Niemand hat die Absicht…

Geschrieben von: am 14. Feb 2012 um 8:47

…die Griechen zu quälen, meint Wolfgang Schäuble auf Nachfrage.

Die griechische Bevölkerung muss da wohl etwas missverstanden haben. Der Schmerz, den die Griechen verspüren, müsse wohl als gnadenvolle Hilfe begriffen werden.

Denn Schäuble wie auch Bundeskanzlerin Angela Merkel versuchten am Montag den offenbar falschen Eindruck zu zerstreuen, dass ein Paket mit der fetten Aufschrift “Sparen”, ausschließlich etwas mit Kürzungen zu tun haben könnte. Vielmehr handele es sich um ein mehr oder weniger loses Maßnahmenbündel, das auch glückseligmachende “Strukturreformen” beinhalte, erklärte die Kanzlerin nach dem Treffen mit ihrem Beratergremium “Neue Finanzmarktarchitektur”, das von Otmar Issing, der auch auf der Gehaltsliste der Investmentbank Goldman Sachs steht, angeführt wird.

Goldman Sachs ist übrigens jenes Kreditinstitut, das Griechenland zu Beginn des neuen Jahrtausends mit Bilanzierungstricks half, sein Haushaltsdefizit zu verschleiern und sich für diese erstklassige Beratungsleistung mit rund einer Milliarde Euro bezahlen ließ. Den ganzen Prozess begleitet, haben damals all jene Gestalten, die auch nun wieder an vorderster Front als Krisenmanager in Erscheinung treten. So war der aktuelle griechische Ministerpräsident Papadimos damals griechischer Zentralbankchef, und der Chef des Euro-Rettungsfonds ESFS, Klaus Regling, hatte zwischen 2001 und 2008 die Aufgabe, die griechische Finanzentwicklung zu überwachen. 

Merkel

Nach deren aller Überzeugung habe die griechische Regierung nach den Beschlüssen vom Wochenende nun ausreichend bis 2020 Zeit gewonnen, um die Schuldenlast auf ein Maß zu reduzieren, das eine Refinanzierung an den Kapitalmärkten wieder ermögliche. Die Wut der griechischen Bevölkerung sei zwar verständlich und nachvollziehbar, die beschlossenen Maßnahmen aber alternativlos, erklärt Schäuble, der seine Hände stellvertretend für die deutsche Misswirtschaft seit Einführung des Euro in Unschuld wäscht. Die FAZ schreibt sogar:

“Deutschland ist nicht schuld an den griechischen Kalamitäten. Das hat die Elite eines Landes schon selbst besorgt, für das der Euro ein Danaergeschenk war. Doch die verantwortungslosen Teile dieser Elite suchen einen Sündenbock und meinen ihn in der deutschen Politik gefunden zu haben. Deutschland hilft – und wird doch dämonisiert, ausgerechnet von Leuten, die sich den Weg in die Währungsunion erschwindelt und sie an den Rand des Abgrunds gefahren haben. Das ist ein starkes Stück.”

Quelle: dradio Presseschau

Ein starkes Stück ist, dass die Helfer des Bilanzbetruges immer noch beratend tätig sind und nicht nur am Betrug verdienten, sondern auch an genau jenem drohenden Abgrund, in den die Griechen und die gesamte Eurozone zu stürzen drohen. Aber soweit reicht der mit seiner Affinität zu Fremdwörtern aufgeblasene bildungsbürgerliche Horizont nicht, wie auch nicht dafür, dass Deutschland mit seinen dauerhaften Leistungsbilanzüberschüssen ebenfalls gegen die so heiligen europäischen Stabilitätskriterien schon immer straflos verstoßen hat.

Werden die Regeln auch für Deutschland verschärft und die Löhne in Anlehnung zum griechischen Kürzungsprogramm zwangsweise erhöht, um für einen gesamtwirtschaftlichen Ausgleich in der Handelsbilanz zu sorgen?

Nein, in der kleingeistigen Welt deutscher Wirtschaftsjournalisten bricht sich peinliches Überheblichkeitsdenken bahn. So wie in der Neuen Osnabrücker Zeitung, die kurzer Hand und mit Schaum vorm Mund das “Kaputtsparen” zu einem wirksamen Mittel vernünftiger Wirtschaftspolitik erklärt:

“Auch wenn es paradox klingt: Nur wenn das Land kaputtgespart wird, hat es eine Zukunft. Was jetzt zerschlagen wird, stand auf tönernen Füßen, war eine wirtschaftliche Illusion von geradezu sozialistischem Ausmaß. Löhne und Lebensstandard in Griechenland müssen in einem Maße sinken, dass daraus ein Wettbewerbsvorteil gegenüber dem restlichen Europa erwächst. Dies lockt Investoren, dies schafft Kreativität und Wagemut, dies ermuntert Gründer. Nur so kann ein neues Fundament entstehen, um nicht dauerhaft auf Transfers angewiesen zu sein.”  

Quelle: dradio Presseschau

Es ist schon richtig, niemand hat die Absicht, die Griechen zu quälen, wenn es bloß darum geht, ihnen dadurch eine kreativ gestaltete Zukunft in Demut und Armut zu verschaffen, die sich dann mit den zerstörten Perspektiven anderer Völker deckt. Die Quälerei muss nur zum allgemeinen Handlungsprinzip erklärt werden und schon hat sie in den Augen der Folterer, die sich fälschlicherweise Reformer nennen, ihren Schrecken verloren. 

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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