglicher Regierungsbeteiligung?, so die Frage von Becker. Lafontaines Antwort einfach genial. Man könne schließlich was die Verstaatlichung von Banken angehe auch mit Frau Merkel koalieren, die ja die Verstaatlichung der HRE zu verantworten habe und die 18 Mrd Euro Finanzspritze an die Commerzbank. Immerhin gut das Sechsfache des damals tatsächlichen Wertes dieser privaten Bank.

Aber die spießbürgerliche Dummheit eines Rainald Beckers soll hier auch gar nicht das Thema sein. Für solche Leute hat die Partei die Linke auf ihrer Webseite extra den kompletten Programmentwurf als Hörbuchfassung zur Verfügung gestellt. Bezeichnender Weise heißt es dort:

Die nachfolgenden MP3-Dateien mit dem Text des Programmentwurfes für Blinde und Sehbehinderte wurden mit dem Programm „NaturalReader9“ und der Stimme „Sarah“ (www.naturalreaders.com) erstellt. Entsprechend der Gliederung des Programm- entwurfes wurde der Text in 54 einzelne Dateien aufgeteilt.

(Vorsicht Satire – ich will hier keine Menschen beleidigen, die wirklich nicht oder nur eingeschränkt sehen können, sondern nur die, die volle Sehkraft besitzen und dennoch nichts erkennen wollen. So wie Rainald Becker.)

Ich empfehle daher noch einmal die Einleitung Lothar Biskys anzuhören und insbesondere seine Bemerkung bzgl. der Medien, konkret der Struktur der Medien, genau zu verfolgen. ;)


Aber zurück zum eigentlichen Thema. Frankreich hat gewählt. Und zwar nicht einfach nur links, sondern noch weiter links. In der union de la gauche haben sich nicht nur die Sozialisten und die Grünen am Stichwahl-Wochenende zusammengefunden, sondern auch die Kommunisten. Sie können sich vorstellen, dass diese Parteien im Vergleich zu unserer Linken, na ja, etwas entschlossener und selbstbewusster auftreten. Während man sich bei uns über Verstaatlichungen, Gereralstreik und Systemwechsel aufregt und darin wahrscheinlich den Wahnsinn des Irrsinns erkennen will, so wie das Rainald Becker von der ARD offensichtlich tut, ist es in Frankreich gerade umgekehrt. Da regt man sich über den Systemwechsel Sarkozys auf, der reformerisch unbedingt Frau Merkel hinterherlaufen will.

In der Präambel des Programmentwurfs der deutschen Linken steht nun:

DIE LINKE steht für Alternativen, für eine bessere Zukunft. Wir sind und werden nicht wie jene Parteien, die sich devot den Wünschen der Wirtschaftsmächtigen unterwerfen und gerade deshalb kaum noch voneinander unterscheidbar sind. Wir verfolgen ein konkretes Ziel: Wir kämpfen für eine Gesellschaft, in der kein Kind in Armut aufwachsen muss, in der alle Menschen in Frieden, Würde und sozialer Sicherheit leben und die gesellschaftlichen Verhältnisse demokratisch gestalten können. Um dies zu erreichen, brauchen wir ein anderes Wirtschafts- und Gesellschaftssystem: den demokratischen Sozialismus.

Das ist schön und gut, aber viel zu lang. Von den Franzosen lernen, heißt die Devise. Da bleibt nur die Frage, ob das Leute wie Rainald Becker auch aushalten würden. Bei der Parti socialiste, der wohl wichtigsten linken Partei in Frankreich, heißt es nun als Erstes:

Art. 1

Être socialiste, c’est ne pas se satisfaire du monde tel qu’il est, c’est vouloir changer la société. L’idée socialiste relève, à la fois, d’une révolte contre les injustices et du combat pour une vie meilleure. Le but de l’action socialiste est l’émancipation complète de la personne humaine.

Quelle: PS

Kurz und knapp umrissen, worum es eigentlich geht. Um einen Kampf gegen die Ungerechtigkeit und für ein besseres Leben. Während die deutsche Linke vorsichtig für etwas kämpfen will, haben die Franzosen den Feind klar vor Augen. Das fehlt den Deutschen leider noch. Ihren abgebrochenen Präsidenten jagen unsere Nachbarn regulär spätenstens in zwei Jahren aus dem Élysée-Palast. Es könnte aber auch früher soweit sein, wenn die Franzosen zu der Auffassung gelangen, der fünften Republik vielleicht eine sechste Version folgen zu lassen. Wer weiß das schon so genau. Jedenfalls werden wir unseren Pudding im Hosenanzug noch lange behalten und wiederwählen.

Vielleicht gehen die Franzosen dann auch mal für uns auf die Straße und üben ein wenig Druck auf die behäbige Bundesregierung aus. Die hat sich nämlich vorhin mal wieder zu einem Gipfel getroffen, um über dringende Probleme zu sprechen. Ergebnis? Es ist wie immer kurz und knapp. Der Vizekanz-nicht meinte:

„Die Dinge finden zueinander und wir haben konkrete Fortschritte bei der Bankenregulierung und Bankenverantwortung erreicht.“

Quelle: Tagesschau

Worin die nun bestehen, erfährt die Öffentlichkeit wie immer nicht. Hauptsache ein bissel heiße Luft abgelassen und die Schlagzeile vordiktiert, dass die Regierung tatsächlich etwas unternehme. Was will man mehr, um den Pöbel ruhig zu stellen?

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Die Griechenland-Täuschung

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Langsam wird es kompliziert. Am Montag hatte Finanzminister Schäuble noch verlauten lassen, dass es keine neuen Entscheidungen bzgl. Griechenlands auf dem Treffen der Finanzminister in Brüssel gegeben hätte und das die Bundesregierung nach wie vor davon ausgeht, dass Griechenland mit seinem Sparprogramm entsprechende Erfolge erzielen würde. Eine faustdicke Lüge, wie die Nachrichten der letzten Tage zeigten.

Der griechische Ministerpräsident Papandreou verlangte nun auch öffentlich, dass die Europäische Union endlich ein Rettungspaket auf den Tisch legen müsse, das den Finanzmärkten entsprechende Impulse gäbe. Mit anderen Worten, Griechenland benötigt einen Bürgen um bezahlbare Zinsen für neue Kredite am Kapitalmarkt zu erhalten. Die Bundesregierung spielt auf Zeit. Mal dringen Stimmen über die Schaffung eines europäischen Währungsfonds nach außen, mal die Stimmen nach dem IWF. In Europa wird heiß diskutiert, während hierzulande, der zuständige Finanzminister seinen Mitarbeitern einen Maulkorb verpasst.

Finanzminister Schäuble verordnet seinen Beamten Sprechverbot gegenüber dem Kanzleramt. Niemand soll vorzeitig von Überlegungen zur Rettung Griechenlands erfahren.

Quelle: MMnews

Generell hat man den Eindruck, als wolle Berlin keine konkrete Aussagen treffen, also ganz dem „Duktus“ der Kanzlerin folgen, die sich ja nie so richtig festlegen kann. In der internationalen Presse hieß es dazu letzte Woche, dass Berlin besondere Rücksicht nehmen müsse, da man dem Steuerzahler einen weiteren Rettungsschirm nur schwer vermitteln könne. Doch inzwischen reicht es nicht nur dem griechischen Ministerpräsidenten, sondern auch der EU-Führung. Auch EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso hatte letzte Woche an die Adresse aller EU-Staaten gerichtet, aber im Besonderen Deutschland gemeint, dass es jetzt endlich zu konkreten Hilfen für Griechenland kommen müsse.

Derweil stellt sich Schäuble wieder dumm und behauptet in der morgen erscheinenden Bild am Sonntag immer noch…

„Für EU-Hilfen gibt es kein Gemeinschaftsinstrument. Also kämen im äußersten Fall nur bilateral koordinierte, also freiwillige Hilfen infrage, aber Griechenland selbst sieht diesen Fall nicht als gegeben.“

Quelle: Reuters

Mit anderen Worten, Griechenland habe keine Hilfen angefragt. Offensichtlich ignoriert der deutsche Bundesfinanzminister die Wirklichkeit und sieht in dem Auftreten Papandreous keinen Hilferuf. In der Bild am Sonntag schlägt der Finanzminister stattdessen vor, dass Griechenland auch zum IWF gehen könne. Dem lohnt sich einmal nachzugehen. Der Chef des internationalen Währungsfonds Dominique Strauss-Kahn sagt aber, dass von seiner Organisation nur max. 12 Mrd. Euro zu bekommen wären. Der Bedarf der Griechen läge aber mit rund 50 Mrd. Euro deutlich höher.

A ses interlocuteurs, M. Strauss-Kahn a redit que le FMI était prêt à soutenir la Grèce. Seul problème : l’organisation ne pourrait prêter qu’entre 10 milliards et 12 milliards d’euros à Athènes. Or les besoins grecs sont bien supérieurs : „Pour rassurer les marchés, il faudrait annoncer un prêt de l’ordre de 50 milliards d’euros, l’équivalent de 20 % du produit intérieur brut grec“, estime un expert.

Quelle: Le Monde

Die Meinung Strauss-Kahns habe ich in deutschen Medien bisher nicht gefunden. Wäre ja auch blöd, wenn das Scheinargument des Finanzministers ihm einfach so abhanden kommen würde. EU-Kommissionspräsident Barroso meint als Reaktion auf Strauss-Kahn übrigens, dass die IWF-Lösung auch nur ergänzend betrachtet werden könne, neben klaren bilateralen Finanzhilfen, von denen Kanzlerin Merkel und ihr rollender Politverbrecher bis heute nichts wissen wollen.

Le recours au FMI ne pourrait avoir lieu qu’en complément des prêts bilatéraux de la zone euro. „Ce n’est pas une question de prestige. Il s’agit de voir quel est le meilleur moyen de répondre à la situation“, observe José Manuel Barroso, président de la Commission.

Das ist halt „Täuschland“. Da meldet sich abschließend sogar der Bundeshorst, lange hat man von diesem Kasperkopf ja nichts mehr gehört, und mahnt an, Undenkbares zu Denken. Er meint damit die „geordnete Insolvenz“ von ganzen Staaten. Da spricht der Mann aus Erfahrung. Als er nämlich noch Chef des IWF war, sah er sich mit Argentiniens Staatsbankrott konfrontiert und musste mit dem Schuldner verhandeln. Nicht sehr erfolgreich. Die Streitereien zwischen dem IWF und Argentinien dauern bis heute an. In dem südamerikanischen Staat ist Köhler nicht sonderlich beliebt. Auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzung im März 2004 verließ Horst Köhler seinen Posten fluchtartig, um in Deutschland Grußonkel zu werden.

Im Focus-Interview meint der Bundes-Hotte:

Wenn ein Staat in die Zahlungsunfähigkeit gerate, sei „die größte Gefahr, dass Chaos ausbricht. Dass es zu sozialen und politischen Unruhen kommt“, sagte Köhler. „Deshalb brauchen wir ein geordnetes Verfahren. Damit jeder weiß, welche Stellen kümmern sich, welche Spielregeln gelten jetzt?“

Sehr schön. Offensichtlich hat der Horst im Fall Argentinien wie auch Griechenland geschlafen. Diese Unruhen traten bereits auf, bevor Bankrott angemeldet werden musste. Und diese Unruhen entstanden nicht, weil die Menschen nicht wüssten, welche Spielregeln gelten, sondern weil sie genau begriffen haben, das ganz bestimmte Spielregeln gelten sollen. Ich kann wirklich nicht verstehen, warum dieser Bundespräsident laut einer Umfrage zu den beliebtesten deutschen Politikern gehört. Erst sagt er lange nix und dann kommt wieder nur Müll. Die Eurozone sei eine Schicksalsgemeinschaft, sagt Köhler. Ich hoffe nicht, dass Köhler und Deutschland auch eine sind.

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Haushalt II: Die Generaldebatte

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Ich hatte ja gehofft, in Neues aus der Anstalt etwas zum Thema Griechenland hören zu dürfen, doch die Schwerpunkte lagen eher woanders. Deshalb muss ich in der politischen Anstalt nach Antworten suchen. Es ist ja Haushaltswoche. Und da wird traditionell ausgeteilt bzw. schöngeredet. Bundesfinanzminister Schäuble hat ja bereits gestern wahrheitswidrig verkündet, dass es zum Thema nichts Neues zu sagen gäbe. Nach wie vor werde es keine finanzielle Hilfe für Griechenland geben und es sei auch nichts in dieser Richtung in Brüssel entschieden worden.

Heute nun die Kanzlerin mit ihrem großen Auftritt. Na ja, vor allem wieder große Sprechblasen, die schon so nach abgestandener Luft stinken, dass einem wirklich schlecht werden konnte. Zum Beispiel verharrt die Regierungschefin in ihrem alten Muster des gemeinsamen Lösungsfindens. Ich kann diese Scheiße einfach nicht mehr hören. Zu Griechenland hieß es dann wieder:

„Wir haben gesehen, dass wir in dieser Krise nicht nur Banken retten müssen, sondern dass jetzt auch im Euroraum eine schwierige Situation eingetreten ist, was Griechenland anbelangt. Es war richtig, dass sowohl Nicolas Sarkozy als auch der Ministerpräsident Papandreou, Jean-Claude Juncker und ich die Kommission aufgefordert haben – das geht nur europaweit -, die Finanzrichtlinie so zu ändern, dass die sogenannten nackten Credit Default Swaps, bei denen man Wetten auf etwas abschließen kann, das man nicht besitzt, verboten werden. Wolfgang Schäuble hat gestern zu den Leerverkäufen gesprochen. Das können wir aber nicht alleine machen. Wir sind in der Europäischen Union, und das fällt in deren Kompetenz. Ich denke, die Signale aus der Kommission, dass dort etwas gemacht wird, sind richtig.“

Wieso können wir eigentlich nichts alleine machen? Wir haben Griechenland doch auch ganz alleine mit unserer einseitigen Wirtschaftspolitik an die Wand gefahren. Doch das will die Kanzlerin noch immer nicht wahrhaben und sagt:

„Das darf uns aber nicht vergessen lassen, dass die griechische Lage nicht durch die Spekulanten hervorgerufen wurde – sie wird durch die Spekulanten verstärkt -, sondern dass sie durch die langjährige Verletzung des Stabilitäts- und Wachstumspakts hervorgerufen wurde.“

Diese Ursachenforschung läuft ins Leere, weil Griechenland auch gezwungen war, gegen die Maastricht-Kriterien zu verstoßen, um Deutschland seine Exportweltmeisterschaften zu finanzieren. Was könnte der Pudding im Hosenanzug denn dagegen haben. Oder warum sagt sie an der Stelle nicht einfach, keine weiteren deutschen Waffen nach Griechenland? Denn offensichtlich sind die ein richtiger Exportschlager. Inzwischen ist Deutschland auf Platz 3 hinter den USA und Russland in der Rangliste derer angekommen, die die meisten Waffen in der Welt verkaufen. Und Griechenland war ein Großkunde und hat deutsche Waffen erworben, obwohl es sich diese eigentlich nach Merkel gar nicht leisten durfte – wegen der Stabilitätskriterien. Aber bei militärischem Gerät hört die Vernunft eben auf.

Zu Beginn ihres Griechenland-Exkurses sagte die Kanzlerin ja:

„Wir haben gesehen, dass wir in dieser Krise nicht nur Banken retten müssen, sondern dass jetzt auch im Euroraum eine schwierige Situation eingetreten ist, was Griechenland anbelangt.“

Da habe ich schon gedacht, sie vollendet den zweiten Satzteil mit den Worten, …sondern dass wir jetzt auch Staaten wie Griechenland retten müssen. Eigentlich sagt sie das auch, nur schiebt sie den schwarzen Peter wie immer einfach weiter und verweist darauf, dass die EU zuständig ist.

Und dann folgen wieder Sätze wie…

„Alles, was überhaupt gedacht wird, muss darauf ausgerichtet sein, dass wir nicht vorschnelle Hilfen leisten, sondern dass wir dafür Sorge tragen, dass das Ganze wieder in Ordnung kommt. Alles andere wäre fatal.“

Übersetzung: Wir müssen eine gemeinsame Lösung finden.

Auch nicht schlecht ist diese Passage hier…

„Wir denken auch für die Zukunft; denn Europa ist unsere eigene Zukunft. Deshalb hat Wolfgang Schäuble nicht für Griechenland Vorschläge gemacht, aber Wolfgang Schäuble hat Vorschläge gemacht, damit man eventuell den IWF nicht in allen Situationen rufen muss – was jetzt vielleicht der Ausweg sein müsste, wenn man etwas täte. Aber ich sage hier nichts darüber hinaus.“

Anstelle einer Übersetzung eine Verständnisfrage: Hinaus über was? Was hat die Kanzlerin hier eigentlich konkret ausgesagt, das den Zusatz erlauben würde, eine tiefergehende Analyse auszusparen?

Oder wollte sie nur verständlich machen, was sie weiter oben bereits zu dem Hartz-IV-Urteil des Bundesverfassungsgerichts klarstellte:

„Wir werden natürlich auch das Bundesverfassungsgerichtsurteil zu den Hartz-IV-Sätzen umsetzen. Darüber möchte ich heute aber nicht weiter sprechen.

Was für eine anmaßende Arroganz. Eine Regierungschefin, die sich im Prinzip weigert, Erklärungen abzugeben und stattdessen lieber auf heiße, pardon abgestandene, Luft setzt. Frischer Wind täte da gut. Und wieder einmal lag es an Gregor Gysi für eben diesen zu sorgen. Von seiner, wie ich finde, wirklich wichtigen Rede, ist in den Meldungen, die ich so gehört habe nur ein Satz überliefert. Der erste. Die Regierung befände sich in einem erbärmlichen Zustand. Das wars. Dabei hat er vielmehr gesagt und vor allem beim Thema Griechenland genau erklärt, wo das Problem liegt.

„Frau Bundeskanzlerin, Sie haben zu Griechenland gesprochen. Da wundert mich eines: Wir verlangen von Griechenland einen knallharten Sparkurs, den wir für Deutschland ablehnen. Denn das ist Brüningsche Politik, und Sie wissen, dass Reichskanzler Brüning Deutschland in die größte Katastrophe geführt hat. Warum verlangen wir eine solche Politik von Griechenland?“

Aber nicht nur dieser offensichtliche Widerspruch treibt den Politiker der Linken um, er zeigt auch ökonomischen Sachverstand mit der Feststellung:

„Deutschland ist inzwischen der größte Niedrig- und Dumpinglohnsektor aller Industriestaaten. Ein Viertel der Beschäftigten, sagt das Statistische Bundesamt, arbeitet in Deutschland zu Niedriglohn. Damit hängt zusammen, dass unsere Exporte billiger sind und die griechischen teurer. Jetzt gibt es zwei Wege: Der eine Weg ist, dass die Griechen ihre Löhne noch weiter senken, und der andere Weg ist, dass wir unsere Löhne erhöhen. Genau dagegen wehren Sie sich. Sie tun ja so, als ob die Gesellschaft unterginge, wenn wir das machten, was schon 20 Mitgliedsländer der Europäischen Union getan haben, nämlich einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn einzuführen. Genau den brauchen wir aber.

Davon hätten nicht nur die Griechinnen und Griechen, sondern auch unsere Beschäftigten etwas. Davon hätten auch – deshalb verstehe ich die FDP nicht – das Handwerk und die kleinen und mittleren Unternehmen etwas, die von der Binnenwirtschaft leben. Sie brauchen eine erhöhte Kaufkraft. Aber Sie verhindern dies. Eigentlich sind wir die Partei der kleinen und mittleren Unternehmen und nicht Sie. Sie tun bloß so als ob.“

Ganz deutlich wurde Gysi auch beim Thema Umverteilung. Nicht nur, dass er dem Rösler seine kleine Kopfpauschale vorrechnete, die bei geringen Einkommen zu einer weiteren Be- und bei höheren Einkommen zu einer erneuten Entlastung führe, Gysi erklärte auch, wie das plötzliche Spitzengehalt von Josef Ackermann möglich wurde.

„Ackermann bekommt jetzt wieder ein Gehalt von 10 Millionen Euro ausgezahlt. Ich gönne ihm das ja; aber wissen Sie, was das Problem daran ist? Das haben die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler gezahlt. Wissen Sie auch, warum? Die Deutsche Bank hatte eine Milliardenforderung gegenüber HRE. Wäre HRE in die Insolvenz gegangen, hätte die Deutsche Bank keinen Gewinn gemacht; ganz im Gegenteil, sie hätte schwere Verluste zu verzeichnen. Jetzt ist HRE verstaatlicht worden; das heißt, die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler haben die Forderung übernommen und an die Deutsche Bank gezahlt. Davon bekommt Ackermann jetzt 10 Millionen Euro, die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler aber nichts. Das ist die Ungerechtigkeit, die wir kritisieren und gegen die Sie nichts machen.“

So etwas finden sie in keiner Meldung. Sie werden auch nicht Gysis berechtigte und begründete Forderung finden, wonach nicht die Linke, sondern CDU/CSU und SPD vom Verfassungsschutz beobachtet werden sollten.

„Ich komme jetzt zu einem anderen Thema. Ob nun SPD oder die Union regiert, es ist immer dasselbe: Meine Partei wird vom Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet. Ich kann Ihnen sagen, woran das liegt. Das liegt daran, dass die Mitarbeiter dieses Amtes vom Grundgesetz keine Ahnung haben. Aber wenn Sie das wollen, Herr Kauder, dann versuche ich, denen das Grundgesetz beizubringen. Wenn diese das Grundgesetz endlich verstehen würden, dann müssten sie sich eher um Sie und auch um die SPD kümmern. Denn eines muss ich Ihnen sagen: Während der Großen Koalition sind so viele verfassungswidrige Gesetze verabschiedet worden wie noch nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Dazu haben Sie einen Hang.“

Auch das hat wieder gesessen. Und die scheinbar in neue soziale Gewänder gekleidete SPD riss Gysi mit einer tief treffenden Bemerkung die aufgesetzte Scheinheiligkeit aus dem Gesicht:

„Herr Steinmeier, ich habe Ihrer Rede ja sehr genau zugehört. Ich muss zugeben, das hat mir auch Spaß gemacht, auch aufgrund Ihrer Rhetorik. Nur eines muss ich Ihnen auch sagen: Ich hätte eine solche Rede so gerne einmal von Ihnen als Kanzleramtschef unter Kanzler Schröder hier im Bundestag gehört, nicht erst heute. Das hätte die Regierungspolitik sicherlich wesentlich verändert.“

Das war großes Kino. Am besten selber angucken:

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Die entnommenen Zitate finden sie wie immer in dem vorläufigen Protokoll der Sitzung auf der Seite des Bundestags.
http://www.bundestag.de/dokumente/protokolle/vorlaeufig/17030.html

2

Zu Neues aus der Anstalt – Folge 33

Geschrieben von:

Zunächst einmal, Karl Marx ist zurück in der Anstalt. :D Er steht wieder auf seinem angestammten Platz, nachdem dort allerhand Müll zwischengelagert wurde.

Marx

Und damit ging er auch schon los, der lustige Spendenstadl im ZDF. Es wurde über den Fluch des Phaetons gesprochen, der nicht nur Jörg Haider zum Verhängnis wurde, sondern auch Frau Käßmann und der Kanzlerin, die offenbar mit ihrem Regierungs-Phaeton in eine Leitplanke gerast ist. Sie sagte ja unlängst vor laufenden Kameras, die Schuldenbremse sei eine Leitplanke, aus der wir nicht heraus könnten.

Guido Westerwelles eigene Bedeutungslosigkeit war natürlich auch noch einmal Thema. Als Außendiplomat und Innenpoltergeist hätte er wahrlich schwer mit einem Zustand zu kämpfen, der an das Borderlinesyndrom erinnere, so Priol. Aber sehen sie selbst:

Im Übrigen hat sich Urban Urban Priol mit Kanzlerin Merkel arrangiert. Er wünsche ihr, dass die Flitterwochen mit ihrem liberal hybriden Avatar noch ewig andauern mögen. Das sei eine Strafe, die er sich nie hätte ausdenken können. Solange Merkel nämlich Leute wie Seehofer oder Westerwelle an der Backe hätte, wäre Pest an den Hals wünschen ein kosmetisches Wellnessangebot. :>> :>> :>>

Arnulf Rating begeisterte mit einem Beitrag über Merkels Bananenrepublik, in dem er vor allem über politische Korruption sprach und einen tollen Abstecher zum Riesterrentenbetrug unternahm. Er sagte, so wie die gesetzliche Rente kaputtgeredet wurde, war die private Altersvorsorge dann auch bitter nötig. Nun verdienen Versicherungswirtschaft und Walter Riester prächtig daran. Da könne man verstehen, wenn so ein Jungschnösel wie Philipp Rösler in die Politik geht. Da sei die Rente wenigstens noch sicher. Im politischen Betrieb sei schließlich immer etwas zu holen. Im Grunde hätte Rating auch nichts gegen Sponsoring in der Politik. Sie müsse nur wie im Profisport auch einfach auf die Trikots gedruckt werden, so dass man gleich sieht, mit welchem Produkt man es nun zu tun habe. Bandenwerbung im Deutschen Bundestag, lautet der geniale wie auch simple Vorschlag Ratings. Schließlich sei „Bande“ auch genau der richtige Ausdruck. Aber sehen sie selbst:

Doch nun folgt Georg Schramms Rede zur Buffet-Eröffnung. Er selber sagt ja, es sei nur ein Entwurf. Das stimmt natürlich nicht. Diese Rede hat Georg Schramm tatsächlich einmal gehalten. Und zwar zur Einweihung der Konstanzer Kinderklinik 1988 im Steigenberger Insel-Hotel. In seinem Buch, „Lassen sie es mich so sagen“, können sie die Rede über die „Bürgerliche Wohltätigkeit“ noch einmal nachlesen. Bei der damaligen Spendengala ging es um eine kindgerechte Ausstattung der Krankenzimmer und Flure des Neubaus. Dafür wurden jedem Wohltäter 150 Mark Eintritt abgeknöpft. Bevor sie sich die Rede noch einmal anschauen, möchte ich ihnen mal einen Teil der Einleitung zu seiner Spendenrede aus seinem Buch zur Kenntnis geben:

„Merkwürdig war, dass der Bürgermeister der Stadt, Dr. Hansen von der CDU, die Schirmherrschaft übernehmen sollte. Der Mann, der dafür verantwortlich war, dass bei einem Bauvolumen von fast zehn Millionen ausgerechnet bei der kindgerechten Ausstattung der Kinderklinik 30 000 Mark fehlten!
Einer der Initiatoren vereinbarte mit mir, den Psychologen Schramm als offiziellen Festredner der Gala das vom ortsansässigen Pharmakonzern Byk Gulden gestiftete opulente Buffet eröffnen zu lassen. Es gelang, die selbstzufriedene Feststimmung der Gala so nachhaltig zu stören, dass sich die Gäste dem von mir eröffneten Buffet verweigerten. Ein Conférencier versuchte dann, die Gemüter zu beschwichtigen, und bat, meine Rede als Scherz zu betrachten und bitte mit dem Essenfassen zu beginnen. Für mich ein gelungener Abend.“

Jochen Malmsheimer im Anschluss als Fastenprediger war eine nette Überraschung, nachdem der bayerischen Rundfunk Passagen der „Barnabas-Predigt“ beim Starkbieranstich auf dem Nockherberg einfach hinausgeschnitten hatte. Den zensierten Text über die FDP, die wohl am liebsten alle Hartz-IV-Epfänger in den leergefegten Landstrichen des Ostens bei Wasser und Brot plus Sarrazin-Pullover zusammentreiben würde, um dann einen Zaun darum zu errichten, den eifrige Jungliberale dann bewachen, wurde durch den ZDF-Prediger unter Einhaltung der Zitierregeln noch einmal wiedergegeben. Über diesen Vergleich habe sich nicht nur der Zentralrat der Juden beschwert, sondern auch Guido Westerwelle, der dort herausgehört haben will, dass er mit einem KZ-Wächter verglichen worden sei. Darauf antwortet Schramm genial:

„Da wäre ich auch beleidigt. Können sie sich Westerwelle in so einer untergeordneten Position vorstellen?“

Ein Heuler. :>>

Georg Schramms Schlussauftritt schauen sie sich besser an. Nicht das dieser Blog noch unter Terrorismusverdacht gerät. ;)

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Die komplette Sendung finden sie wie immer in der ZDF-Mediathek:
http://www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/video/996836/Neues-aus-der-Anstalt—Folge-33#/beitrag/video/996836/Neues-aus-der-Anstalt—Folge-33

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Kritik an Deutschlands "Geschäftsmodell"

Geschrieben von:

Das ist ja mal sehr interessant. Nun meldet sich der große Nachbar Frankreich endlich mal zu Wort und beklagt die deutschen Exportüberschüsse, die in der europäischen Gemeinschaft mehr schädlich als nützlich sind und sofort formiert sich hierzulande die gesamte Presse, Wirtschaftsvertreter und Politik, um dem alten „Erzfeind“ die Krallen zu zeigen. Man müsse sich schließlich nicht dafür entschuldigen, dass man seine Hausaufgaben gemacht hätte. Und schon gar nicht müsse man sich von EU-Staaten, die ihre Hausaufgaben nicht gemacht hätten, etwas vorwerfen lassen. Schließlich sei Deutschland der größte Beitragszahler der Europäischen Union.

Das ist natürlich ein Argument. Zieht man mal die Gelder ab, die auch Deutschland aus dem EU-Topf erhält, überweisen wir jährlich rund 9 Mrd Euro nach Brüssel. Zum Vergleich, der Handelsbilanzüberschuss Deutschlands wuchs bis zum Jahr 2007 auf rund 195 Mrd Euro an. Im Jahr 2008 waren es noch etwa 176 Mrd und im Krisenjahr 2009 immerhin noch 136 Mrd Euro. Im Januar 2010 beläuft sich der Überschuss auf 8,71 Mrd Euro. Mit anderen Worten: In der EU sind wir zwar ein sog. Nettozahler, aber volkswirtschaftlich betrachtet sind wir ein großer globaler Gläubiger.

Und Frankreich ist bilanztechnisch unser Schuldner wie im Übrigen der gesamte südeuropäische Raum auch. D.h. wir exportieren in diese Länder mehr als wir aus diesen importieren. Wenn jetzt also die französische Wirtschaftsministerin Christine Lagarde sagt, dass Deutschland seine Handelsbilanz ausgleichen müsse, mit anderen Worten, mehr aus den Schuldner-Ländern importieren sollte, dann wäre das ein Beitrag zur Stabilität des Euroraums und jener Länder, die hoch verschuldet sind. Deutschland müsste dazu aber die eigene Binnenkaufkraft stärken und das heißt wiederum höhere Löhne und höhere Sozialleistungen zulassen statt ständig dem Kürzungsdogma oder unverdächtig formuliert, der moderaten Lohnentwicklung, zu folgen.

An diesem Vorschlag ist nichts Falsches und zwar aus einem ganz wichtigen Grund. Wegen John Maynard Keynes. Im letzten Jahr noch gefeiert, in 2010 wird er schon wieder verdammt. Eine Volkswirtschaft kann sich nicht auf Dauer von der globalen Wirtschaft abkoppeln und so tun, als gäbe es auf der anderen Seite keine Bilanz, die negativ ausfällt. Während Deutschland seine Exporterfolge feiert und am liebsten dahin zurück möchte, muss einer positiven Bilanz immer auch eine entprechend negative gegenüberstehen. D.h. damit Deutschland überhaupt Exporterfolge vorweisen kann, bedarf es eines Schuldners, der bereit ist, über seine Verhältnisse zu leben. Deutschlands Überschüsse müssen also in den Handelsbilanzen der Partner-Staaten als Defizite wieder auftauchen.

Doch was passiert, wenn der Schuldner zahlungsunfähig wird bzw. an den Rand der Zahlungsunfähigkeit gerät? Wie muss der Gläubiger dann reagieren? Mit Beschimpfungen und wilden Sparvorschlägen, die die Rückzahlungsfähigkeit des Schuldners weiter verschlechtern?

Nein, aber genau das tut Deutschland mit seinen Schuldnern in Südeuropa, aber auch mit Frankreich. Statt auf einen Ausgleich zu setzen, um die Rückzahlungsfähigkeit zu wahren, schwadronieren die hiesigen Hausaufgabenweltmeister davon, dass die anderen gefälligst für ihre Finanzprobleme selber geradestehen und sich vielleicht am Welt- und Europameister ein Beispiel nehmen sollten. Dann hätten wir mehr solide Gläubiger und weniger schlechte Schuldner, so die deutsche Logik. Aber wer nimmt dann am Ende die Kredite der Gläubiger?

„Der Mond? Der Mars? Oder doch wieder die Amerikaner?“

Das fragt Heiner Flassbeck in seinem Buch „Gescheitert“. Deutschland selber wolle nichts an seinem Geschäftmodell der ständigen Verbesserung der Wettbewerbsposition ändern. Das bedeutet aber ganz zwangsläufig, dass Schuldner wie Griechenland ihre Verbindlichkeiten nicht mehr ohne Hilfe bedienen können. Sie können eben nicht auf Dauer über ihre Verhältnisse leben und die Exporterfolge der Deutschen finanzieren. Das durch die EU den Griechen auferlegte Sparprogramm ist gerade deshalb auch ein Witz, weil es dem Ziel der Defizitreduzierung zuwider läuft. Auch das lehrt John Maynard Keynes, dem selbst Frau Merkel im letzten Jahr mit der Bemerkung folgte, dass es falsch sei, in die Krise prozyklisch hineinzusparen.

Baut Deutschland die Ungleichgewichte innerhalb der EU nicht ab, in dem es beispielsweise mit einem Konjunkturprogramm antizyklisch in die Wirtschaft eingreift und selbst für eine Nachfragebelebung sorgt, wird man als Gläubiger zwangsläufig zahlen müssen. Entweder über verbesserte Zinskonditionen, einen Schuldenerlass oder im Fall der Pleite mit einem Totalausfall der Ansprüche gegen Griechenland. Wenn sich also die Finanzminister der 16 EU-Staaten heute in Brüssel treffen, kann nur als Ergebnis herauskommen, dass Deutschland zahlt und zwar als größter Gläubiger einen riesigen Batzen.

Und statt den französischen Vorstoß zu geißeln, sollte man einmal darüber nachdenken. Dazu noch einmal Heiner Flassbeck (aus: „Gescheitert“):

„Wenn nicht bald im Bundeswirtschafts- oder Finanzministerium ein Referat eingerichtet wird, das nichts anderes tut, als die Auswirkungen der deutschen Wirtschaftspolitik auf andere Länder abzuschätzen und den Minister vor den Rückwirkungen zu warnen, wird Deutschland noch oft in diese Falle der Globalisierung tappen.“

Auf diese Tatsache hin könnte man ja auch mal die Westerwellsche Türöffnungspolitik im Ausland abklopfen und nicht die Frage stellen, wem Westerwelle da die Tür öffnen will, sondern welchen Zweck die Öffnung eigentlich volkswirtschaftlich erfüllen soll. In diesem Zusammenhang finde ich übrigens Sigmar Gabriels heutige Kritik am „rechthaberischen Schreihals“ Westerwelle sehr amüsant:

„Diejenigen, die Herr Westerwelle – zum Teil aus der Schweiz – mitnimmt auf Auslandsreisen, sind das Gegenteil von Leistungsgesellschaft. Sie gehören eher zur Lumpenelite, die den Wirtschaftsstandort Deutschland schädigen und nichts dazu beitragen, dass es in diesem Land vorangeht.“

Quelle: Stern

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