Aufklärung stößt an Grenzen

Geschrieben von: am 28. Nov 2014 um 10:07

Die Behauptung wird zur Wahrheit und der Versuch, das zu kritisieren zu einem Grund, Menschen auszugrenzen.

Die Gegenöffentlichkeit arbeitet sich daran ab, die unbelegten Behauptungen des Mainstreams immer wieder zu widerlegen. Das wirft die Frage auf, warum der Mainstream seine Behauptungen eigentlich nicht beweisen muss. Nun, die Antwort hat zum Beispiel Kai Gniffke (Chef der ARD Aktuell Redaktion) einmal gegeben als er sagte „Wir haben den Begriff ‚OSZE-Militärbeobachter’ richtig verwendet. … Die Bezeichnung … steht im Einklang mit dem Wording von Nachrichtenagenturen und Qualitätszeitungen…“

Mit anderen Worten, wir wissen schon, dass eine Aussage falsch ist, benutzen sie aber trotzdem, weil alle anderen es auch tun. Ich will das Verhalten nicht als Propaganda bezeichnen, kritikloser Herdentrieb, der auf einem falschen Vertrauen beruht, trifft es besser. Das Problem dabei ist nur, dass eine sachliche Diskussion nicht geführt werden kann, wenn die Hauptredezeit dafür verwendet werden muss, unwahre Behauptungen aus der Welt zu schaffen.

Der Sinn von Rede und Gegenrede ist doch wohl Argumente auszutauschen. Im Augenblick ist es aber so, dass statt dieses Austauschs und der Suche nach der besten These lieber eine Art Hinterherlaufen praktiziert wird. In der Politik ist das nicht anders. Sigmar Gabriels Begründung, warum Deutschland den umstrittenen Freihandelsabkommen TTIP und Ceta zustimmen sollte, folgt dem gleichen Muster. Er sagte: „Wenn der Rest Europas dieses Abkommen will, (…) dann wird Deutschland dem auch zustimmen. Das geht gar nicht anders.“

Herrscht der Herdentrieb, ist es vorbei mit der Vernunft. Wenn alle ein schwachsinniges Finanzprodukt vertreiben, muss ich das auch tun. Wenn alle von OSZE Beobachtern sprechen, mache ich das auch. Wenn alle TTIP und Ceta wollen, will ich es auch. Und wenn alle von der Brücke springen, springe ich eben hinterher. Diese bornierte Haltung ist gegen Aufklärung weitgehend resistent, weil die Kreise, in denen man sich bewegt, Halt geben. Schlimmer als bewusst falsch zu handeln, ist die Aussicht, nicht mehr dazu zu gehören.

Wie Lafontaine, der ewige Hinschmeißer oder jetzt Platzeck, der unerhörte Russlandversteher. Die Entsolidarisierung einer Gesellschaft heißt ja nicht, dass es keine Solidarität mehr gebe. Sie gibt es nach wie vor in den Netzwerken der Eliten oder in jenen Gruppen, die neuerdings wieder der Hass auf die Anderen oder die Schwächeren eint. Die Solidarität grenzt sich ab und tritt in Konkurrenz zueinander. Interessen werden gegeneinander ausgespielt. Dazwischen wird zerrieben, was vernünftig war und wieder sein könnte.


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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Arnold  November 30, 2014

    Ich lese zur Zeit Daniel Kahneman „Schnelles Denken, Langsames Denken“ wie der Titel schon beschreibt haben wir zwei Systeme des Denkens in uns.
    Das schnelle Denken ist mühelos und arbeitet im Unterbewusstsein. Das langsame Denken ist unser Bewusstsein und kontrolliert das schnelle Denken. Es ist jedoch mit Mühe verbunden.
    In fast allen Situationen schlägt das schnelle Denken unserem Bewusstsein eine Interpretation des Erlebten vor. So erkennen wir z.B. oft aufgrund eines Gesichtsausdruckes sehr schnell und ohne darüber nachzudenken die Gefühle unseres Gegenübers.
    Eine Eigenschaft des schnellen Denkens ist jedoch, dass es eine Aussage als wahr einstuft, wenn es sie häufig hört. Das schnelle Denken ist nicht in der Lage logisch zu denken und Dinge zu hinterfragen es kennt zudem keine Zweifel.
    Zweifel an der Wahrheit von häufig gehörtem können wir nur haben, wenn wir unser langsames Denken, was auch für Logik zuständig ist einschalten. Nur dies geschieht, da es ja Mühe kostet und wie Kahneman darlegt, erschreckend selten.
    Die Mainstream Medien können sich auf diese Funktionen in unserm Denken verlassen. Es genügt eine Lüge häufig genug zu verbreiten und schon wird sie von der Mehrheit der Menschen geglaubt.
    Kahneman macht uns auf unser Denkschwäche aufmerksam weshalb ich das Buch auch wärmstens empfehlen kann. Ich fürchte allerdings dass gerade die, die es am nötigsten hätten dieses Buch zu lesen sich dazu nicht aufraffen können.