Dumm, dümmer, Weidmann

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Der Chef der Bundesbank, Jens Weidmann, wird zum Ende des Jahres mal wieder von FAZ/FAS interviewt.

Es gehört inzwischen zur Tradition bei FAZ/FAS, den Bundesbankpräsidenten am Ende des Jahres nach seiner Meinung zu fragen. Wie viel Jens Weidmann von Ökonomie versteht, beweist er auch dieses Mal. Nämlich nichts.

Weidmann blickt optimistisch auf das Jahr 2015 und hält wie viele andere auch, den gesunkenen Ölpreis für ein „geschenktes Konjunkturprogramm“. Ob Weidmann da nur den Unsinn von Edelfedern der scheinbürgerlichen Presse wie Piper (SZ) oder Steltzner (FAZ) nachplappert oder umgekehrt sie an seinen Lippen hängen, ist letztlich egal.

Schlecht überspielte Ratlosigkeit

Denn sowohl Weidmann, wie auch die angesprochenen Kommentatoren halten im Grunde nichts von Konjunkturprogrammen, wie sie immer wieder betonen. Heiner Flassbeck wies unlängst darauf hin und stellte deren Ratlosigkeit angesichts des gesunkenen Ölpreises fest.

Da sie aber die Funktionsweise eines echten Konjunkturprogramms nicht verstehen, glauben sie umgekehrt an eine vielversprechende Wirkung eines Umverteilungseffektes angesichts fallender Ölpreise. Die Unternehmen hätten nun mehr Spielraum zu investieren. „Wozu noch geldpolitisch eins draufsetzen“, fragt daher Weidmann.

Dabei missachtet der Bundesbank-Chef einen wichtigen Punkt. Ein hoher Ölpreis galt nach bisheriger Geschichtsschreibung als gottgegeben. Rohstoffknappheit auf der einen und hohe Nachfrage auf der anderen Seite ließen die Experten an konstant hohe oder fortwährend steigende Preise glauben.

Diese Prognosen vom hohen Rohstoffpreis bildeten in der Folge auch die Grundlage unternehmerischer Entscheidungen. Denn die Annahme, dass der Preis für fossile Energieträger hoch bleibe, hat Investitionen in alternative Verfahren ausgelöst. Selbst das bescheuerte Fracking zählt dazu.

Fällt der Ölpreis nun entgegen aller Erwartungen, rechnen sich diese Investitionen nicht mehr. Die Unternehmen kommen unter Druck. Abschreibungen wären die Folge. Ein Konjunkturprogramm sieht anders aus. Der fallende Ölpreis stützt also keinesfalls die Konjunktur wie Weidmann glaubt, sondern wird zum Risiko. Vor allem in einer Welt, in der es immer weniger Schuldner gibt und die Nachfrage spürbar lahmt.

Großer Mann mit kleinem Verstand

Weidmann nutzt den kleiner werdenden Ölpreis deshalb, um sich dahinter zu verstecken. Das gelingt problemlos, da nur deutsche Journalisten ihn für einen wichtigen und großen Menschen halten. International gilt Weidmann hingegen als ökonomischer Dummkopf.

Vor zwei Jahren warnte er noch vor Inflation und musste sich am Ende des Jahres 2012 aber die Frage gefallen lassen, warum die bloße Ankündigung des EZB-Chefs Draghi, im Notfall unbegrenzt Anleihen aufkaufen zu wollen ausreichte, eine erkennbare Entspannung an den Märkten herbeizuführen.

Nun warnt er wieder vor einem Ankauf von Anleihen durch die EZB. Die Verluste hätten die Steuerzahler zu tragen. Das ist nachgewiesener Maßen Blödsinn. Es gibt erstens kein Gesetz, dass den Steuerzahler dazu zwingt, Verluste der Zentralbank auszugleichen. Zweitens können Zentralbanken auch dann fortbestehen, wenn ihr Kapital aufgezehrt oder gar negativ geworden ist.

Zentralbanken sind eben keine Geschäftsbanken, die tatsächlich pleitegehen können und für deren Verluste der Steuerzahler, wie bereits geschehen, geradestehen muss, wenn es die Politik beschließt. Auch das ist ein Punkt, den Weidmann noch nicht begriffen hat oder bewusst verschleiert.

Gleichzeitig verlangt er aber von den Menschen, einer angeblich vernünftigen Politik, die in Wirklichkeit aus lauter Widersprüchen besteht, Glauben zu schenken.

Gespielte Empörung eines Brandstifters

Weidmann zeigt sich erschüttert vom wachsenden Nationalismus, übersieht aber seine eigene Verantwortung daran. „Die Eurokrise hat sicherlich auch das Vertrauen in das Wirtschaftssystem erschüttert, die Schuldigen werden gesucht und schnell ausgemacht: entweder der Euro oder die Nachbarn“, sagt er.

Dieser Satz kann nur als schlechter Scherz verstanden werden. Wer war es denn, der die Botschaft verbreitete, die Südeuropäer hätten der Eurozone schweren Schaden zugefügt? Und wer ist es denn nach wie vor, der laufend über eine angebliche Reformunwilligkeit dieser Staaten schwadroniert?

Weidmann jammert über fehlendes Vertrauen in ein Wirtschaftssystem, hält aber eine gefährlich niedrige Inflationsrate für ein Zeichen der Erholung. Der Mann will besser erklären, sorgt aber mit solchen Interviews weiter für die Verblödung der Massen. Vor allem bei jenen, die sich als gebildet verstehen.

Wir brauchen tatsächlich Aufklärung, dürfen aber nicht auf Karrieristen wie Weidmann hereinfallen, die nur mit Hilfe von Seilschaften und politischem Inzest in verantwortungsvolle Positionen gelangt sind. Diese Gestalten durften erst Brandstifter sein, dann Retter und Mahner und nun wieder Brandstifter. Widerliches Pack.


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Eine lange Reise für Nichts

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Merkel streichelt Tiere, besucht Pubs und näselt mit Ureinwohnern. Und das Ganze geht dann noch als Selfie um die Welt, wenn der Seibert mal nicht in der Nähe ist. Ansonsten bleibt alles wie es ist. Überall nette Storys über die Kanzlerin. Kritik Fehlanzeige.

Man muss sich das einmal vorstellen. Die Bundeskanzlerin bricht zu ihrer bislang weitesten Reise auf, um am anderen Ende der Welt auf dem G20 Gipfel in Brisbane zu verkünden, dass sie und ihre Regierung nichts an ihrem bornierten Kurs in der Wirtschaftspolitik ändern wird. Den Dienstflug, mit einem freudig twitternden Regierungssprecher hätte sie sich sparen können.

Drogenhandel verdeckt Rezession

Die Kanzlerin erwartet dennoch ein klares Signal für das Wachstum der Weltwirtschaft. Für sie und ihren Finanzminister heißt das vor allem „solide Haushalte“. Den Rest soll das sprichwörtliche Vertrauen regeln oder um es klar zu sagen: Die Bundesregierung hofft darauf, dass es irgendwo auf der Welt oder vielleicht auf dem Kometen, der eine halbe Milliarde Kilometer von der Erde entfernt unterwegs ist, Lebewesen gibt, die sich für das Wachstum verschulden.

Denn Deutschland hat als größte Volkswirtschaft Europas nicht vor, auch nur ein Stückchen vom bisherigen Konsolidierungskurs abzuweichen. Die „schwarze Null“ bleibt fest im Blick und die von Schäuble angekündigten 10 Milliarden Euro für Investitionen gemessen an der Wirtschaftskraft ein Witz. Der Haushalt der Bundesregierung profitiert vor allem von niedrigen Zinsen, mit der sich Schulden günstiger finanzieren lassen.

Doch die Chance für deutlich höherer Investitionen, die inzwischen der gesamte Planet von Deutschland immer deutlicher fordert, lässt die Bundesregierung verstreichen. Das sollen andere übernehmen, die noch nicht in der Ecke der sogenannten Defizitsünder stehen und dafür bestraft werden, weil sie den Überschuss der deutschen Wirtschaft Jahr für Jahr ermöglichten. Das Treffen werde dem weltweiten Handel Auftrieb verleihen, sagte Merkel. Wie, das bleibt ihr Geheimnis.

Hierzulande atmet man unterdessen schon wieder auf, weil die Wirtschaft mit 0,1 Prozent im dritten Quartal gewachsen sein soll und damit den weltweiten Turbulenzen weiterhin trotze. Dabei ist das Land gerade mal so an einer technischen Rezession (zwei Minus-Quartale infolge) vorbei geschrammt, wobei die dauernden Revisionen der Statistiker, die neuerdings auch illegale Geschäfte wie Drogenhandel oder Schmuggel in die Berechnungen mit einbeziehen, daran Zweifel aufkommen lassen.

Der vergessene Konflikt

Im Grunde genommen ist das auch Kaffeesatzleserei. Die deutsche Wirtschaft lahmt, die Zeichen stehen weiterhin auf Krise und die Bundesregierung feiert die schwarze Null als ein historisches Ereignis. Manchmal hat man das Gefühl, im Bundestag sitzt eine Sekte, die fernab der Wirklichkeit Erlösung feiert. Welchen Sinn ein Haushalt haben soll, der erkennbar in die Krise hinein spart und sie damit weiter verschärft, bleibt ohne Erklärung.

Stattdessen viel Pathos und vor allem Glaubenssätze, die von Generationengerechtigkeit und solider Haushaltsführung handeln. Beides ist falsch wie die marginalisierte Opposition bereits herausgefunden hat. Für die schwächelnde Konjunktur ist dann auch nicht die vermutlich „zweitbeste Bundesregierung“ aller Zeiten verantwortlich, sondern militärische Konflikte, die angeblich für Unsicherheit sorgen. Dabei boomt durch sie das Rüstungsgeschäft.

In Brisbane geht es daher auch nur am Rande um Wirtschaft. Das Thema Ukraine überlagert alles. Der Krieg im Osten soll ablenken von der Unfähigkeit des Westens, die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen. Kaum jemand spricht ja über die zutreffende Analyse der Amerikaner, dass Deutschland vor einem verlorenem Jahrzehnt stehe. Die stärkste Volkswirtschaft Europas solle mehr investieren und weniger sparen. Ein Konflikt, den niemand so gerne besprechen möchte.

Dann lieber darüber reden, ob noch mehr Sanktionen gegen Russland möglich sind. Schließlich zeige sich der russische Präsident weiter uneinsichtig und weigere sich, die Weltbilder des Westens zu akzeptieren. Er besitzt sogar die Frechheit, westlichen Medien einseitige Berichterstattung vorzuwerfen. Das fördert natürlich wieder nur den Beißreflex deutscher Medien, die sich lieber in einen Krieg der Worte verstricken lassen, als die Unzulänglichkeiten der eigenen Regierung aufzudecken.

Schwer ist das ja nicht. Denn von der einstigen Wachstumslokomotive, was schon reichlich übertrieben war, ist nicht mehr viel übriggeblieben. Deutschland ist selbst zum Problemfall geworden. Nicht nur wegen seiner anhaltenden Überschüsse, sondern nun auch wegen des erkennbaren Konjunktureinbruchs. Da hilft dann auch kein Drogenhandel mehr, um die Statistik schön zu rechnen.


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Regierung redet Lage weiter schön

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Während sich die neue EU-Kommission längst vom Aufschwung verabschiedet hat und die Entwicklung der Wirtschaft in der Eurozone und vor allem Deutschland halbwegs realistisch einzuschätzen vermag, mauert das politische Berlin. Beim Arbeitgebertag trafen daher Not und Elend aufeinander.

Das Land taumelt am Rande einer Rezession und der Wirtschaftsminister warnt. Nicht vor einer Krise, die längst da ist, sondern vor einer, die nur herbeigeredet werde. Denn als Wirtschaftsminister glaubt Sigmar Gabriel wie seine Vorgänger auch, ganz fest an das Wachstum und jenen Pfad, auf dem es seit Jahren nur dahin schleicht. Nun ist es elendig verschieden, doch Anlass für eine Kurskorrektur sieht die Bundesregierung nicht. Sie mauert sich weiter ein.

Glaube hilft nicht weiter

Beim Treffen der Arbeitgeber darf die Kanzlerin unwidersprochen sagen, dass die deutsche Wirtschaft keineswegs an einer Wachstumsschwäche im Innern leide, schließlich sei der private Konsum eine starke Stütze. Die muss man sich aber einbilden, denn sichtbar ist sie nicht, nicht mal als Krücke. Die gesunkenen Wachstumserwartungen, so die Kanzlerin, gehen vor allem auf geopolitische Risiken sowie die Ukraine-Krise zurück, an deren Verschärfung die Außenpolitik der Bundesregierung natürlich vollkommen schuldlos ist.

Die Regierung Merkel begreift die konjunkturelle Lage als Herausforderung, tut aber nichts weiter, als die gescheiterten Rezepte, die ja nur Glaubenssätze sind, wieder und wieder aufzuwärmen. Beispiel Lohnnebenkosten. Ihnen geht es immer dann an den Kragen, wenn die Zeiten düster werden. Sie sind daher eine beliebte Stellschraube der Politik. Denn eine Senkung der Beiträge entlaste ja Arbeitgeber wie Arbeitnehmer, so die Lehre.

Dass aber nur der Arbeitgeber Kosten spart, während dem Arbeitnehmer der Lohn und die Sozialversicherungsleistung gekürzt werden, sagt die Regierung nicht. Sie glaubt ganz fest daran und mit ihr die Arbeitnehmer, dass die Arbeitgeber die eingesparten Kosten in Investitionen schon umsetzen und damit mehr Arbeitsplätze schaffen werden. Eine Fehlannahme wie die Realität beweist, die allerdings vom Glaubensdogma und immer neu vermeldeten Beschäftigungsrekorden regelmäßig in den Schatten gestellt wird.

Von der Last der permanenten Begünstigung

Seit Jahren werden die Investitionsbedingungen für Unternehmen verbessert. Steuern wurden gesenkt, der Arbeitsmarkt flexibilisiert und das Bildungssystem nach den betriebswirtschaftlichen Wünschen der Arbeitgeber umgebaut. Genutzt hat es nichts. Zwar explodierten die Gewinne, diese standen als Investitionen im Inland aber nicht zur Verfügung. Zum einen, weil die Erwartungen von Anteilseignern vorrangig zu bedienen waren, zum anderen aber auch, weil die gesamtgesellschaftliche Nachfrage fehlte, die ein Investment hätte lukrativ erscheinen lassen.

Die Folge: Das Geld fließt in Form von Krediten ab und Deutschland ist abhängig von Märkten, auf denen tatsächlich Nachfrage herrscht. Das leugnet selbst die Bundesregierung nicht und nennt das ganze Wettbewerbsfähigkeit. Dabei verschuldet sich das Ausland aber bei uns mit rund 200 Milliarden Euro pro Jahr. So hoch ist nämlich der Bilanzüberschuss, den die Bundesrepublik ausweist. Das heißt konkret, dass die Mittel für Investitionen im Inland zur Verfügung stünden. Warum sollten dann also Firmen weiter entlastet werden, wie die Arbeitgeberlobby fordert und die Kanzlerin in Aussicht stellt?

Angebliche Belastungen sind nicht das Problem, sondern eine fehlende Nachfrage. Die kann sich aber nur dann entwickeln, wenn die Arbeitnehmer auch an den wachsenden Gewinnen beteiligt würden. Nur so hätten die bisherigen Aufschwungsfantasien der Politik, die bereits Wahnvorstellungen gleichen, eine Chance vom Reich der Träume in die Wirklichkeit überführt zu werden. Danach sieht es aber nicht aus, weil nicht einmal die Worte Nachfrage und Lohn im Glaubensbekenntnis der handelnden Akteure einen Platz finden.

Von der Schutzbedürftigkeit der Wertschöpfungskette

Löhne sind Kosten, die Arbeitgeber stören. Und was die Arbeitgeber stört, stört auch die Politik, der es schon reicht, wenn irgendwie Arbeitsplätze entstehen. Welche sind egal. Oder doch nicht? „Du sollst froh sein, Arbeit zu haben und nicht auch noch nach einem Lohn verlangen“, so könnte es in der Bibel der Arbeitgeber stehen. In Wirklichkeit stehen da aber Sätze wie: „Ich warne davor, dass ein weiterer Eingriff, eine weitere Reglementierung und auch eine weitere Reduzierung der Flexibilität am Ende ganze Wertschöpfungsketten gefährdet.“ (Daimler-Personalvorstand Wilfried Porth im Handelsblatt).

Gemeint sind Werkverträge, die angeblich Wertschöpfungsketten schützen und in deren unternehmerische Gestaltung sich niemand einmischen dürfe, weil sie vom Himmel direkt in den Schoß der Arbeitgeber fielen. Das stimmt nicht ganz. Denn die berühmten Arbeitsmarktreformen einer rot-grünen Bundesregierung gelten eindeutig als weltliche Ursache für diesen Trend und einer bis heute ungebrochenen Konjunktur im Bereich der Leiharbeit.

Dann gab es aber noch eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts im Jahr 2010, das die ausgehandelten Tarifverträge zwischen Scheingewerkschaften wie der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personal-Service-Agenturen (CGZP) für ungültig erklärte und den um ihren Lohn betrogenen Beschäftigten ein Klagerecht einräumte. Das wiederum führte zu den Werkverträgen wie wir sie heute kennen und bei denen Mitbestimmung durch Arbeitnehmer grundsätzlich ausgeschlossen ist.

Missbrauch ist nicht gleich Missbrauch

Bloß keine Regulierung, fordern die Arbeitgeber daher, was nicht heißt, dass dieser Grundsatz auch für die Tarifpolitik gilt. Hier liegen die Interessen bekanntlich anders. In diesem Bereich stören Flexibilität und Deregulierung wieder, weil diese Bedingungen von den Arbeitnehmern ja ausgenutzt werden, um mit den Mitteln des Arbeitskampfes Forderungen zu stellen. Sie müssen schon verstehen, wenn die Arbeitgeber Scheingewerkschaften gründen, um quasi mit sich selbst Tarifverträge auszuhandeln, ist das eine kluge Politik, die Wertschöpfungsketten schützt. Wenn aber Arbeitnehmer den Spieß umdrehen und sich eine Gewerkschaft suchen, die ihre Interessen vertritt, ist das ein klarer Missbrauch der Tarifautonomie.

Dann muss die SPD als letzte Instanz zur Rettung von Arbeitgeberinteressen ran und ein Gesetz ausarbeiten, dass möglichst rasch für Klarheit sorgt und die Rechte von Arbeitnehmern beschränkt. Und so ist es auch. Das verfassungswidrige Gesetz zur Tarifeinheit liegt schon zur Verabschiedung bereit, wie Bundesregierung und Arbeitgeber im Gleichklang loben. Mit einer Regulierung der Werkverträge, von denen die SPD einst noch sagte, sie würden missbräuchlich Anwendung finden, will sich die Arbeitsministerin hingegen noch etwas Zeit lassen. Frühestens 2016 werde das Thema angegangen, so versicherte es Nahles den Personalvorständen.

Trotz dieser Fakten, bewundern die Medien die Kanzlerin dafür, dass sie den jammernden Arbeitgebern die Stirn biete und zum Beispiel an der Frauenquote festhalte oder im Angesicht zunehmender Altersarmut eine Senkung der Rentenbeiträge ankündigt. Es gebe wahrscheinlich wieder Spielräume, trotz schwächelnder Konjunktur? Dass die Senkung der Beiträge zuletzt noch ausgesetzt worden war, mit der Begründung, nur so Mütterrente und Rente mit 63 finanzieren zu können, wirft zwar Fragen auf, stört die Medien aber auch nicht weiter. Schließlich missbraucht die Kanzlerin ihren Posten ja nicht. Sie schwänzt ja nur einen anderen Beruf.


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Und täglich grüßt das Murmeltier

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Privater Konsum im Wandel einer Woche: Vom unbelegten Hoffnungsschimmer zum größten Umsatzeinbruch seit Jahren. Alle tun zu Unrecht überrascht.

Vor einer Woche sahen die Medien noch einen Hoffnungsschimmer für die Konjunktur. Denn der GfK-Index stieg erstmals wieder. Trotz der internationalen Krisen habe sich die Laune der deutschen Verbraucher aufgehellt, hieß es. Nachdem das Statistische Bundesamt heute seine monatlichen Zahlen zu den Umsätzen im Einzelhandel veröffentlicht hat, herrscht weiter unten in den Nachrichten Katzenjammer. „Größter Umsatzeinbruch seit Jahren“, ist da jetzt zu lesen. Überraschend ist das aber nicht.

Wer das Murmeltier kennt, weiß auch, dass es täglich von neuem grüßt. Nur die Medien begreifen es nicht, dass der gefühlte Konsumklimaindex der GfK (Gesellschaft für Konsumforschung) keinerlei Aussage zum Kaufverhalten tätigt, sondern ähnlich unwissend ins Blaue schießt, wie die Wirtschaftsweisen mit ihren teuren Gutachten zweimal im Jahr.

Nun wirken alle wieder überrascht. Die Rahmenbedingungen seien doch gut. „Die Arbeitslosigkeit ist so niedrig wie seit drei Jahren nicht mehr, die Beschäftigung auf Rekordhoch, die Löhne steigen deutlich stärker als die Preise und erhöhen die Kaufkraft“, heißt es bei der Tagesschau. Vielleicht stimmt ja etwas mit der Bewertung der Rahmenbedingungen nicht?

Richtig hinschauen, hilft beim Sehen

Möglicherweise ist die Arbeitslosigkeit nicht so niedrig wie behauptet, sondern nur die Zahl, die vorgibt, sie zu messen. Möglicherweise ist die Beschäftigung ja auf einem Rekordhoch. Doch was heißt das schon, wenn nicht klar ist, wie viel Arbeitsstunden diese Beschäftigung umfasst. Möglicherweise sind die Löhne „deutlich“ gestiegen. Nur wieso liegt dann die Lohnquote rund fünf Prozentpunkte niedriger als im Jahr 2000?

Mag das vielleicht daran liegen, dass die Gewinneinkommen seit 2000 um rund 66 Prozent gestiegen und die Bruttoentgelte der Arbeitnehmer im gleichen Zeitraum lediglich um 27 Prozent zulegten? Das macht preisbereinigt einen Anstieg in 14 Jahren um gerade einmal 1,8 Prozent. Mag es vielleicht daran liegen, dass der Beschäftigungszuwachs vor allem dort zu verzeichnen ist, wo in Teilzeit mit vergleichsweise schlechter Bezahlung gearbeitet wird?

Ist es nicht eher so, dass sich sechs Prozent mehr Beschäftigte eine nur geringfügig höhere Lohnsumme teilen, was unterm Strich dazu führt, dass die Arbeitnehmerentgelte je Beschäftigten statt deutlich gestiegen eher deutlich gesunken sind? Statistiken muss man schon richtig lesen können, um nicht ständig Gefahr zu laufen, von der Realität überrascht zu werden.

Laut IAB-Berechnungen sind im Zeitraum von 2000 bis 2013 rund 1,7 Millionen Vollzeitstellen weggefallen und dafür 4,2 Millionen Jobs in den Bereichen Leiharbeit, Teilzeit, Minijobs, 1 Euro Jobs und Solo-Selbstständige entstanden. Wer diese Entwicklung kennt, wird sich nicht wundern, dass das wenige Geld der Verbraucher nicht mit vollen Händen ausgegeben werden kann.

Doch das interessiert die Überraschten nicht. Sie freuen sich aufs Weihnachtsgeschäft, das den erhofften Schub schon bringen wird. Sie verteilen Durchhalteparolen und Fotos mit vollen Konsumtempeln. Das Murmeltier wird dann nach dem Fest wieder zu sehen sein, wenn klar ist, das auch dieses Jahr wieder genauso beschissen verlaufen ist, wie das davor und das davor und das davor.

Quellenangabe: Die Daten zur Lohnentwicklung habe ich aus den Dossiers von Michael Schlecht entnommen, MdB, Wirtschaftspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion Die Linke.


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Politik will Luft anhalten bis es besser wird

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Die Bundesregierung plant zur Abwendung der sich verschärfenden Krise nichts und glaubt mit einer Mischung aus Kürzungen, Neuverschuldungsverbot und Sanktionen die Wende zum Guten schaffen zu können. Eine verrückte Einstellung.

Die verschärften Sanktionen haben deutsche Exporte nach Russland einbrechen lassen. Wie das Statistische Bundesamt mitteilt, sanken die Ausfuhren im August im Vergleich zum Vorjahresmonat um mehr als 26 Prozent. Auch die EU rechnet mit einer dämpfenden Wirkung, allerdings seien die Auswirkungen auf die russische Wirtschaft immer noch stärker. Deshalb, so die Überzeugung der Brüsseler Kommission, machen die Sanktionen auch weiterhin ökonomisch Sinn. Eine verrückte Einstellung.

Sanktionen schaden der Wirtschaft hüben wie drüben. Das steht fest. Wie aus einem Prozedere, das alle Beteiligten in einen Abwärtsstrudel reist, ein positives Ergebnis entstehen soll, ist nicht nur unklar, sondern auch unlogisch. Vor allem die vom Export abhängige deutsche Wirtschaft leidet. Nach Auffassung der Bundesregierung muss sie das aber in Kauf nehmen, damit Russland seine Haltung ändert. Mit anderen Worten: Wir halten solange die Luft an, bis Putin einlenkt.

Keine Impulse mehr

Dieses infantile Gehabe funktioniert schon im Sandkasten nicht. Auf großer politischer Bühne ist es sogar gefährlich. Denn Europa inklusive Deutschland taumelt in die nächste Rezession. Wer neben verordneter Kürzungspolitik und Neuverschuldungsverbot auch noch den Handel mit verbliebenen Partnern aussetzt, darf sich über konjunkturelle Einbrüche nicht wundern. Die deutsche Wirtschaft braucht bisher 200 Milliarden Euro Auslandsverschuldung, um nur ein bisschen zu wachsen.

Das allein hat mit solider Wirtschaftspolitik schon nichts zu tun. Aber bricht auch dieser Impuls weg, bleibt in Deutschland nichts mehr übrig, das für Impulse sorgen könnte. Die ständig gefeierte Binnennachfrage? Ein Witz, in Wirklichkeit stagniert sie seit Jahren. Da würde nicht mal das bevorstehende Weihnachtsgeschäft helfen, das uns von den Medien auch in dieser Adventszeit wieder als Zugpferd mit Bildern voller Einkaufspassagen präsentiert werden wird.

Nach allen vorliegenden Prognosen ist es vielmehr so, dass private Haushalte auch im kommenden Jahr versuchen wollen, 150 Milliarden Euro neu zu sparen. Das kann man ihnen nicht vorwerfen, werden sie ja permanent damit traktiert fürs Alter vorzusorgen. Zuletzt auch wieder vom Sparkassenverband, der sich darüber wunderte, dass vor allem Menschen mit geringen Einkommen die Vorsorge vergessen.

Fehlschlag und fehlende Einsicht

Nur werden auch diese Sparversuche nichts bringen, wenn auf der anderen Seite die Schuldner fehlen. Das wird auch der Bundesfinanzminister erkennen müssen, der noch immer an den Erfolg einer Strategie glaubt, die sich „wachstumsfreundliche Konsolidierung“ nennt. Kurz: Schwarze Null. Was in der theoretischen Vorstellung schon unvernünftig ist, wird ohne Wachstum auch in der Praxis wieder zu einem Fehlschlag werden.

Die angebliche Wachstumslokomotive stockt. Neben dem Handelskrieg mit Russland, bleibt auch die Investitionstätigkeit in Deutschland weiterhin schwach, trotz der hohen Gewinne, die in den vergangenen Jahren auf der Kapitalseite entstanden sind. Unternehmen schwimmen förmlich im Geld und investieren trotzdem nicht, weil es eben keine Nachfrage gibt. Auch das ist eine Wahrheit, die bei politischen Entscheidungsträgern zu keinerlei Erkenntnis führt.

Sie halten weiterhin an dem Dogma fest, die Investitionsbedingungen nur verbessern zu müssen, etwa durch Steuererleichterungen oder ganz neu, durch das Versprechen, höhere Renditen für privates Kapital zu zahlen, falls dessen Besitzer das Geld zur Verbesserung der maroden Infrastruktur zur Verfügung stellen. Schäuble hat mal gesagt, er wolle ein guter Kaufmann sein. Da er öffentliche Schulden billiger haben kann als einen privaten Fonds, wird er nicht mal diesem falschen Anspruch gerecht.

Die Bundesregierung braucht keine echten und keine falschen Kaufleute, sondern Menschen mit volkswirtschaftlichem Sachverstand. Die würden erkennen, das die bisherige Politik einen enormen Schaden anrichtet, statt diesen zu vermeiden, wie es eigentlich in der Verfassung steht und mit Amtseiden geschworen wird.


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Merkel kreiert sich eine Welt, wie sie ihr gefällt

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Die Bundeskanzlerin und ihr Finanzminister wehren sich weiterhin gegen die ökonomische Vernunft und wissen weite Teile der deutschen Medien hinter sich.

Frankreichs Premierminister Manuel Valls hat heute Bundeskanzlerin Angela Merkel zu Gesprächen in Berlin getroffen. Überschattet wurde der Besuch wie üblich von unverschämten Äußerungen parlamentarischer Hinterbänkler aus dem Bundestag. Sie warfen den Franzosen mangelnde Reformbereitschaft vor. Der Grund für das viertklassige Geschrei ist einfach. Die Bundesregierung ist mit ihrem Krisenlatein am Ende und versucht abzulenken.

Die Kunst des Wachstums

„Wir haben eine Vielzahl von Möglichkeiten, auch ohne zusätzliches Geld mehr Wachstum zu kreieren.“ Wenn etwas unverschämt ist, dann dieser Satz der Kanzlerin im Anschluss an das Treffen mit Valls. Er zeigt, dass die deutsche Regierungschefin alles sagen kann, ohne auch nur im Ansatz dafür kritisiert zu werden. Wachstum ist für Merkel inzwischen zu einer künstlerischen Darbietung geworden, die offenbar nur Deutschland beherrscht.

Deutschland ist wahrhaft meisterhaft darin, Haushaltskonsolidierung und Wachstum gleichermaßen zu erzielen. Diesen scheinbaren Erfolg tragen Merkel und eine Öffentlichkeit, die nichts von Ökonomie verstehen, stolz vor sich her. Das beides nur deshalb funktionieren konnte, weil Länder wie Frankreich eine Politik betrieben haben, die hierzulande gerade aufs Schärfste verurteilt wird, sehen die wenigsten.

Wachstum auf Kosten der anderen. Das gibt es doch nicht. Wenn nur alle so wären wie Deutschland, ginge es doch allen noch besser, so die simple Logik. Doch wenn alle so wären wie Deutschland, also Löhne und Renten kürzen, Arbeitnehmerrechte und den Sozialstaat beschneiden und die Schuldenaufnahme begrenzen, ja wer ist dann noch bereit, den Schurken zu spielen? Wer ist bereit, die Überschüsse zu finanzieren? Wer ist bereit, dafür selbst Defizite in Kauf zu nehmen, ohne die kein Überschuss in der Bilanz existieren kann?

Deutschland ist der echte Schurke

Die Wahrheit ist, ein echter Schurke wie Deutschland braucht Länder wie Frankreich, um sein krankes Wirtschaftsmodell am Leben halten zu können. Nun sollen sie aber alle wie der echte Schurke werden und schon reist die Realität die Fassade fragiler Denkgebäude diesseits des Rheins ein. Denn selbst Deutschland spürt die Krise am eigenen Leib, will aber nicht wahrhaben, dass es sich ändern muss.

Merkel wie auch einen Tag zuvor Schäuble beim G20 Treffen lehnen öffentliche Investitionen strikt ab. „Der Fonds ist dafür da, dass er nicht gebraucht wird“, sagte Schäuble nach dem G20-Treffen. Wieder so ein Satz ohne Sinn und Verstand. Die Milliarden des ESM liegen ungenutzt herum. Sie sollen retten für den Fall, dass ein Land wie Italien oder Spanien wieder in eine Notlage gerät. Doch reichen die Mittel dann auf keinen Fall. Die Rettung, der Zweck des Fonds, würde also scheitern.

Nutzen würden die Gelder aber denselben Staaten, wenn sie damit ein Konjunkturprogramm finanzieren und folglich einen Nachfrageimpuls auslösen könnten. Sie hätten volkswirtschaftlich betrachtet die Chance, sich aus einer Lage zu befreien, in der sie im Augenblick nur wieder zum Rettungsfall werden würden. 

Statt Vielfalt immer nur die eine Antwort

Es gibt keine Vielzahl von Möglichkeiten, mal eben Wachstum zu kreieren. Im Augenblick werden auch die Prognosen reihenweise nach unten korrigiert. Wo sind denn die Möglichkeiten? Merkel nennt Bürokratie-Abbau. Über diesen absurden Behelfsvorschlag kann man nicht mal mehr lachen. Die deutschen Medien staunen dennoch wie eh und je ob der geglaubten ökonomischen Genialität ihrer Kanzlerin. In Wirklichkeit stellt die Bleierne aber keine Auswahl in Aussicht. Sie gibt nämlich immer nur eine und zwar die falsche Antwort.

Wirtschaftsausblick

Quelle: OECD

Diese Daten gibt es grafisch auch schön aufbereitet bei den österreichischen Kollegen vom Kurier.


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Europa in der Dauerkrise

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Nach den Personalentscheidungen in Brüssel dürfte die Wirtschaftspolitik in der kommenden Woche wieder eine Rolle spielen. Das neoliberale Weltbild ist erschüttert, denn die versuchte Sparsamkeit ist teuer. Neue Schulden wären billiger.

Am Donnerstag tagt der Rat der EZB. Thema ist die Dauerkrise in der EU. Denn deren Wirtschaftsleistung stagniert im zweiten Quartal, was am Mittwoch durch die offizielle Schätzung der Statistiker noch einmal deutlich werden dürfte. Deutschlands BIP ist im zweiten Quartal sogar geschrumpft. Die selbsternannte Wachstumslokomotive hat den Rückwärtsgang längst eingelegt.

Allein die Lokführerin Angela Merkel will es nicht wahrhaben und stellte vergangene Woche den EZB-Präsidenten Draghi am Telefon zur Rede. Der hatte nämlich auf einer Konferenz der Notenbanker vorsichtig angedeutet, dass Investitionsprogramme helfen könnten, die lahmende Konjunktur in der Eurozone wieder anzukurbeln.

Ordnungsruf für die Wirklichkeit

Solche spalterischen Gedanken ärgern die Berliner Eisenbahngesellschaft, die trotz Irrtums an ihren Sparversuchen festhalten will. Dazu gebe es keine Alternative, heißt es (t)rotzig. Und obwohl die Arbeitslosenquote in der Eurozone im Juli bei 11,5 Prozent verharrt und die Inflationsrate inzwischen nur noch 0,3 Prozent beträgt, lautet die einfache Formel durchhalten statt umdenken.

Wer auch nur in die Nähe eines vernünftigen Gedankens wankt, erhält sofort einen Ordnungsruf. In Frankreich wird gar eine ganze Regierung ausgetauscht. Minister mit eigener Meinung werden durch Minister mit der Meinung des Regierungschefs ersetzt. In Deutschland empfiehlt ein sozialdemokratischer Wirtschaftsminister die Schaffung eines lukrativen Fonds, der private Gelder für öffentliche Investitionen einsammeln soll.

Die schwarze wie heilige Haushaltsnull darf nicht umfallen und die Schuldenbremse nicht reißen. Wer genau hinschaut, stellt aber fest, dass das Ziel der Sparversuche krachend gescheitert ist. Gemessen an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit haben die Schulden, die mit strikter Austerität ja reduziert werden sollten, in der Eurozone neue Rekordstände erreicht. Gebremst wurde hingegen nur das Wachstum und damit jene Einnahmequelle, die Staaten in die Lage versetzt, ihre Schulden überhaupt zu bedienen.

Schulden so billig wie nie

Im August meldete das statistische Bundesamt, dass die öffentlichen Schulden der Bundesrepublik das erste Mal seit 64 Jahren gesunken sind. Die Medien erweckten daraufhin den Eindruck, dass Deutschland erstmals Schulden zurückbezahle oder tilge.

Das ist natürlich grober Unfug, da ein Land ständig seine Schulden zurückzahlt und zwar immer dann, wenn die Laufzeit von Anleihen abgelaufen ist, der Gläubiger also seine Kohle zum vereinbarten Termin nach ein paar Monaten oder zehn Jahren wiedersehen will. Woher nimmt der Staat das Geld? Er leiht es sich. In letzter Zeit geht das zu sehr günstigen Konditionen, weil die EZB mit Draghi an der Spitze notfalls für alle Anleihen bürgt.

Im Umkehrschluss bedeutet das, dass die Refinanzierung dieser Schulden deutlich billiger ist, als vor der Krise. Die laufenden Kreditkosten, also Zinsen, die aus dem Haushalt bezahlt werden müssen, sinken. Im Fall Deutschlands ist das der Grund für die schwarze Null. Schäuble hat nicht gut gewirtschaftet, sondern profitiert vielmehr vom Zinsvorteil, den ihm die EZB gewährt. Er tilgt alte Schulden mit günstigeren neuen Schulden. Mehr nicht.

Gewollte Sparsamkeit kann teuer werden

Gleichzeitig maulen er und Merkel aber herum, dass die lockere Geldpolitik der Zentralbank die Sparabsicht aller konterkariere und zum Schuldenmachen einlade. Nur, wer seine alten Schulden zurückzahlen will, muss neue Schulden machen. Wer darüber hinaus investieren will, muss noch mehr neue Schulden machen, bekommt im Gegenzug aber eine Zunahme der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, weil sich die gesamtwirtschaftliche Nachfrage insgesamt erhöht. Das heißt, der Schuldenstand sinkt in Relation zum BIP. Eine expansive Fiskalpolitik wie von Draghi sachte empfohlen, wäre die günstigste und eine nachhaltige Alternative.

Berlin lehnt das aber ab, weil es dem eigenen Weltbild widerspricht. Nur wer gar keine neuen Schulden machen und auch gar nicht investieren will, hat den Kapitalismus nicht verstanden und muss am Ende noch viel mehr neue Schulden machen, nur um die Substanz zu erhalten. Wirklich sparen kann also nur der, der Schulden regelmäßig macht und das Geld sinnvoll investiert. Stattdessen wollen Teile der Politik lieber der Finanzindustrie mit der absurden Idee höherer Zinsversprechen im Rahmen eines Fonds zu einem Geschäft verhelfen, nur um den Anschein zu vermeiden, eigene Schulden aufnehmen zu müssen.

Der Vorteil beim Weg über einen Fonds liegt natürlich auf der Hand. Seine vergleichsweise hohen Kosten taugen als Begründung für kommende Kürzungsrunden, die dem Mantra der Sparsamkeit und damit dem zerbröselten Weltbild wieder entsprechen. Dass dafür Ressourcen sinnlos verplempert bzw. Geld von unten nach oben umverteilt werden müssen, geschenkt. Wer übrigens Schulden abbauen will, muss das Vermögen reduzieren. Steuern zu erhöhen, wäre da ein probates Mittel, das aber seit der letzten Wahl quasi ausgeschlossen ist. Über Steuererhöhungen redet man nicht mehr. Damit ist an dieser Stelle eines sicher: Die Krise bleibt von Dauer.

Noch ein Lesetipp: Heiner Flassbeck fasst die Lage sehr viel besser zusammen.

http://www.flassbeck-economics.de/was-im-august-wichtig-war/


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Flasssbeck findet klare Worte

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Heiner Flassbeck hat sich mit einem bemerkenswert deutlichen Interview aus der Sommerpause zurückgemeldet. Es ist nicht Frankreichs Schuld, dass Deutschland Lohndumping betreibt, sagt er. Allerdings hätte Hollande ein Bündnis mit der Vernunft statt mit Merkel eingehen sollen.

Heiner Flassbeck rechnet mit einer weiteren Rezession in Europa, weil in den entscheidenden Positionen nicht begriffen wird, dass es kein Sparen ohne Schulden gibt. Frankreichs Präsident habe versagt. Statt eine Phalanx der Südländer und damit Vernunft gegen die deutsche Überheblich- und Engstirnigkeit zu bilden, zieht es Hollande lieber vor, sich bei Merkel anzubiedern.

Dieser Plan muss scheitern, weil die Politik Merkels bereits gescheitert ist. Die vergiftete Medizin, die vor allem Deutschland seinem Nachbarn empfiehlt, wird die Krise weiter verschärfen. Die Realität zeigt es eindrucksvoll. Hier gehen dennoch viele davon aus, dass die Dosis nur nicht hoch genug war, um segensreich wirken zu können.

Sollte Hollande und das französische Volk die Einnahme aber verweigern, so droht man hierzulande, wäre eine Katastrophe die unvermeidbare Folge. Marine Le Pen reibe sich schon die Hände. Dieses Szenario ist tatsächlich real, stellt auch Flassbeck fest. Aber nur dann, wenn Frankreich die bittere Pille auch schluckt und am Ende merkt, dass sie nicht wirkt.

Flassbeck:

Wir brauchen Nachfragepolitik, eine Anregung durch höhere Schulden der Staaten. Ich sage das so provokativ, weil wir endlich begreifen müssen, dass es kein Sparen ohne Schulden gibt und dass Länder wie Deutschland und die Schweiz nicht auf alle Ewigkeit darauf vertrauen können, Schuldner im Ausland zu finden. 

Mit der Bedingung, nur solche Minister einstellen zu wollen, die den deutschen Kurs künftig uneingeschränkt mittragen, hat Hollande auch die französische Demokratie zur reinen Demokratur oder Dekokratie verwandelt. Widerspruch wird nicht mehr geduldet. Wozu dann noch Minister? Die Abstimmungen in der Nationalversammlung dürften interessant werden.

Übrigens habe ich schon nach der Wahl von Hollande darauf hingewiesen, dass er die in ihn gesetzten Hoffnungen enttäuschen und nur ein Übergangspräsident auf dem Weg zu Marine Le Pen sein würde. Die hatte damals zur Stichwahl taktisch geschickt auf eine Wahlempfehlung zugunsten Sarkozys verzichtet.

Sie rechnete erstens mit dem Zerfall der bürgerlichen Rechten wie auch mit dem Versagen der Linken. Man möchte schreiben, die Wahlen 2017 sind schon entschieden. Heiner Flassbeck sagt: „Schon heute ist klar, dass die Nationalisten in den kommenden Jahren einen Höhenflug erleben werden und womöglich Europa den Todesstoß geben. Und wir werden das offenbar erst merken, wenn der Schaden angerichtet und es zu spät ist.“


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Neubildung bleibt aus

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In Frankreich wird die Regierung neu gebildet, in Deutschland bleibt alles beim alten: Keine Bildung.

Auch heute sprudeln dogmatische Glaubenssätze aus den Kommentarspalten deutscher Zeitungen. In jedem Fall sei es richtig, dass sich Hollande, der nach übereinstimmender Meinung ein gescheiterter Präsident sei, richtig entschieden und sich des aufmüpfigen linken Wirtschaftsministers Montebourg entledigt habe. Wirtschaftspolitischen Sachverstand sucht man in den meisten Texten allerdings vergebens.

Frankreich stecke in einer tiefen Wirtschaftskrise, aus der es sich nur mit einer entschieden umgesetzten Reform-Agenda nach deutschem Vorbild befreien könne. Deutsche Kommentatoren erteilen da gerne Ratschläge und wissen wenig. So ist niemandem aufgefallen, dass die französische Nationalversammlung bereits im April diesen Jahres ein Stabilitätsprogramm verabschiedete, das weit über den Inhalt der deutschen Agenda 2010 hinausgeht.

Ein Sparplan, der 50 Milliarden Euro bringen soll. Er sieht vor, Beamtengehälter und zahlreiche Sozialleistungen bis 2017 einzufrieren. Hollande kopiert längst die dogmatische Politik Deutschlands und sucht sich jetzt nur noch das passende Personal dafür. Die Abgeordneten versagen ihm immer häufiger die Gefolgschaft. Sie sagen zurecht, dass sie für diesen politischen Kurs nicht gewählt worden sind.

Deutsche Medien interessieren die politischen Verhältnisse aber nicht. Sie faseln von Versprechungen im Wahlkampf, die unter den Bedingungen des Sachzwanges nicht mehr eingelöst werden können. Richtig sei, was aus ihrer Sicht notwendig um nicht zu sagen alternativlos ist und nicht, was die Mehrheit sich wünscht. Wo kämen wir auch hin, wenn der Souverän per Wahl die politische Richtung mitbestimmen könne.

Dass es auch vernünftige Stimmen im rauschenden Blätterwald gibt, beweist einmal mehr Ulrike Herrmann von der taz. Sie sagt klar: „Frankreich braucht keine Agenda 2010“. Die Autorin erklärt auch warum. Damit hat sie schon mehr geleistet als jene Kommentatoren, die umgekehrt stumpfsinnige Reformen fordern, auf eine nachvollziehbare Begründung aber verzichten.


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Die große Enttäuschung

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Europa taumelt ökonomisch nicht am, sondern im Abgrund vor sich hin. Stimmen der Vernunft werden vom lauten Chor fanatischer Dogmatiker weiterhin nieder gebrüllt.

In der vergangenen Woche ist etwas bemerkenswertes passiert. Zahlreiche Ökonomen verschiedener Schulen, darunter viele Nobelpreisträger, kritisierten auf einer Tagung in Lindau die Austeritätspolitik von Kanzlerin Merkel. Die verteidigte sich mit der üblichen wie falschen Behauptung, Deutschland habe bewiesen, durch Konsolidierung seiner Haushalte Wachstum zu erzielen. Das könnten andere auch, wenn sie nur die gleichen Reformen umsetzten, wie einst Deutschland mit der Agenda 2010.

Hinzu kam der Vorstoß des inzwischen geschassten französischen Wirtschaftsministers Arnaud Montebourg, der im Interview mit Le monde vor einer dauerhaften Rezession warnte und deshalb einen Politikwechsel forderte. Paris müsse sich vom dogmatischen Berlin lösen und eine wirtschaftspolitische Alternative anbieten. Das ging den geschröderten Sozialisten zu weit und die Regierung trat zurück.

Das Ergebnis: Die deutschen Medien spotten über den vermeintlich kranken Mann Europas. Hollande habe nun gar keine Wahl mehr. Er müsse den Rezepten folgen, die in Deutschland angeblich schon einmal erfolgreich waren. Damit könne er sich wenigstens noch Respekt verdienen, denn zur Wiederwahl wird es nicht mehr reichen, urteilt Michael Strempel in den Tagesthemen.

Er macht sich für uns alle sorgen um Frankreich, das nicht nur Hollande, sondern auch Deutschland als Partner zu entgleiten drohe. Überall Hiobsbotschaften, stellt Strempel fest. „Arbeitslosigkeit stabil zweistellig, Unternehmen verlassen das Land und die Staatsausgaben laufen aus dem Ruder“, kurzum: Die Wirtschaft geht den Bach runter.

Und dann noch orthodoxe Linke wie dieser Montebourg, die immer nach der gleichen Therapie rufen würden, also den Geldhahn aufdrehen und bloß keine Zumutungen für die Bürger. Genau so sei Frankreich dahin gekommen, wo es heute stehe, analysiert Strempel völlig ahnungslos.

Die Wahrheit sieht freilich anders aus und ist von jenen Ökonomen beschrieben worden, denen Merkel vergangene Woche in Lindau begegnete. Sie halten das deutsche Gefasel über Reformen für blanken Unsinn. Jeder kann übrigens sehen, dass der Austeritätskurs in Europa gescheitert ist. Trotzdem wird so getan, als sei der nicht die Ursache für die Misere, sondern die Lösung.

So eine Nulpe wie Strempel meint daher auch, dass echte Wirtschaftsreformen sowie eine Schlankheitskur für den krakenhaften Staatsapparat und ein Arbeitsmarkt, der nicht einbetoniert ist in Besitzstandswahrung, Frankreich aus der Depression hinaus führen könne. Wer fordert denn hier eigentlich die immer gleiche Therapie?

Ist es nicht so, dass genau diese vermeintlichen Reformen eine Abwärtsspirale in Gang setzten, die das Wachstum in Europa einschließlich das Deutschlands nunmehr zum erliegen gebracht hat? Steigt Frankreich in den Wettlauf sinkender Lohnstückkosten ein, um seine Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern, was macht dann Deutschland, dass seine Wettbewerbsanteile und seine Exportüberschüsse mit aller Macht verteidigen will?

Wie kam Deutschland eigentlich zu seiner relativen Wettbewerbsfähigkeit? Lag es an den Reformen? Oder wohl eher daran, dass den Überschüssen entsprechende Defizite gegenüberstanden. Falls Marine Le Pen die nächste Präsidentin Frankreichs werden sollte, hat nicht Hollande allein diese Katastrophe zu verantworten, sondern vielmehr der Glaube an eine falsche Wirtschaftspolitik.

Beim Treffen in Lindau sagte Merkel einen verräterischen Satz. Sie beschwerte sich über falsche Prognosen der Ökonomen und forderte von ihnen mehr Ehrlichkeit ein. Doch was zwingt die Kanzlerin eigentlich dazu, die falschen Prognosen weiterhin als Wahrheit zu verkaufen? Hat sie etwa selbst ein Problem damit, Fehler einzugestehen?


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