Invisible Hand

Geschrieben von:

Eine neue Regierung darf nicht regieren, sondern bloß den Anschein von Demokratie wahren. Denn im Kern soll auch die neue das tun, was ihre Vorgängerin auch getan hat. Nämlich sparen. Das gilt für Griechenland, Italien und Spanien. Alle drei Länder haben neue Regierungen, die allesamt freudig begrüßt worden sind. Sie sollen nun fortsetzen oder wahlweise auch verschärfen, woran ihre Vorgänger gescheitert sind.

Man kann die Heuchelei schon gar nicht mehr hören. Sie stinkt zum Himmel. Was soll sich ändern, wenn sich nichts ändert? Was soll sich an der Situation der Griechen, Italiener und Spanier ändern, wenn ihnen noch immer das Mantra des Sparens und einer wie auch immer gearteten Reformpolitik zur Auflage gemacht wird? Da quatschen vermeintliche Experten darüber, dass sich mit dem Wechsel in der Exekutive der Sparerfolg automatisch einstelle und die Wirtschaft schon an Fahrt gewinnen werde.

Dem traut man es zu, heißt es ahnungslos. Was traut man ihm zu? Das er die unsichtbare Hand zu führen vermag? Wenn der nur richtig spart und Reformen anpackt – wahrscheinlich die Staatsgewalt neu organisiert und gegen den Pöbel in Stellung bringt – dann wird auch wie von Zauberhand die Wirtschaft wieder wachsen. So unfassbar banal ist die Welt der durch Steuergelder finanzierten Weisen, Berater und Berufspolitiker.

Doch zunächst müssen alle bluten, weil nun einmal die Zeit der harten Einschnitte gekommen sei. Da sind sich alle Experten und medialen Mietmäuler und Nachbeter einig. Es gibt keine Alternative zum aktuellen Mainstream. Wer dagegen anschwimmt, ist schon verloren. Es wird nur keine unsichtbare Hand geben, die die vielen Einzelinteressen in das Wohl aller zu verwandeln vermag.

Sie wurde längst abgelöst. Und zwar durch den Knüppel einer herrschenden Kaste, die augenscheinlich keine Ketten mehr braucht, um jemanden zu fesseln. Man nimmt es hin oder klatscht Beifall. Was kümmert schon der eigene Schmerz, wenn der andere noch viel mehr leidet. Wie bequem für die herrschende Kaste, wenn sie auch den Knüppel nicht selbst zu schwingen braucht.  

0

“Markt”News am Montagmorgen

Geschrieben von:

Ich war etwas erstaunt, als ich vorhin in den Nachrichten hörte, dass der neue italienische Ministerpräsident Mario Monti unter Druck gestanden habe, eine neue Regierung zu bilden, weil heute die Finanzmärkte wieder öffnen. Bei Spiegel Online steht:

Ob die Märkte wirklich wieder Vertrauen in die italienische Regierung fassen, wird sich bereits am Vormittag zeigen. Mit Spannung wird der geplante Verkauf fünfjähriger italienischer Staatsanleihen erwartet. Die Regierung in Rom will im Volumen von drei Milliarden Euro neue Kredite aufnehmen. Die Zeichnung der Scheine soll um elf Uhr enden.

Und ob ihr wirklich richtig steht, seht ihr, wenn das Licht angeht. Es scheint vollkommen normal geworden zu sein, die Abhängigkeit von den Finanzmärkten als gegeben hinzunehmen. Immerhin hat es die Demokratie wie auch die italienische Rechtsprechung  nicht vermocht, einen wie Berlusconi aus dem Amt zu jagen. Aber ist es nun beruhigend, dass die Finanzmärkte bestimmen, wer regiert und wer nicht (Welt: “Monti beruhigt die Märkte”?

Immerhin wurde es dem Bonsai-Duce noch gestattet, seinen Rücktritt an Bedingungen zu knüpfen, die auf dem Leipziger Parteitag der CDU und auch vom Garagenhofparteitag der FDP in Frankfurt eifrig beklatscht wurden. Das italienische Sparprogramm sieht nämlich unter anderem vor, das Renteneintrittsalter nach deutschem Vorbild zu erhöhen und öffentliches Eigentum zu privatisieren. Die Umsetzung weiterer neoliberaler “Erfolgsrezepte” ist geplant. Und das alles bei einem Wachstum von 0,1 Prozent.

Bundeskanzlerin Angela Merkel:

“Auf dieser Grundlage hoffe ich, dass das Vertrauen in das Land Italien zurückkehrt, was dringend notwendig ist, damit wir insgesamt in der Euroregion eine Beruhigung bekommen.”

Die “marktkonforme Demokratie” habe ihre selbstreinigenden Kräfte und ihre Funktionsfähigkeit unter Beweis gestellt. Bundesaußenminister Guido Westerwelle dankte Berlusconi gar für die gute Zusammenarbeit. Auch er hält das Sparpaket für einen wichtigen Beitrag zur Stabilität der Europäischen Union. Und alle starren gebannt auf die Börsen und Kurse. Dabei hätte ein Blick auf Griechenland genügt, um zu begreifen, dass die aufgezwungene neoliberale Agenda grandios gescheitert ist. Griechenland steckt tief in der Rezession und Italien wird folgen, wenn es der Erpressung durch Merkel und die Finanzmärkte nachgibt.

Dann wird die deutsche Kanzlerin wahrscheinlich wieder nach einer Erhöhung der Dosis rufen und im Namen des Vertrauens der Finanzmärkte noch mehr Sparanstrengungen einfordern. Vielleicht ist das ja dann wieder die Chance für Berlusconi, der bereits angekündigt hat, der Politik erhalten bleiben zu wollen. Somit könnte Berlusconi schneller zurückkommen als manchem lieb ist. Fragen sie ihren Anlageberater.

1

Der Papa wird’s schon richten

Geschrieben von:

Papademos soll Papandreou ablösen. Irgend ein Papa wird’s schon richten. Vorzugsweise ein Banker, dem die Märkte vertrauen. Interessanterweise gilt der neue Papa als Vorzeigemensch und Finanzexperte. Letzteres ist sogar durch hohes Ansehen dokumentiert. 

Papademos

Quelle: Tagesschau (21:45 Uhr, 10.11.11)

Allerdings fehlt an dieser Stelle auch bei der ARD die Erklärung, warum seine Beteiligung am Beitritt zur Eurozone ihm nicht als Makel ausgelegt wird, sondern offenbar als Qualifikationsnachweis. Gehört es doch inzwischen zum schlechten Ton, Griechenland permanent vorzuwerfen, sich den Euro mit falschen Zahlen erschlichen und sich somit in den exklusiven Club hineingemogelt zu haben. Feynsinn stellt die Fragen, die deutschen Qualitätsjournalisten offenbar nicht einfallen wollten.

Wäre es nicht angebracht, an dieser Stelle aufzumerken und die eine oder andere Frage zu stellen? Was wusste Herr Papademos über den Zustand der griechischen Wirtschaft und des Staatshaushalts vor der Euro-Einführung? Kannte er die Lage? Wie konnte es dann zur Aufnahme Griechenlands in die Eurozone kommen? Oder wusste der Mann nichts von der realen Lage? Was taugt er dann? Und was ist das für eine “Demokratie”, wo einer die Regierung führt, der ganz offensichtlich andere Interessen vertritt als die seines Volkes?

1

Wer sitzt am längeren Hebel?

Geschrieben von:

Diese Frage stellt sich, wenn man die Aussagen unserer Eurorettungsassistenten im Bundestag sortiert. Da heißt es einerseits, die Griechen hätten Vertrauen verspielt, weil sie mit dem bekannten “Winkelzug” das Volk in einer wichtigen Frage zu befragen, bloß Zeit schinden wollten. Die Griechen hätten die Geduld der Rettungsassistenten strapaziert, heißt es aus den hinteren Reihen von Union und FDP. Die gewonnene Vertrauensabstimmung habe noch keine Probleme gelöst.

Jetzt müssten zusätzliche Garantien her, an die weitere Hilfen geknüpft seien. Griechische Staatsunternehmen zum Beispiel könnten als Pfand hinterlegt werden. Andererseits behaupten dieselben Geister, dass eine Insolvenz Griechenlands gravierende Auswirkungen auf die ganze Welt haben würde und daher unter allen Umständen vermieden werden sollte.

Wenn das stimmen sollte, wieso sollte dann das griechische Volk darauf eingehen und sich Bedingungen diktieren lassen, wenn es die Welt in den Abgrund reißen könnte? Sitzt nicht der am längeren Hebel, der die Macht besitzt, über Wohl und Wehe aller zu entscheiden? Die Ankündigung, eine Volksabstimmung durchführen zu wollen, hat doch gezeigt, wie labil das marktgläubige System geworden ist, an dem alle hängen.

Ein Satz genügt, um die Welt der Gläubigen aus den Angeln zu heben. Die Frage ist doch wohl, ob es sich die Marktgläubigen leisten können, Hilfe zu verweigern, weil ihre Auflagen nicht umgesetzt werden. Darüber sollten die Griechen mal nachdenken, denen ja weitere Milliardengelder trotzdem  zugesagt wurden, obwohl sie nicht die Bedingungen von Troika, Schäuble, Merkel und Co. erfüllten. Je lauter politische Hinterbänkler aus Deutschland nach noch schärferen Vorgaben rufen, desto größer muss die Angst auf deren Seite sein, alles zu verlieren.

Und das man es der relativ kleinen griechischen Wirtschaft zutraut, die ganze Welt in den Abgrund zu reißen, zeigt doch nicht nur die Blödheit, mit der man es zu tun hat, sondern auch eine Möglichkeit, den Spieß nach Belieben umzudrehen und selbst Bedingungen zu stellen.

1

Wie den Euro retten?

Geschrieben von:

Friederike Spiecker gibt Antwort und verweist noch einmal darauf, dass die Ursachen der Krise weder verstanden noch diskutiert werden. Was als “Staatsschuldenkrise” beschrieben wird, die angeblich zu einer Verschärfung des Zinsniveaus beitrage, verliert an Glaubwürdigkeit, wenn man die öffentlichen Schulden von Staaten weltweit mit deren Zinsen auf die jeweiligen Anleihen vergleicht. Japan habe zum Beispiel eine viel höhere öffentliche Verschuldung (über 200 Prozent vom BIP), aber die niedrigsten Zinsen auf Anleihen zu zahlen. In Europa habe Bulgarien eine sehr viel niedrigere öffentliche Verschuldung, aber gleichzeitig sehr hohe Zinsen zu zahlen. Die Amerikaner sind genauso öffentlich verschuldet wie Portugal (100 Prozent vom BIP), dennoch sind die Zinsunterschiede erheblich.

Folglich kann die öffentliche Verschuldung von Staaten nicht maßgeblich sein, für die Entwicklung von Zinsen am Kapitalmarkt. Ergo ist auch der Ursachenbefund der Rettungsschirmspanner falsch. Spiecker lenkt den Blick auf die Auslandsverschuldung und die damit verbundenen Ungleichgewichte in den Handelsbilanzen und zeigt auf, dass immer nur über die “Defizitsünder” geredet werde, aber nie über den Lohnsünder Deutschland, der innerhalb der Währungsunion, ohne das Ventil eines Wechselkursmechanismus, das Feuer unter dem Kessel immer weiter anheize. Wenn Deutschland sein Modell des Gürtel-enger-Schnallens in alle anderen Länder exportiere, hätten diese gar keine Chance, den bestehenden Preisabstand zu Deutschland aufzuholen. Die Bundesregierung sei auch gar nicht bereit, Wettbewerbsanteile abzugeben. Dies sei aber notwendig, um die Ungleichgewichte abzubauen und den Euro sowie Europa als Ganzes zu retten.

Die Diskussion um einen Schuldenschnitt sei in diesem Zusammenhang überflüssig und absurd, da eine Halbierung der Schuldenlast nichts an den wirtschaftlichen Ungleichgewichten ändere. Spätestens nach fünf Jahren stünde man wieder vor der Frage, einen Schuldenschnitt machen zu müssen. Demzufolge bedürfe es zunächst einer volkswirtschaftlich vernünftigen Strategie, die aber nach Spiecker äußerst unwahrscheinlich ist. Realistisch ist der große Zusammenbruch.

1

Keine Angst, ich bin noch da

Geschrieben von:

Keine Angst, ich bin noch da und nicht vom Bundestrojaner, der plötzlich Staatstrojaner heißt, überrascht worden. Derzeit wundere ich mich nur über den raschen Wandel in der Wahrnehmung und dem Wechselspiel zwischen einem Lippenbekenntnis zur Demokratie und der politisch praktizierten Verfassungsfeindlichkeit. Aus der sogenannten „Staatsschuldenkrise“ ist über Nacht wieder eine Bankenkrise geworden, deren Kontinuität durch ergebnislose Gipfeltreffen zwischen Merkel und Sarkozy in immer kürzeren Abständen zum Ausdruck kommt.

Bezeichnenderweise heißt es nun, wir sind uns einig – Details folgen. Denn inzwischen ist klar, dass der deutsche Michel nur noch mit der Einigkeit überzeugt werden kann. Ihm ist bekanntlich egal, für welche politische Richtung miteinander streitende Parteien kämpfen, um dem Wesen der Demokratie folgend, eine Mehrheit für ihre Position zu gewinnen. Sie sollen sich nur einig sein, jammert der Deutsche. Der Rest ist egal oder Details folgen später. Man werde “das Nötige” tun, um die Banken ein weiteres Mal – ich würde ja sagen, immer noch – zu retten.

Das beruhigt den Deutschen, der noch nicht um seine Tarifautonomie zu fürchten braucht, wie beispielweise die Griechen, denen die keinesfalls demokratisch legitimierte Troika (EU-Kommission, EZB, IWF) ernsthaft vorschlägt, genau das abzuschaffen, was bei uns unter der nunmehr bedeutungslosen Chiffre “Grundrecht” firmiert. Es geht mit Vollgas zurück in die Steinzeit. Das lässt sich bereits jetzt schon sagen.

Unser niedersächsischer Innenminister Schünemann, der wenig von Rechten und viel von Populismus versteht, schlägt vor, Alkoholkonsum in Zügen zu verbieten. Besonders nach Bundesligaspielen. Grundsätzlich kein schlechter Gedanke. Ich möchte nur sehen, wie in einem völlig überfüllten Regionalexpress dieses durchgesetzt werden soll. Vielleicht mit einer Ganzkörperkontrolle beim Betreten des Zuges im Bahnhof? Dann müssen sich Schünemanns Beamte aber sputen, um die statistische Haltezeit von fahrplanoptimierten und integralgetakteten Nahverkehrszügen von weniger als einer Minute nicht zu überschreiten.

Sinniger wäre da, den öffentlichen Alkoholkonsum generell einzuschränken und Politikern die Maß Bier aus der Hand zu schlagen, die, wenn sie ebenfalls in weniger als einer Minute durch die Kehle strömt, gerade in der Union immer noch als Qualifikationsnachweis verstanden wird.

Jetzt muss ich vorerst schließen – Details folgen später.  

1

blogintern: Statistik 09/11 und zum neuen deutschen Angriffskrieg

Geschrieben von:

Ich gebe zu, von dem spätsommerlichen Wetter gefangen worden zu sein und neben der beruflichen Arbeit kaum Zeit für diesen Blog gefunden zu haben. Ich bitte um Verständnis und gebe nun etwas verspätet, aber wie immer zu Beginn eines neuen Monats die Statistik für den zurückliegenden zur Kenntnis. Die Besucher und Zugriffszahlen sind im Vergleich zum August unverändert geblieben. Ich will mal sehen, ob sich dass bis zum Jahresende nicht doch wieder steigern lässt (siehe Anlage unten).

Dafür müssen natürlich Beiträge ran. Im September waren es nur 21. Material steht wie immer reichlich zur Verfügung. Ich finde es zum Beispiel lustig, dass Ronald Pofalla die “Fresse” seines Parteikollegen Wolfgang Bosbach nicht mehr sehen kann, weil dieser nicht für, sondern gegen den erweiterten Eurorettungsschirm (EFSF) gestimmt hat. Ich persönlich kann ja die “Fresse” von Bosbach nicht mehr sehen, weil dieser mit seiner Terrorangst und Panikmache mal wieder voll daneben gelegen hat.

weiterlesen

1

“Null und nichtig”: Deutschlands Kanzlerin auf dem Vormarsch

Geschrieben von:

Jetzt will die Kanzlerin die Haushalte anderer Länder für “null und nichtig” erklären lassen. Auf einer Regionalkonferenz der CDU, die dazu dienen sollte, die Parteibasis zu beruhigen, kündigte sie an, weiter für rigorose Durchgriffsrechte bei Defizitsündern kämpfen zu wollen.

Die Logik der Kanzlerin ist schon verblüffend. Was will sie dem verdutzten Parteivolk, das fest auf dem Boden der FDGO steht, damit sagen? Wir erklären die Haushaltspolitik anderer für “null und nichtig” und damit auch deren Ausgaben, die erst zum Defizit geführt haben? Problem gelöst? Oder wollte sie sagen, dass der deutsche Finanzminister in Zukunft über das Budget der Griechen bestimmt. Und damit das nicht so auffällt, behauptet man einfach, die EU würde es tun.

Es sind schon wahnwitzige Zeiten. Im Sommer hat die größte Taktikerin aller Zeiten (GröTaZ) noch vor ihren Anhängern gesagt, dass in Europa nicht jeder in Rente gehen könne wie er will und der eine nicht mehr Urlaub haben dürfe als der andere. Dann hat sie sich in selbigen verabschiedet und kurz verlauten lassen, dass es Deutschland so gut gehe, wie nie zuvor. Auch wenn über 20 Prozent aller Beschäftigten dank des Aufschwungs XXL inzwischen im Niedriglohnsektor tätig sind.

Inzwischen ist sie ja längst wieder da, war bei Sarkozy, auf einem Gipfel in Polen und bei Günther Jauch, der zwar Fragen stellte, aber jede Antwort der Kanzlerin einfach einloggte, ohne sie in seiner bewährten RTL-Manier aufs Glatteis zu führen, um ihr ferner vielleicht einen Joker zu entlocken. Aber Merkel ist ja auch keine Kandidaten auf dem Ratestuhl, sondern eher ratlos im Amt. Dabei hätte dieser Fragestunde die von Jauch obligatorisch präsentierten vier Antwortmöglichkeiten wirklich gutgetan.

Den griechischen Ministerpräsidenten hat sie gestern auch getroffen, mit dem zusammen, sie mal wieder an einem Strang ziehen will. Wahrscheinlich um die Schlinge noch ein wenig fester zu ziehen und dem Land endlich den Garaus zu machen. Denn erst wenn die Wiege der Demokratie für “null und nichtig” erklärt würde, kann die Kanzlerin ihre Vorstellung von einer “marktkonformen Demokratie” in die Tat umsetzen.

Erwin Pelzig fragte gestern in Neues aus der Anstalt zu recht was das eigentlich bedeuten soll und warum gerade eine deutsche Regierungschefin nicht auf die Idee kommt, einen demokratiekonformen Markt zu fordern. Stattdessen tätschelt sie am Jahrestag ihrer gescheiterten schwarz-gelben Regierung – es ist erst Halbzeit – den klinisch toten Koalitionspartner. Neben Eurorettung und Strang festziehen fand sie tatsächlich noch Zeit, die Biografie des FDP-Parteichefs vorzustellen, mit dem sie völlig überraschend eine Vorliebe für Udo Jürgens teilt.

“Bist du auch ein Fan?”, soll der vom Denkverbot befreite und bald auch von der Regierungsarbeit entbundene liberale Anführer Philipp Rösler gesagt haben. Dass der Jauch das am Sonntag nicht herausgefunden hat, ist auch ein Armutszeugnis. Übrigens habe man der Merkel in der DDR das Denken ebenfalls nicht verbieten können, gab sie am Rande der Präsentation des Kinderbuches zu Protokoll. Das ist richtig. Ihr Denken muss halt nur in systemrelevanten Bahnen verlaufen.

Um flexibel zu sein, bedarf es nämlich der Rückratlosigkeit. Dann schafft man es auch, unter den Bedingungen des realexistierenden Sozialismus Karriere zu machen, wie auch, wenn die historischen Umstände es gerade zulassen, an der Spitze des Kapitalismus zu stehen, um eine marktkonforme Demokratie zu erfinden. Es würde nicht verwundern, wenn die Kanzlerin ihr altes FDJ-Hemdchen noch im Schrank hängen hat, für alle Fälle.

“Wir sind ein Europa, auch wenn man manchmal streng ist”, hat sie einer griechischen Zeitung gesagt und damit auf den Punkt gebracht, wie sich Frau Merkel die Rollenverteilung bis zur nächsten Katastrophe so vorstellt. Ihr soll Europa gehorchen, weil deutsche Interessen Vorrang haben. Europa soll deutscher werden und Merkel ist auf dem Vormarsch. Morgen wird im deutschen Bundestag über die Ausweitung des Rettungsschirms abgestimmt.

Heute stimmt bereits das EU-Parlament über Gesetze ab, die unter anderem vorsehen, auch Länder zu bestrafen, die durch hohe Exportüberschüsse das wirtschaftliche Gleichgewicht innerhalb Europas gefährden. Wir dürfen gespannt sein, ob Frau Merkel die gleiche Strenge auch bei sich zulässt oder ob sie  weiterhin als volkswirtschaftlich denkende “Null” durch Europa zieht und behauptet, jeder könne exportieren und Überschüsse anhäufen und davon leben.

Die Amerikaner haben nun Europas und insbesondere die deutsche Krisenbewältigungspolitik gerügt und schon rauscht es im Blätterwald. Es seien ja doch die amerikanischen Banken gewesen, die die Krise verursacht hätten. Von einer Infektion mit dem amerikanischen Finanzvirus ist gar die Rede. So als ob die Deutsche Bank kein Hauptakteur in dem miesen Spiel mit faulen Krediten gewesen ist und sich nunmehr zurecht auf der Anklagebank amerikanischer Gerichte wiederfindet.

Andere schreiben wiederum, dass die Griechen zwar wie befohlen rigoros gekürzt haben, aber das versprochene Privatisierungsprogramm noch nicht umgesetzt hätten. Wen wundert das? Schlange stehen doch nur die Schnäppchenjäger aus Deutschland. Dann fällt den Schreibenden noch ein, dass es endlich wieder großer Gesten bedarf. Wie einst, als Helmut Kohl und Francois Mitterand Hände haltend vor den Gräbern in Verdun standen. Wie soll das aber heute aussehen? Angela Merkel mit Giorgos Papandreou Hände haltend vor der Deutschen Bank?

Die Kanzlerin marschiert, und der Alptraum wird anhalten. “Null und nichtig” wäre schön. Wenn es doch auf diese unsäglich inkompetente Regierung zutreffen würde.     

2

Unerschütterliche Marktgläubigkeit

Geschrieben von:

In diesen Tagen scheint die Vernunft vollends über Bord zu gehen. Nationale Egoismen, Chauvinismus und billiger Populismus bestimmen das öffentliche Bild. Und Journalisten stehen entweder teilnahmslos daneben oder lassen sich einspannen in die Hetze gegen alles, was Auflage verspricht. Einige glauben auch, die Bildung eines deutschen “Tea-Party” Pendants geortet zu haben. Ich sehe das noch nicht, weil es dafür auch einer breiten Bewegung bedarf. Doch weder die Neonazis aus Meck-Pomm konnten bei den Menschen punkten, noch die Rechtsradikalen aus der FDP werden mit ihrer Haltung über Denkverbote auch nur eine sicher verlorene Stimme retten können. Dafür sitzt bei den Betroffenen die Erkenntnis, gar kein Hotel zu haben, doch noch zu tief.    

Wolfgang Gerhard, der Vorsitzende der Friedrich-Naumann-Stiftung und ehemaliger FDP-Chef wurde heute Morgen vom Deutschlandfunk interviewt. Er ist sicherlich kein Rechtsradikaler, aber ein schlichtes und merkbefreites Gemüt von gestern, an dessen liberalen Zwangsgeist die Krise von 2008 buchstäblich vorbeigegangen ist. Er wird in den Nachrichten bloß mit der Aussage zitiert, dass die Debatte um die Griechenland-Hilfe kein Sprengsatz für die schwarz-gelbe Koalition in Berlin sei. Dabei hat er beiläufig das offen ausgesprochen, woran unsere politische Führungselite noch immer leidet. Marktgläubigkeit!    

Im Übrigen haben ja die Märkte eigentlich die desolate Situation in einigen Mitgliedsstaaten der Euro-Zone aufgedeckt, von der sich die Politik oft zurückgehalten hat, sie klar zu bewerten. Es wird bei uns so oft kritisch über Marktwirtschaft geredet. Der Markt deckt politische Fehlleistungen konsequent auf, und das ist in Griechenland klar geschehen. Dort haben Regierungen, gleich welcher Zusammensetzung, nicht die geringste Fähigkeit entwickelt, wirklich mit dem Euro etwas Positives an Chancen für ihr Land zu entwickeln.

Quelle: dradio

Wer nach IKB-Pleite, Lehman-Pleite, HRE-Pleite, Commerzbank-Pleite, der Bildung zahlreicher Bad Banks und einem riesigen Rettungsschirm für die Finanzmarktbranche noch mit seinem gelb lackierten Wagen angebraust kommt und behauptet, der Markt decke politische Fehlleistungen konsequent auf, der muss so furchtbar schnell unterwegs gewesen sein und so wenig von der Außenwelt mitbekommen haben, dass ihm der Flächenbrand auf den Märkten entgehen konnte.

Die politische Fehlleistung besteht doch wohl darin, dass permanente Marktversagen schlicht zu leugnen. Das Auf und Ab an den Börsen hat doch überhaupt nichts mit einem rationalen Verhalten zu tun. Wenn sogar so ein unterdurchschnittlicher Politiker wie Rösler mit einer Bemerkung über Denkverbote die Märkte in Bewegung versetzen kann, ist das ein vollkommen absurder Vorgang. Noch hirnrissiger ist allerdings die Reaktion der Regierungschefin, die ihre Koalitionspartner dazu aufrief, das Sprechen in verständlichen Worten und Sätzen wieder einzustellen und zum bewährten Sprechblasenkonzept zurückzukehren, bei dem selbst die Märkte daran scheitern, den Pudding an die Wand zu nageln.

Aber weil aus Sicht des liberalen Blindfahrers Gerhard die griechischen Regierungen in der Vergangenheit keine Fähigkeit entwickelt hätten, mit dem Euro etwas Positives anzufangen, muss man das Volk dafür bestrafen. Vielleicht will er ja doch noch mit Brüderle, Lindner und Rösler rechts abbiegen, um die zu unrecht kritisch beäugte Marktwirtschaft zu retten. Doch wer lediglich an den Markt glaubt, beweist nur, dass er die Marktwirtschaft nicht verstanden hat. 

2

Irres Deutschland

Geschrieben von:

Was ist eigentlich aus den Terrorverdächtigen geworden, die in Berlin neulich festgenommen worden sind? Die sollen ja angeblich Chemikalien bestellt haben, die zum Bau von Bomben geeignet seien. Gemäß Paragraph 89a Strafgesetzbuch ist die Vorbereitung eines Terroranschlags bereits strafbar. Wir wissen jetzt nicht, welche Chemikalien die angeblichen Terroristen bestellt haben und wofür, sondern nur, dass die Verdächtigen einen Migrationshintergrund besitzen und auf Kühlpads und Salzsäure stehen. Nach der albernen Regelung im Strafgesetzbuch ist jeder grundsätzlich terrorverdächtig. Okay, ein Chemielehrer mit Migräne, der sich Arbeit mit nach Hause nimmt, vielleicht nicht.

Aber jeder Mensch ist doch im Besitz von Salzsäure. Sie kommt im Magen vor und dient dem Abtöten von Mikroorganismen vor dem Eintritt in den Verdauungstrakt. Jetzt müssen sie nur noch aufpassen, dass sie das Kühlpad auf die Stirn und nicht auf den Magen legen, ansonsten könnte ihnen der Versuch der Herstellung einer schmutzigen biologischen Bombe unterstellt werden.

Das glauben sie jetzt nicht? Wieso? Gerade gestern hat doch das Findelkind aus der FDP gemeint, es dürfe keine Denkverbote mehr geben. Lassen wir die Griechen doch in die Pleite gehen, wollte er sagen. Nur hat der Rösler nicht bedacht, dass er damit gerade jenen Sandsack von der Decke holt, auf den er und seine Parteigenossen gerne einschlagen, um den Anschluss an die NPD zu halten. Denn wenn die Griechen tatsächlich Pleite wären, müssten die deutschen Steuerzahler das Geld direkt an die Banken überweisen, anstatt den Umweg über das griechische Finanzministerium zu nehmen.

Aber für diese Erkenntnis hätte der Rösler seine Fachausbildung zum Augenarzt nicht abbrechen dürfen. Zum Glück haben die Liberalen mit Christian Lindner den absoluten Durchblicker in ihren Reihen. Der Mann hat Erfahrung mit Pleiten. Im Jahr 2001 hat er seine Firma Moomax gegen die Wand gefahren, weil er glaubte, dass die Nachfrage nach Avataren, also einer Art von Abbildern, besonders hoch sein würde. 1,2 Millionen Euro Fördergelder erhielt der liberale Freikopf für diesen Kinderquatsch. Natürlich hat er das Geld nie zurückgezahlt, sondern ist jetzt Generalsekretär der FDP. Also jener Partei, in der Abbilder vom gleichen miesen Typ Mensch offenbar biologisch gezüchtet werden.

Das konnte sich die Kanzlerin natürlich nicht bieten lassen. Aber was hat sie wieder gesagt? Richtig. Nichts. Also inhaltlich jetzt. Gesprochen hat sie schon, aber gesagt, im Sinne von kommuniziert, hat sie nichts. Nachdem es ja vergangene Woche hieß, Deutschland gehe es gut, meinte sie heute in Reaktion auf Röslers Forderung nach einer Denkfreiheit kurz:

“Jeder sollte seine Worte vorsichtig wägen.”

Donnerwetter. Sie hätte auch sagen können, im Grundsatz hat er Recht, aber weil wir die Finanzmärkte nicht beunruhigen dürfen, behalten wir die Sache lieber für uns. Komischerweise redet der Schäuble im Bundestag andauernd davon, dass es kein Geld für die Griechen geben werde, wenn die ihren Verpflichtungen nicht nachkämen. Das hat er vor einem Jahr gesagt und zuletzt am 8. September im Bundestag. Aber Schäuble ist ja auch nicht in der FDP, sondern sitzt im Rollstuhl und gilt trotz seines schlechten Gedächtnisses als integerer Finanzakrobat. 

Die FDP-Mitglieder will hingegen keiner mehr hören. Ihr Rat ist nicht mehr erwünscht. Gebraucht werden sie auch nicht mehr. Die Arbeitsagentur müsste eigentlich eine neue Statistik erfinden. Und zwar die, der überbezahlt Unterbeschäftigten. Apropos beschäftigt. Demnächst sollen in Griechenland wieder 20.000 Menschen ihren Job verlieren, weil der Staat noch mehr sparen muss, um die strengen deutschen Vorgaben zu erfüllen. Vielleicht könnten die unterbeschäftigten liberalen Abbilder den Griechen, die bereits im Freien wohnen, mal erklären, wie man mit der gesparten Miete einen Aufschwung finanziert. Dabei sollten sie aber darauf achten, ihre Worte vorsichtig zu wägen.

4
Seite 16 von 21 «...101415161718...»