That ist the way out…

Geschrieben von: am 24. Nov. 2025 um 15:44

Derzeit wird wieder ein Clip mit der ehemaligen finnischen Ministerpräsidentin Sanna Marin in den Sozialen Netzwerken herumgereicht. Dort ist zu sehen, was Europa 2022 unter einem eigenen Vorschlag zum Frieden verstand. Demnach müsse oder könne Putin den Krieg einfach beenden, indem er seine Truppen aus der Ukraine zurückzieht („The way out of the conflict is for Russia to leave Ukraine. That is the way out of the conflict.“). Dann wendete sich die spätere Partyqueen ab und lachte ihren als besonders cool ausgelegten Worten noch ein wenig hinterher. Inzwischen ist Europa etwas weiter, auch weil sich allmählich die Erkenntnis durchzusetzen beginnt, dass ja niemand bereit ist, für die Ukraine in den Krieg zu ziehen, nicht einmal mehr die Ukrainer selbst.

Sie fliehen aus ihrem Land, was in erster Linie den deutschen Kanzler bekümmert. Erstens wegen der Migration, aber natürlich auch deshalb, weil sich ein Krieg ohne tapfere Ukrainer nur schwerlich weiterführen lässt. Zwar arbeite man hierzulande an einer massiven Aufrüstung und der Wiedereinführung der Wehrpflicht, doch die Junge Union interessiert sich bekanntermaßen nicht für den Schützengraben und das Sterben darin für Freiheit und Demokratie, sondern vor allem für die Haltelinie bei der gesetzlichen Rente und die Kosten, die möglicherweise im Jahr 2050 auf die Gesellschaft zukommen könnten. Die Jugendorganisationen anderer Parteien sorgen sich vielleicht weiterhin um das Klima und hoffen, dass der zivile Sektor noch etwas zur Rettung beitragen wird, wenn schon der militärische Bereich per Definition von der Betrachtung ausgenommen ist.

Außerdem ist gerade Black Week mit einer Reihe von Sonderangeboten, auf die man sich konzentrieren muss, damit es unterm Weihnachtsbaum in ein paar Wochen mit der Familie aber auch schön gemütlich wird. Um es noch einmal klar zu sagen: Niemand ist bereit für die Ukraine in den Krieg zu ziehen, gestern nicht, heute nicht und morgen auch nicht. Die Dauerschwätzer in den Sozialen Netzwerken oder in den Talkshows, die nun über die furchtbare Ungerechtigkeit jammern, die so ein Friedensplan mit sich bringt, der die Handschrift des Siegers trägt, ist nur noch langweilig. Denn was hat Sanna Marin eigentlich gemeint, als sie sagte: „The way out of the conflict is for Russia to leave Ukraine. That is the way out of the conflict.“

Sie meinte die europäische Arroganz, russische Interessen so lange ignorieren zu können, wie die Ukrainer imstande sind, auf dem Schlachtfeld mit ihrem Leben dafür zu bezahlen. Nach, Putin müsse seine Truppen einfach nur abziehen, kam der Plan, Putin mit Druck (Waffen und Sanktionen) an den Verhandlungstisch zu holen, obwohl doch jede Form von Gesprächen sinnlos sei. Später formulierten die drei europäischen Führungspersönlichkeiten mit den schlechtesten Umfragewerten die Forderung, dass Verhandlungen mit Russland erst dann stattfinden könnten, wenn die Waffen schweigen. Das geschah in Reaktion auf eine Initiative aus Washington und diente dem Ziel, eine mögliche Einigung zu vereiteln. Das ist deshalb plausibel, da sich die dreisten Drei anschließend wieder ihrer schlechten Umfragewerte widmeten, statt auch nur einmal in Moskau anzurufen.

Das überließen sie lieber dem amerikanischen Präsidenten, den sie dafür gleichwohl verspotteten. Nun existiert ein weiterer Friedensplan mit 28 Punkten und die überraschten Europäer – der Kanzler musste sogar einen festen Termin beim Vorlesetag in einer Grundschule absagen – bemühen sich wieder eilig, auf das Bremspedal zu treten. Doch das Miauen am Katzentisch verhallt zusehends. Man orientiert sich inzwischen mehr an der Realität, da nun als gesichert gilt, dass die Ukraine selbst an den Formulierungen des Plans beteiligt war, also eine Bereitschaft erkennbar ist, eine Vereinbarung tatsächlich treffen zu wollen. Nun gilt es für die „The way out of the conflict is for Russia to leave Ukraine“-Europäer das eigene Gesicht zu wahren. Als Erfolg wird verkauft, dass die strittigen Punkte Europa betreffend, aus dem Vorschlag herausgenommen werden konnten. Vielleicht standen sie auch nur deswegen da drin.

Jedenfalls ist aus der Forderung, erst Rückzug der russischen Truppen oder erst Waffenstillstand (später), jetzt ein Einfrieren an der derzeitigen Frontlinie geworden, um überzogene Forderungen nach Gebietsabtretungen etwas entgegenzusetzen. Aber auch das ist nur ein Akt der Hilflosigkeit. Denn die Verhandlungen drehen sich längst um die Frage der europäischen Sicherheitsarchitektur, deretwegen Russland eigentlich in den Krieg gezogen ist und über die die oben erwähnten Dauerschwätzer erstens nie reden wollten und zweitens meinen, man könne sie jetzt erst recht ohne Russland beantworten. Da wirkt die tödliche Arroganz von „The way out of the conflict is for Russia to leave Ukraine“ immer noch nach. Dabei ist es doch bemerkenswert, dass Russland und die USA bereit sind, über eine Verlängerung des „New Start“-Abkommens zu verhandeln, das im Februar 2026 ausläuft.

„Das ist ein Abkommen zur Begrenzung der strategischen Trägersysteme und Gefechtsköpfe der USA und Russlands. Eine Verlängerung wäre ein ganz wichtiger Baustein für die Revitalisierung von Rüstungskontrolle und Abrüstung“, sagt Erich Vad im Interview mit der Berliner Zeitung. Abrüstung? Das würde natürlich nicht so recht zu den Plänen passen, für die man eine Ausnahme von der Schuldenbremse ins Grundgesetz geschrieben hat. Wenn die Ukrainer schon nicht weiter sterben wollen, sollen sie wenigstens als „stählerne Stachelschweine“ in vorderster Linie der europäischen Abschreckung dienen. Das würde immerhin die Karriere der finnischen Partyqueen als strategische Beraterin am Tony-Blair-Institut für globalen Wandel rechtfertigen und wir könnten uns unterm Weihnachtsbaum weiterhin den Kopf über die gesetzliche Rente zerbrechen.


Bildnachweis: KI generiertes Bild mit Grok.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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