
Es ist wie zu Coronazeiten: Die Öffentlichkeit lebt von gefühlter Evidenz. Oder was soll die medial angeheizte Drohnen-Hysterie, die bereits jämmerlich in sich zusammengefallen ist, was aber niemanden zu interessieren scheint? Denn junge Leute werden im Fernsehen weiterhin gefragt, ob sie denn im Falle eines Angriffs auf ihr Land, dieses auch verteidigen würden. Also man konfrontiert genau jene Generation, der man während Corona noch einen Entwicklungsverzicht und Kontaktsperren auferlegte, damit die Älteren, die heute das Fach der Sofageneralität bespielen, überleben [sic!] können. Diesen jungen Menschen kann man nur den Rat geben, lasst Euch das nicht gefallen.
Erinnert Euch an den Distanzunterricht in Geschichte. Hoffentlich. Wir Älteren haben jedenfalls in der Schule noch gelernt, dass der nächste Weltkrieg der letzte sein würde. Was gibt es da dann noch zu verteidigen? Wir brauchen keine Soldaten, sondern Diplomaten. Und wir brauchen keine Idioten in der Politik, sondern Menschen mit Verstand. Der Bundesverteidigungsminister, immerhin beliebtester Politiker des Landes, erklärte am Sonntag im Gespräch mit Table Media.
„Man kann sicher davon ausgehen, dass ein ganz großer Teil der Drohnen von Putin oder seinen Handlangern kommt.“ Es gebe auch Trittbrettfahrer. „Nicht jede Drohne ist eine von Putin“, sagt der Verteidigungsminister, „aber jede spielt ihm letztlich in die Hände.“
Halten Sie das für besonders intelligent? Wir wissen nichts, aber wir kennen bereits die Konsequenzen. Gefühlte Evidenz. Für uns Lokaljournalisten gilt dann wohl ab jetzt, sollte uns Bildmaterial von einem Sportevent zugespielt werden, das offenbar von einer Drohne aus luftiger Höhe dokumentiert worden ist, weil es so viele Teilnehmer wie nie gab und das für den ausrichtenden Verein eine besonders erfolgreiche Veranstaltung war, der Pilot könnte ein Handlanger Putins sein. Denn man wisse schließlich nicht, was die Drohnen morgen können. „Wir sind im Frieden, aber der ist gestört durch tägliche hybride Angriffe aller Art“, erklärt Pistorius. „Das ist kein Drohnenkrieg, das ist Verunsicherung, der Versuch zu provozieren. Es ist Angstmache.“
Sagt der Minister, der mit gefühlter Evidenz Befürchtungen schürt. Zunächst heißt es, der Himmel sei voller Drohnen – russischer Drohnen natürlich. Die Schlussfolgerung: Wir sind bedroht, also braucht es mehr Waffen, mehr Soldaten, am besten gleich die Wiedereinführung der Wehrpflicht. Doch dann stellt sich heraus: Es gibt keine belastbaren Hinweise auf diese Drohnenschwärme. Die neue Lesart lautet dann wohl: Unsere Verteidigung ist so schlecht, dass wir die russischen Drohnen nicht einmal erkennen können. Also braucht es – genau – mehr Waffen, mehr Soldaten, und natürlich die Wehrpflicht.
Noch einmal die Frage, sollten solche Politiker Regierungsverantwortung tragen? Kaum ist die Woche herum, hat der gleiche Minister schon den nächsten Vorschlag in die Morgenlage posaunt. Kasernenbau wie am Fließband oder noch besser: Kasernen von der Stange. In Modulbauweise gehe es günstiger und schneller. Das klingt ja großartig, wenn man nicht weiß, dass die Herstellung von Modulbauten, etwa zur Flüchtlingsunterbringung in den Kommunen, inzwischen nicht nur wahnsinnig teuer geworden ist, sondern auch lange Lieferzeiten beansprucht. Die Dämlichkeit dieser Politiker, die auch mal kommunal tätig waren, ist kaum noch zu ertragen. Vielleicht liegt es aber auch einfach nur an den Medien, die die eigentliche Regierung in diesem Land spielen.
Bildnachweis: KI generiertes Bild, Grok.
OKT.
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.