Über Merkels absurde griechische Tagesordnung

Geschrieben von: am 22. Mrz 2010 um 17:24

Wenn es um Griechenland geht, beharrt die Kanzlerin auf ihrem Standpunkt. Sie sieht diesbezüglich keinen Handlungsbedarf und könne nicht verstehen, warum der Rest Europas das nicht erkennt.

Griechenland braucht keine Zahlungshilfen, Hilfen für Griechenland stehen nicht auf der Tagesordnung usw. (siehe Seite der Bundeskanzlerin)

Auf dem Gipfel seien Hilfen für Griechenland kein Thema, „denn Griechenland sagt selber, dass es im Augenblick keine Hilfe braucht“. Ministerpräsident Giorgos Papandreou habe ihr mehrfach versichert, dass sein Land keine finanziellen Forderungen an die EU stelle.

Das Land strebe „vielleicht eine bestimmte Klarheit“ über mögliche Hilfen an, so die Kanzlerin weiter. Zur Zeit gehe es aber lediglich um „technische Fragen“ für den Fall einer Zahlungsunfähigkeit.

Wie in solchen Fällen vorzugehen sei, „über diese Fragen müssen natürlich die Finanzminister einmal miteinander sprechen“, sagte Merkel. Abgewogen werden müsse, was Staaten bilateral tun könnten, oder ob die Hilfe des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Anspruch genommen werde. Dazu gebe es aber noch keine politische Entscheidung.

Toll oder, was da unser Pudding im Hosenanzug von sich gibt? Man merkt doch, dass Merkel ihre bisherige Taktik der Tatenlosigkeit wegen angeblich fehlendem Grund nicht mehr aufrecht erhalten kann. Schließlich brüllt Halbeuropa unüberhörbar in Richtung Berlin. Immerhin gibt die Merkel nun zu, dass Griechenland ein bissel Klarheit wünsche. Diese müsse aber, wie immer bei Merkel, erst einmal ruhig abgewogen und in einer gemeinsam hersgestellten europäischen, wenn nicht gar weltumspannenden, Lösung erzielt werden. Da möchte man doch am Liebsten und aus lauter Verzweiflung das Kanzlerinnenbild anschreien…

…und fragen, was die deutschen Superhirne auf den zahlreichen Brüsseler Gipfeltreffen eigentlich besprochen haben. Ich fasse es nicht. Letzten Montag hatte man doch schon verkündet, die technischen Fragen geklärt zu haben (siehe hier im Blog). In diesem Artikel habe ich Schäuble wie folgt zitiert:

„Ich glaube, es ist ein Missverständnis, wenn man sagt, gestern Abend ist eine Hilfszusage für Griechenland beschlossen worden.“ Es sei lediglich eine technische Abwicklung vorbereitet worden für einen Fall, den keiner will. „Griechenland hat keine Unterstützung erbeten. Aber es wäre unsinnig gewesen, wenn man diesen Fall technisch ausgeschlossen hätte“, sagte Kampeter dem Nachrichtensender N24.

Quelle: Focus

Laut Schäuble hat man also über den konkreten Fall und die Abwicklung einer griechischen Notlage gesprochen. Technisch dürfte also nichts mehr unklar sein, weil es ja laut Schäuble schlicht unsinnig gewesen wäre, dies auf dem Treffen der Finanzminister auszuschließen. Merkel lügt der Öffentlichkeit also dreist etwas vor, wenn sie nun behauptet, dass die Finanzminister erst miteinander sprechen müssten, wie man auf den Fall einer eventuellen Zahlungsunfähigkeit Griechenlands reagieren will.

Die Regierung Merkel spielt auf Zeit, weil sie im Vorfeld der Landtagswahl in NRW den bloßen Anschein vermeiden will, Deutschland würde zum Zahlmeister der Griechen. Vielleicht erinnern sie sich noch an die Springer-Bild-Hetze gegen Griechenland in den letzten Wochen:

BILDblog-Grafik
Quelle: BILDblog
siehe auch Print Würgt

Wenn man Friede Springers Sturmgeschütz zum Maßstab der politischen Marschroute nimmt, ist klar, dass es unter keinen Umständen offene Hilfe für Griechenland geben dürfe. Die Botschaft werden Merkel und Co wohl verstanden haben. Ist es doch ein Leichtes für Frau Springer, diese Regierung aus dem Amt schreiben zu lassen. Dazu noch einmal Georg Schramm aus Neues aus der Anstalt – Folge 28:

„Bild und Bertelsmann! Die lautstarken Herolde eines maroden Systems, das weltweit an den Fäden der Geldverleiher zappelt. Ein Handstreich von Friede Springer würde reichen, und ihre Tintenknechte schreiben die Kanzlerin vom Thron herunter und werfen sie ihrer eigenen Partei zum Fraß vor.“

Man stelle sich nur vor, Westerwelle müsse der Öffentlichkeit erklären, dass sein Freibier für alle Konzept nicht umgesetzt werden könne, weil die Griechen deutsche Steuergelder dringender bräuchten. Da wäre aber was los in diesem Land. Doch dieses ganze Theater kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Deutschland zahlen muss und zahlen wird. Allein schon deshalb, weil Deutschland als Bilanzüberschussland den Kampf gegen die Defizitländer verlieren wird. Das deutsche Exportkonzept braucht zahlungsfähige Abnehmerländer, wenn man so weitermachen will wie bisher und das will man ganz offensichtlich, wie Merkel letzte Woche im Bundestag zu Protokoll gab. Und da liegt das Problem, wie Martin Wolf in einer Kolumne für die Financial Times Deutschland schreibt:

„Beide Länder (die Überschussländer China und Deutschland, Anm. at) sind der Ansicht, ihre Kunden sollten weiter kaufen, aber gleichzeitig eine unverantwortliche Kreditaufnahme beenden. Da ihre Überschüsse Defizite anderer mit sich bringen, ist diese Position unlogisch. Überschussländer müssen Defizitländer finanzieren. Wird der Schuldenberg zu hoch, gehen die Schuldner pleite und die viel gepriesenen „Ersparnisse“ der Überschussländer erweisen sich als illusorisch.“

Kurzum: Wer kaufen soll, braucht auch das Geld dazu, sonst funktioniert das nicht mehr mit dem Exportüberschuss. Die Schwierigkeit besteht nun darin, dass man, wie ich oben bereits schrieb, nicht einfach hergehen und dem deutschen Volk mitteilen kann, die Griechen nun finanziell unterstützen zu wollen. Da würde man wohl tatsächlich einen empfindlichen Nerv treffen und einigen Zorn auf sich ziehen. Deshalb bleibt man bei der Positition und sucht nach einer Lösung, die den Anschein direkter Hilfen vermeidet. Am eigenen Wirtschaftskonzept will und darf die Regierung ohnehin nichts ändern, weil damit ein Glaubensdogma zusammenbrechen würde, das zu den Eckpfeilern der herrschenden Parteien gehört. Über dieses Dogma werden schließlich ganze Karrieren von Politikern abgewickelt. Zum Glaubensgrundsatz noch einmal Martin Wolf:

„Ursache all dessen ist eine Kluft zwischen den Standpunkten. Überschussländer beharren darauf, weiterzumachen wie bisher. Sie weigern sich zu akzeptieren, dass ihre Abhängigkeit von Exportüberschüssen zwangsläufig wie ein Bumerang zurückkommt, sobald ihre Kunden pleitegehen. Und genau das geschieht gerade. Zugleich können Länder, die in der Vergangenheit ein enormes Außenhandelsdefizit angehäuft haben, ihr massives Haushaltsdefizit nur über einen starken Anstieg der Nettoexporte reduzieren.

Gleichen Überschussländer diese Verschiebung nicht aus, indem sie die Gesamtnachfrage erhöhen, entsteht ein Kampf, in dem jedes Land verzweifelt versucht, sein Überangebot auf die Handelspartner abzuwälzen. Auch während der Katastrophe der 30er-Jahre spielte dies eine gravierende Rolle.

Es ist höchst unwahrscheinlich, dass die Überschussländer diesen Kampf gewinnen. Eine Zerrüttung der Euro-Zone wäre schlecht für die deutsche Produktion.“

Im Übrigen geht es Griechenland nicht nur um die Zusage eines Notfallplans, der den Zugang zu billigem Kapital an den Finanzmärkten ermöglicht, sondern auch konkret um die Rolle Deutschlands in der EU. In der franzöischen Zeitung Le Monde fand ich heute eine Stellungnahme des stellvertretenden griechischen Ministerpräsidenten Theodoros Pangalos.

Le vice-premier ministre grec s’en prend à l’Allemagne

„Tant que le sud de l’Europe est sous pression, l’euro est ébranlé et baisse, et les conditions dans lesquelles ils (les Allemands) peuvent accroître leurs exportations massives vers le tiers-monde, vers le reste du monde, s’améliorent“, a déclaré le vice-premier ministre grec, Théodoros Pangalos, lors d’une conférence à Athènes.

Il a ajouté que l’Allemagne autorisait ses banques à prendre part au „jeu déplorable“ de la spéculation sur les obligations grecques. „Je crains que si aucune décision n’est prise rapidement (…), alors l’euro n’aura aucun sens, et si l’euro échoue, cela nous ramènera plusieurs décennies en arrière en termes d’intégration européenne.“

Quelle: Le Monde

Er spricht den fallenden Euro an, der den Deutschen zunächst einmal zu Gute käme, weil deutsche Waren außerhalb Europas billiger werden. Er spricht aber auch die Tatsache an, dass Deutschland es seinen eigenen Banken weiterhin erlaube, an der Spekulation gegen Griechenland mitzumachen. Falls dagegen nichts unternommen würde, führe dieser Kurs unmittelbar zum Scheitern des Euro.

Und ein Scheitern des Euro will die Bundesregierung nach eigener Aussage unbedingt verhindern. Dafür muss sie aber mehr als bisher tun.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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