Der helle Wahnsinn in Gesetz gegossen und das vor Weihnachten

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Gestern habe ich Georg Schramm zitiert, der uns etwas überspitzt formuliert mitteilen wollte, wie der Schrecken ohne Ende im nächsten Jahr weitergehen könnte. Den Kriegszustand wird Frau Merkel sicherlich nicht ausrufen, um sich dauerhaft an der Macht zu halten, aber die Steuerschätzung, just einen Tag nach der NRW-Wahl gibt zu denken.

Heute hat der Bundesrat das geisteskranke „Wachstumsbeschleunigungsgesetz“ verabschiedet. Und wie immer wird es so sein, dass man erst wieder hinterher darüber klagen wird, so als ob es die breite und einhellige Kritik an dem Gesetz nie gegeben hätte. Man kann sich das immer noch nicht erklären. Jeder, aber auch jeder, ob regierungsfreundlich oder nicht, hat das Vorhaben der schwarz-gelben Bundesregierung in der Luft zerrissen. Die Bundesregierung selbst konnte nie einen glaubwürdigen Zeugen präsentieren, der die propagierten Annahmen hätte bestätigen konnte.

Schon allein die Einführung einer weiteren Steuersubvention für Hoteliers konnten nicht einmal die glühendsten FDP-Schreihälse wie der Haushaltsschnösel Fricke annähernd plausibel machen. In der letzten Anne Will Sendung antwortete er der verdutzt fragenden Moderatorin, dass man sich als Demokrat eben dem Mehrheitsvotum der Partei unterordnen müsse. So ein Unsinn. Deshalb konnte er das eigene Lachen auch nicht verbergen. Dabei ist die Lage kein Scherz, sondern ziemlich ernst.

Die Regierung will im kommenden Jahr etwa 100 Mrd. Euro neue Schulden machen.

100 Mrd! Plus Steuersenkungen!

Allein das ist schon ein Grund, die Regierung für verrückt zu erklären. Sie müssen sich das mal vorstellen. Am Donnerstag noch ermahnt unserer Volkskanzlerin im deutschen Bundestag, bevor sie als Weltklimaretterin nach Kopenhagen abreiste, Griechenland, das doch bitteschön seine Staatsfinanzen mit mehr Anstrengung in den Griff kriegen sollte. Das ist nicht nur angesichts der eigenen Verschuldung und der beabsichtigten wahnsinnigen Steuersenkungen eine bodenlose Unverschämtheit, sondern auch und vor allem deshalb, weil gerade Deutschland mit seiner einseitigen wirtschaftspolitischen Ausrichtung Verantwortung dafür trägt, dass Griechenland defacto pleite ist. Spanien und Portugal werden da wahrscheinlich noch folgen.

Die Eurozone ist gekennzeichnet von einem extremen Ungleichgewicht. Löhne und Lohnstückkosten laufen in Abhängigkeit zur jeweiligen Produktivität auseinander. Deutschland wirtschaftet auf Kosten der anderen. Während sich Deutschland seit der Währungsunion in Lohnzurückhaltung übte und seine Wettbewerbsposition damit dramatisch verbesserte, haben Länder wie Griechenland ihre Lohnstückkosten, wie in der EU unter den Partnern ursprünglich verabredet, gesteigert. Dazu Heiner Flassbeck im Deutschlandfunk:

Nun sind zwölf Komma irgendwas Prozent natürlich außergewöhnlich, aber man muss auch sehen: Wir haben ein dramatisch sich ausweitendes, internes Ungleichgewicht in der Eurozone, an dem Deutschland nicht unbeteiligt ist, nämlich: Wir haben ein Auseinanderlaufen der Löhne und der Lohnstückkosten unter der Löhne in ihrer Abweichung zur Produktivität eines Landes, und das hat die Wettbewerbspositionen dramatisch verändert in der Eurozone.

Und deswegen haben die Länder nicht nur Haushaltsdefizite wie Spanien und Griechenland und Portugal, sondern sie haben auch Leistungs(…)defizite, was heißt, sie verschulden sich auch gegenüber dem Ausland, und es ist nicht abzusehen, wie das geändert werden kann, und darüber müsste man jetzt vor allem in Brüssel sprechen.

Deutschland hat über zehn Jahre praktisch eine Nicht-Lohnerhöhungspolitik gemacht. Die Lohnstückkosten, die eigentlich steigen sollten so um zwei Prozent – das war die Idee in der Eurozone, sowie die Inflationsrate, wie das Inflationsziel, auf das man sich gemeinsam geeinigt hat – sind in Deutschland überhaupt nicht gestiegen, während in anderen Ländern … ich habe nachgerechnet, für Griechenland sind sie in den 10 Jahren um 25 oder 26 Prozent gestiegen, in Deutschland sind sie nur um 8 Prozent gestiegen. Die Norm der Europäischen Union, Währungsunion ist ja bei 121.

Also, Griechenland hat zwar über seine Verhältnisse gelebt, ist aber näher dran an der Norm als Deutschland, das nach unten abgewichen ist, also unter seinen Verhältnissen gelebt hat. Und so was funktioniert natürlich nicht, wenn man eine gemeinsame Währung hat, und das hat natürlich auch Wirkung auf die Staatsfinanzen.

Und weil wir alle eine gemeinsame Währung haben, können einzelne Ökonomien mit Leistungsbilanzdefiziten nicht mehr währungspolitisch gegensteuern, sondern im Grunde nur in die Abwärtsspirale nach unten mit einsteigen. Das wird wahnsinnigerweise auch so eingefordert. Und die dumme Merkel findet das dann auch richtig, wenn die Beschäftigten in Griechenland eine Zwangskürzung ihrer Gehälter hinnehmen müssten oder eine drastische Erhöhung der Steuern. Komisch nur, dass die beabischtigte 90 Prozent Besteuerung von Banker-Boni offenbar nicht verhindern konnte, dass Ratingagenturen die Bonität Griechenlands herunterstuften. Ausgerechnet jene Agenturen, die in der Vergangenheit mit der vorsätzlich falschen AAA-Zerifizierung von Ramschpapieren ein Bombengeschäft machten und somit dabei halfen, die Weltwirtschaft in den Abgrund zu stürzen.

Dazu sagte Merkel natürlich nichts und dampfte nach Kopenhagen ab. Doch was passiert nun im kommenden Jahr wenn der Wahnsinn des Irrsins seinen Lauf nimmt? Zum Ausgleich für die zu erwartenden Steuerausfälle will die Bundesregierung sich angeblich mit einem größeren Anteil an den Bildungsausgaben der Länder beteiligen. Konkret heißt das, dass die Bundesregierung wohl die Verteilung der Mehrwertsteuereinnahmen anders gestalten werde. In der Vergangenheit hatte Christian Wulff die Mehrwertsteuerverteilung bereits ins Gespräch gebracht.

Und da sind wir auch beim Thema. Die Bundesregierung wird im kommenden Jahr und wahrscheinlich für 2011/2012 nicht umhin kommen, die Mehrwertsteuer anheben zu müssen, um der verschärften Haushaltslage zu begegnen. Das sagt der Wirtschaftsweise Peter Bofinger und kritisiert gleichzeitig, dass einerseits die Lohnsteuern deutlich sinken und im Gegenzug die Verbrauchssteuern erhöht werden, die vor allem die Menschen treffen, die ohnehin durchschnittlich bis wenig verdienen. Dabei müsse gerade aus dieser Bevölkerungsschicht eine verbesserte Dynamik entwickelt werden, sprich gesteigerter privater Konsum, um die Wirtschaftskrise zu überwinden. Die Bundesregierung macht aber das Gegenteil. Sie verschärft mitten in der Krise die Umverteilung von unten nach oben. Diejenigen, die ohnehin mehr Einkommen und Vermögen haben, werden begünstigt. Die Sparneigung dort wird weiter steigen und auch die Risikobereitschaft, bei der Zockerei an den Finanzmärkten, die noch immer nicht kontrolliert werden, mitzumachen.

Es ist doch keine Einbildung, wenn selbst Börsenmakler, wie Dirk Müller z.B., sagen, dass es nach dem Crash heftiger denn je auf den Finanzplätzen weitergeht. Die Boni sprudeln wieder, trotz der Krise und zur Verwunderung der Broker, die die Erfahrung eines sauber durch den Steuerzahler abgefederten Crashs verinnerlicht haben werden und auf Wiederholung hoffen.

Siehe dazu Dirk Müller bei ARTE: „Banken: Milliarden verzockt, Vertrauen verspielt“ Gesprächsrunde mit Dirk Müller vom 14.10.2009 (Mit Dank an Günther für den Hinweis :) )

http://www.cashkurs.com/Detailansicht.80.0.html?&cHash=3b4c50e0c4&tx_t3blog_pi1[daxBlogList][showUid]=6242

Schönes Wochenende. Bis Sonntag oder Montag. Ich brauche erstmal Zeit, damit sich mein Magen wieder beruhigt. :wave:

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Schwarz-gelber Sozialstaat bei Anne Will

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Gestern konnte man bei Anne Will sehr schön die hässliche Fratze der schwarz-gelben Sozialpolitik bestaunen. Ich hoffe, dass sich viele CDU und FDP Wähler die Sendung angeschaut haben. Am Widerlichsten war dabei der Vergleich der Kfz-Versicherung mit der gesetzlichen Krankenversicherung. Da fühlte man sich gleich an den Wahlkampf 2005 erinnert. Der FDP-Schmierlappen Martin Lindner und die CSU Frau Haderthauer reagierten auf einen Einspieler, in dem Autofahrer die Höhe ihre Kfz-Prämie nannten und provokativ gefragt wurden, warum sie denn nicht auch Geld in eine Krankenvericherung investieren würden.

Lindner und Haderthauer meinten dann auch unverblümt, dass derjenige, der viel Geld im Jahr für die Versicherung seines Autos übrig hat, auch einen Beitrag abführen könne, um sich selbst vor den Krankheitsrisiken abzusichern. Da fiel dann auch das zu Beginn geheuchelte Sozialausgleich-über-Steuern-Getue der beiden. Besonders amüsant fand ich Martin Lindners Argument. Der wollte doch den Zuschauern allen Ernstes weißmachen, dass das alte Bismarcksche Sozialsystem deshalb nicht mehr zeitgemäß sei, weil sich die Bevölkerungspyramide verändert habe. Zu Bismarcks-Zeiten hätte es viel mehr Jüngere Menschen gegeben, die mit 17 Jahren angefangen hätten zu arbeiten und weniger ältere Menschen, die mit 60 gestorben seien. Heute hätten wir dagegen eine Alterspyramide, die sich umdrehe. Darauf müsse man dann halt „radikal positiv“, wie er es selbstlobend nannte, reagieren.

Bei so einem wirren Scheiß von jemanden, der als bekennender, bereits einmal geschiedener, Katholik einmal vorschlug, ein Sitzrecht für Kirchensteuerzahler in Weihnachtsgottesdiensten zu gewähren, dreht sich mir der Magen um. Zu Bismarcks Zeiten muss es den Menschen ja richtig gut gegangen sein, weil die Bevölkerungspyramide so toll aussah. Aber nein, in dieser Zeit herrschte große Armut, es gab noch Kinderarbeit. Erst 1904 trat das Kinderschutzgesetz in Kraft, das gewerbliche Arbeit für Kinder unter 12 Jahren verbot. Und 60 Jahre alt wurden die damaligen Beitragszahler auch nicht, wie Märchenonkel Lindner uns erzählen will. Die meisten starben mit 40. Das Renteneintrittsalter lag unter Bismarck aber bei 70. Und eine Rente bekam nur der, der auch 30 Jahre eingezahlt hat, bei einer 60 Stunden Arbeitswoche.

Die Veränderung der Bevölkerungspyramide scheidet als Argument für eine Privatisierung der Sozialversicherung aus, weil nicht eine höhere Anzahl jüngerer Menschen im Vergleich zu den Alten entscheidend für das Generationensystem ist, sondern die Frage, wie viel von der volkswirtschaftlichen Leistung, ugs. Kuchen, verteilt wird. Wenn es aber dann so ist, dass sich Reichtum zunehmend in den Händen weniger ansammelt, während der Mehrheit Verzicht gepredigt wird, sollte man doch eher nach der wirklichen „Hirnverbranntheit“ der FDP fragen, als diesen gelben Versicherungsvertretern in ihrem „radikalen Zerstörungswillen“ auch noch freudig zuzujubeln. Angesichts der Wirtschaftskrise bleibt mir die Reaktion des Publikums ein Rätsel.

Aber sehen sie sich die Sendung selbst an.
http://daserste.ndr.de/annewill/videos/annewill1428.html

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Schäuble präsentiert sein perverses Weltbild auch bei Anne Will

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Eben bei Anne Will gesehen:

Der designierte Finanzminister Dr. Wolfgang Schäuble spricht über die Hartz-IV-Regelsätze für Kinder. Er sagt, dass es natürlich klar sei, die Regelsätze zu überprüfen, so bald das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht abgeschlossen sei. Auf den Vorwurf, warum man das nicht schon jetzt tue, sagt Schäuble:

„Stellen sie sich doch mal vor, die Bundesregierung würde jetzt eine Prüfungskommission einsetzen, wo gerade die Anhörung vor dem Bundesverfassungsgericht stattgefunden hat. Da würde sich die Bundesregierung ja der Lächerlichkeit preisgeben.“

Mit anderen Worten: Nach Dr. Schäuble ist die Tatsache zwar schlimm, dass Kinder in Deutschland auch weiterhin in Armut leben müssen. Aber viel schlimmer wäre es, wenn die neue Bundesregierung bereits zu Beginn ihrer Amtszeit blöd dastünde.

Dieses perverse Weltbild des Dr. Schäuble erinnert doch wieder sehr an das, was er einst über den Irak-Krieg sagte. Und deshalb noch einmal Volker Pispers mit seiner klaren Analyse.

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Wahlnachlese: Eine "Drei-Phasen-Koalition"?

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Günther Oettinger deutet an, wie das mit Schwarz-Gelb im Bund laufen soll. Er nennt das neue Projekt (:>>) eine „Drei-Phasen-Koalition“ (siehe Focus). Dabei gehe es in der ersten Phase um die Bewältigung der Krise, in einem zweiten Abschnitt dann um Haushaltskonsolidierung und zum Schluss um neue Impulse in Bereichen Energie und Wirtschaft. Man muss an dieser Stelle kein Kryptologe sein, um zu begreifen, was sich dahinter verbirgt.

Frau Merkel möchte ja die neue Koalition am 9. November (dem Schicksalstag der Deutschen) offiziell starten lassen. Viel später geht auch nicht. Da ist das Gesetz eindeutig. Man fragt sich natürlich, warum die Koalition erst so spät die Arbeit aufnehmen soll. Eigentlich sind sich die beiden ja handelseinig und es gäbe doch so gesehen keinen Grund für eine Verschleppung. Und der Verweis darauf, dass der 9. November gut passen würde, weil an dem Tag die Mauer fiel, wirkt doch sehr weit hergeholt. So besonders ist diese Regierung nun auch wieder nicht. Und da liegt die Verbindung zu Oettingers erster Phase. Aus Sicht der Kanzlerin bedarf es weitere Symbole.

Denn das Abwarten und Aussitzen in Sachen Krisenbewältigung soll weitergehen. Auch diese Regierung scheint diesbezüglich keinen Plan zu haben. Das konnte man gestern schon sehen. Die FDP Scharfmacher fingen bereits an, kleinere Brötchen zu backen und verbal abzurüsten. Plötzlich hat man alle Zeit der Welt. Guido Westerwelle möchte ganz in Ruhe ein Koalitionsprogramm mit Frau Merkel aufschreiben, bei dem er sich nicht mehr festlegen wollte, wie viele Ausrufezeichen aus dem Wahlkampf da nun abgedruckt werden sollen. Westerwelle schloss sich also dem Luftblasenautomat an und beschränkte sich darauf, die neue Opposition darauf hinzuweisen, dass der Wahlkampf nun vorbei sei.

Besonders deutlich wird der Rückzug auf dem hart umkämpften Feld der Steuerpolitik. Dort ist zur Zeit nur von einer Erhöhung des Grundfreibetrags die Rede. In der gestrigen Anne Will Sendung sagte Gerhart Baum, das Steuerkonzept der FDP sei natürlich so nicht umsetzbar. Das konnte jeder wissen. Man muss sich aber mal anschauen, wie überrascht Frau Will ob dieser neuen Ansichten tat und ihre eigene Unzulänglichkeiten damit zu rechtfertigten versuchte, indem sie darauf verwies, sämtliche FDP-Vertreter in ihrer Sendung zur Seriösität des ganzen Konzepts stets befragt zu haben. Leider hat man gestern die offensichtliche FDP-Lügerei nicht weiter verfolgt, sondern mit dem Thema SPD-Desaster weitergemacht.

Die neue Regierung steht von Anfang an unter Druck, das beweist eben auch der „Drei-Phasen-Plan“ von Oettinger. Von Durchregieren oder einer Politik aus einem Guss sehe ich aktuell nicht viel. Man wird es auch schwer haben, zum Beispiel jetzt etwas zur Atomausstiegsregelung zu sagen. Eine breite Mehrheit in der Bevölkerung hat sich zu dieser Sachfrage nämlich eine ganz klare Meinung gebildet. Und die deckt sich nunmal nicht mit den propagierten Absichten von Schwarz-Gelb. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass die Beantwortung dieser Frage erst an dritter Stelle bei Oettinger zu kommen scheint.

Überhaupt werden die Sachfragen zum Problem. Schwarz-Gelb und vor allem der gelbe Westerwelle lügen sich ja etwas in die Tasche, wenn sie meinen, das Wahlvolk hätte ihnen die Stimmen „geschenkt“, weil sie die Positionen der beiden Parteien teilen. Es ist doch wohl eher so, dass das Wahlergebnis vor allem die politische Alternativlosigkeit widerspiegelt. Bei der letzten Bundestagswahl bekamen Union und FDP zusammen rund 21,5 Millionen der abgegebenen gültigen Erststimmen (wahlberechtigt waren ~61,9 Millionen) und gestern erhielten CDU, CSU und FDP zusammen rund 21,1 Millionen Erststimmen (wahlberechtigt waren ~62,1 Millionen). Bei den Zweitstimmen sieht es folgendermaßen aus: Im Jahr 2005 bekamen Union und FDP zusammen etwa 21,3 Millionen Stimmen und gestern knapp unter 21 Millionen.

Das selbsternannte bürgerliche Lager ist also nicht gewachsen, sondern geschrumpft. Innerhalb dieser Wählerschaft hat es tatsächlich ein Stimmensplitting gegeben. Da kann sich Guido Westerwelle noch so auf den Kopf stellen und behaupten, die FDP hätte mit ihrem Programm und ihrem Auftreten die Menschen überzeugt. Nein, der Wähler wollte wohl eher die Große Koalition einfach beendet sehen. Zusätzlich überzeugt haben Westerwelle und Merkel niemanden, eher noch vergrault. Insofern wirft das gesamte Wahlergebnis mehr Fragen auf, als dass es Gewissheiten zu transoportieren vermag. Die These jedenfalls, dass die Menschen in diesem Land Schwarz-Gelb eher zutrauen, die Krise zu meistern, ist meiner Meinung nach falsch. Oettingers Projektplan spricht neben den nakten Zahlen auch klar dagegen.

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Noch knapp eine Woche bis zur Bundestagswahl

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Wer die Diskussionsrunden der letzten Tage verfolgt hat, wird sicherlich einen Einblick darüber bekommen haben, wie sich die Parteien eine künftige Politik vorstellen und wie sie sie auch finanzieren wollen. Dabei ist es schon belustigend, wie dann die Spitzen mit Zahlen jonglieren, um dumm fragenden Journalisten zu erklären, woher das Geld für angebliche „Wohltaten“ denn kommen soll. Das alte Muster von Programmen und ihren Kosten ist nach wie vor ein beliebtes Thema. Und auch die Öffentlichkeit lässt sich damit einlullen. Die Frage nach dem Preis für Bildung zum Beispiel oder für bessere Sozialleistungen interessiert ungemein. Der Vorwurf, das Blaue vom Himmel zu versprechen, ist schnell formuliert. Auf der anderen Seite verzichtet die Kanzlerinnenpartei gar gänzlich auf Versprechungen und tut so, als sei das Verweilen im Ungefähren die bessere Wahl.

Ich wundere mich immer wieder über die Ausdauer, mit der man den fundamentalen Widerspruch dieser Zeit auszublenden versucht und der Finanzierung von politischen Aufgaben bis ins kleinste Detail nachspüren will, um so etwas wie eine programmatische Diskussion zu schaffen, die es dem Zuschauer dann erlauben soll, zwischen den Angeboten auszuwählen. Doch die Frage nach den Kosten eines politischen Programms ist doch inzwischen völlig belanglos geworden, wenn man sich immer wieder vor Augen führt, mit welcher Leichtigkeit mal eben eine halbe Billion Euro für die Finanzwirtschaft zur Verfügung gestellt wurde. Wenn also Herr Trittin von den Grünen wieder und wieder vorrechnen muss, dass er den Solidaritätszuschlag in einen Bildungssoli umwandeln will oder die SPD nicht Müde wird zu betonen, dass eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes notwendig wird, damit der riesige Schuldenberg nicht allein von den Schwächeren in der Gesellschaft bezahlt werden muss oder Union und FDP meinen, mit Steuersenkungen für ein konjunkturelles Wunder sorgen zu können, das von keiner empirischen Erfahrung je bestätigt wurde, dann ist das nichts weiter als schlecht vorgespieltes Theater.

Beschönigend nennt man das dann „Symbolpolitik“. Oder wie Georg Schramm sagen würde, „Der Urnenpöbel wird mit Zeichen abgespeist“ Politiker seien nur Hampelmänner, die in Berlin Demokratie vorspielen dürften, aber in Wirklichkeit an den Fäden von Interessenverbänden hingen, die das politische Handeln in Wahrheit bestimmen. Und das war im Jahr 2003 zur Verabschiedung von Dieter Hildebrandt aus der Kabarettsendung „Scheibenwischer“.

Heute ist klarer denn je, wie Recht Schramm mit seiner Analyse hatte. Die Frage heute kann doch nicht lauten, welche Programme wie finanziert werden können und wer in der Auseinandersetzung darum eine gute Figur abgibt. Die Frage heute muss doch lauten, wie die Demokratie und das Parlament so außer Kraft gesetzt werden konnten, dass Finanzströme ungeahnten Ausmaßes freigesetzt wurden, die in die Rettung von angeblich systemrelevanten Banken flossen und immer noch fließen. Aus welcher Logik leitet man denn eigentlich die Wichtigkeit der Frage nach der Finanzierung eines Bildungsprogramms oder die Finanzierung von sozialer Sicherheit ab? Das verstehe ich bis heute nicht. Wieso müssen solche Aufgaben des Staates, die zu regeln, unsere Verfassung eindeutug vorschreibt, im Gegensatz zum Finanzsektor, einem quälend langen Entscheidungsfindungsprozess unterworfen werden, bei dem sich die politischen Kontrahenten pausenlos mit der Frage nach der Bezahlbarkeit beschäftigen und sich gegenseitig Unseriösität vorwerfen?

Bei Anne Will im Ersten konnte man gestern zum Beispiel einen richtigen Schrecken kriegen, sofern man noch bei klarem Verstand war. Dort saßen zu Guttenberg und Steinbrück und lieferten sich einen belanglosen Schlagabtausch um die richtige Politik für dieses Land, bei dem am Ende herauskam, dass zu Guttenberg der Hübschere von beiden sei und Steinbrück der sportlich Coolere, weil er bei der Frage über die Wirkung von Änderungen an der Einkommenssteuer seinem Gegenüber zu Guttenberg vorschlug, nach draußen zu gehen, um die richtige Antwort auszukegeln. Der stimmte dann auch noch zu, obwohl er Herrn Steinbrück zuvor noch mit ernster Miene fragte, ob dieser gern mit populistischem Gehabe kokettiere. Die Krönung des Theaters war dann aber eine auf Initiative Steinbrücks zurückgehende, von Anne Will spontan gestellte Zuschauerfrage, ob das Publikum lieber einen FDP-Vertreter oder Herrn Steinbrück im Bundesfinanzministerium sähe.

Da möchte man doch am liebsten

Wer ganau hinschaut, muss einfach sehen, wohin die Reise gehen wird, wenn sich die letzten Umfrageergebnisse am Wahlabend in etwa so bestätigen werden. Am „Weiter so“ führt dann kein Weg mehr vorbei. Noch immer sind Verbriefungen erlaubt, noch immer können Finanzinvestoren (Heuschrecken) Unternehmensteile auf- und verkaufen, ohne dafür einen Cent Steuern zahlen zu müssen, noch immer läuft das Finanzkasino, während die Binnenwirtschaft unter einer der größten Rezessionen leidet. Wer das zu Guttenberg-Papier gelesen hat, weiß wie ein schwarz-gelber Fahrplan aussehen könnte. Wer in Steinbrücks Ministerium hineinschaut, wird feststellen, dass auch dort bereits darüber nachgedacht wird, zum Beispiel Zuschläge für die Arbeit an Sonn- und Feiertagen sowie in der Nacht künftig regulär zu besteuern. Auch die Erhöhung der Mehrwertsteuer ist entgegen allen Beteuerungen ein Thema. Da brauchen sie nur die Zeichen zu deuten, um zu begreifen, wer für jene Schulden bezahlen soll, die der Staat bereit war einzugehen, als er die Banken bedingungslos und uneingschränkt mit Milliarden versorgte.

Nutzen sie daher ihre beiden Stimmen am 27. September weise. ;)

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Nichts gelernt, das Ziel bleibt "Minimalstaat"

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Das können sie sehr schön aus zwei Meldungen dieser Tage herleiten. Zum einen möchte Merkel in der Tradition der Chicago Boys, auch in der Krise die Steuern weiter senken und auf weitere staatliche Impulse zur Unterstützung der Konjunktur verzichten. Zum anderen möchte Innenminister Schäuble mit Billigung Merkels eine Grundgesetzänderung herbeiführen, die es künftig zulässt, dass die Bundeswehr auch polizeiliche Aufgaben übernehmen kann. Das Ganze läuft etwas verschleiert unter dem Schlagwort „Priatenabwehr“.

Aus diesen beiden Meldungen kann man nun die Grundkonzeption der Union beschreiben. Nach wie vor geht es hier um eine ganz bestimmte Vorstellung vom Staat. Es geht um den „Nachtwächterstaat“, dessen Kennzeichen idealerweise darin besteht, auf polizeiliche Aufgaben reduziert zu sein, zum Schutz von Personen und deren Eigentum. Die Schieflage bei der Verteilung von Eigentum und Vermögen interessiert dabei nicht, da die Verteilung per Definition ein Ergebnis von Selbstregulierung ist. So kann es auch nicht verwundern, dass Hilfsprogramme für die Verlierer der gesellschaftlichen Umverteilung im Ergebnis kritisch betrachtet werden. Folgt man zum Beispiel Albert O. Hirschman so bedeuten soziale Hilfsprogramme, dass sie die Armut verschlimmern, statt sie zu verringern (siehe Hirschman, The Rhetoric of Reaction, dt: Denken gegen die Zukunft)

Für die Chicago Boys um Milton Friedman ist der Kapitalismus stabil. Gerade das Eingreifen des Staates hat nach Auffassung dieser Denkschule die Destabilisierung verursacht. Sie finden diesen Ansatz in der Union, vor allem aber bei der FDP und auch in der SPD. Die Zurückhaltung Konjunkturprogrammen gegenüber fußt also auf dem theoretischen Verbot, massive staatliche Interventionen zur Überwindung von wirtschaftlichen Krisen zuzulassen. Denn wenn die staatliche Intervention notwendig ist, bedeutet das in der Konsequenz, dass der Kapitalismus instabil ist. Und das wäre für unsere marktgläubigen Anhänger die Desavouierung ihres Leitbildes. Das ist der Kern der Auseinandersetzung. Es geht also weniger um Staatsschulden und das Gerede vom Leben über Verhältnisse, als vielmehr um die Wahrung von Weltanschauungen, die durch ein Systemversagen, wie wir es gerade erleben, fundamental bedroht werden.

Die Geldpolitik ist der einzige Bereich, bei dem die Dogmatiker dem Staat Handlungsspielraum zugestehen. Die Aufgabe über die Geldmenge zu wachen, finden sie aktuell wieder bei unserem Starökonomen im Bundes-HRE-Ministerium. Peer Steinbrück lässt keine Gelegenheit aus, vor der Gefahr einer Inflation zu warnen, obwohl die Deflation so sichtbar vor der Türe steht. Die Geldmenge muss stabil bleiben, lautet die Botschaft. Und die EZB folgt dieser Parole schon seit Jahren nur allzu gern. Der „Minimalstaat“ ist nach wie vor das Ziel herrschender Politik. In dieser Konzeption ist es unausweichlich, dass der öffentliche Sektor noch grundsätzlicher zur Disposition gestellt werden wird, als es ohnehin schon der Fall war. Im Augenblick erleben wir in Deutschland den Versuch, die Erschütterung der dogmatischen Weltanschauung mittels einer konservativen Reaktion zu begegnen, die im Gewandt einer Täuschung daherkommt und die Chiffre „Neue Soziale Marktwirtschaft“ oder plump „Mitte“ trägt.

Die von schwarz-gelb favorisierte Steuer- und Sicherheitspolitik, die von der der Großen Koalition favorisierte Schuldenbegrenzungspolitik sind Merkmale dieser folgenschweren Reaktion und ein Alarmzeichen für die Beständigkeit der Begriffe öffentlich, Sozialstaat und Daseinsvorsorge. Die Bedeutung des „Privaten“ wird ganz im Sinne der Chicago Boys in erheblichem Umfange zunehmen. Das können sie aktuell an einem Gesetzentwurf von CDU/CSU und SPD unter dem Titel „Faire Wettbewerbsbedingungen für Öffentlich Private Partnerschaften schaffen“ erkennen. Die Förderung von PPP ist auch in der Krise noch immer eine zentrale Aufgabe dieser Regierung. Und das, obwohl die Rechnungshöfe bereits angemahnt haben, dass öffentlich private Partnerschaften vor allem den öffentlichen Partner viel kosten.

In Zukunft wird der Gesetzgeber die Frage beantworten müssen, wie die immensen Kosten der Krise finanziert werden sollen. Die Antwort wird zu Lasten der sozialen Sicherungssysteme ausfallen. Einmal mehr wird die Vorstellung bemüht, der Sozialstaat sei schädlich. Den Schwachen dürfe keine Hilfe zu Teil werden, da sie sonst zur Gewohnheit würde. So einfach wird die Begründung ausfallen, wenn die Dogmatiker des Monetarismus sich neu formieren, um dem Freihandelsextremismus, der Deregulierung und dem Wettbewerbsdenken abermals oder verschlüsselt das Wort zu reden.

Daneben wird bürgerliches oder zivilgesellschaftliches Engagement an die Stelle staalicher Verantwortlichkeit treten. Die Woche des Ehrenamts können sie gerade in der ARD bestaunen. Nicht, das daran etwas auszusetzen wäre. Nur liegt hier der Verdacht nahe, dass mit Hilfe der Diskussion um das bürgerliche Engagement, das künftige Zurückweichen des Staates vorbereitet werden soll. Gestern zum Beispiel bei Anne Will. Dort war Ursula von der Leyen wieder in der Sendung zu Gast. Laut Focus hält sich die Ministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend seit 2005 am Häufigsten von allen Politikern in solchen Talkrunden auf. Da kann man sich jetzt seinen Teil zu denken.

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Seltsames bei Anne Will

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Gestern habe ich mir den letzten Teil der Sendung Anne Will angeschaut. Eine seltsame Vorführung. Angefangen beim Titel. „Vorwärts in den Sozialismus – Müssen die Reichen jetzt zahlen?“, hieß es da. Offensichtlich nahm man den Auftritt des SPD-Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier im Berliner Tempodrom zum Anlass, Ängste zu schüren und die Diskussion abermals auf die Ebene einer Neiddebatte zu verflachen. Die Runde war dann auch dementsprechend ausstaffiert. Volker Kauder von der CDU, Philipp Rösler von der FDP, dazu der Unternehmer Thomas Selter, der Journalist und Autor Harald Schumann sowie Klaus Wowereit von der SPD.

Jeder durfte seinen Müll erzählen (mit Ausnahme von Harald Schumann). Volker Kauder erzählte zum Beispiel davon, dass man den Staat nun wirklich nicht für die Finanzkrise verantwortlich machen könne. Er habe Jahr für Jahr gespart und den Haushalt konsolidiert. Die Finanzkrise sei von den USA ausgegangen und habe uns völlig überraschend getroffen. Er habe sich nichts vorzuwerfen. Komisch dabei war nur, dass Frau Will bei diesem Unsinn nicht nachfragte, sondern lieber Klaus Wowereit drängelte ein Statement zu der Frage abzugeben, ob er denn nun für eine Vermögenssteuer sei oder nicht.

Die FDP Quotenquatschtante Rösler erntete mal wieder den meisten Applaus. Selbst dann noch, als Frau Will ihm den Panorama-Bericht vom 5. März über die Entzauberung der liberalen Steuerrechnung präsentierte. Er durfte einfach antworten und frei behaupten, dass durch Steuersenkungen nach dem Modell der FDP die Konjunktur von allein anspringe und dann wieder mehr Steuern zum Gegenfinanzieren sprudeln würden. Er durfte sogar noch hinzufügen, dass der Staat somit natürlich in Vorleistung trete. Da hat Frau Will aber schon wieder weggehört, denn sonst hätte sie gleich nachfragen müssen, wie diese Vorleistung mit dem liberalen Wahlprogramm, in dem von einem Neuverschuldungsverbot für alle Gebietskörperschaften die Rede ist, zusammen passt.

Philipp Rösler durfte sogar sagen, dass es ihm nicht mehr um die da unten bzw. die da oben geht, sondern um die in der Mitte. Das wären nämlich die wahren Leistungsträger unserer Gesellschaft. Daraus schließe ich jetzt mal, dass all jene, die früh morgens aufstehen, zur Arbeit gehen und sinnvolle und wichtige Tätigkeiten verrichten, aber dennoch einen Lohn beziehen, der leider nur zur Einordnung in die Gruppe der Wenigverdiener reicht, das diese Menschen nach Rösler schlicht zu den gesellschaftlichen „Minderleistern“ zählen, denen man keine besondere Beachtung mehr zu Teil kommen lassen muss.

Diese Arroganz und Hochnäsigkeit, die Rösler bei Will und die FDP in ihrem „Deutschlandprogramm“ den betroffenen Menschen da entgegenhält, schlägt im Hinblick auf die Reichen in dieser Gesellschaft in schlichte Ignoranz um. Die Tatsache, dass das gut betuchte obere Zehntel der Bevölkerung derzeit über mehr als 60 Prozent des Gesamtvermögens von 6,6 Billionen Euro, also rund 4 Billionen Euro, verfügt, lässt den stellv. niedersächsischen Ministerpräsidenten völlig kalt.

Stattdessen wird darüber lamentiert, dass eine Familie mit einem Jahreseinkommen von rund 300.000 Euro nach den Plänen der SPD einen zusätzlichen Haufen Geld an Steuern bezahlen soll. Ein Skandal. Da wurde dann sogar ein Beitrag des Bundes der Steuerzahler eingespielt, in dem das genau vorgerechnet wurde. Nur leider vergaßen alle Beteiligten mal wieder darauf hinzuweisen, dass die Einkommenssteuer mit einem Anteil am Gesamtsteueraufkommen von nur noch rund einem Drittel zu Buche schlägt. Der Löwenanteil von rund 46 Prozent kommt aus den Umsatz- und Verbrauchssteuern.

Wer also behauptet, dass Gutverdiener die meisten Steuern in diesem Land zahlen und deshalb zu den Leistungsträgern zählen, die eigentlich moralisch entlastet gehören, sollte vielleicht mal auf jene Menschen schauen, die ihr Einkommen komplett verkonsumieren müssen, ohne dass sie Geld für private Rente, Krankenzusatz- oder Pflegeversicherung übrig hätten, wie jene Röslers und Westerwelles, die sich über das Phantom „Lohnsteuerstaat“ beschweren. In Wirklichkeit zahlen Wenigverdiener über die Mehrwertsteuer noch die Renditen von Riester- und Rüruprenten der Bessergestellten. Sie selbst haben nichts davon, eher weniger. Denn das Rentenniveau der gesetzlichen Altervorsorge sinkt auf 40 Prozent. Hier wird einfach massiv manipuliert und die Unwahrheit verbreitet.

Zum Abschluss noch einmal für alle zur Erinnerung: Georg Schramms Ästhetik der Vermögensverteilung.

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Was für ein Theater..?!

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Das aktuelle Schauspiel um die Frage Große Koalition bis September oder nicht ist ein bemerkenswerter Tiefpunkt der bundesrepublikanischen Geschichte. Dabei ist nicht so interessant, was die Politiker sagen, sondern vielmehr die Rolle unserer Medien, die sich in diesen widersprüchlichen Brei bereitwillig einbinden lassen. Überall hört und liest man die O-Töne von Seehofer, Müntefering, Merkel und Westerwelle.

Da sagt der Seehofer, dass die SPD doch die Koalition verlassen könne und Münte schießt zurück, dass er die CSU bis zum letzten Tag quälen werde. Merkel schwadroniert bei Anne Will über ihre Arbeit, die sie zu Ende bringen müsse (eine kritische Analyse finden sie hier) und Westerwelle schwebt angesichts des Umfragehochs seiner Partei eine sonnige Wahl im Sommer vor. Und in Berlin sitzen zwei Regierungssprecher, der eine von der Kanzlerin bestellt und der andere vom Außenminister. Und beide diktieren etwas von konkurrierenden Träumen in Bezug auf die Kanzlerschaft, den lachenden Journalisten in den Notizblock. Was für ein Trauerspiel?

Doch keiner fragt, welcher Logik z.b. die Aussage vom Münte folgt, die CSU bis zum Ende quälen zu wollen. Noch immer könnte die SPD alle politischen Ziele, die die Parteiführung vorgibt, umsetzen zu wollen, ohne weiteres im Deutschen Bundestag beschließen. Um es bildlich zu verdeutlichen, was ich meine, zeige ich ihnen die Zusammensetzung des aktuellen Bundestages.

Sitzverteilung

Die Mehrheitsverhältnisse sind klar. Es ergibt also überhaupt keinen Sinn, hier irgend jemanden zu quälen und darauf zu hoffen, dem politischen Gegner in der Großen Koalition mit dieser Quälerei auch noch etwas abtrotzen zu können. Die SPD lässt sich durch die Minderheit aus CDU/CSU und FDP einfach vorführen. Dabei ist es doch sie, die die Zügel in der Hand halten müsste, da ihre scheinbaren politischen Ziele mehrheitsfähig sind.

Doch es wird mit allen Mitteln dagegen gearbeitet. Vor allem die Medien bilden die Speerspitze einer Kampagne zur Verhinderung und Verschleierung des tatsächlichen Mehrheitswillens der Bevölkerung. Und die SPD-Führung spielt mit vollem Bewusstsein mit. Anders kann man sich diese dusseligen Bemerkungen von Müntefering oder von Steinmeier, der sich gern als Opel-Retter positionieren möchte, nicht verstehen.

In der Neuen Presse Hannover darf mal wieder Horst Schmuda seinen unbrauchbaren Senf absondern. Er schreibt folgenden Unsinn…

Dann lieber doch ganz schnell wählen?

[…]“Mit dem Schicksal der Opelaner lässt sich trefflich Stimmenfang betreiben, und so ziehen die Genossen mit dem linkspopulistischen Schlachtruf „Rettung um jeden Preis“ durch die Lande. Die Union windet sich in politischen Zuckungen um ein und dieselbe Frage: wirtschaftliche Vernunft oder mitfühlender Selbstbetrug.“[…]

Wenn die SPD nach Schmudas Meinung schon linkspopulistisch ist, warum nutzt sie dann die bestehende Mehrheit im Bundestag nicht einfach aus? – aus niederen Beweggründen sozusagen oder schlicht aus Machtgeilheit, wie Schmuda es der Ypsilanti ja immer wieder unterstellt hat. Wo ist die Logik in dem Geschrei? Der SPD müsste man gerade wegen ihrer Haltung, die Große Koalition bis zum Ende fortsetzen zu wollen, unterstellen, dass sie keineswegs daran interessiert ist, etwas von dem durchzusetzen, was Schmuda unter dem Schlagwort „linkspopulistisch“ subsumiert. Wenn er jetzt noch geschrieben hätte, die SPD mache es im Herbst sowieso mit den Linken, schlösse sich der bizarre Denkkreis. Aber davon hören wir ja spätestens zur Bundeshorstwahl wieder.

Die Union dagegen kommt bei Schmuddel Schmuda ohne Grund besonders kompetent rüber. Da fragt man sich, wie der Autor das Fotoshooting mit dem neuen „von und zu“ in New York fand oder welche wirtschaftspolitische Komptenz dort zur Entfaltung kam bzw. welche Kompetenz Herr Schmuda aus den Äußerungen von Frau Merkel bei Anne Will ableitet. Wie beschrieb sie sich gestern doch so treffend untreffend…

„Ich bin mal liberal, mal christlich sozial, mal konservativ.“

Und was ist eigentlich mit der Grünenspitze los? Die scheinen vor lauter (H)Ampelei gar nicht mehr klar sehen zu können. Zum Glück hielt die Basis in NRW am Wochenende nüchtern dagegen, und es wurde noch einmal in Erinnerung gerufen, dass zwischen FDP und Grünen doch riesige, wenn nicht gar unüberbrückbare Unterschiede bestehen. Das hielt den mediengeilen Professor Jürgen Falter aber auch nicht davon ab, im Radiointerview über künftige Regierungsoptionen zu fabulieren und dabei in der Reihenfolge Schwarz-gelb, Scharz-rot und die Ampel zu benennen.

Was für ein Scheiß…

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Die ARD und die Bundesliga am Sonntag (Teil 2)

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Ich hatte ja vor kurzem hier darüber berichtet, dass die ARD ein Problem mit den neu erworbenen Übertragungsrechten an der Fußball-Bundesliga hat. Ab der kommenden Saison darf das Erste auch am Sonntag von den Spielen berichten. Doch plötzlich gab es keinen Sendeplatz mehr. Der Polit-Talk Anne Will wird nicht verschoben oder gar geopfert.

Demzufolge hat Volker Herres, ARD-Programmchef, auf eine eigene Fußballsendung in der ARD am Sonntag Abend verzichtet und vorgeschlagen, dass doch die Dritten Programme die Rechte ausführlich verwerten sollten. Das wiederum hat nun für Unmut gesorgt. Die Dritten haben nämlich auch bereits vergebene Sendeplätze am Sonntag und beschweren sich nun über den Alleingang des ARD-Programmchefs.

„Wir lassen uns doch nicht unsere eigenen Sportsendungen versauen“, sagte ein Insider einer ARD-Anstalt dem „Handelsblatt“. Er fügte an: „Die Bundesliga gehört ins Erste.“

Quelle: infosat

Dumm gelaufen, kann man da nur sagen. Bisher bin ich noch nicht dahinter gestiegen, wer den Erwerb der Senderechte überhaupt zu verantworten hat. Denn derjenige hätte wissen müssen, dass „Anne Will“ mittlerweile zu den geschützen Klofrauen in den öffentlich-rechtlichen Bedürfnisanstalten umgeschult wurde, bei denen unsere Politiker ihre Sprechblasen sorgenfrei entleeren können (siehe dazu Georg Schramm, Scheibenwischer 2. Oktober 2003).

Vielleicht hat aber auch die DFL (Deutsche Fußball Liga) vor lauter GEZ-Geldgeilheit ordentlich Druck gemacht, damit nach dem abermaligen Kirch-Desaster um das Projekt Sirius, das der Liga Einnahmen in Milliardenhöhe zusichern sollte, nun doch noch ein paar Kröten mehr in die Taschen der Fußballer wandern. Doch Herr Rauball, Chef der DFL, hat sich ja auch schon beschwert.

Dabei würde es doch nun überhaupt keinen Unterschied machen, wenn in der Sendung „Anne Will“ neben den üblichen Phrasendreschern auch Reinhold Beckmann Platz nehmen würde, um zusammen mit Anne Will und den Gästen die Geschehnisse auf dem grünen Rasen zu analysieren. Da ließe sich nämlich Beckmanns Sendung am Montag gleich einsparen und die Politiker müssten zum „Abtröpfeln ihrer Notdurft an der emotionalen Pissrinne“ (siehe dazu auch Georg Schramm, Scheibenwischer 2. Oktober 2003) nicht noch unnötig lange Wege in Kauf nehmen.

Das wäre neben Unisex-Toiletten mal wieder eine echte Revolution im Sanitärbereich. :>>

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Lieber Anne Will statt teuren Fußball?

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Nun hat ja die ARD TV-Rechte an der Fußball-Bundesliga erworben. Und zwar darf sie ab der kommenden Saison nicht nur wie gewohnt von den Samstagsspielen in der Sportschau berichten, sondern auch am Sonntag auf Sendung gehen. Die Lizenzen sehen vor, dass bereits ab 21:45 Uhr bewegte Bilder von den Sonntagspartien gezeigt werden dürfen. Dafür hat die ARD noch einmal etwas mehr Geld aus dem Gebührentopf auf den Tisch gelegt.

Nun hat man aber das Problem, dass zu dieser Zeit, die umstrittene Sendung Anne Will ihren festen Sendeplatz hat. Und wie es derzeit aussieht, soll das auch so bleiben. Die teure Bundesliga will die ARD dann gegen 23 Uhr versenden, so als ob die Zielgruppe jene Menschen sind, die

zu jeder Zeit schauen können, da sie gar keinen Arbeitsplatz mehr haben, weil sie entweder Rentner oder Wohlfahrtsempfänger sind

Das fragt zumindest Jürgen Kaube in seinem FAZ-Blog. So nach dem Motto: Erst sorgt die Sendung Anne Will dafür, dass das Zuschauerpack ordentlich eins auf die Mütze bekommt und im Anschluss wird es dann mit Bundesligafußball sanft entschädigt. Sieht so der Plan etwa aus?

Man könnte doch wohl eher zu der Auffassung gelangen, dass die Sendung Anne Will einigen Interessen deutlich wichtiger ist, als der heiß begehrte Volkssport Nummer eins. Es sieht wohl so aus, als hätte sich die ARD ordentlich verspekuliert. Die Plattform neoliberaler Propaganda am Sonntagabend, deren Aufbau unter Will etwas Zeit gekostet hat, wird nun nicht mehr aufgegeben. Nach Christiansen Abgang wollte Anne Will ihre Sendung anders gestalten, vor allem offener. Dies wurde bitter bestraft. Das ging sogar so weit, dass die Berliner CDU unter ihrem ehemaligen und kläglich gescheiterten Fraktionschef Friedbert Pflüger die Absetzung der Sendung fordern durfte. Dies wurde damals sehr medienwirksam mit dem Vorwurf inszeniert, Will sei ideologisch verblendet, weil sie in einer Sendung sagte,

„Dass man mit der Linkspartei erfolgreich Politik machen kann, das weiß der Chef der einzigen rot-roten Koalition in Deutschland, der Regierende Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit.“

Nach dieser Auseinandersetzung war Anne Will plötzlich sehr darum bemüht, den Stil der Sendung immer mehr dem Vorgängerformat anzupassen. Auf den NachDenkSeiten werden regelmäßig Sendungsanalysen eines Lesers zur Verfügung gestellt, aus denen anschaulich hervorgeht, welcher Denkrichtung die meiste Redezeit zugestanden wird.

Und nun muss der Fußball den späten Sendeplatz einnehmen, den er auch schon im Privatfernsehen inne hatte. Eigentlich kein Gewinn für den Fan. Im Gegenteil. Er bezahlt mit seinen Gebühren diesen offensichtlichen Fauxpas der Programmlenker auch noch mit. Denn man hätte doch in der ARD wissen müssen, dass die politischen Interessen an einer reinen Propagandasendung wichtiger sind.

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