Zu Neues aus der Anstalt – Folge 34

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Zu dieser Sendung fehlen mir fast die Worte. Ich glaube, dass war eine der besten Ausgaben von Neues aus der Anstalt, die ich bisher gesehen habe. Sogar der Bundespräsident verneigt sich. Ich weiß daher gar nicht, wo ich da anfangen soll. Mit Oberstleutnant Sanftlebens Trauerrede über das militärische Scheitern in Afghanistan, mit dem Steinmetz, der darüber nachdachte, wie man ein Denkmal für die Gefallenen eines umgangssprachlichen Krieges gestaltet, mit dem Pharmareferenten, der klarmachte, dass es völlig egal sei, wer unter seiner Lobby regiert oder einem Priol, der am Ende zum Dombrowski wurde und die NRWler dazu aufrief, schwarz-gelb zu wählen, weil dann „die Kanzlerin einmal gezwungen wird, all das zu zeigen, was sie nicht kann, wenn sie es einmal können muss.“

Eine Zusammenfassung ist sehr schwer. Man würde wahrscheinlich auch deshalb daran scheitern, weil man vieles vergisst. Daher müssen sie sich die komplette Sendung unbedingt selbst anschauen.

Quelle: ZDF-Mediathek

Trotzdem einige Höhepunkte. Besonders toll fand ich ja den Auftritt von Hagen Rether, der dem Papst ein Lied widmete. Er hätte ihn ja lieber ganz fest gedrückt. Aber der Eagles Klassiker „Desperado“ in der Johnny Cash-Version am Flügel wunderbar von Rether interpretiert, passte sehr schön. Einfach toll. Wobei es mir schwer fällt, sich den Papst als Cowboy vorzustellen. Aber Rether hat das einfach genial mit dem Papa-Mobil, dem modernen Gaul der Kriche, verknüpft.

You better let somebody love you,
You better let somebody love you,
You better let somebody love you,
Before it’s too late.

Es ist wahrscheinlich schon zu spät. Vor allem wenn man sich anschaut, was Georg Schramm an diesem Abend eindringlich zum Thema machte. Der Auftritt von Oberstleutnant Sanftleben hat mit Satire eigentlich nichts mehr zu tun, wie ich finde. Hier wird dem Zuschauer eine bittere Realität so deutlich vor Augen geführt, wie das kein anderer in diesem Land zu Stande bringen würde.

„So ein Pathos à la Guttenberg letzte Woche bei der Totenfeier. Das ist doch Trauerkitsch. Der Guttenberg soll weder seiner Tochter noch den Kindern der toten Kameraden erzählen, dass sie stolz sein sollen auf die Toten. Die sollen nicht stolz sein, die sollen traurig sein!“ Und ihr Weinen soll auch nicht übertönt werden von Politikern, die sich vorm Sarg ihr Image aufpolieren. Die sollen einfach dabei sein und ruhig schweigen. Alle Beide! Reden können sie vor dem Untersuchungsausschuss zu den 140 Toten in Kunduz! Ein militärstrategisches Desaster, sage ich ihnen.

Im Krieg sterbe zuerst die Wahrheit. Deshalb sollte auf einer Trauerfeier der Krieg draußen bleiben, um sich mit der Wahrheit beschäftigen zu können. Wir seien nur noch in Afghanistan und kämpfen, weil wir nicht den Mut hätten, zuzugeben, dass wir gescheitert sind. Eine Kultur des Scheiterns sei in unsererm westlichen Wertekatalog nicht mehr vorgesehen. Deshalb habe Clausewitz wohl geschrieben, nichts sei schwerer, als der Rückzug aus einer unhaltbaren Situation. Sanftleben appelliert regelrecht an den Zuschauer, der auch ein verantwortlicher Politiker sein darf, mutig zu sein, und das Schwere zu tun, in dem man das Scheitern eingesteht. Nur dann habe der Tod der Soldaten vielleicht noch einen Sinn gehabt.

Die Sendung war auch deshalb so grandios, weil das versprochene NRW-Wahlwatching nebensächlich war. Bei dieser Wahl geht es ja ohnehin nicht um Sachthemen oder die Probleme in der Gesellschaft, sondern um einen Ministerpräsidenten, der morgens Brötchen holt, damit er zu den FDP-Würstchen passt und eine SPD, die wahrscheinlich noch mit dem Spruch, wir haben die Kraft, plakatieren wird. Mit anderen Worten: Die Wahlen und der Wahlkampf sind überhaupt nicht mehr wichtig, sondern nur Ablenkung. Die Politiker spielen schließlich selbst Kabarett im Stück „Schicksalswahl“ und der Wähler soll sich unterhalten fühlen. Aber nicht mit Urban Priol. Der wurde zum Ende der Sendung erst zur Merkel und dann zum Dombrowski. Aber sehen sie selbst.

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Volker Pispers über den politischen Todesengel aus der Uckermark

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Wer darf auf Muttis Schoß? Darum ging es bei den zurückliegenden Wahlen und darum wird es auch bei zukünftigen Bundestagswahlen gehen, so Pispers. Merkel hat ja keinen natürlichen Feind mehr, sondern alle Gegner sprichwörtlich weggebissen. Im Augenblick koche sie sich den Westerwelle weich. Gleichzeitig habe sie die leckeren Grünen im Blick, deren Unterwerfung in einer schwarz-grünen Koalition ihr nächstes großes Projekt sein dürfte. Wer solle sie denn ablösen? Da will ja keiner mehr. Im Gegenteil, wie ich gerade bei Welt-Online lese. Der SPD-Chef Gabriel bietet der Kanzlerin ein sog. „Bündnis für Vernunft“ an, bei dem es darum gehe, „gemeinsam mit der Bundeskanzlerin die richtigen steuerpolitischen Signale zu setzen“.

So, das wäre dann die dritte Bemerkung des SPD-Chefs heute, bei der ich kotzen muss.

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Wie blöd ist eigentlich Sigmar Gabriel?

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Zwei Bemerkungen des SPD-Chefs heute rufen bei mir akuten Brechreiz hervor. Erstens: Gabriel könne sich ein Bündnis mit Grünen und der FDP in NRW vorstellen (siehe u.a. hier). Gabriel setzt dabei auf die bereits mehrfach gescheiterte Ausgrenzungsstrategie zur Partei die Linke. Er lässt wieder Beton anrühren, damit die SPD ihre Mauer um sich herum noch höher bauen kann.

Und zweitens, und das ist noch viel schlimmer: Gabriel fordert von der Kanzlerin eine Klarstellung über die Bezeichnung des Afghanistan-Einsatzes. Wenn Merkel das deutsche Engagement am Hindukusch für einen Krieg hält, müsse sie im Bundestag ein neues Mandat beantragen. Auf Spiegel-Online lese ich völlig entsetzt:

Wenn Merkel den Einsatz für einen Krieg halte, müsse sie ein neues Bundestagsmandat beantragen. „Dann würde mit Sicherheit die Abstimmung anders verlaufen.“

Häh? Was will uns der Harzer Roller denn damit sagen? Wenn die Bundesregierung das Offensichtliche beim Namen nennen würde, dann würde die SPD nicht mitstimmen, weil es sich bei der SPD um eine große Anti-Kriegs-Partei handelt? Ist der Gabriel jetzt völlig bescheuert? Seine Erläuterung zu diesem Unsinn ist noch unsinniger:

Gabriel sagte, er verstehe die Gefühle in der Bevölkerung, fügte aber hinzu: „Trotzdem müssen Politiker etwas anderes tun.“ Der Uno-Einsatz in Afghanistan diene dem Schutz der Regierung und dem „Kampf gegen die terroristischen Bastionen der Taliban“. Er sei an ein klares völkerrechtliches Mandat gebunden. Wenn die Bundesregierung der Meinung sei, dass dieses Mandat nicht mehr ausreiche, müsse sie das offen sagen, „und die Bundesrepublik Deutschland muss entscheiden, ob sie sich an einem Krieg beteiligen will“, sagte Gabriel.

Für die Sozialdemokraten ist es also entscheidend, genau zu wissen, wie man etwas nennt, als zu wissen, was tatsächlich in Afghanistan vor sich geht, um daraus dann die entsprechenden Schlüsse zu ziehen? Das ist ein starkes Stück. Wenn die Regierung also offiziell von Krieg spräche, würde die SPD ihre Zustimmung verweigern, um wahrscheinlich das sinnlose Sterben von Unschuldigen zu verhindern und um deutsche Soldaten vor einem lebensgefährlichen Kriegseinsatz zu bewahren. Solange aber die Bezeichnung stimmt, darf gekämpft, gemordet und gefallen werden. Das trägt die SPD dann aus Überzeugung mit oder wie? Ich fasse es nicht.

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Die Rechnung mit Griechenland

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Die Zusage der Eurogruppe, Griechenland sofort 30 Mrd. Euro zur Verfügung zu stellen, hat ja weit und breit für gute Stimmung gesorgt. Vor allem an den Finanzmärkten. Von einem guten Geschäft faselt ja nicht nur Sven Böll vom Spiegel, sondern auch die Börsenhonks und Börsentussen, die uns täglich mit Kurven und Charts erklären wollen, wie sich die Wirklichkeit entwickelt. Einen dreijähjrigen Kredit über 30 Mrd. Euro an die Griechen zu geben und dafür fünf Prozent Zinsen zu erhalten, während man selbst frisches Geld für rund 3 Prozent leihen kann, sei doch super. Da besteht ja eine Gewinnmarge, so der Tenor.

Doch was bringt dieses Supergeschäft eigentlich nüchtern betrachtet? Können die Griechen ihre Probleme damit etwa lösen? Keiner fragt danach. Dabei kann man sich das doch ausrechnen. Das griechische Sparprogramm, das von Frau Merkel und der EU als große Leistung und Kraftanstrengung gelobt wurde, hat ja einen Umfang von 4,8 Mrd. Euro. Nun sollen die Griechen aber, falls sie auf das sog. Hilfspaket der Eurogruppe zurückgreifen, fünf Prozent Zinsen pro Jahr auf eine Kreditsumme in Höhe von 30 Mrd. Euro zahlen. Das sind dann pro Jahr 1,5 Mrd. Euro, die über den laufenden Schuldendienst beglichen werden müssen. In drei Jahren also zusammen 4,5 Mrd. Euro, die zusätzlich im Haushalt eingeplant werden müssen. Für wen sparen die Griechen dann eigentlich?

Mit anderen Worten: Frau Merkel, die EU und die depperten Börsianer haben überhaupt kein Interesse an der Stabilität Griechenlands oder des Euros, sondern sind lediglich darum bemüht, die Renditen der Kapitalanleger zu sichern. Ohne die konkrete Hilfszusage der Eurogruppe hätte Griechenland die im Mai fälligen Alt-Verbindlichkeiten nicht ablösen können und den Staatsbankrott verkünden müssen. Die Gläubiger, also vor allem deutsche und französische Banken hätten hohe Abschreibungen vornehmen und deren Anleger herbe Verluste hinnehmen müssen. Aber mit der gestern rasch erklärten Hilfszusage ist nun klar, dass alte und neue Gläubiger noch einmal richtig abkassieren dürfen, bevor die gesamte Eurogruppe zusammenbricht. Das wird nämlich passieren, wenn tatsächlich dieser Schwachsinnskurs beibehalten wird.

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Griechenland erhält direkte Hilfen

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Der Kampf der Madame No, Angela Merkel, war umsonst. Die schwere Einigung der Eurogruppe von vor zwei Wochen ist bereits obsolet, da die griechische Regierung nun ganz formell um Hilfe ersucht. Warum? Nun, die Finanzmärkte haben sich nicht täuschen lassen. Die Zinsen auf griechische Staatsanleihen bleiben in unbezahlbarer Höhe. Nun also eine direkte Finanzspritze von rund 30 Mrd. Euro. Dies bestätigte vorhin der Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker auf einer Pressekonferenz in Brüssel. Inzwischen wird dieser Schritt von einigen deutschen Medien, zuvorderst dem Propaganda-Organ der Bundesregierung, dem Spiegel, völlig überraschend als gutes Investment verkauft.

Quelle: Spiegel-Online

Der Verfasser ist ein alter Bekannter. Sven Böll, der ursprünglich in einer Unternehmensberatung, die auf Finanzdienstleister spezialisiert ist, tätig war und über das Managermagazin zu Spiegel Online kam (siehe NachDenkSeiten). Er schreibt in regelmäßigen Abständen großen Müll über die Sozialversicherung, die Staatsverschuldung und jetzt zu Griechenland. Er schreibt zum Beispiel:

„Das Geld des deutschen Steuerzahlers ist nicht futsch. Die Bundesrepublik würde Kredite an Athen verteilen – und nicht Geschenke. Für geliehene Milliarden aber müsste das Land selbstverständlich Zinsen zahlen.

Derzeit liegen die Renditen von Staatsanleihen der Bundesrepublik bei gut drei Prozent, die der griechischen Pendants bei rund 7,5 Prozent. Wahrscheinlich würde Deutschland weniger Zinsen verlangen, vielleicht fünf Prozent. Es wäre aber wohl trotzdem für die Bundesrepublik ein gutes Geschäft: Sie leiht sich Geld für drei Prozent und reicht es für zwei Prozentpunkte mehr in den Süden Europas weiter. Ein Zehn-Milliarden-Kredit würde pro Jahr somit rund 200 Millionen Euro abwerfen. Kein wirklich schlechtes Geschäft.“

Wen will Böll mit dieser Scheiße eigentlich beeindrucken? Etwa die Leute, die immer noch glauben, der Staat bekäme etwas von seinem Milliarden-Investment bei der Commerzbank zurück? In dieser Bank stecken 18,6 Mrd. Euro direkte Hilfen. Inzwischen gibt auch die Bundesregierung zu, dass sie keine Zinszahlungen von dem Institut mehr erwartet, geschweige denn eine Rückzahlung der stillen Einlage. Wie kommt so ein Schmierlappen wie Böll dann darauf, dass das im Fall Griechenland gerade anders wäre? Werden die überhaupt Zinsen zahlen, wenn das Problem genau dort liegt? Es sind doch gerade die Zinsbelastungen, die den griechischen Staat in die Knie zwingen. Wenn also der Schlaumeier Böll vorrechnet, wie toll so ein Zinsgeschäft auf dem Papier für uns aussieht, vergisst er ganz offensichtlich die Tatsache, dass so ein Geschäft die Insolvenz Griechenlands nur verschleppt und nicht löst. Am Ende stünden wieder Forderungen der Deutschen, die nicht mehr bedient werden können. Einmal ganz abgesehen davon, dass Böll genau jenes Hebelgeschäft beschreibt, dass auch die Banken mit Griechenland betrieben haben und das dazu führte, dass Griechenland seine Bilanzen aufhübschen konnte.

Nein, hier wird ganz offensichtlich eine Kehrtwende vollzogen. Von der anfänglichen kategorischen Ablehnung von direkten Hilfen an Griechenland durch den deutschen Steuerzahler, soll nun mit Hilfe aller Propagandageschütze der Eindruck vermittelt werden, als sei das Ganze ein tolles Geschäft und keine komplette Katastrophe, deren Ursache gerade im Versagen der deutschen Politik liegt. Deutschland zahlt! Und zwar ordentlich drauf! Nicht nur bei den Banken, sondern jetzt auch ganz offiziell bei ganzen Staaten! Denn die Zinseinkünfte der Kapitalanleger, die ein hohes Risiko eingegangen sind, müssen um jeden Preis gerettet werden. Solange unsere Wettbewerbsposition unangefochten bleibt, ist doch für die Dogmatiker in diesem Land alles in Ordnung. Joachim Jahnke schreibt auf seinem Infoportal heute:

Es ist ein irrsinniges Ärgernis, daß alle diese Krisen, ob global in der Finanzwelt oder lokal in Griechenland, von den kleinen Leuten, auch in Deutschland, durch Verlust des Arbeitsplatzes oder Lohnsenkungen auszubaden sind, während die reichen Anleihe-Gläubiger der Banken oder Staatsanleihen von den Regierungen durch das Einspringen des Steuerzahlers sogar noch vor einem eigentlich selbstverständlichen Schnitt zu Lasten ihrer hohen Zinseinkünften aus diesen Anleihen bewahrt werden. Damit ist die globale Finanzkrise zu einer riesigen Umverteilungsmaschine nach Oben geworden. Die Regierungen wissen das natürlich, spielen das Spiel aber unter Mißachtung der Interessen der Mehrheit ihrer Wähler zugunsten ihrer reichen und entsprechend einflußreichen Klientele immer weiter. Man möchte ausspucken!

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Todesnachrichten: Merkel im Stress

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Es ist durchaus makaber, aber unsere Regierungschefin musste ad-hoc zwei Auftritte absolvieren, bei denen sie sich mit dem Tod auseinanderzusetzen hatte. Ein Vergleich lohnt sich. Als der polnische Präsident bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam, sprach die Kanzlerin von einer politischen und menschlichen Tragödie für Polen. Kurz und knapp viel ihre Beileidsbekundung aus, denn Bestürzung und Fassungslosigkeit bestimmten die Reaktion.

Als sie aber von der Bild-Zeitung dazu gedrängt wurde, auch bei der Gedenkfeier für drei in Afghanistan getötete Soldaten teilzunehmen, geriet ihre Rede zu einer Apologie auf den Afghanistan-Einsatz. Sie sprach nicht von einer Tragödie für unser Land, sondern versuchte in epischer Breite zu erklären, warum der sinnlose Afghanistan-Einsatz dennoch richtig sei. An die Angehörigen gerichtet, meinte sie zum Schluss, dass die Erinnerungen ja bleiben.

„Die Erinnerungen an das große oder kleine Glück kann niemand nehmen.“

Eingangs sagte Merkel wahrscheinlich zur Beruhigung der Öffentlichkeit:

„Unser Einsatz in Afghanistan verlangt von uns Politikern, den Tatsachen ins Auge zu sehen und sie klar zu benennen.

Im Völkerrecht nennt man das, was in Afghanistan in weiten Teilen herrscht, einen nicht internationalen bewaffneten Konflikt. Die meisten Soldatinnen und Soldaten nennen es Bürgerkrieg oder einfach nur Krieg. Und ich verstehe das gut. Denn wer auf den Straßen vor sich täglich neue Minen vermuten muss oder wer auf Patrouille immer damit rechnen muss, in einen Hinterhalt zu geraten oder unter gezieltes Feuer zu kommen, der denkt nicht in juristischen Begrifflichkeiten, der sieht die Welt verständlicherweise mit anderen Augen.

Ja, es ist wieder und wieder wichtig, dass wir uns klar machen, warum wir junge Frauen und Männer in ein fernes Land schicken, wo ihre Gesundheit an Leib und Seele und ihr Leben immer wieder in Gefahr sind. Die Antwort darauf ist nicht selbstverständlich – und bequem ist sie auch nicht.“

Wer einen Krieg, an dem sich die USA, Großbritannien, Deutschland, Frankreich, Kanada, Italien, Polen und weitere 35 Nationen beteiligen, einen NICHT-internationalen bewaffneten Konflikt nennt, sich dabei auf das Völkerrecht beruft und so tut, als würde man nur juristische Begriffe verwenden, der hat schlichtweg einen an der Waffel. Sie hätte auch direkt auf die Särge spucken können.

Auf das Warum gab die Frau Bundeskanzlerin übrigens keine Antwort, außer jene falschen Begründungen über angebliche Bedrohungsszenarien, an die man schon fest glauben muss, um die Wirklichkeit weiter so offenkundig ignorieren zu können, wie es die Bundesregierung tut. Der Einsatz deutscher Soldaten in Afghanistan würde der Sicherheit Deutschlands dienen. Zunächst einmal muss man aber feststellen, dass die Sicherheit der deutschen Soldaten mit fortschreitender Einsatzdauer immer weniger gewährleistet werden kann. Gibt es überhaupt noch eine messbare Sicherheitslage, aus der man schließen könnte, dass ein Wiederaufbau, wie ihn die Bundesregierung anstrebt, überhaupt möglich ist? Ist es nicht eher so, dass Strukturen, die vielleicht geschaffen wurden, nicht schon längst wieder zerstört wurden? Die Kanzlerin lügt, wenn sie behauptet, dass es in Afghanistan noch „genügend Sicherheit“ gäbe, die dank des Einsatzes der Bundeswehr erzielt worden sei. Die Bundeswehr zieht sich doch permanent zurück. Ihr Basislager ist inzwischen vom Feind umringt und die Zufahrtsstraße oft Schauplatz von Anschlägen.

Merkel sprach wieder von dem Rückzugsgebiet Afghanistan und einer Brutstätte des internationalen Terrorismus. Davon gibt es aber viele auf der Welt, zum Beispiel in Afrika. Wieso kämpfen wir nicht auch dort? Schließlich wolle die Kanzlerin ja unbedingt verhindern, dass Deutschland Ziel von Anschlägen würde. Kann sie denn ausschließen, dass uns aus anderen Ländern keine Gefahren von Terroristen drohen? Was ist so besonders an Afghanistan? Dazu wie immer lautes Schweigen im Walde. Dafür das:

„Dennoch steht auch heute die große Mehrheit der Abgeordneten des Deutschen Bundestages hinter diesem Einsatz. Darauf können unsere Soldatinnen und Soldaten setzen.“

Der Souverän lehnt den Einsatz aber mit überwältigender Mehrheit ab. Wieso ignoriert die Regierungschefin das? Wem gehorcht sie denn?

„Wir arbeiten deshalb daran, die afghanischen Sicherheitskräfte in die Lage zu versetzen, selbst die Verantwortung für die Sicherheit in ihrem Land zu übernehmen.“

Indem man auf sie schießt?

Ah, ich vergaß. Das war ja ein Versehen. Freigeist zu Guttenberg hat diesbezüglich keine Tränen in den Augen gehabt, sondern umgangssprachlich bemerkt, dass soetwas passieren könne.

„Oft verblasst in der öffentlichen Wahrnehmung das Leid, das der Einsatz bei unseren Soldaten und ihren Familien hinterlässt. Kein Denkmal und keine Feier kann hier unser ganz persönliches Mitgefühl ersetzen.“

Und da war sie wieder, die Beleidigung des Urnenpöbels, der einfach zu doof sei, die Komplexität von Regierungshandeln zu begreifen. Zu Guttenberg hat ja selbst gesagt, es läge bzgl. des Afghanistan-Einsatzes ein Vermittlungsproblem vor, an dem er arbeiten wolle. Kein Denkmal könne persönliches Mitgefühl ersetzen. Toll. Was sollte auch auf der Gedenktafel stehen? Nee nee, die Angehörigen wissen schließlich am besten über die sinnlos Getöteten Bescheid. Anstatt sich öffentlich darüber den Kopf zu zerbrechen, lässt die Bundeskanzlerin der Bananenrepublik Deutschland die Opfer allein mit der Bemerkung, sich schöne Erinnerungen wieder ins Gedächtnis zu rufen. Mehr kann man von dieser Schweineregierung nicht erwarten!

Alles in allem komme ich zu dem Schluss, dass hier ein Medienevent zelebriert wurde mit Merkel als der kühlen Regierungschefin, die den Anschein erwecken sollte, das Heft des Handelns fest in der Hand zu halten und einem menschelnden zu Guttenberg, der für die Taschentuchfraktion und die eigenen Popularitätswerte da war. Und die Kirche diente dabei als Kulisse. Inzwischen hat der Tod des polnischen Präsidenten unter dem Titel „Die polnische Tragödie“ die Bilder der patriotisch wirkenden Trauerfeier abgelöst.

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Quellen:
http://www.bundeskanzlerin.de/Content/DE/Rede/2010/04/2010-04-09-rede-trauerfeier-selsingen.html

http://www.bundeskanzlerin.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2010/04/2010-04-10-statement-polen.html

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Bild gibt den Takt vor und die Kanzlerin tanzt danach

Geschrieben von:

Es ist Krieg und Menschen sterben. Die Frage müsste eigentlich lauten, warum und für was zum Beispiel deutsche Soldaten ihr Leben riskieren und verlieren. Doch das bewegt die Meinungsführer in diesem Land nicht so sehr wie die Frage, ob die deutsche Regierungschefin an der Trauerfeier für die zuletzt gefallenen Kameraden teilnimmt oder nicht. Ursprünglich wollte Kanzlerin Merkel die delikate Angelegenheit wie immer unauffällig aussitzen. Schließlich hatte Kronprinz Gutti sein Kommen bereits angekündigt.

Doch heute rief Springers Sturmgeschütz Bild laut nach der Kanzlerin und sogar dem Bundespräsidenten. Und Merkel reagiert prompt und kündigt ebenfalls ihr Kommen zur Trauerfeier an. Ich erinnere noch einmal an Georg Schramm in Neues aus der Anstalt – Folge 28 (siehe hier im Blog):

„Ein Handstreich von Friede Springer würde reichen, und ihre Tintenknechte schreiben die Kanzlerin vom Thron herunter und werfen sie ihrer eigenen Partei zum Fraß vor.

Die wahrhaft Mächtigen, das ist gewiss, haben die Gunst des Volkes längst verloren. Deswegen ist diese Frau so wertvoll für sie. So lang die Frau die Gunst des Volkes hat, hat sie die Gunst der Macht.“

Es geht um die Macht der Mächtigen in diesem Land. Die ist nämlich bedroht, weil die Bevölkerung mit deutlicher Mehrheit den nutz- und sinnlosen Einsatz in Afghanistan verurteilt und ablehnt und damit auf sichtbare Distanz zum Puppentheater geht. Auf Dauer kann das eine Marionettenregierung wie die unsere nämlich nicht durchhalten, weshalb sie daran erinnert werden muss, ihre Außendarstellung oder ihr Spiel zu verbessern, damit der Pöbel bei Umfragen weiterhin angibt, dass Frau Merkel und Herr zu Guttenberg als einzelne Persönlichkeiten einen tollen Job machen, die Regierung als Ganzes aber nicht.

Der afghanische Präsident Hamid Karsai ist kein Verwirrter, der seine Verbündeten nur deshalb vor den Kopf stoße, weil er innenpolitisch etwas unter Druck geraten sei. Nein, er ist der einzige, der begriffen hat, dass der Krieg der NATO verloren und die ganze Operation nach acht Jahren sinnlosen Kampfes defacto gescheitert ist. Dass Karsai sich angesichts dieser Faktenlage andere Optionen sucht, ist logisch. Auf der anderen Seite sind die Schwachsinnsbekundungen eines Guido Westerwelle zum Beispiel völlig unlogisch und wirr. Ebenfalls via Bild lässt der Außenminister verbreiten:

„Es wäre falsch, jetzt einen exakten Abzugstermin festzulegen. Dann wüssten die Terroristen, wie lange sie noch durchhalten müssten, bis wir weg sind.“
[…]
„Wir haben vor wenigen Wochen eine neue Afghanistan-Strategie mit einer klaren Abzugsperspektive beschlossen. Wir wollen möglichst 2013 die Sicherheitsverantwortung an die Afghanen übergeben und 2011 erstmalig mit der Reduzierung des Bundeswehrkontingents beginnen.“

Ich bin ja immer noch dafür, dass es die bessere Strategie wäre, anstatt Soldaten lieber Herrn Westerwelle auf Staatskosten nach Afghanistan zu fliegen, er darf ruhig auch seine gewohnte Reisebegleitung als Unterstützung mitnehmen. Vor Ort könnte er dann den Kampf gegen die Taliban aufnehmen, indem er sich hinstellt und Vorträge über ein einfaches und gerechtes Steuersystem hält. Ich bin sicher, dass die Taliban und andere vor dem Westerwellschen Pickelgesicht und seinem rechtspopulistischen Geschrei in Scharen flüchten würden. Oder sie reagieren anders. Es wäre kein Verlu… >:XX

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Zur Umgangssprache des Herrn zu Guttenberg

Geschrieben von:

Der geölte Bundesverteidigungsminister Freigeist Karl-Theodor zu Guttenberg ist ja bekanntlich als Sprachwahrer des Jahres 2009 ausgezeichnet worden (siehe hier im Blog), weil er das gute alte deutsche Wort „Krieg“ wieder zum Leben erweckt hat. Eigentlich sollte man an diese alberne und ablenkende Sprachdiskussion keine weitere Zeit verschwenden, doch wie schrieb Petra Rückerl von der Neuen Presse Hannover am Ostersamstag auf Seite 1 des Hannöverschen Schmierenblattes im Leitkommentar: Die Taliban könne man halt nicht einfach so wegbomben. Und weil das so sei, sterben auch deutsche Soldaten in Afghanistan. Deshalb benötige man dringend eine neue Strategie.

Wie gut, dass der Sprachwahrer dann gleich am Ostersonntag, nachdem er seinen Urlaub abgebrochen hatte, ein Zeichen setzte und zur Freude der versammelten Presse einmal mehr jenen sprachlichen Unsinn von sich gab, der für die kommenden Tage die Schlagzeilen bestimmen dürfte.

Nach Guttenbergs Aussage sind die Anschläge der Taliban gegen die Bundeswehr ursächlich für die ministerielle Wahrnehmung, in Teilen Afghanistans herrsche ein Zustand, den man umgangssprachlich als Krieg bezeichnen könne. Wenn natürlich die Bundeswehr ein paar Tage vorher sechs verbündete afghanische Soldaten über den Haufen schießt, ist das natürlich ein Versehen und kein Beleg für einen Krieg, der zahlreiche Todesopfer auf militärischer wie ziviler Seite fordert.

Zunächst einmal hat sich an der Wahrnehmung des Ministers seit November 2009 nichts geändert, außer das Deutschland drei weitere Todesopfer zu beklagen hat, die sinnlos sterben mussten, wie so viele andere Menschen in Afghanistan, seit Beginn des Krieges vor über acht Jahren. Und dennoch wird die neuerliche Sprachentgleisung des Herrn zu Guttenberg als Medienevent gefeiert. Guttenberg spricht von Krieg in Afghanistan, lauten die Schlagzeilen. Was soll das? Sehr viel interessanter wäre doch eine Aussage des Ministers zum Bombenangriff auf zwei Tanklastzüge nahe Kunduz. Was sagt der geölte Freigeist denn dazu? Natürlich nichts, weil der feste PR-Termin vor dem Untersuchungsausschuss bereits gebucht ist. Da wollte die selbstsicher wirkende Wortgirlande aus Franken sogar vor laufenden Kameras auftreten und begeistern. Aber daraus wurde ja bekanntlich nichts. Merkels Strategie des Vertuschens darf nicht gefährdet werden. Diesem Ziel muss sich dann auch der galante Politstar aus der CSU unterordnen und ein paar Beliebtheitspunkte abgeben.

Doch zurück zur Umgangssprache, die Gutti in seinem Statment ja so betont. Was meint der Aristokratenschnösel eigentlich damit? Wenn sie und ich vom Krieg in Afghanistan sprechen, dann bedienen wir uns laut dem hochgebildeten jungen Führer der Atlantik-Brücke zu Guttenberg einer umgangssprachlichen Ausdrucksform. Er selbst würde das, was in Afghanistan passiert, eben nicht als Krieg bezeichnen. Das ist die Botschaft, die Guttenberg aussendet. Warum die Medien gerade das Gegenteil behaupten, liegt entweder an der Dummheit einzelner Journalisten oder aber an dem Willen, die Bevölkerung absichtlich zu täuschen und das PR-Spiel des feinen und beliebten Herrn zu Guttenberg mitzuspielen.

Fallen sie nicht auf Guttenbergs Wortakrobatik herein. Er missbraucht die Sprache, übt im Grunde Gewalt gegen sie aus, um zu manipulieren und zu verfälschen. Er nutzt die Sprache nicht als Mittel zur Kommunikation, sondern als Waffe im Kampf gegen die Wahrheit. Wenn Guttenberg zum Beispiel sagt, dass man Afghanistan nicht „Hals über Kopf“ verlassen könne, weil man dann jenen Platz machen würde, die sich „durch verabscheuungswürdiges Handeln“ auszeichneten, ist das eine infame Verharmlosung eigener Schuld sowie ein Leugnen eigenen Versagens. Nach über acht Jahren Krieg, in dem nicht nur Taliban verabscheuenswert handelten, sondern auch deutsche Soldaten, indem sie auf befreundete Kräfte schossen, indem sie eine Bombardierung befahlen, die zahlreichen unschuldigen Menschen das Leben kostete und indem sie sich mit Totenschädeln in der Hand haben ablichten lassen, ist der Vorwurf zu Guttenbergs an die Kriegsgegner, sie würden etwas fordern, dass einer „Hals über Kopf-Strategie“ gleichkäme, überhaupt nicht hinnehmbar. In Afghanistan befinden sich Deutschland und die NATO doch schon längst in einem militärischen Zustand, den man mit Schrecken ohne Ende sehr treffend beschreiben könnte.

Da spielt es dann auch keine Rolle mehr, dass einige Formulierungen die Grenze des Absurden noch übersteigen:

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte dem afghanischen Präsidenten Hamid Karzai in einem Telefonat ihr Beileid über den Tod afghanischer Soldaten durch Bundeswehr-Beschuss ausgesprochen. Auch Verteidigungsminister Guttenberg entschuldigte sich bei seinem afghanischen Kollegen. Die Bundeswehr müsse alles unternehmen, damit ein solches Aufeinandertreffen Verbündeter vermieden werde, sagte der Minister. „In Situationen, die man als kriegsähnlich oder umgangssprachlich als Krieg bezeichnen mag, ist es nie ausgeschlossen, dass es eben auch zu solchen alles andere als wünschenswerten Situationen kommt.“

Quelle: Reuters

:roll: :roll: :roll:

Ich wünsche ihnen jedenfalls noch ein schönes Rest-Ostern.

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Zur Peinlichkeit der deutschen Bundesregierung

Geschrieben von:

Angela Kohl, Abwarten, abwägen, aussitzen – Wie Angela Merkel Altkanzler Kohl immer ähnlicher wird. So titelt der aktuelle Stern.

Stern vom 25.03.2010

Dabei hat das Verhalten Merkels eigentlich nichts mit Ähnlichkeiten zu tun, sondern mit einer Haltung, die in der konservativen und scheinbürgerlichen Parteienwelt tief verankert ist. Ein unabhängiges Urteilsvermögen gehört nicht zu diesem Politikstil. Das abwartende Verhalten ist sozusagen systembedingt. Die, die sich als die Bürgerlichen bezeichnen, warten solange, bis sich die Mehrheit ihrer Klientel eine Meinung gebildet hat, der sich der politische Arm dann anschließen kann. Deshalb turnen auch Gestalten wie Ackermann und Co. ständig im Kanzleramt herum und diktieren der Frau Regierungschefin ihr politisches Programm. Die NachDenkSeiten schrieben einmal von einem Kaffeekränzchen, das unser Land regiert. Man kann aber auch von einem Meinungspotpourri von Interessenvertretern sprechen, wie es Heiner Flassbeck in seinem Buch „Gescheitert“ macht.

Kennzeichnend ist jedenfalls, dass für die selbsternannten „Bürgerlichen“, aber auch für Rote und Grüne, Sachverstand und Expertise Fremdwörter sind. Man greift ja nicht einmal auf das eigene Personal in den Ministerien zurück, sondern man findet es inzwischen völlig normal, sog. „externen Sachverstand“ einzuholen. Dabei stellt sich immer wieder heraus, dass diese Beratungsleistungen von Personen erbracht werden, die im Dienste von Kapitalinteressen ihr Werk verrichten. Für die Regierung zählt also nicht das eigene Urteilsvermögen auf der Grundlage des ihr zuarbeitenden Beamtenapparates. Die Regierung selbst scheint bloß Angestellte zu sein. Das Aussitzen und Abwarten von Frau Merkel ist deshalb keine verspielt klingende Annäherung an die erfolgreiche Überlebensstrategie Helmut Kohls, der ja gemeinhin als Mentor Merkels gilt, sondern vielmehr ein Ausdruck von Führungs- und Regierungsunfähigkeit.

Das wiederum ist ein Zustand, der weniger mit einem bürgerlichen Selbstverständnis, als vielmehr mit finanzfeudaler Unterwürfigkeit zu tun hat. Merkel, Westerwelle, die SPD-Stones, Schröder und Fischer gehören zu einem Typ von Politikern, die nach außen hin als Wahrer bürgerlicher Interessen auftreten, in Wirklichkeit aber als Angestellte des großen Kapitals die Aufträge ihrer eigentlichen Vorgesetzten in Banken und Versicherungen artig erfüllen, damit dem reichsten Zehntel der Bevölkerung, das bereits jetzt schon über rund 60 Prozent des Gesamtvermögens verfügt, noch mehr zugeteilt wird.

Nur so ist auch zu erklären, warum die Bundesregierung in Bezug auf die Lösung der Finanzkrise innerhalb der EU so ein dummes Zeug erzählt und sich zum Gespött aller anderen Währungsteilnehmer macht, die aber der größten Ökonomie der Eurozone zwangsweise zustimmen müssen, um das Gesamtkunstwerk zu retten. Dabei könnte man natürlich Deutschland kurzerhand einen europäischen Arschtritt verpassen und aus der Eurozone ausschließen. Dann könnte Deutschland seine harte D-Mark wiederhaben und die anderen Länder ihren Euro endlich so abwerten, dass deutsche Billigwaren wieder teurer und die eigenen Exporte nach Deutschland günstiger werden. Und Frau Merkel würde einmal merken, wie sich das mit den volkswirtschaftlichen Zusammenhängen verhält.

Die Zeitung „der Freitag“ schreibt sehr treffend:

„Lost in Translation“

Hallo Berlin, hören Sie uns? Verzweifelt versucht Europa, mit Deutschland in einen volkswirtschaftlichen Dialog zu treten. Doch dort versteht man immer nur BWL

Frau Merkel denkt in betriebswirtschaftlichen Kategorien, aber als Kanzlerin vertritt sie das ganze Land und spricht folglich als Volkswirtschafterin. Das ergibt ein babylonisches Sprachgewirr mit Sätzen ohne jeden Sinn. Beispiel: „Deutschland hat kein Geld.“ Da steht die Frau aus der Ex-DDR im falschen Laden Schlange. Kein Geld gibt es drüben in der Betriebswirtschaft. In einer Volkswirtschaft werden höchstens einmal die Devisen knapp oder die Produktionskapazitäten. Genau diese sind in Deutschland sogar im Übermaß vorhanden. Bloß hängt daran ein Verbotsschild: Halt, nur für den Export bestimmt! Einheimischer Gebrauch nur zwischen sechs und neun Uhr morgens. Drei Arbeitsstunden täglich reichen nämlich dicke, um das zu produzieren, was Hartz IV und der Niedriglohnsektor an Konsum zulassen. In Deutschland fehlt es nicht an Geld, es ist leider bloß immer seltener dort, wo die Nachfrage sein könnte.

Noch ein Beispiel aus Babylon. Angela Merkel hält an Deutschlands Exportüberschüssen fest, verlangt aber vom Ausland die Begleichung der Schulden. Wenn ein Unternehmer das sagt, ist es in Ordnung. Sagt eine Kanzlerin dasselbe, ist es peinlich. Beides geht einfach nicht. Solange die Bundesrepublik Leistungsbilanzüberschüsse erzielt, steigen per Definition die Schulden des Auslands gegenüber Deutschland.

Peinlich wäre schon der richtige Ausdruck, wenn die Peinlichkeit hierzulande auch dem Meinungsmainstream auffallen würde. Doch in den Kommentaren der scheinbürgerlichen Printerzeugnisse wie Welt, FAZ und Co. liest man nur Gutes über Merkels angeblich so harten Euro-Kurs. Dabei hat das nichts mit Härte zu tun, als vielmehr mit dem psychopathologischen Zustand des Wahnsinns. Das kennen wir ja schon von der Westerwelle.

Der bezeichnet sich ja selbst auch als Bürger sowie als Verteidiger bürgerlicher Interessen. Dabei bildet er und seine FDP das Zentrum antibürgerlicher Reflexe, wie man in der Zeit zum Beispiel sehr schön nachlesen kann. Westerwelle macht die bürgerliche Teilhabe ja ganz offen vor allem von materiellen Voraussetzungen abhängig. Deshalb macht er nach seinem Verständnis auch keine Klientelpolitik, weil er letztlich nur bürgerlichen Interessen diene.

Einen Widerspruch zwischen allgemeinen und partikularen Interessen erkennt er nicht. Man kennt diese Manöver von anderen, findigen Populisten. Etwa von dem italienischen Ministerpäsidenten Silvio Berlusconi, der sich als einer der reichsten Unternehmer des Landes gern als Stimme des kleinen Mannes geriert. Westerwelle hält sich für einen Citoyen, doch sein Programm taugt nur für den Bourgeois. Und wer nicht zu seiner Klientel gehört, verdient es nicht, zum Bürgertum gezählt zu werden. L´etat c´est Westerwelle.

L’état c’est Westerwelle. Das ist irgendwie toll, wenn auch falsch gewählt. Denn nicht Westerwelle oder Merkel sind diejenigen, die einen, dem absolutistischen ähnlichen, Machtapparat etablieren, sie sind doch bloß die Hampelmänner bzw. Frauen, die am Ende jener Fäden hängen, die von Interessenverbänden gehalten werden. Figuren wie Merkel und Westerwelle machen keine Politik, sondern dürfen dem Urnenpöbel in der Berliner Puppenkiste die Demokratie vorspielen, wie Georg Schramm es beim legendären Scheibenwischerabschied von Dieter Hildebrandt formulierte. Das war im Jahr 2003. Damals sagte er weiter,

„Guido Westerwelle, das ist wohmöglich unsere Zukunft. Guido Westerwelle kennt jeder aus den öffentlich rechtlichen Bedürfnisanstalten, aber keiner weiß, was er will. Was vielleicht auch besser so ist.“

Inzwischen wissen wir es, und es wäre in der Tat besser gewesen, wenn wir es nicht erfahren hätten. In Wirklichkeit darf uns also nicht nur unsere Regierung peinlich sein, sondern wir uns vor allem selbst, weil wir es zugelassen haben, dass solche schlechten Laiendarsteller uns Regierung vorspielen dürfen. Wenn der Stern oben also feststellt, dass Angela Merkel dem dicken Altkanzler immer ähnlicher wird, so muss man das als misslungenen Versuch interpretieren, dem Zuschauer – also dem Volk – eine Erklärung für das politische Totalversagen anzubieten. Dabei sollte uns vielmehr interessieren, welche Belohnung diese immer schlechter werdenden Politgestalten von jenen erhalten, die teils im Hintergrund und teils ganz offen vordergründig die Fäden ziehen. Diese Ähnlichkeiten würden mich jedenfalls eher interessieren, als die, die man in einem oberflächlichen Politikstil zu entdecken glaubt.

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Die Story über die Rettung der HRE: Ackermanns Werk und Merkels Beitrag

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Hubert Seipel vom WDR blickt auf das Bankenrettungswochenende 2008 zurück und belegt das Versagen der Bundesregierung bei der Rettung der HRE. Die Sendung haben sie mit Sicherheit nicht gesehen. Sie lief am Mittwoch nach dem DFB-Pokal im Ersten. Jetzt weiß ich auch, warum es auf Schalke zu so einem schlechten Spiel gegen die Bayern kam und letztlich zur Verlängerung. Das lag nicht am Platz, sondern an der Regievorgabe, die Zuschauer möglichst einzuschläfern, damit sie ja nicht im Anschluss den kritischen Beitrag über die Bankenrettung sehen. :>> Die Wiederholung lief übrigens in derselben Nacht um 3:25 Uhr.

Quelle: WDR

Der Beitrag ist bis auf ein paar Ausnahmen sehr gut gemacht. Es fehlt zum Beispiel der äußerst wichtige Hinweis, dass Peer Steinbrück und sein Ministerium die Haftungsfrist der HRE-Alteigentümer um ein paar Stunden haben ablaufen lassen, damit nicht die, sondern der Staat in die Bresche springen konnte. Es ergibt ja auch sonst überhaupt keinen Sinn, wenn der Chef der BaFin Jochen Sanio angibt, bereits seit dem Frühjahr 2008 Brandbriefe über den verheerenden Zustand innerhalb der HRE an das Finanzministerium geschrieben zu haben, die Steinbrück selber aber nie gesehen haben will. Diesen Widerspruch muss man aufklären. Dass Steinbrück, Merkel und Co. mit der Finanzindustrie eng verflochten waren und sind, ist klar und kommt in dem Beitrag auch sehr gut zur Geltung.

Als störend empfand ich Volker Wissing von der FDP, der als damaliges Oppositionsmitglied im HRE-Untersuchungsausschuss in diesem Film für meinen Geschmack etwas zuviel Redezeit bekommt. Er sagt zwar viel Richtiges, aber am Ende wird deutlich, aus welcher dreckigen Ecke er kommt, und welche Interessen er vertritt. Wissing gibt den Wolf im Schafspelz. Nur zu gern möchte er und seine FDP dem Staat die alleinige Schuld in die Schuhe schieben. Vor allem die zahnlose Bankenaufsicht dient ihm dabei als Angriffspunkt. Die FDP fordert ja schon lange, dass man nur die Bankenaufsicht entsprechend verbessern müsste und schon sei alles im Lot. Die FDP erkennt kein Markt-, sondern Staatsversagen. An dieser Stelle geht mir der Film den liberalen Freigeistern zu sehr auf den Leim.

Aber der Gesamteindruck ist durchaus positiv. Diesen Film sollte eigentlich jeder gesehen haben, um ein Stück weit die Dimension vermittelt zu bekommen, in der sich Politik, Finanzwirtschaft und gesellschaftliche Eliten zu kriminellen Akten zusammengeschlossen haben, sich gegenseitig decken und auch in die Pfanne hauen. Und alles auf Kosten der Steuerzahler. Film ab!

Gier und Größenwahn – Wie die Politik bei der Banken-Rettung über den Tisch gezogen wurde

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