Deutschland zerstört Europa

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Die neueste Mitteilung aus dem Führerbunker, äh Kanzleramt, lautet, die Chefin verbitte sich Kritik aus dem Ausland.

Quelle: Spiegel-Online

Die Bundesregierung weist in der Griechenland-Krise Kritik aus dem Ausland zurück. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) habe von Anfang an mit den Euro-Partnern ein klares Vorgehen abgesteckt, sagte Vize-Regierungssprecherin Sabine Heimbach. Die Vorwürfe gingen in eine falsche Richtung.

Die Bundesregierung habe stets deutlich gemacht, dass die Euro-Gruppe im Notfall geschlossen und koordiniert handeln werde, sagte Heimbach.

Das ist wirklich lustig. Bis jetzt ist die Frau Merkel die einzige, die sich der Geschlossenheit verweigert, aus wahltaktischen Überlegungen heraus oder weil sie einfach nicht weiß, was sie machen soll. Berater Josef Ackermann scheint wohl keine große Hilfe zu sein. Was für ein Eiertanz. Im übrigen mosert nicht nur das Ausland, sondern auch der potenzielle Koalitionspartner, die Grünen. Nur zur Erinnerung. Merkels Regierung hat dem Nothilfepaket für Griechenland in Brüssel zugestimmt, falls Athen formell um Hilfe ersuchen würde. Das war ein zähes Ringen bis dahin. Wahrscheinlich hatte die Merkel nicht damit gerechnet, dass die stolzen Griechen tatsächlich einen Bettelbrief schreiben würden.

Nun ist es aber passiert und jeder konnte sich das denken. Worauf sollten sich die Spekulanten an den Märkten auch verlassen können? An dem steigenden Kurs für griechische Staatsanleihen konnte man sehr schön die sinkende Glaubwürdigkeit der Kanzlerin ablesen. Die Märkte wissen selber nicht, was Sache ist und gehen daher weiterhin davon aus, dass Griechenland pleite geht. Deshalb will man einerseits Verluste minimieren oder Gewinne maximieren, bevor alles zusammenbricht. Das Verhalten der Spekulanten zeigt sehr deutlich, dass man vom Crash her denkt. Sie glauben schon längst nicht mehr an die Europäische Union und daran, dass diese Gemeinschaft politisch wie wirtschaftlich überleben wird. Sie erkennen in Merkels Verhalten, das von einer hetzenden Presse flankiert wird, die schon an die braune Zeit des „Völkischen Beobachters“ erinnert, die billigende Inkaufnahme des europäischen Zerfalls. Deshalb ist Portugal bereits ins Visier genommen worden, um dort auch noch einmal richtig abkassieren zu können.

Doch was sagt der Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank (EZB), Jürgen Stark zum Fall Portugal?

Die Situation beider Länder sei nicht miteinander vergleichbar, erklärte Stark am Rande einer Konferenz. „Es geht darum, Griechenland wirklich als einen Einzelfall zu sehen“, sagte Stark zu Journalisten. „Ich sehe hier keine Verbindung zwischen Portugal und Griechenland“, betonte er. Nach wie vor gebe es „deutliche Unterschiede“, und diese Unterschiede müssten unterstrichen werden.

Quelle: Dow Jones Deutschland

Aha. Wen will Herr Stark damit beeindrucken? Die unregulierten Finanzmärkte, denen es inzwischen wurscht ist, was die politisch Verantwortlichen sagen? Vor allem möchte ich die Unterschiede einmal klar benannt haben. Auch in Portugal gehen die Menschen auf die Straße und wehren sich gegen die ihnen aufgezwungenen Sparmaßnahmen. Allein im April gab es 28 Streiks und 19 Demonstrationen. Die EZB/Frau Merkel glauben doch nicht im ernst, dass sich rigorose Sparmaßnahmen in Griechenland und Portugal gegen den Willen der Bevölkerung durchsetzen lassen. Das geht vielleicht bei uns dummen Deutschen, die immer noch so doof sind, sich für Herrenmenschen halten zu müssen, aber nicht erkennen, wie sie schon wieder manipuliert, verführt und gegen andere Menschen aufgestachelt werden, anstatt sich endlich gegen die eigene korrumpierte politische Führung zu wenden.

Ein Bild versteht der Deutsche, der auch leidenschaftlicher Bildleser ist und sich gern dem dort abgedruckten Rassismus anschließt, einfach nicht. Der Karikaturist Klaus Stuttmann zeigt ihnen welches:

Klaus Stuttmann
Quelle: Klaus Stuttmann

Eine schöne Bemerkung las ich vorhin bei Egon W. Kreutzers Kurzkommentar zum Griechenland-Desaster.

„Die Märkte“ ruinieren Griechenland und Europa und die ganze Welt, solange man ihnen nachgibt.

Es läge in der Hand des Bundestages, „die Märkte“ in die Schranken zu weisen. Es läge in der Hand des Bundestages, unser Land aus den Fangarmen der Kraken zu befreien. Es läge in der Hand der Volksvertreter, die Hoheit über unsere Währung wieder selbst zu übernehmen, statt einer Handvoll skrupelloser Spekulanten, die sich „die Märkte“ nennen lassen, die Hoheit über ganz Europa einzuräumen.“

Doch wie man aus dem Führerbunker vernehmen konnte, sollen „die Märkte“ weitgehend verschont bleiben. Die Banken sollen nicht zur Finanzierung des Rettungspakets für Griechenland herangezogen werden. Da sei die Kanzlerin ganz nah bei Schäuble, wie es heißt. Apropos, wo ist der eigentlich? Schon mit einem Rad im Jenseits? Dieser soll, einigen Gerüchten zufolge, gesundheitlich arg angeschlagen sein. Aber Spaß beiseite, ich meinte politisches Jenseits. Denn denselben Gerüchten zufolge, soll bereits Roland Koch als Nachfolger bereitstehen. Der wäre auch für den Westerwelle und seine Dummschwätzer erträglicher. Mit dem Schäuble können die Liberalen nicht. Das hat die Vergangenheit gezeigt.

Uns fragt ja keiner. Oder besser gesagt, wenn wir gefragt werden, sind wir auch noch so blöd und wählen diese Spinner, weil sie stabile Verhältnisse versprechen. Denn nichts hat der Deutsche lieber, als stabile Verhältnisse. Da kann die ganze Welt zusammenbrechen und Panzer vor der Tür stehen, solange es stabile Verhältnisse in Deutschland gibt, und eine dumme Sau, die es in irgendeinem Sportpalast in die johlende Menge schreit und eine dumme Presse, die es verbreitet, ist für den Deutschen alles gut.

Als Freigeist zu Guttenberg in Ingolstadt, anlässlich der Trauerfeier für die zuletzt getöteten Bundewehrsoldaten, kackdreist von weiteren Opfern sprach, die man künftig hinnehmen müsse und das nicht nur in Afghanistan, glaubte ich an eine Monty Python Nummer. Aber der meint das ernst. Und wenn ich dann aber das lese, wird mir schlecht.

Strittig ist zwischen Regierungsparteien und Opposition, ob Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, CSU, diese Woche vor dem Kundus-Untersuchungsausschuss einen guten Auftritt hingelegt hat. An anderer Stelle indes ist ihm dies unstrittig geglückt: im geräumigen Lift des Reichstags. Darin drängten sich bereits rund 20 SPD-Damen, so um die sechzig Jahre jung, bei einem Bundestagbesuch, als plötzlich sich noch zu Guttenberg hineinquetschte. Da jubelten die Genossinnen glücklich los, strahlten ihn an, drängelten sich an ihn, rissen die Foto-Handys aus ihren Taschen und knipsten wie wild Erinnerungsfotos mit dem Mann, der eindeutig ihr Traumpolitiker zu sein schien. Sein CSU-Parteibuch störte offenbar keine einzige der Genossinnen. Die CDU-Abgeordnete Ingrid Fischbach, ebenfalls im Lift, zog danach den einzig richtigen Schluss: „Die politische Konkurrenz muss endlich einsehen, dass unser Verteidigungsminister über alle ideologischen Gräben hinweg fasziniert. Sein Sympathiefaktor bei Frauen liegt parteiübergreifend bei 101 Prozent.“

Quelle: Hans Peter Schütz (Stern)
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An alle entschlossenen und unentschlossenen oder gar nicht Wähler folgender Gedanke:

Es ist nicht gesagt, dass es besser wird, wenn es anders wird.
Wenn es aber besser werden soll, muss es anders werden.

Georg Christoph Lichtenberg
(1742-1799)

Quelle: auch bei Egon W. Kreutzer (s.o.)

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Zur aktuellen Euro-Panik

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Nun ist es also passiert. Griechenland hat formell um Hilfe ersucht, weil die Zinsaufschläge für griechische Staatsanleihen immer weiter nach oben schnellen. Griechenland kann sich nicht mehr selbst refinanzieren und muss auf die Kredite der EU-Partner zurückgreifen (Das wird zwar auch nicht helfen, aber egal). Und was sagt die „Eiserne Kanzlerin“ dazu? Wie immer. Sie eiert rum! Die ganze Zeit, als es darum ging, ein Rettungspaket für Griechenland zu schnüren, b(l)ockte sie jede Festlegung mit der Begründung ab, dass Athen überhaupt noch nicht um Hilfe gebeten hätte und daher kein Handlungsbedarf bestünde.

Dann wurde es doch beschlossen und als großer Erfolg gefeiert, der bereits nach einer Woche wieder Makulatur war, weil die Spekulanten immer noch unbehelligt wetten dürfen, sogar auf die Pleite von Staaten, die eigentlich gar nicht pleitegehen können, wenn sie nicht so abhängig von der Eurozone wären und sich jeden Scheiß bieten lassen, der ihnen aus Brüssel respektive Berlin aufgezwungen wird.

Merkel und Schäuble eiern rum! Sie wollen nichts überstürzen, sondern erstmal abwarten, wie EZB und IWF entscheiden. Sie schieben den schwarzen Peter weiter. So ein Schwachsinn. Was sollen die denn anderes entscheiden? Der Plan steht doch fest. Es bedurfte nur dessen Aktivierung durch Griechenland. Die Bundesregierung meint wohl noch immer, den Eindruck des Zahlmeisters zerstreuen zu müssen. Das äußert sich vor allem in der Haltung zu Griechenlands Sparprogramm. Noch vor ein paar Wochen haben Merkel, Westerwelle und Co. von diesem Programm geschwärmt, es gelobt und zu Protokoll gegeben, dass Griechenland damit auf dem richtigen Weg sei.

Nun hört sich das wieder ganz anders an. Griechenland habe sich noch nicht mit dem IWF und der EZB über die Sanierungsmaßnahmen geeinigt und eine Zustimmung Deutschlands (also die Aktivierung des ominösen Hilfspaketes) könne erst erfolgen wenn der IWF seinen Teil der finanziellen Unterstützung einlöse. Guido Westerwelle ließ es sich aus diesem Grund nicht nehmen, die Griechen lauthals zu einem noch rigoroseren Sparkurs zu ermahnen. Ausgerechnet in Köln sagte er das und fügte arrogant hinzu:

„Es reicht keine Kosmetik. Griechenland kann keinen Blankoscheck erwarten.“ Der Antrag sei noch lange keine Bewilligung.

Quelle: Focus-Online

Da spricht der Mann wohl aus eigener Erfahrung. Kosmetik reicht bei ihm nämlich auch nicht, um erstens die eigene Dummheit und zweitens die äußerliche Gesichts-Cellulite zu überdecken. Westerwelle und sein pubertierender FDP-Haufen haben keine Ahnung und tragen sie auch noch bei jeder unpassenden Gelegenheit zur Schau.

Am Donnerstag wurde ja bekannt, dass Griechenlands Defizit noch höher liege als bisher angenommen. Laut europäischer Statistikbehörde Eurostat musste das Haushaltsdefizit für das Jahr 2009 auf 13,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts nach oben korrigiert werden. Danach ging der Spuk und der Westerwelle erst los. Dabei würde ein Blick auf andere EU-Staaten und deren Haushaltslagen helfen, etwas klarer oder auch unklarer zu sehen.

Quelle: Tagesschau
Haushaltsdefizite der EU-Länder im Vergleich

Griechenlands Haushaltsdefizit ist nicht das höchste innerhalb der Eurozone. Das einzige Vorzeigeland Irland, in dem es wohl mehr Bankenfillialen und Briefkästen gibt als sonst irgendwo auf der Welt, steht noch schlechter da. Wieso gefährdet Irland den Euro weniger als Griechenland? Ist Griechenlands Haushaltsdefizit qualitativ gefährlicher als das Irlands? Oder haben Spekulanten in Griechenland bloß ein Spekulationsobjekt gefunden, mit dem man die gesamte EU vorführen und testen kann, mit welchen Rettungshilfen sich am meisten Rendite erzielen lässt?

Wenn das so ist, ist das Gerede über Wirtschaftsstabilität, den Euro und Sparprogramme grotesk. All das, was unternommen wird, geschieht nur im Interesse der Spekulanten und ihrer Auftraggeber und nicht im Interesse der Wirtschaft, des Euro oder der Menschen, die den rigorosen Sparkurs, den Westerwelle von den protestierenden Griechen einfordert, bezahlen müssen. Es geht um Staatsanleihen, Kursbeeinflussung und fette Beute. Und was bei Griechenland funktioniert, klappt dann auch bei Portugal, Spanien, Irland und Italien (siehe Egon W. Kreutzer).

Dabei müsste die Lösung lauten, sich keinesfalls von jenen kriminellen Finanzakteuren Bedingungen diktieren zu lassen, die die Finanzkrise erstens verursacht und zweitens durch sie auch noch Gewinne realisiert haben, die sie sich wiederum von der realen Wirtschaft und den Menschen bezahlen lassen. Egon W. Kreutzer schreibt:

„Ein Staat, der nicht in der Lage ist, seine Kredite zu bedienen, sollte selbstbewusst genug sein, seinen Gläubigern Verhandlungen anzubieten, statt sich von EU, EZB, IWF und Weltbank bevormunden zu lassen.“

Aber das ist das Problem. Griechenland ist bei ausländischen Banken, vor allem den deutschen, verschuldet. Frau Merkel kann es daher im Interesse ihres Party-Freundes Ackermann nicht zulassen, mit Griechenland über die Möglichkeit eines Schuldenerlasses zu verhandeln. Deshalb die Herumeierei. Falsche Wirtschaftspolitik, falsche Finanzpolitik und falsche Banken sorgen dafür, dass die Bundesregierung in einem Dilemma steckt. Doch das wäre überhaupt nicht schlimm, wenn die Griechen begreifen würden, welche Macht sie in den Händen halten. Sie könnten das korrupte deutsche Modell samt Marionetten-Regierung und eine halbherzig betriebene und daher überflüssige Währungszone stürzen, wenn sie selbst agieren und die Gläubiger zu Zugeständnissen zwingen würden. Kreutzer dazu:

„Griechenland erklärt seinen Gläubigern die Zahlungsunfähigkeit und bietet an, nach teilweisem Schuldenerlass im Rahmen seiner Möglichkeiten Zins- und Tilgungszahlungen zu leisten und legt dazu einen detaillierten Zahlungsplan vor.

Da Griechenland bei ausländischen Banken verschuldet ist, die nicht über eigene Streitkräfte verfügen, welche in Hellas einfallen und mit Gewalt holen könnten, was die Gläubiger für ihr gutes Recht halten, bliebe den Gläubigern nichts anderes übrig, als sich nach ausdauernden Verhandlungen darauf einzulassen.“

Und ganz nebenbei wären Merkel, Ackermann und Co. wohl dann Geschichte, weil die eine von ihrem Dogma und der andere von seinen überzogenen Renditeerwartungen erschlagen würde…

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Minister-Kabarett: Schäuble vs. Brüderle

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Wollen sie etwas Lustiges aus dem Politikbetrieb lesen? Dann passen sie genau auf.

Gestern meldete sich ja Rainer Brüderle und sein Ministerium zu Wort, um von einem kleinen Jobwunder zu berichten (siehe hier im Blog). Konkret wird die Aufschwungseuphorie in der Pressemitteilung des Wirtschaftsministeriums wie folgt wiedergegeben.

Quelle: BMWi

Deutschlands Wirtschaft wächst wieder, und wir beobachten ein kleines Jobwunder. Die erfreuliche Belebung der deutschen Wirtschaft wird von der Erholung der Weltwirtschaft, aber zunehmend auch von der Binnennachfrage getragen.

Das Wichtigste habe ich einmal unterstrichen. Denn sie müssen diese Botschaft vergleichen mit dem aktuellen Monatsbericht April des Bundesfinanzministeriums. Dort heißt es nun:

Quelle: BMF

Die Gesamtheit der aktuellen Wirtschaftsdaten deutet darauf hin, dass eine merkliche konjunkturelle Belebung im 1. Quartal ausgeblieben ist. Nach verhaltenem Start der deutschen Wirtschaft in das neue Jahr stellte sich das Indikatorenbild auch im Februar uneinheitlich dar.

Die deutliche Entlastung der privaten Haushaltseinkommen zu Jahresbeginn hat bisher noch nicht zu einer spürbaren Erholung der privaten Konsumtätigkeit geführt. Das Gesamtbild der Indikatoren bekräftigt die bisherige Einschätzung, dass vom privaten Konsum vorerst keine entscheidenden Nachfrageimpulse zu erwarten sind.

So, und jetzt dürfen sie einmal laut lachen oder wahlweise ihren Monitor vor Wut aus dem Fenster schmeißen. Ich kommentiere das jedenfalls nicht mehr. :crazy:

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Kurz zu Schäubles geheimen Sparplänen

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Gestern las ich einen Bericht in der Financial Times Deutschland über Schäubles geheime Sparpläne. Ob geheim oder nicht, soll hier keine Rolle spielen, sondern nur die Aufzählung der üblichen Verdächtigen, was die Sparliste anbelangt. Darin findet sich einmal mehr eine grobe Missachtung journalistischer Sorgfaltsplichten.

Kein Mangel an Ideen

Ausgaben: Knapp 320 Mrd. Euro will der Bund allein in diesem Jahr ausgeben. Damit ist der Etat 2010 der größte Bundeshaushalt in der Geschichte der Republik. Ein Großteil der Ausgaben ist aber durch Gesetze gebunden – und deshalb kaum zu reduzieren. Das gilt etwa für den Zuschuss zur Rentenversicherung, der fast 80 Mrd. Euro jährlich ausmacht ebenso wie für die Zuschüsse zur Kranken- und Arbeitslosenversicherung. Hinzu kommen die Zinsausgaben, die den Spielraum des Finanzministers weiter einschränken. Dennoch verbleiben – je nach Schätzung – zwischen 15 und 25 Prozent, bei denen man durchaus sparen könnte.

Subventionen: Insgesamt belaufen sich die Subventionen des Bundes auf 24,4 Mrd. Euro. Davon entfallen 6,8 Mrd. Euro auf Hilfen an Unternehmen und private Haushalte. Dahinter verstecken sich Zuschüsse für energetische Gebäudesanierung, Hilfen für die Autoindustrie zur Entwicklung von Elektromotoren oder staatliche Beteiligungen an Forschungsprojekten von Privatfirmen.

Steuervergünstigungen: Darüber hinaus spendiert der Bund steuerliche Vergünstigungen. Diese kosten 2010 rund 17,6 Mrd. Euro. Zu den Vergünstigungen zählen ermäßigte Mehrwertsteuersätze, etwa auf Lebensmittel und Zeitungen, aber auch auf Tierfutter und Schnittblumen. Auch die Pendlerpauschale oder die Steuerfreiheit von Wochenend- und Feiertagszuschlägen sind steuerliche Vergünstigungen.

Die Senkung der Mehrwertsteuer für Hotelübernachtungen zu Beginn des Jahres fällt anscheinend nicht unter Steuervergünstigungen. Das haben die Redakteure der FTD beim schnellen Abschreiben des obigen Standardtextes wohl übersehen. In diesem ist das großzügige „Mövenpick-Geschenk“ in Höhe von rund einer Mrd. Euro pro Jahr noch nicht eingepflegt. Wird wahrscheinlich auch nicht mehr passieren. Das Gedächtnis ist halt kurz und die Vorurteile starr und fest.

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Die Griechenland-Täuschung

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Langsam wird es kompliziert. Am Montag hatte Finanzminister Schäuble noch verlauten lassen, dass es keine neuen Entscheidungen bzgl. Griechenlands auf dem Treffen der Finanzminister in Brüssel gegeben hätte und das die Bundesregierung nach wie vor davon ausgeht, dass Griechenland mit seinem Sparprogramm entsprechende Erfolge erzielen würde. Eine faustdicke Lüge, wie die Nachrichten der letzten Tage zeigten.

Der griechische Ministerpräsident Papandreou verlangte nun auch öffentlich, dass die Europäische Union endlich ein Rettungspaket auf den Tisch legen müsse, das den Finanzmärkten entsprechende Impulse gäbe. Mit anderen Worten, Griechenland benötigt einen Bürgen um bezahlbare Zinsen für neue Kredite am Kapitalmarkt zu erhalten. Die Bundesregierung spielt auf Zeit. Mal dringen Stimmen über die Schaffung eines europäischen Währungsfonds nach außen, mal die Stimmen nach dem IWF. In Europa wird heiß diskutiert, während hierzulande, der zuständige Finanzminister seinen Mitarbeitern einen Maulkorb verpasst.

Finanzminister Schäuble verordnet seinen Beamten Sprechverbot gegenüber dem Kanzleramt. Niemand soll vorzeitig von Überlegungen zur Rettung Griechenlands erfahren.

Quelle: MMnews

Generell hat man den Eindruck, als wolle Berlin keine konkrete Aussagen treffen, also ganz dem „Duktus“ der Kanzlerin folgen, die sich ja nie so richtig festlegen kann. In der internationalen Presse hieß es dazu letzte Woche, dass Berlin besondere Rücksicht nehmen müsse, da man dem Steuerzahler einen weiteren Rettungsschirm nur schwer vermitteln könne. Doch inzwischen reicht es nicht nur dem griechischen Ministerpräsidenten, sondern auch der EU-Führung. Auch EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso hatte letzte Woche an die Adresse aller EU-Staaten gerichtet, aber im Besonderen Deutschland gemeint, dass es jetzt endlich zu konkreten Hilfen für Griechenland kommen müsse.

Derweil stellt sich Schäuble wieder dumm und behauptet in der morgen erscheinenden Bild am Sonntag immer noch…

„Für EU-Hilfen gibt es kein Gemeinschaftsinstrument. Also kämen im äußersten Fall nur bilateral koordinierte, also freiwillige Hilfen infrage, aber Griechenland selbst sieht diesen Fall nicht als gegeben.“

Quelle: Reuters

Mit anderen Worten, Griechenland habe keine Hilfen angefragt. Offensichtlich ignoriert der deutsche Bundesfinanzminister die Wirklichkeit und sieht in dem Auftreten Papandreous keinen Hilferuf. In der Bild am Sonntag schlägt der Finanzminister stattdessen vor, dass Griechenland auch zum IWF gehen könne. Dem lohnt sich einmal nachzugehen. Der Chef des internationalen Währungsfonds Dominique Strauss-Kahn sagt aber, dass von seiner Organisation nur max. 12 Mrd. Euro zu bekommen wären. Der Bedarf der Griechen läge aber mit rund 50 Mrd. Euro deutlich höher.

A ses interlocuteurs, M. Strauss-Kahn a redit que le FMI était prêt à soutenir la Grèce. Seul problème : l’organisation ne pourrait prêter qu’entre 10 milliards et 12 milliards d’euros à Athènes. Or les besoins grecs sont bien supérieurs : „Pour rassurer les marchés, il faudrait annoncer un prêt de l’ordre de 50 milliards d’euros, l’équivalent de 20 % du produit intérieur brut grec“, estime un expert.

Quelle: Le Monde

Die Meinung Strauss-Kahns habe ich in deutschen Medien bisher nicht gefunden. Wäre ja auch blöd, wenn das Scheinargument des Finanzministers ihm einfach so abhanden kommen würde. EU-Kommissionspräsident Barroso meint als Reaktion auf Strauss-Kahn übrigens, dass die IWF-Lösung auch nur ergänzend betrachtet werden könne, neben klaren bilateralen Finanzhilfen, von denen Kanzlerin Merkel und ihr rollender Politverbrecher bis heute nichts wissen wollen.

Le recours au FMI ne pourrait avoir lieu qu’en complément des prêts bilatéraux de la zone euro. „Ce n’est pas une question de prestige. Il s’agit de voir quel est le meilleur moyen de répondre à la situation“, observe José Manuel Barroso, président de la Commission.

Das ist halt „Täuschland“. Da meldet sich abschließend sogar der Bundeshorst, lange hat man von diesem Kasperkopf ja nichts mehr gehört, und mahnt an, Undenkbares zu Denken. Er meint damit die „geordnete Insolvenz“ von ganzen Staaten. Da spricht der Mann aus Erfahrung. Als er nämlich noch Chef des IWF war, sah er sich mit Argentiniens Staatsbankrott konfrontiert und musste mit dem Schuldner verhandeln. Nicht sehr erfolgreich. Die Streitereien zwischen dem IWF und Argentinien dauern bis heute an. In dem südamerikanischen Staat ist Köhler nicht sonderlich beliebt. Auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzung im März 2004 verließ Horst Köhler seinen Posten fluchtartig, um in Deutschland Grußonkel zu werden.

Im Focus-Interview meint der Bundes-Hotte:

Wenn ein Staat in die Zahlungsunfähigkeit gerate, sei „die größte Gefahr, dass Chaos ausbricht. Dass es zu sozialen und politischen Unruhen kommt“, sagte Köhler. „Deshalb brauchen wir ein geordnetes Verfahren. Damit jeder weiß, welche Stellen kümmern sich, welche Spielregeln gelten jetzt?“

Sehr schön. Offensichtlich hat der Horst im Fall Argentinien wie auch Griechenland geschlafen. Diese Unruhen traten bereits auf, bevor Bankrott angemeldet werden musste. Und diese Unruhen entstanden nicht, weil die Menschen nicht wüssten, welche Spielregeln gelten, sondern weil sie genau begriffen haben, das ganz bestimmte Spielregeln gelten sollen. Ich kann wirklich nicht verstehen, warum dieser Bundespräsident laut einer Umfrage zu den beliebtesten deutschen Politikern gehört. Erst sagt er lange nix und dann kommt wieder nur Müll. Die Eurozone sei eine Schicksalsgemeinschaft, sagt Köhler. Ich hoffe nicht, dass Köhler und Deutschland auch eine sind.

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Griechenland: Beruhigungspille für die Öffentlichkeit

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Die gestrigen Meldungen aus Brüssel waren vor allem mit Formulierungen gekennzeichnet, die beruhigend wirken sollten. Im Kern hat man aber gesagt, dass alle EU-Partner, Griechenland im Notfall finanziell unterstützen werden. So will das Mister Schäuble aber hierzulande nicht verstanden wissen und glaubt immer noch, die deutsche Öffentlichkeit für dumm verkaufen zu können. Im Bundestag sprach er heute von teils fälschlichen und verfälschenden Nachrichten aus Brüssel.
Quelle: Focus

Er beharrt auf der manipulierenden Feststellung, dass gestern nur über sog. technische Voraussetzungen gesprochen wurde, wie, im Falle eines Hilfegesuchs aus Griechenland, die Eurogruppe reagieren könne. Natürlich sei dieses Szenario rein hypothetisch und keinesfalls wahrscheinlich. Hinter ihm stand auch Finanzstaatssekretär Steffen Kampeter (CDU), der sagte:

„Ich glaube, es ist ein Missverständnis, wenn man sagt, gestern Abend ist eine Hilfszusage für Griechenland beschlossen worden.“ Es sei lediglich eine technische Abwicklung vorbereitet worden für einen Fall, den keiner will. „Griechenland hat keine Unterstützung erbeten. Aber es wäre unsinnig gewesen, wenn man diesen Fall technisch ausgeschlossen hätte“, sagte Kampeter dem Nachrichtensender N24.

Die sprichwörtliche Verarschung der Öffentlichkeit geht also weiter. Jean-Claude Juncker sagte ja noch etwas klarer:

„The member states of the euro area will take co-ordinated action, if such action turns out to be necessary … We still think it won’t be necessary.“

Quelle: Financial Times

Mit anderen Worten, da gibt es einen Plan, der die Billigung aller Teilnehmer fand, der bei Bedarf dann auch umgesetzt würde. Da kann man meiner Meinung nach nichts missverstehen. Weiter hieß es:

Mr Juncker, who chairs the eurogroup, said the plan could involve bilateral loans to Greece from other eurozone governments, led by Germany and France.

Mit anderen Worten, die beiden Hauptgläubiger Deutschland und Frankreich „könnten“ oder sind vielmehr in der Pflicht, ihren Beitrag zu leisten und Griechenland finanziell unter die Arme zu greifen. Und der eurogroup-chairman muss es ja schließlich wissen. Aber, auf die öffentliche Meinung in good old Germany muss man Rücksicht nehmen, denn…

In addition, public opinion in Germany, the eurozone’s largest economy, is hostile to the idea of using taxpayers’ money to assist in a bail-out.

Deshalb muss der Dr. Opfer-Schäuble den Deutschen auch etwas vormachen, damit die ja nicht merken, was da eigentlich in Wirklichkeit abgeht. Im Grunde hängt die Inanspruchnahme der bereits „technisch vorbereiteten“ finanziellen Hilfe davon ab, ob Griechenland seinen Zahlungsverpflichtungen im April und Mai nachkommen können wird. Zumindest sagt das der Chefvolkswirt von Goldman Sachs in Europa, Erik Nielsen. Und der muss es ja schließlich am besten wissen.

„Our long-held view that Greece will receive bilateral help from the other eurozone governments, if the Greeks cannot finance themselves through the April-May payment humps, seems practically confirmed.“

Quelle: Financial Times

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Löhne und Einzelhandelsumsätze befinden sich ununterbrochen auf Talfahrt

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In der Meldung des statistischen Bundesamts von heute heißt es:

Quelle: destatis

Nach vorläufigen Ergebnissen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) lag der Umsatz im Einzelhandel in Deutschland im Januar 2010 nominal 3,0% und real 3,4% niedriger als im Januar 2009.

Und vor einem Jahr meldete das statistische Bundesamt für den Januar 2009 ebenfalls einen Rückgang der Umsätze im Vergleich zum Vorjahresmonat.

Quelle: destatis

Nach vorläufigen Ergebnissen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) lag der Umsatz im Einzelhandel in Deutschland im Januar 2009 nominal um 1,2% und real um 1,3% niedriger als im Januar 2008.

Und im Jahr davor hieß es:

Quelle: destatis

Nach vorläufigen Ergebnissen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) lag der Umsatz des Einzelhandels in Deutschland im Januar 2008 nominal um 2,7% und real um 0,6% höher als im Januar 2007. Beide Monate hatten jeweils 26 Verkaufstage. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass im Januar 2007 erstmals die neuen höheren Mehrwertsteuersätze galten. Sie führten in diesem Monat zu deutlichen Rückgängen des Einzelhandelsumsatzes (nominal – 2,3%, real – 2,9% zum Januar 2006). Vergleicht man den Umsatz des Januars 2008 mit dem des Januars 2006, so ergibt sich nominal ein Zuwachs von 0,3% und real ein Rückgang von 2,3%.

Mit anderen Worten. Seit Jahren und spätestens mit der Erhöhung der Mehrwertsteuer im Jahr 2007 brechen die Einzelhandelsumsätze immer dramatischer weg. Ich kann einfach nicht verstehen, wie einige Medien schon wieder schreiben können, dass die Umsätze im Einzelhandel im Januar überraschend stabil gewesen sein sollen.

Siehe zum Beispiel:

  • AFP unter der Überschrift
    „Umsatz im Einzelhandel im Januar stabil“

Dabei bezieht man sich wieder auf den wenig nützlichen Vergleich zum Vormonat Dezember und deutet an, einen Trend beobachten zu können. Denn so gesehen, seien die Umsätze mit einer Veränderung um real 0,0 Prozent stagniert. Toll. Leider macht sich keiner die Mühe, in der Tabelle zu den Vormonatsveränderungen des statistischen Bundesamtes mal nachzuschauen. Dann hätte man nämlich leicht feststellen können, dass nach dieser Methode nix stagniert. Im November 2009 ging es um -1,2 Prozent im Vergleich zum Oktober runter. Der Dezember legte aber nur um 0,9 Prozent im Vergleich zum November zu und nun im Januar messen die Statistiker keine Veränderung zum Dezember. Wenn man also nur diese drei Monate als einen Zeitraum für sich betrachten würde, was übrigens völliger Blödsinn wäre, müsste man feststellen, dass die Einzelhandelsumsätze nicht überraschend stagnieren, sondern nach wie vor auf einem negativen Niveau verharren.

Die Veränderungen zum Vormonat sagen für sich genommen nichts aus und schon gar nicht lässt sich daraus ein Trend ableiten, wie das einige Medien immer wieder zu suggerieren versuchen. Erst mit dem Blick auf einen längeren Zeitraum, üblicherweise nimmt man dann den Vorjahresmonat, wird eine Entwicklung deutlich. Und die war, ist und bleibt negativ.

In diesem Zusammenhang ist eine weitere Meldung des statistischen Bundesamts von heute sehr interessant. Die durchschnittlichen Bruttoverdienste seien erstmals seit Gründung der Bundesrepublik im Jahr 2009 gesunken.

Quelle: destatis

Nach ersten Ergebnissen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) sind die durchschnittlichen Bruttoverdienste aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland im Jahr 2009 um – 0,4% auf rund 27 648 Euro gesunken. Dies ist der erste Rückgang der Verdienste in der Geschichte der Bundesrepublik.

Diese Meldung taugt nun offenkundig für Manipulationen. Denn der Rückgang der nominalen durchschnittlichen Verdiensthöhe erweckt nunmehr den Eindruck, als seien die realen Löhne in der Vergangenheit gar nicht gesunken. Das taten sie aber. Infaltionsbereinigt sinken die Bruttoverdienste bereits seit sechs Jahren „und liegen nun schon um 5,3 % unter dem Stand des Jahres 2000.“(Quelle: siehe Jahnkes Infoportal) Es ist also falsch zu behaupten, dass nun erstmals seit Gründung der Bundesrepublik die Löhne zurückgegangen seien.

Heute kommen also wieder zwei Dinge ganz klar zur Geltung, die wechselseitig aufeinander wirken. Verfügbares Einkommen und die Einzelhandelsumsätze befinden sich ununterbrochen auf Talfahrt. Doch der Regierung ist die Lage schlicht wurscht. Dort denkt man bereits an den Etat-Entwurf für 2010, der am Donnerstag abschließend im Haushaltsausschuss des Bundestages beraten wird. In der Süddeutschen Zeitung wird dazu Finanzminister Schäuble von einem offenkundig realitätsfremden Journalisten befragt. Geradezu vorwurfsvoll und mit Schaum vorm Mund plärrt Claus Hulverscheidt von der SZ den Finanzminister an, wann dieser nun endlich anfangen wolle, richtig zu sparen. Und Schäuble antwortet:

Quelle: SZ

„Wir können zwar 2010 wegen der andauernden Auswirkungen der Krise noch nicht auf einen konsequenten Konsolidierungskurs einschwenken. Aber wir müssen bereits jetzt deutlich machen: Die expansive Haushaltspolitik wird beendet. Und wir meinen es ernst mit der Schuldenbremse und den im Koalitionsvertrag genannten goldenen Regeln der Finanzpolitik. Das heißt auch: alle schon jetzt erkennbaren Einsparpotentiale zu nutzen. Wenn sich dabei erweist, dass die Erfolge bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit es ermöglichen, die Ansätze für die Arbeitsmarktausgaben abzusenken: um so besser!

Angesichts der heutigen Meldungen verstehe ich einfach nicht die Reaktionen von Journalisten und Politikern. Sind die alle so blind? Wie kann man nur nach dem Sparhammer lechzen und vom Ende der expansiven Haushaltspolitik sprechen, die ja gemacht wurde, um der tiefen Sogwirkung der Krise etwas entgegenzusetzen, wenn diese Krise überhaupt noch nicht verbei ist? Die heutigen Zahlen belegen das doch eindrucksvoll. Wollen wir etwa auch die Mehrwertsteuer drastisch erhöhen, wie das die Griechen gerade bei ihrem Sparprogramm tun? Dann lohnt sich vielleicht ein Blick auf unsere Zusammensetzung des Steueraufkommens, genauer: auf die Verteilung von direkten und indirekten Steuern. Schäuble sagt ja im Interview, dass solide Staatsfinanzen und wachstumsorientierte Steuerpolitik kein Widerspruch seien.

„Eine wachstumsorientierte Steuerpolitik muss sowohl auf Steuervereinfachung als auch auf Steuerentlastung setzen. Wir können auf Dauer nur dann erfolgreich konsolidieren, wenn wir wieder robustes Wirtschaftswachstum erreichen. Und umgekehrt ist das Vertrauen der Wirtschaft in die Solidität und Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte unabdingbare Voraussetzung für anhaltendes Wachstum.“

Der Zusammenhang, dass Konsolidierung nur geht, wenn es Wirtschaftswachstum gibt, ist richtig. Nur ist der beschriebene Weg einfach falsch. Das Absenken von direkten Steuern hat erstens noch nie zu Wachstum geführt und zweitens ist ein solches Vorgehen auch überhaupt nicht nötig, wenn man sich den Anteil am Steueraufkommen genau anschaut.

Anteil direkte und indirekte Steuern am Steueraufkommen
Quelle: BMF

Inzwischen ist es ja so, dass die Absenkung direkter, an der Höhe des Einkommens bemessener Steuern, dazu geführt hat, dass der Anteil der indirekten Steuern, die für alle Einkommensgruppen ja gleich hoch sind (Flat Tax), am Gesamtsteueraufkommen gestiegen ist. Mit anderen Worten, die Finanzierung staatlicher Aufgaben wurde umverteilt. Vor allem untere Einkommensgruppen und Menschen, die über wenig Geld verfügen, werden gemessen an ihrem verfügbaren Einkommen deutlich höher belastet als jene oberen Einkommensgruppen, die zwar den Großteil der direkten Steuern zahlen (70 %), aber gleichzeitig auch über etwa 70 % des Gesamteinkommens verfügen.

Was Schäuble und die Bundesregierung vorhaben, ist volkswirtschaftlicher Unsinn. Gerade die Meldungen des statistischen Bundesamts von heute weisen die Bundesregierung deutlich darauf hin, was eigentlich gemessen an der aktuellen Lage zu tun wäre. Zunächst einmal bedarf es der Beschäftigungssicherung und damit ist nicht die Kurzarbeit gemeint, die vor allem teuer ist, weil sich die Bundesregierung hoffend darauf verlassen muss, dass irgendwann die Konjunktur von allein wieder anspringt. Billiger wäre es dagegen, wenn die Bundesregierung selbst die Konjunktur durch staatlich befeuerte Nachfragepolitik anheizen würde, statt voreilig den Ausstieg aus der expansiven Ausgabenpolitik zu verkünden. Dann müsste man nämlich nicht dauernd über eine Verlängerung des Kurzarbeitergeldes nachdenken, wie das aktuell Frau von der Leyen wieder tut, weil sich die erhoffte Erholung der Wirtschaft nun doch noch nicht eingestellt hat. Dieses Vorgehen ist einfach nur dumm.

Zweitens braucht dieses Land endlich einen Mindestlohn, damit die staatlich subventionierte Arbeitnehmerausbeutung durch am Markt über Löhne konkurierende Unternehmen endlich aufhört. Die Binnennachfrage kann nur gesteigert werden, wenn auch die Kaufkraft wieder steigt, also das verfügbare Einkommen zu statt immer weiter abnimmt. Erst dann werden auch die Einzelhändler wieder Grund haben, Jubeln zu können. Doch gegenwärtig zeigt die Tendenz nach unten. Die Gefahr einer Deflation ist gerade auch im Hinblick auf die rigorose Haltung gegenüber Griechenland nicht nur ein Schreckgespenst, sondern bereits im Anmarsch. Wenn sich Deutschland und Europa mitten in der Krise zum Sparen um jeden Preis zwingen, steht am Ende die Katastrophe. Dies lehrt uns schlicht die Geschichte des kurzen aber verheerenden 20. Jahrhunderts.

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Der notorische Verfassungsbrecher Schäuble zu Hartz-IV

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Wer glaubt, dass mit Westerwelles verbal Tremolo die Debatte um Hartz-IV ein Ende gefunden hätte oder gar in eine andere Richtung laufen könnte, irrt sich gewaltig. Nun schlägt nämlich die Stunde derjenigen, die das gleiche wie Westerwelle sagen, aber dabei höflicher und diplomatischer auftreten. Erkennen sie die Strategie? Der politisch sehr erfahrene Finanzminister Wolfgang Schäuble z.B. dämpft via Frankfurter Rundschau die Hoffnungen auf höhere Sozialleistungen mit den Worten:

„Das Bundesverfassungsgericht hat ausdrücklich nicht gesagt, die Hartz-IV-Sätze seien unzureichend.

Wir dürfen den Grundgedanken von Hartz IV nicht aus den Augen verlieren: Die notwendigen Sozialleistungen dürfen die Aufnahme von Arbeit nicht unattraktiv machen.“

Das sind 1:1 dieselben Aussagen, die auch Westerwelle von sich gab. Freilich fehlt der Ausflug in die römische Geschichte, aber was macht das schon. Die Medien sehen jedenfalls Unterschiede. Zu Schäubles Wortmeldung leitet Welt Online wie folgt ein:

„Spätkapitalistischer Irrsinn“, der Außenminister ein „Esel“ – während die Diskussion über die Hartz-IV-Äußerungen von FDP-Chef Westerwelle weitere Runden dreht, versucht Finanzminister Schäuble (CDU) zum Kern des Themas zurückzukehren: mit einem strikten Nein zu einer Erhöhung der Hartz-IV-Bezüge.

Der seriöse Schäuble also, kehrt inhaltlich zum Kern des Themas zurück und sagt im Grunde nichts anderes wie Guido Westerwelle. Ausgerechnet Schäuble, der, die Medien haben das wahrscheinlich schon wieder vergessen, im letzten Jahr in seiner Rolle als Bundesinnenminister das Bundesverfassungsgericht ebenfalls angriff und bemängelte, dass sich die Karlsruher Richter zu sehr in die Gesetzgebung einmischen würden. Am 11. März 2009 druckte die FAZ dazu sogar ein Streitgespräch zwischen Schäuble und Winfried Hassemer, einem ehemaligen Vizepräsidenten des Bundesverfassungsgerichts, ab. Darin äußerte sich Schäuble u.a. so:

„Den einmaligen Kompetenzen des Verfassungsgerichts entsprechen eine ganz hohe Verantwortung und auch ein hohes Maß an Zurückhaltung mit öffentlichen Äußerungen. Da haben Politiker eine ganz andere Legitimation. Wir müssen in der öffentlichen Debatte ständig Position beziehen. Verfassungsrichter müssen Anspruch auf Respekt haben. Wer Gesetze gestalten will, sollte sich bemühen, Mitglied des Deutschen Bundestages zu werden.“

Quelle: FAZ

Mit anderen Worten: Das Bundesverfassungsgericht solle bitteschön so eine Art Grußonkel sein und sogar bei verfassungswidrigen Gesetzen die Klappe halten, da nur dem Gesetzgeber die Gestaltungshoheit in Sachfragen zustünde.

Aber zurück zum angeblich so sachlich auftretenden Schäuble, der sich zur Hartz-IV-Debatte äußert. Er spricht ja vom Grundgedanken, wonach Sozialleistungen die Aufnahme von Arbeit nicht unattraktiv machen dürften. Welche Arbeit denn? Vor allem schlecht bezahlte Arbeit. Denn ein Programm zur Beschäftigungssicherung bzw. zum Beschäftigungsaufbau sucht man auch in dieser Regierung vergebens. Ziel der Hartz-Gesetze war es ja auch, den größten Niedriglohnsektor innerhalb der EU zu schaffen (siehe NachDenkSeiten) und das unternehmerische Konjunkturrisiko auf den Arbeitnehmer zu verschieben.

Wer sich mal erklären lassen möchte, wie das in Deutschland mit dem Arbeitsmarkt auch nach fünf Jahren Hartz IV in Wirklichkeit aussieht, sollte sich die Zusammenfassung von Joachim Jahnke unbedingt anschauen („Die Lügenmärchen vom Arbeitsmarkt„).

Schäuble hingegen setzt auf die Wirkung dramtatisch klingender Zahlen. Rund eine Billion Euro gebe der Staat pro Jahr für Sozialleistungen aus, das seien pro Kopf 12.500 Euro. Wahrscheinlich will er damit zeigen, dass genug Masse zum Sparen da sei. Dabei wäre ein Konjunktur- und Beschäftigungsprogramm das beste Sparprogramm. Selbst die Kanzlerin hatte mal von antizyklischer Politik gesprochen, obwohl sie dann das Gegenteil in die Praxis umsetzen lies. Albrecht Müller von den NachDenkSeiten bringt es auf den Punkt:

Es muss ein neues Beschäftigungsprogramm her. Ein Element eines solchen Beschäftigungsprogramms ist der Zuwachs an Lohneinkommen und damit bessere Tarifabschlüsse. Die Gemeinden brauchen mehr Geld, um ihre Leistungen aufrechterhalten. Tatsächlich läuft alles dagegen: die Arbeitgeber im öffentlichen Dienst sperren sich gegen Lohnerhöhungen; die Gemeinden werden weiter ausgehungert; den hohen Einkommen sollen die Steuern gesenkt werden, wodurch nichts an zusätzlicher Nachfrage wächst und der Spielraum öffentlicher Ausgaben sinkt. Prozyklische Politik allerorten.

Es ist höchste Zeit, dass die herrschenden Kreise in Politik und Wissenschaft, Medien und Wirtschaft endlich begreifen, dass die makroökonomische Politik in der jetzigen Situation Vorrang hat. Dass dies nicht begriffen wird, hängt damit zusammen,

  • dass Juristen das Sagen haben,
  • dass den Neoliberalen eh nichts daran liegt, die Reservearmee an Arbeitslosen schrumpfen zu lassen,
  • und außerdem daran, einige maßgebliche Kräfte auf der linken Seite des Spektrums von Beschäftigungspolitik auch nichts halten, weil für sie der Kapitalismus in den siebziger Jahren schon gescheitert ist.
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Westerwelles "Nicht"-Krisengipfel

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Heute Abend gipfelt es mal wieder in Berlin. Die Spitzen der FDP treffen sich, um über ihre Politik zu beraten, die man ohne Weiteres mit Nichtstun umschreiben könnte, es sei denn man selber ist Besitzer eines Hotels. Die Mövenpick-Partei, deren Zustimmungswerte in allen Umfragen gerade rapide nach unten fallen, ist aber darum bemüht, nicht von Krise zu sprechen, sondern wie einst die von ihrer Agenda paralyisierte SPD davon, dass man nicht Umfragen gewinnen wolle, sondern Wahlen. Guido Westerwelle saß vorhin beim Hofberichterstatter Peter Hahne im ZDF und sonderte wirklich Sonderbares ab, das nur einer absondern kann, der mit dem Rücken zur Wand steht.
Quelle: Berlin direkt (ZDF)

Westerwelles neuestes Argument zur Rechtfertigung seines Steuersenkungsdogmas ist, dass die aktuelle Bundesregierung ja weniger Schulden mache als der Finanzminister der Vorgängerkoalition Peer Steinbrück für dieses Jahr eingeplant hatte. Boah, da hat der Peter Hahne aber gestaunt und diese Äußerung widerstandslos hingenommen. Er nahm sogar Westerwelles Behauptung hin, dass auf Grundlage dieser Tatsache es sehr wohl mnöglich sei, „vernünftige“ Steuersenkungspolitik mit gebotener Haushaltskonsolidierung in Einklang zu bringen. Das unterscheide die Regierung, an der Westerwelle beteiligt ist, von ihrer Vorgängerin.

Dann will ich mal kurz rekapitulieren, was der Minderleister Peter Hahne nicht auf die Reihe bekam, um den Westerwellschen Schwachsinn als solchen deutlich zu machen. Die aktuelle Regierung plant in ihrem Haushaltsentwurf mit einer Neuverschuldung von rund 85,8 Mrd. Euro und das auch nur, wenn entsprechende Sparmaßnahmen greifen, zu denen Finanzminister Schäuble im Bundestag, bei der Präsentation seines Entwurfs, aber beharrlich schwieg. Adernfalls droht nach wie vor eine Neuverschuldung von rund 100 Mrd. Euro. Doch jetzt kommt Westerwelles tolles Argument! Schäubles Amtsvorgänger Peer Steinbrück plante in seinem Entwurf für das Jahr 2010 mit einer Neuverschuldung von 86,1 Mrd. Euro. Für Westerwelle sind also 300 wackelige Millionen weniger im aktuellen Entwurf eine riesen Nummer wert.

Aber jetzt kommt die eigentliche Pointe. Ursprünglich wollten die Konsolidierungsfetischisten im Jahr 2010 nur noch rund 6 Mrd. Euro zusätzliche Schulden aufnehmen und im Jahr 2011 gar keine mehr. Zu diesem Zeitpunkt hatte man nämlich das heilige Ziel, ausgeglichener Haushalt, greifbar vor Augen. Doch die pöhse Krise fiel vom Himmel direkt in die Staatsfinanzen. Und nun sitzt Westerwelle vor Peter Hahne und will der staunenden Öffentlichkeit eine geringfügige Korrektur im Haushaltsplan, die morgen schon wieder Makulatur sein kann, als Rechtfertigung für seine verrückten Steuersenkungsabsichten verkaufen. Nur zur Erinnerung, Westerwelles FDP will noch immer in Höhe von rund 24 Mrd. Euro entlasten, ohne Gegenfinanzierung, weil selbstfinanzierend versteht sich.

Ich warte noch auf den ersten Journalisten, der zum Interview mit Westerwelle statt Fragen eine Zwangsjacke mitbringt. Aber der Wahnsinn in der FDP geht noch weiter. Generalsekretär Lindner scheint auch davon befallen zu sein. Lesen sie mal dieses Statment, das er abgab, um auf die gesunkenen Umfragewerte seiner Partei zu reagieren.

Westerwelles Generalsekretär glaubt zudem allen Ernstes daran, dass die FDP nicht für ihre Politik, sondern für deren langsame Umsetzung abgestraft werde. „Ungeduld und Veränderungswillen in der Bevölkerung habe ich unterschätzt“, sagte Christian Lindner der „Bild am Sonntag“. Darum sei das Umfragetief eine Chance für die FDP, die eigenen Ziele jetzt noch schneller und konkreter anzugehen. Für den April kündigt Lindner einen Entwurf für die so vehement verfochtene Steuerreform an.

Quelle: Spiegel

Wer drogenabhängig ist, reagiert auf seine missliche Lage immer mit der gleichen Antwort. Dosis erhöhen!

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Wie sie mit dem Sprengstoffalarm manipuliert werden

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Vielleicht haben sie es mitbekommen. Am Flughafen München soll es eine Sicherheitspanne gegeben haben. Beim Überprüfen eines Laptops sei Sprengstoffalarm ausgelöst worden. Der Besitzer des Computers habe aber nicht festgehalten werden können. Er verschwand spurlos. Im Zuge des Alarms wurde ein Terminal gesperrt, Passagiere mussten aus Flugzeugen wieder aussteigen und zahlreiche Flüge verspäteten sich. Es hieß sogar, dass der Mann in einem Flugzeug den Flughafen verlassen haben könnte. Haben sie da jetzt Angst? Oder haben sie von einem Flugzeugabsturz irgendwo gehört? Heute dudelt diese Meldung rauf und runter unter der Schlagzeile, die Sicherheitsmaßnahmen haben versagt und müssten verbessert werden. Der Innenminister will diesen Vorfall gar sehr ernst nehmen und eindringlich prüfen lassen.

Vielleicht sollte man zunächst einmal wieder auf den Teppich kommen und tief durchatmen. Die ganze Zeit höre ich vom Sprengstoffalarm. Ja war denn nun überhaupt Sprengstoff in dem Laptop drin? Diese einfache Frage scheint keine berichtende Sau auch nur ansatzweise zu interessieren. Ich hätte schon gern gewusst, wo der potentielle Terrorist diesen Sprengstoff untergebracht haben will. In den Dingern ist doch kaum Platz. Da tun sich die Computerexperten doch schon schwer, eine simple Speichererweiterung einzubauen. Aber Spaß beiseite. Was ist denn überhaupt passiert? Im Focus finde ich einen sehr nüchternen Bericht dazu:

Auch Fehlalarm wahrscheinlich

Ein Scanner zeigte bei der Sicherheitskontrolle des Handgepäcks gegen 15.30 Uhr Sprengstoff bei einem Laptop an. „Das muss nicht zwingend heißen, dass Sprengstoff drin ist“, sagte Polizeisprecher Albert Poerschke. Die Kontrolleure wollten den Laptop genauer prüfen, doch der Mann habe ihn ergriffen und sei davon gelaufen. „Wir gehen davon aus, dass der Mann es nicht mehr mitbekommen hat, dass noch was kommen sollte.“ Vermutlich habe er nur sein Gepäck gesehen und sei los, sagte der Polizeisprecher.

Strafrechtlich hat der Mann laut Polizei wenig zu befürchten, wenn er nichts Illegales bei sich hatte.

Ach so. Der Mann sei also nicht geflüchtet, wie man es aus zahlreichen Medien hören und lesen konnte. Er ist einfach nur weitergegangen, weil er dachte, dass die Kontrolle zu Ende war. Wieso schürt man jetzt schon wieder Terrorangst? Ich verstehe echt nicht, welche Flachhirne in den Redaktionen sitzen und so einen Scheiß ungefiltert weitergeben. Jetzt kommt die nächste Sicherheitsdebatte. Es ist zum Haareraufen. :crazy:

Bitte hören sie auf Volker Pispers und auch auf die Freudschen Versprecher von dem Knallkopp, der den Rechtsstaat tatsächlich bedroht. Wolfgang Schäuble.

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