Westerwelles "Nicht"-Krisengipfel

Geschrieben von: am 07. Feb 2010 um 21:22

Heute Abend gipfelt es mal wieder in Berlin. Die Spitzen der FDP treffen sich, um über ihre Politik zu beraten, die man ohne Weiteres mit Nichtstun umschreiben könnte, es sei denn man selber ist Besitzer eines Hotels. Die Mövenpick-Partei, deren Zustimmungswerte in allen Umfragen gerade rapide nach unten fallen, ist aber darum bemüht, nicht von Krise zu sprechen, sondern wie einst die von ihrer Agenda paralyisierte SPD davon, dass man nicht Umfragen gewinnen wolle, sondern Wahlen. Guido Westerwelle saß vorhin beim Hofberichterstatter Peter Hahne im ZDF und sonderte wirklich Sonderbares ab, das nur einer absondern kann, der mit dem Rücken zur Wand steht.
Quelle: Berlin direkt (ZDF)

Westerwelles neuestes Argument zur Rechtfertigung seines Steuersenkungsdogmas ist, dass die aktuelle Bundesregierung ja weniger Schulden mache als der Finanzminister der Vorgängerkoalition Peer Steinbrück für dieses Jahr eingeplant hatte. Boah, da hat der Peter Hahne aber gestaunt und diese Äußerung widerstandslos hingenommen. Er nahm sogar Westerwelles Behauptung hin, dass auf Grundlage dieser Tatsache es sehr wohl mnöglich sei, „vernünftige“ Steuersenkungspolitik mit gebotener Haushaltskonsolidierung in Einklang zu bringen. Das unterscheide die Regierung, an der Westerwelle beteiligt ist, von ihrer Vorgängerin.

Dann will ich mal kurz rekapitulieren, was der Minderleister Peter Hahne nicht auf die Reihe bekam, um den Westerwellschen Schwachsinn als solchen deutlich zu machen. Die aktuelle Regierung plant in ihrem Haushaltsentwurf mit einer Neuverschuldung von rund 85,8 Mrd. Euro und das auch nur, wenn entsprechende Sparmaßnahmen greifen, zu denen Finanzminister Schäuble im Bundestag, bei der Präsentation seines Entwurfs, aber beharrlich schwieg. Adernfalls droht nach wie vor eine Neuverschuldung von rund 100 Mrd. Euro. Doch jetzt kommt Westerwelles tolles Argument! Schäubles Amtsvorgänger Peer Steinbrück plante in seinem Entwurf für das Jahr 2010 mit einer Neuverschuldung von 86,1 Mrd. Euro. Für Westerwelle sind also 300 wackelige Millionen weniger im aktuellen Entwurf eine riesen Nummer wert.

Aber jetzt kommt die eigentliche Pointe. Ursprünglich wollten die Konsolidierungsfetischisten im Jahr 2010 nur noch rund 6 Mrd. Euro zusätzliche Schulden aufnehmen und im Jahr 2011 gar keine mehr. Zu diesem Zeitpunkt hatte man nämlich das heilige Ziel, ausgeglichener Haushalt, greifbar vor Augen. Doch die pöhse Krise fiel vom Himmel direkt in die Staatsfinanzen. Und nun sitzt Westerwelle vor Peter Hahne und will der staunenden Öffentlichkeit eine geringfügige Korrektur im Haushaltsplan, die morgen schon wieder Makulatur sein kann, als Rechtfertigung für seine verrückten Steuersenkungsabsichten verkaufen. Nur zur Erinnerung, Westerwelles FDP will noch immer in Höhe von rund 24 Mrd. Euro entlasten, ohne Gegenfinanzierung, weil selbstfinanzierend versteht sich.

Ich warte noch auf den ersten Journalisten, der zum Interview mit Westerwelle statt Fragen eine Zwangsjacke mitbringt. Aber der Wahnsinn in der FDP geht noch weiter. Generalsekretär Lindner scheint auch davon befallen zu sein. Lesen sie mal dieses Statment, das er abgab, um auf die gesunkenen Umfragewerte seiner Partei zu reagieren.

Westerwelles Generalsekretär glaubt zudem allen Ernstes daran, dass die FDP nicht für ihre Politik, sondern für deren langsame Umsetzung abgestraft werde. „Ungeduld und Veränderungswillen in der Bevölkerung habe ich unterschätzt“, sagte Christian Lindner der „Bild am Sonntag“. Darum sei das Umfragetief eine Chance für die FDP, die eigenen Ziele jetzt noch schneller und konkreter anzugehen. Für den April kündigt Lindner einen Entwurf für die so vehement verfochtene Steuerreform an.

Quelle: Spiegel

Wer drogenabhängig ist, reagiert auf seine missliche Lage immer mit der gleichen Antwort. Dosis erhöhen!

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Einhard  Februar 7, 2010

    Das Aberwitzige ist ja, das sich Steuersenkungen für kleine und mittlere Einkommen durchaus realisieren ließen, man müßte dazu nur den „Besserverdienenden“ wieder ein paar Euro mehr abknöpfen; Geld, das die in den letzten 20 Jahren immer massiver eingespart haben.

    Unglücklicherweise kann und will es sich die FDP mit ihrer bevorzugten Wähler- und Spenderklientel nicht verscherzen…

    • Careca  Februar 7, 2010

      Wieso „Besserverdienende“? haste nicht bemerkt, dass die Hartz-IV’ler-Gruppe stetig wächst? Lässt es uns diesen gleich nehmen. Schließlich gibt es mehr Hartz-IV’ler als Millionäre und Hartz-IV’ler haben eh nichts mehr zu verlieren, Milionäre aber Millionen. … oder so …

      • Einhard  Februar 7, 2010

        So gesehen…

        • Careca  Februar 7, 2010

          Herzlich Willkommen. Sie haben die Aufnahmeprüfung in die Schwarz-Gelbe-Koalition gewonnen. Welche Partei darf es denn sein? CDU? CSU? Oder doch lieber eine wenig drei Punkte Partei F.D.P.?
          ;)

          • Einhard  Februar 7, 2010

            Kann ich ein bißchen von allem haben..?

            Die harmonieren doch gerade so hervorragend miteinander und Liebende soll man doch nicht rennen :>>

  2. Careca  Februar 7, 2010

    Ich hätt gern das Gleiche, wie die Mövenpick-Partei sich morgens einschmeißt. Wie? Die schmeißen sich nichts ein? Die sind naturbekifft? Beneidenswert …