Merkel gibt Klientelpolitik zu

Geschrieben von: am 24. Nov 2010 um 16:30

Die Klientel dankt es ihr nur nicht.

Auf dem Arbeitgebertag durfte Frau Bundeskanzlerin natürlich nicht fehlen. Auf einem Sozialforum hat man die selbst ernannte Kanzlerin aller Deutschen hingegen noch nie gesehen. Sie ist halt doch nur ein Furunkel am Gesäß des Bösen. Und das böse Hinterteil wird in diesem Fall durch Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt verkörpert. Der beschwerte sich nun darüber, dass die Frau Bundeskanzlerin viele Forderungen der Wirtschaft noch gar nicht umgesetzt habe. Zudem würde die deutsche Wirtschaft durch die Beitragserhöhung zur Krankenversicherung zusätzlich belastet, obwohl versprochen wurde, die Sozialabgaben nicht zu erhöhen.

Da platzte der Mutti aber sichtlich der Kragen, hat sie die Gesundheitsreform doch extra für die Arbeitgeber gemacht, wie aus ihrer Rede hervorgeht:

„Dass ausgerechnet diejenigen, für die wir das aus großer Überzeugung machen – weil wir sagen, dass die Kostendynamik des Gesundheitssystems nicht eins zu eins auf die paritätischen Lohnzusatzkosten übertragen werden darf –, mit die herbsten Kritiker dieser Gesundheitsreform sind, kann ich nicht verstehen.

Wir haben jedenfalls beschlossen: Gesundheitsbeitragssatz in Höhe von 15,5 Prozent und Entkopplung des Arbeitgeberbeitrags von den weiteren Kosten, Aufwuchs in Form von Zusatzbeiträgen, Deckelung bei zwei Prozent des Einkommens und anschließende solidarische Umfinanzierung über das Steueraufkommen und nicht mehr nur über die Beiträge sozialversicherungspflichtig Beschäftigter.“

Quelle: Mutti Merkels Homepage

Sie hat also zugegeben, dass die Reform ausschließlich für ihre Klientel, die Arbeitgeber, gemacht worden sei und nicht für die Menschen, die auch in Zukunft lieber ein Gesundheitssystem vorfinden möchten, dass Patienten behandelt statt Kunden zu bedienen.

Bei Springers Märchen-Welt liest man gar, dass die Kanzlerin Applaus für ihr Handeln im Sinne der Arbeitgeber einforderte.

Diesen Vorwurf lässt die Kanzlerin nicht auf sich sitzen. Die Reform sei für die Arbeitgeber gemacht. Der Arbeitgeberbeitrag werde eingefroren. Kostensteigerungen im Gesundheitswesen müssen künftig die Versicherten tragen. Dass die Arbeitgeber zu den Kritikern der Reform gehören, verstehe sie nicht. Dass die Sozialbeiträge trotz Wirtschaftskrise unter 40 Prozent liegen, sei eine große Leistung. „Sie dürfen klatschen“, forderte die Kanzlerin den Applaus der versammelten Manager.

Quelle: Welt Online

Das ist nur eine weitere Unverschämtheit der Volkskanzlerin. Aber warum sollte sie ihre Klientelpolitik auch verleugnen? Bankenrettung, Mövenpick-Steuer, keine Ökosteuer für Energie fressende Konzerne, Laufzeitverlängerung mit absetzbarer Brennelementesteuer und die Gesundheitsreform, bei der die Arbeitgeber künftig von Beitragssatzsteigerungen verschont bleiben. Milliardengeschenke für die Banken, die Wirtschaft und die willfährige Befriedigung wirtschaftlicher Partikularinteressen, so versteht die Kanzlerin ihren Auftrag.

Sie hätte dann halt nur den Amtseid verweigern müssen. Erstens, weil sie sich nicht dem Wohle des deutschen Volkes verpflichtet fühlt und ihm lieber Schaden zufügt, auch wenn das bedeutet, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes bei jeder Gelegenheit zu brechen. Zweitens, weil sie nicht Bundeskanzlerin sein kann. Denn Bundeskanzler ist laut Grundgesetz nur der- oder diejenige, der/die über die Richtlinienkompetenz verfügt (Art. 65 GG)

Der Bundeskanzler bestimmt die Richtlinien der Politik und trägt dafür die Verantwortung.

Nachweislich bestimmt aber nicht Frau Merkel die Richtlinien der Politik, sondern wahlweise Herr Ackermann, Herr Hundt, Frau Springer oder Frau Mohn. Letztere hat übrigens einen Medienpreis erhalten. Und zwar wurde die Bertelsmann-Chefin vom Verband Deutscher Zeitungsverleger (VDZ) mit einem Integrationspreis („Integrations-Victoria“) ausgezeichnet. Dabei betonte sie, dass das Thema Integration sowie die Toleranz für sie sehr wichtig sei und rief dazu auf:

„Wir sollten uns an den Kanadiern ein Beispiel nehmen! Die sagen nicht ‚Ausländer‘, sondern ‚Neu-Kanadier‘. Warum nennen wir sie nicht ,Neu-Deutsche‘?“

Toll. Dumm nur, dass Frau Mohn als Verlegerin von Sarrazins Hetz-Buch gerade Millionen kassiert. Aber das nur am Rande.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Teja552  November 24, 2010

    Tja Frau Merkel und ihre Klientelpolitik, wie können die Arbeitgeber aber auch so undankbar sein…..

  2. Ormuz  November 24, 2010

    das zweite stimmt auch nicht, sie wird nämlich NICHT für ihr Tun und Unterlassen verantwortlich gemacht, die Suppe, die sie einbrockt löffeln immer andere aus.

  3. satiren  November 24, 2010

    Dass der Bundeskanzler die Richtlinien der Politik bestimmt und dafür die Verantwortung trägt, wird durch das Grundgesetz in Artikel 65 vorgegeben.

    Doch wer gibt die Richtlinien des Bundeskanzlers vor? –
    Natürlich die Wirtschaft, die dem Bundeskanzler sagt, wo es langzugehen hat, was dieser zu tun und politisch umzusetzen hat.

    Nachweislich bestimmt nicht Frau Merkel die Richtlinien der Politik, sondern die Spitzen aus der Wirtschaft wie Herr Ackermann, Herr Grube, Herr Hundt, Frau Springer oder Frau Mohn.

  4. Helge Henschke  November 25, 2010

    Was soll der Euphemismus „Mutti“ für diese stumpfsinnig kalte Karrieristin (der DDR-Doktor ist da irreführend genug), noch dazu in solchen empörenden Zusammenhängen. Liegt es an unserer Spassgesellschaftszugehörigkeit oder an einer, nur aus unserer Ohnmacht (Machtlosigkeit, die ebenfalls zu denken gibt) erklärbaren, tiefen Resignation, dass der Ton nicht langsam ernsthafter wird.
    Bei aller Originalität und fragmentarisch sachlichen Zutreffenheit des Beitrags, das nur scheinbar naheliegende Lächeln erstarrt mir und ich frage mich, was noch geschehen wird, wenn es nicht endlich ernsthafte systematische Zäsuren geben wird. Willkommen in der Anstalt

  5. torpedo  November 25, 2010

    Dieser gelungene Beitrag gibt im Abspann sehr beredt darüber Auskunft, dass es mit der Verfassung des Grundgesetzes in diesem Lande nicht gerade zum Besten bestellt ist.

    Um dieses evidente Problem zu beheben, gibt es drei Möglichkeiten:

    Das Grundgesetz wird nun endlich von der Politik seiner Bestimmung gemäß korrekt und verbindlich angewandt, das Grundgesetz wird der sozialen Realität angepaßt oder es wird endlich eine gänzlich neue Verfassung geschrieben.

  6. Guardian of the Blind  November 25, 2010

    So deutlich wurde Merkel bisher selten, oder?
    Aber ich bin sicher, sie wird etwas finden, um es bei den Arbeitgebern „wieder gut zu machen“. Man beiist doch nicht die Hand, die einen füttert.

  7. Politikverdreher  November 27, 2010

    Laut Grundgesetz bestimmt der Bundeskanzler die Richtlinien der Politik. Der Einfluss der Politik und damit auch der eigenverantwortliche Handlungsspielraum des Bundeskanzlers ist jedoch immer kleiner geworden.

    Im politischen Alltag bestimmt jedoch die Wirtschaft die Vorgaben und Forderungen an die Politik. Der Bundeskanzler ist zum blossen Adressaten dieser Vorgaben und Forderungen geworden, die er als Befehlsempfänger umzusetzen hat.

    In der schwarz-gelben Regierung bestimmt nachweislich nicht Frau Merkel die Richtlinien der Politik, sondern die Klientelwirtschaft der Regierung. Was wohl das Grundgesetz dazu sagen würde?

    • torpedo  November 27, 2010

      Dies erklärt auch, warum die Bundeskanzlerin den Forderungen der Wirtschaft nachgekommen ist, die Bankenkrise durch den Steuerzahler begleichen zu lassen und letzlich auf die sozial Schwachen zu deren Lasten abzuwälzen.