Griechenland möchte Moscovici-Plan

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Es ist kaum zu glauben. Da melden die deutschen Medien heute, Griechenland habe sich quasi ergeben, weil es nun doch einen Antrag auf Verlängerung des Hilfsprogramms stellen will. Ich bin wirklich entsetzt über diese Fehlleistung der Kollegen, die nicht einmal erklären können oder wollen, wie es zu dem Sinneswandel kam. Einige meinen wohl, das Ultimatum hätte gewirkt. Die Griechen sehen keinen Ausweg mehr. Das ist natürlich alles Quatsch.

Das Ultimatum hat die griechische Seite nicht im Geringsten geschockt. Enttäuscht war man über den Rückzieher der Eurogruppen-Finanzminister, die auf Druck Berlins ein bereits vorliegendes Kompromisspapier des EU-Währungskommissars Pierre Moscovici wieder einkassiert hatten. Diesen Vorgang macht die griechische Regierung nun öffentlich, wie Eric Bonse erfahren hat. Die Zustimmung Athens wird sich dann auch auf dieses Papier beziehen und nicht auf den “Weiter-So-Blödsinn”, den Schäuble und Dijsselbloem erneut vorlegten.

Von einem Kurswechsel, wie viele Medien nun schnappatmend meinen, kann also keine Rede sein. Eher von der Wiederbelebung eines guten Vorschlags, über den Schäuble im Rahmen der Finanzministerkonferenz nicht einmal diskutieren wollte.

Lustig sind nun die Reaktionen. Sigmar Gabriel begrüßte mit einem Bierglas in der Hand das vermeintliche Einlenken Athens. Das sei eine gute Entscheidung, “weil jetzt offensichtlich die griechische Regierung erkennt, dass es nicht um die Interessen ihrer Partei geht, sondern um die Interessen Griechenlands und der Bürgerinnen und Bürger”, sagte Gabriel am Rande des politischen Aschermittwochs der SPD im niederbayerischen Vilshofen. In Bayern ticken die Uhren halt anders.

Was Griechenland will, kann man unterdessen bei der britischen Financial Times nachlesen.


EDIT: Die FAZ schreibt: Schuldenkrise – Griechenland veröffentlicht Verhandlungsdokumente

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/eurokrise/griechenland/griechenland-veroeffentlicht-rede-von-varoufakis-13435497.html


Ergänzung: Äußerst beschämend ist die weitere Medienleistung. Inzwischen wird gemeldet, dass es ein Papier der EU-Kommission am Montag gegeben hat, dem Griechenland auch zugestimmt hätte. Allerdings sei die EU-Kommission nicht berechtigt, Papiere in der Eurogruppe vorzulegen. Diese Darstellung stützt natürlich die harte Schäuble-Position, kommt wahrscheinlich auch von dort.

Die Wahrheit ist aber wie immer mehr als die Summe einzelner Teile. Demnach ist das Treffen der EU-Finanzminister am Montag ja vorbereitet worden und nicht vom Himmel gefallen. Es gibt immer Vorbereitungen, gerade die gipfelerfahrenen Medien sollten das inzwischen mal gemerkt haben. Vor einer Woche sei vor der Sitzung des Europäischen Rates ein Entwurf formuliert worden, der auch von EZB-Chef Draghi und Christine Lagarde vom IWF begrüßt wurde.

In einer Rede stellt der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras den Verlauf der Verhandlungen wie folgt dar:

„In einem harten Verhandlungsprozess, in dem wir es abgelehnt haben, den psychologischen Erpressungsversuchen der Gläubiger nachzugeben, sind wir mit Jeroen Dijsselbloem am vergangenen Donnerstag, fünfzehn Minuten vor Beginn der Sitzung des Europäischen Rates, zu einer gemeinsamen Erklärung gelangt.

Es handelt sich um die Erklärung, die auch der Europäische Rat angenommen hat und durch welche die Eurozone erstmals Abstand davon genommen hat, das Memorandum zur Bedingung des neuen Verhältnisses zwischen Griechenland und seinen Gläubigern zu machen.

Quelle: NachDenkSeiten

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Realitäten anerkennen

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Wenn über Griechenland gesprochen wird, ist immer von einem Programm die Rede. Die Griechen sagen, es sei gescheitert. Die Eurogruppe sagt, es sei eine Bedingung. Damit geht es nicht wie vielfach behauptet um verhärtete Fronten, die sich unversöhnlich gegenüberstehen, sondern darum, dass hier jemand die Realität nicht akzeptieren will.

Dass Schäuble und seine aalglatte Sprechpuppe Dijsselbloem die gesellschaftliche Wirklichkeit ausblenden, ist sonnenklar. Sie berufen sich auf eine Vertragsrealität und argumentieren juristisch nicht ökonomisch, wie Thomas Fricke schreibt. Während Griechenlands Finanzminister Yanis Varoufakis neben ökonomisch vernünftigen Argumenten auch auf die humanitäre Lage in seinem Land verweist, die es zu beenden gilt, erntet er in diesem Punkt nur kühle Ignoranz. Es scheint fast so, als wollte Schäuble sagen, dass das Leid der Menschen in Griechenland nicht Gegenstand der Verhandlungen in Brüssel sein könne.

Teutonische Selbstüberschätzung

Ihm tun die Griechen trotzdem leid, aber nicht, weil sie leiden, sondern weil sich ihre Regierung (dem deutschen Finanzminister gegenüber) unverantwortlich verhalte. An der verwüsteten griechischen Gesellschaft ist Schäuble nicht sonderlich interessiert. Er hält die Demütigung, die das Eingeständnis, bei der Eurorettung völlig versagt zu haben, mit sich brächte, für weitaus schlimmer. Wie stünde Europa auch da, in dem seit Ausbruch der Krise endlich wieder Deutsch gesprochen werde.

Haushaltsdisziplin, schwarze Null und eine Schuldenbremse mit Verfassungsrang: Das sind die Eckpfeiler, auf denen ein neuer teutonischer Größenwahn beruht und manchen hierzulande glauben lässt, Deutschland sei ein Musterschüler mit Vorbildfunktion. Der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis glaubt nicht daran, denn er weiß es aufgrund seiner Ausbildung einfach besser. Er bezeichnet das alte Kürzungsprogramm, an dem Juristen wie Schäuble festhalten wollen als Ursache des Problems und nicht als Lösung.

Da spricht ein Fachmann, der volkswirtschaftliche Zusammenhänge versteht und daraus seine Schlüsse zieht. Schäuble ist auch Fachmann, aber nicht auf dem Gebiet der Ökonomie. Er ist vielmehr ein Vollstrecker, der einer vorgegebenen politischen Agenda folgt. Davon lässt er sich weder durch Vernunft noch durch sein offenkundiges Scheitern abbringen. Neben Varoufakis wirkt Schäuble aber nicht sonderlich kompetent. Das führt zu kindischen Reaktionen (Ultimatum) oder zu Frechheiten wie der Bemerkung Varoufakis hätte noch Luft nach oben.

Die griechische Regierung ist gespickt mit Wissenschaftlern, die an renommierten Hochschulen der Welt studiert und gelehrt haben. Sie werden trotzdem als Radikale oder Spinner bezeichnet, weil sie einen seit Jahren eingeübten Glauben bedrohen. Die Bundesregierungen bestehen in der Regel aus gelernten Berufspolitikern mit Sprechblasenzusatzausbildung, die ihre akademischen Grade zum Teil erschlichen haben. Die beruflichen wie wissenschaftlichen Abschlüsse werden von diesen Damen und Herren lediglich zur Dekoration getragen. Etwas mit der Praxis zu tun haben, wollen sie lieber nicht, es aber auf jeden Fall immer besser wissen.

Die Zeit läuft für beide Seiten ab

Im Schuldenstreit heißt es, dass vor allem Griechenland die Zeit davon laufe. Dass muss dann aber auch für die Gläubiger gelten, die im gleichen Boot sitzen und im Falle einer Zahlungsunfähigkeit auf Forderungen in Milliardenhöhe verzichten müssen. Schäuble warnt deshalb: Wenn das aktuelle Hilfsprogramm nicht ordnungsgemäß beendet werde, „wird eine schwierige Situation entstehen“. Nur für wen?

Für die Finanzmärkte wohl eher nicht. Denn da hat eine Pleite der Griechen ihren Schrecken offenbar verloren. Dort sitzen auch kaum noch Gläubiger, die um den Wert ihrer griechischen Staatsanleihen bangen müssten. Diese haben sie nämlich, Schäuble sei Dank, zu einem guten Kurs beim ersten Schuldenschnitt an die öffentliche Hand weiterreichen dürfen. Überhaupt hat sich die Dauer der Eurorettungsaktion für den Finanzsektor gelohnt. 77 Prozent der Hilfen gingen direkt dorthin.

Der Spiegel schreibt: “Von den bis Mitte 2013 nach Griechenland geflossenen knapp 207 Milliarden Euro sind gut 77 Prozent direkt (58,2 Milliarden für Bankenrekapitalisierung) oder indirekt (101,3 Milliarden für Gläubiger des griechischen Staates) an den Finanzsektor geflossen. Für den Staatshaushalt blieben aus den Rettungsprogrammen weniger als ein Viertel.” Griechenland war also nur eine Zwischenstation, um die eigentliche Bankenrettung, um die es in Wahrheit immer ging, zu verschleiern.

Auch diese Realität gilt es endlich anzuerkennen.


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Das gesprochene Wort gilt wenig

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Griechenlands Finanzminister Giannis Varoufakis ist ein eher lockerer Typ, trägt keine Krawatten und hält auch nicht viel von einer Powerpoint-Präsentation, wie man in dieser Woche aus aufgeregten Pressemitteilungen erfuhr. Vor den Kollegen der Eurogruppe referierte der Grieche in Brüssel frei und ohne übliches Handout. Das wirkte auf einige Teilnehmer offenbar so befremdlich, dass sie sich hörbar darüber pikierten. Das gesprochene Wort gilt in Europa wenig.

Der Modus Vivendi fehlt

Was in Europa etwas zählt, sind die von Bürokraten und Unterhändlern vorher ausgehandelten schriftlichen Erklärungen, hinter denen sich die politischen Vorturner gern verstecken, damit sie dann vor die Kameras treten und Erfolge verkünden können, auch wenn die Probleme für jeden sichtbar einfach fortbestehen. Mündlich geht hier gar nichts. Ein Wunder, dass die Teilnehmer kein Dokument vorlegten, in dem sie erklären, dass sie mit dem papierlosen Vortrag des griechischen Finanzministers nicht einverstanden sind.

Das Maulen haben die Fachpolitiker nicht verlernt, denen man sonst jeden Satz aufschreiben muss. Einig sind sie sich jedoch darin, dass ohne schriftliche Vorschläge nichts Konkretes existieren könne. Deshalb müsse Varoufakis erst noch etwas abliefern, hieß es zerknirscht im Anschluss an die Brüsseler Konferenz. Vermutlich hat nur niemand hingehört, wie so oft, wenn es um Griechenland geht. Varoufakis jedenfalls wirbt um Verständigung, einen Modus Vivendi, wie er kürzlich in einem Interview sagte.

Es gibt da einen großen Unterschied zwischen dem „was wir meinen und sagen und der Behauptung anderer, was wir meinen oder sagen“, so Varoufakis. Es ist also zunächst einmal falsch anzunehmen, der griechische Finanzminister hätte nur herum gelabert und die Geduld der Gipfelteilnehmer mit Vorträgen überstrapaziert. Dem Vernehmen nach soll er keine neuen Vorschläge, sondern nur Altbekanntes wiederholt haben, kritisieren die politisch Empörten, die ihrerseits auf die Einhaltung bestehender Vereinbarungen pochten.

Moralische Pflicht, sich zu verstehen

Dass möglicherweise an dem Wiederholten etwas dran sein muss, von dem Varoufakis annimmt, es könne zu einer Lösung beitragen, wird offenbar gar nicht erst in Erwägung gezogen. Europas Retter aus dem Norden wollen lieber neue Vorschläge hören oder vielmehr lesen. Damit ist auch klar, dass sie das „Wiederholte/Altbekannte“ einfach ablehnen, ohne Diskussion. Wer sorgt nun also für den Eklat? Der, der kommunizieren will oder der, der nur auf schriftliche Vorlagen wartet und ansonsten nach dem Motto verfährt: „Dann ist es eben vorbei“.

So radikal geht es natürlich nicht, eine Lösung muss her, das ist allen klar. Und deshalb soll es aus Sicht der Euroretter auch wieder so laufen wie immer. Am bestehenden Kurs nichts verändern, aber es so aussehen lassen, als hätte man ein Zugeständnis gemacht. Möglicherweise hat Varoufakis diese Taktik im Kreise der Finanzminister durchschaut und deshalb einen Rückzieher gemacht, den die Medien hierzulande mit der Überschrift quittieren „Die Griechen brüskieren Europa“.

In dem oben zitierten Interview sagte Varoufakis „Es ist unsere moralische Pflicht als Europäer, uns zu verstehen.“ Was ist aber, wenn es den Rettungskräften in Brüssel und Berlin gar nicht ums Verständnis geht, sondern nur um ein Programm, dessen Umsetzung sie immer noch für richtig halten? Würden sie etwas verstehen wollen, wüssten sie, dass es in Griechenland keine Finanzkrise gibt, sondern eine humanitäre Katastrophe stattgefunden hat, die nichts anderes als eine Diskussion darüber verlangt, wie wir alle in Europa in Zukunft noch zusammenleben wollen.


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Alltäglicher Wahnsinn

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Ein Deutscher Journalist (DJ) fragt einen griechischen Journalisten (GJ) nach dessen Einschätzung:

DJ: Warum stellt die Athener Regierung wieder Beamte ein?

GJ: Weil ein Verwaltungsgericht die Entlassung der Staatsbediensteten für illegal erklärt hat.

DJ: Aber die Beamten kosten doch Geld, das Griechenland gar nicht hat?

Merke: Die marktkonforme Demokratie, die der Deutsche Journalist (DJ) längst verinnerlicht hat, kennt keine demokratische Gewaltenteilung mehr. Der Dialog hat sich soeben bei NDR-Info zugetragen.

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Die Radikalen regieren in Berlin und Brüssel

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Die neue griechische Regierung meint es Ernst und bietet der permanent gepredigten Alternativlosigkeit die Stirn. Denn die systematisch betriebene Verarmung eines Landes hat mit Rettungspolitik nichts zu tun.

Das kleine Griechenland treibt seinen Rettern die Zornesröte ins Gesicht. Da wäre zunächst einmal die Regierungsbildung zu nennen, die entgegen aller demokratischen Gepflogenheiten, bereits einen Tag nach der Wahl als abgeschlossen gelten konnte. Wie geht denn so was, fragte sich der Rest der europäischen Wertegemeinschaft. Weiß doch jeder, dass unter normalen Bedingungen lange zwischen den Koalitionspartnern verhandelt werden oder aber irgendetwas Geschäftsunfähiges über den Ablauf der Legislaturperiode hinaus im Amt bleiben müsse.

Als nächstes machte sich die neugewählte Regierung um Ministerpräsident Alexis Tsipras daran, die eigenen Wahlversprechen in die Tat umzusetzen. Auch das schockte die übrige europäische Wertegemeinschaft, die demokratische Wahlen lediglich als bizarre Showveranstaltung begreift. Hierzulande ist es bekanntlich unfair, Politiker an den Versprechen zu messen, die sie vor einer Wahl abgegeben haben, sagte einmal der große Spezialdemokrat Franz Müntefering. Diesem Offenbarungseid haben sich schließlich alle politischen Lager angeschlossen. Deshalb kann der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger heute auch mit ernster Mine behaupten, das Verhalten der griechischen Regierung sei frech und unverschämt.

Mit dem Tempo überfordert

In Wirklichkeit ist die politische Klasse nördlich der Alpen auf das griechische Tempo gar nicht vorbereitet. „Kein Bock“, war daher die erste Antwort führender Köpfe wie des EU Parlamentspräsidenten Martin Schulz, der eilig und natürlich auf Kosten der Steuerzahler nach Athen jettete. Ihm folgten weitere hochrangige Beamte, die gegenüber den Medien mit Schaum vorm Mund auftraten, in den Gesprächen vor Ort aber kleinlaut erkennen mussten, dass Tsipras Regierung kein Betriebsunfall ist und sich wenig von den Drohungen des Nordens beeindrucken lässt. Die meinen es Ernst und nennen die bisherigen Rettungsaktionen von EU, EZB und IWF bei ihrem eigentlichen Namen: Verarmungspolitik.

Sollte die das Ziel der Troika gewesen sein, kann man durchaus von einem Erfolg sprechen. Massenarbeitslosigkeit, Wegfall des sozialen Netzes und eine große Depression in einem europäischen Land, die ungefähr so schwerwiegend verläuft, wie jene, die Amerika in den 1930er Jahren erlebte. Folgt man den als Retter auftretenden Folterknechten des Nordens soll diese Erfahrung noch einmal wiederholt werden. Wie sonst soll man die Schäubles und Schulzens verstehen, die gebetsmühlenartig ein Weiter so und sogar noch mehr Anstrengungen von den Griechen verlangen. Die letzten Troikaner glauben ernsthaft daran, mit diesen verantwortungslosen wie menschenverachtenden Rezepten noch einmal Zeit schinden zu können.

Doch die Zeit ist abgelaufen. Die Griechen wollen nicht noch mehr Jahre sinnlos verlieren. Die nach Ausbruch der Krise nie verheilten Brüche und Wunden innerhalb der Eurozone treten erneut offen zu Tage. Neben Griechenland werden nun auch wieder andere Staaten die von Berlin aus verordnete Verarmungspolitik lautstark infrage stellen. Denn gerade Länder wie Italien, Spanien und Frankreich haben längst bemerkt, dass mit dem Gerede von einer Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit immer nur die Deutsche gemeint ist. Südeuropa als verlängerte Werkbank der deutschen Exportindustrie: Das scheint der feuchte Traum von neoliberalen Kräften zu sein, die auf ein Heer billiger Arbeitskräfte und bedingungslose Rentabilität setzen.

Radikaler Umbau vorerst gestoppt

Dafür ist Zerstörung notwendig. Vor allem soziale Sicherungssysteme und der öffentliche Beschäftigungssektor gelten als Hindernisse auf dem Weg zum maximalen Profit. Griechenland war Modellregion für diese Art des brutalen Umbaus im Auftrage Berlins, das auf seine Finanzeliten hört. Doch damit ist jetzt Schluss, so scheint es. Die EZB darf nicht mehr bei der Troika mitmachen und die EU-Kommission unter Juncker will nicht mehr. Nur Berlin, das mit eigenen Beamten die Kontrolleure stellt, sowie die angeschlossenen deutschen Medienhäuser halten an einem Gremium fest, das nie demokratischen Spielregeln entsprach.

Wer sind also die Radikalen? Syriza? Die Linken im Allgemeinen? Der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis sagte in einem lesenswertem Interview: „Wenn man sich das Programm der Syriza ansieht, findet sich bis auf den Namen nicht allzu viel, was radikal links wäre. Die Idee, dass Menschen sich im Notfall auf ein soziales Rettungsnetz verlassen können, widerspricht schließlich nicht der sozialen Marktwirtschaft – auch nicht in anderen Teilen Europas.“

Hat der Mann nun unrecht? Ist er gefährlich und sein Chef ein verrückter Geisterfahrer? Nein, dass die Linken gar nicht radikal sind, ziehen nur diejenigen in Zweifel, die ein erfolgloses wie menschenverachtendes Kürzungsprogramm noch immer für intelligente oder alternativlose Rettungspolitik halten. Die Radikalen dieser Zeit regieren eben nicht in Athen, sondern in Berlin und Brüssel.


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Die Lüge soll das Scheitern verdecken

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Das griechische Parlament hat auch im dritten Wahlgang Stavros Dimas als neuen Staatspräsidenten abgelehnt. Das bedeutet Neuwahlen im Januar. Ein Aufschrei geht durch Europa, das offenbar nichts so sehr fürchtet wie die Demokratie.

Blickt man in die Kommentarspalten an diesem 30. Dezember 2014, werden düstere Bilder gemalt. Griechenland stehe vor einem unheilvollen Szenario. Davor, frage ich mich? Das Land steckt doch seit Jahren mittendrin, dank einer gescheiterten Krisenpolitik, die maßgeblich von Brüssel und Berlin aus betrieben wird!

Die meisten Kommentare beginnen deshalb mit einer handfesten Lüge. Sie behaupten, Griechenland ginge es besser, da die Wirtschaft wieder wachse. Das Land schien aus dem Gröbsten heraus zu sein, sei auf einem guten Weg, der nun verlassen werden könnte. Mit der Aussicht auf Neuwahlen, die nicht das erwünschte Ergebnis liefern werden, stünde alles Erreichte auf dem Spiel. Nur wurde in sechs Jahren nichts erreicht, was den griechischen Staat auch nur ansatzweise vorangebracht hätte.

Examinierte Arschlöcher wundern sich

Das Gegenteil zu behaupten, ist aber nötig, um das eigene Scheitern zu verdecken. Sechs Jahre Rezession und die bornierten Krisenmanager halten immer noch an ihrem Rezept der brutalen Kürzungen fest, ja feiern diesen Unfug sogar als Erfolg. Die unangenehmen Begleiterscheinungen wie Massenarbeitslosigkeit, Massenarmut und massenhaft radikalisierte Köpfe, sie interessieren nur am Rande oder werden als notwendige Bürde betrachtet, die das griechische Volk nun einmal zu tragen hätte.

Dabei ist die Blindheit wie der ökonomische Analphabetismus der deutschen Besserwisser kaum noch zu ertragen. Dort wo man Vernunft nicht einmal mehr vermuten will, herrscht uneingeschränkt die Kälte des bürgerlichen Subjekts. Mal wieder. Und diese, Verzeihung, examinierten Arschlöcher, wundern sich dann auch noch über Gruppierungen wie PEGIDA, auf deren „Sorgen“ sie sich nun einlassen wollen.

Das soll irgendwie Weise wirken, ist an Blödheit aber kaum noch zu überbieten. Einige begeben sich bereits auf das PEGIDA Niveau und schlagen harte Töne an. Eine Drohkulisse gegenüber Griechenland müsse es geben, um die abtrünnige Republik auf Kurs zu halten. Bundesfinanzminister Schäuble spricht den Griechen sogar jegliche Souveränität ab, in dem er sagt: Vertrag ist Vertrag, egal wer regiert.

Verschreckte Leithammel suchen Schuldigen

Die deutschen Leithammel werfen dem möglichen Wahlsieger Alexis Tsipras nun Radikalität vor und vergessen dabei jene Brutalität, die unter den gewünschten Regierungen bereits zur Anwendung kam. Doch diese menschenverachtende Politik, die es in Griechenland seit sechs Jahren gibt, verniedlichen die deutschen Medien einfach. Sie sprechen verharmlosend von Reformen, manchmal mit dem Zusatz „schmerzhaft“, ohne auch nur ansatzweise zu begreifen, wie schmerzhaft das ist.

Nun sehen sich die gescheiterten Krisenmanager mit dem Ergebnis ihrer Politik konfrontiert und schlagen wie kleine Kinder wild um sich. Sie wollen ihre Fehler nicht eingestehen, fordern wie immer eine Erhöhung der furchtbaren wie nutzlosen Dosis und suchen parallel Schuldige für die ausbleibende Wirkung. Ein vermeintlicher Populist wie Tsipras kommt da gerade Recht. Er müsse verantwortlich dafür sein, dass die segensreiche Reformpolitik auf so viel Unverständnis in der Bevölkerung stoße.

Er missbrauche die Demokratie ja nur, während die neoliberalen Dogmatiker im Norden Europas sie marktkonform erhalten wollen. Um das zu erreichen, wird gehetzt, gedroht, sich eingemischt, sich blamiert und letztlich Lügen als Wahrheit verkauft. Da Griechenland weiterhin am Hilfstropf hängt – wieso eigentlich, wenn alles so gut läuft – nutzen die Musterdemokraten ihre Macht vorsorglich aus, um die nächste Entscheidung des Volkes zu beeinflussen.

Angst vor der Notbremse

Die deutschen Schreiberlinge sorgen sich derweil um ein Ende der Privatisierungen in Griechenland. Sie stellen besorgt die Frage, ob ein Regierungschef Tsipras Investoren nun enteignen oder entschädigen will, statt zu fragen, welchen Gewinn die Geldgeber aus der bisherigen Enteignung des griechischen Volkes gezogen haben.

Rund 50 Milliarden Euro sollte durch die Privatisierung öffentlichen Eigentums in die griechische Staatskasse fließen. Im Jahr 2015 werden es nach Schätzungen des IWF aber nur etwas mehr als sechs Milliarden Euro sein. Haben die Griechen da schlecht verhandelt oder die Investoren eine günstige Gelegenheit bloß ausgenutzt? Eine Frage, deren Klärung sehr viel wichtiger für das Verständnis ist, als die panische Angst vor dem berechtigten Griff zur Notbremse.

Die selbst in die Radikalität abdriftenden deutschen Leitmedien beantworten diese Frage aber nicht. Sie fürchten sich lieber vor einem echten Regierungswechsel in Griechenland. Denn statt den Lokführer bloß auszutauschen, wie es bisher üblich war, wenn nichts mehr lief, wollen die Griechen mit Tsipras jemanden wählen, der den Zug offenbar anhalten und die Richtung überprüfen will. Das können deutsche Medien, die alle vier Jahre von Richtungswahlen schwadronieren, obwohl sie nur den Austausch eines Lokführers meinen, natürlich nicht verstehen.


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Gossenjournalismus at its best

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Poroschenko weilt zurzeit in Washington. Berichtet wird darüber kaum, dafür aber über eine angebliche Prahlerei Moskaus, bei Bedarf in ganz Osteuropa einmarschieren zu können.

Spiegel und andere Medien berichten heute ganz groß, dass Putin mit Einmärschen in Riga und Warschau gedroht haben soll. Alle berufen sich dabei auf einen exklusiven Bericht von Daniel Brössler in der Süddeutscher Zeitung. Der wiederum beruft sich auf eine Gesprächszusammenfassung des Auswärtigen Dienstes der EU. Darin sind offenbar Dialoge zwischen Poroschenko und dem EU Kommissionspräsidenten Barroso dokumentiert. Der Informationsgehalt tendiert mal wieder gegen Null.

Barroso hatte Anfang September etwas Ähnliches behauptet, als er Inhalte eines Telefongesprächs mit Putin aller diplomatischen Gepflogenheiten zum Trotz öffentlich machte. Auf den heutigen Bericht der Süddeutschen angesprochen, sagte eine Sprecherin Barrosos, dass die EU keine Diplomatie über die Presse betreibe und auch keine Auszüge aus vertraulichen Gesprächen kommentiere. Das liegt wohl an der unangenehmen Ankündigung des Kremls, das gesamte Gespräch zwischen Putin und dem Kommissionspräsidenten zu veröffentlichen.

Die Quelle heute ist also Poroschenko, der behauptet, dass Putin ihm gegenüber gesagt haben soll, er könne osteuropäische Städte einnehmen wenn er nur wollte. Was von Aussagen des ukrainischen Präsidenten zu halten ist, der schon mehrmals eine russische Invasion in seinem Land fernab von allen Kameras gesehen haben will, sollte inzwischen klar sein. Deutschen Medien offenbar nicht, sie verbreiten munter die Schlagzeile, dass Putin mit Einmärschen in EU und NATO Länder gedroht haben soll.

Wie wäre es denn zur Abwechslung mal mit Fakten? Der ukrainische Präsident ist heute nach Washington gereist. Was macht er da? Welche Diskussionen werden dort geführt? Glaubt man amerikanischen Medien, so soll der Druck auf Poroschenko erhöht werden, damit der seinerseits härter gegenüber Moskau auftritt. Wieso berichten deutsche Medien darüber nicht? Warum schreiben sie nicht über einen ukrainischen Präsidenten, der offenbar seine Sponsoren in den USA besucht und Dienstanweisungen entgegen nimmt? Man wäre so gern schlauer.


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Steinmeier verurteilt eigene Politik

Geschrieben von:

Der Außenminister ist dagegen, Grenzen in Europa neu zu ziehen. Das dürfe nicht sein, sagte er heute im Bundestag. Während seiner letzten Amtszeit als Außenminister unter Merkel tat er es aber auch. Er will sich nur nicht daran erinnern.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat heute im Bundestag ein dickes Brett gebohrt. „Es kann nicht sein, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir sieben Jahrzehnte nach Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa wieder darangehen, Grenzen zu korrigieren. Das darf nicht sein“, sagte der SPD Politiker. Damit verurteilt er seine eigene Politik aus Amtszeit Nummer eins.

Steinmeier

Seit 1989 werden in Europa ständig Grenzen korrigiert. Als nächstes könnten Schotten, Katalanen und Flamen eine Neufestsetzung fordern. Zuletzt haben sogar die Bundesländer Hessen und Niedersachsen Gebiete getauscht. Aber Spaß beiseite. Wovon redet Steinmeier? Von der Krim, die seiner Meinung nach von Russland völkerrechtswidrig annektiert worden sei.

Eine Theorie, die von fachkundiger Seite bereits als Unsinn enttarnt worden ist. Vielmehr hat Russland nur das wiederholt, was der Westen am 17. Februar 2008 vorgemacht hatte, als das Kosovo seine Unabhängigkeit vom serbischen Zentralstaat erklärte und damit gegen eine UN-Resolution verstieß, die Serbien die Unverletzlichkeit seiner Grenzen garantierte. Einen Tag nach dieser Sezession erkannten England, Frankreich, die USA und drei Tage später auch Deutschland unter dem Außenminister Steinmeier den Kosovo als neuen Staat in Europa an.

Grenzen korrigieren, Das darf nicht sein? Außenminister Steinmeier scheint sich entweder an sein eigenes Handeln nicht mehr zu erinnern oder hat eingestanden, damals falsch entschieden zu haben. Dass der Kosovo als „Blaupause“ zu verstehen ist, hatte bereits Altkanzler Schröder eingeräumt, der seinem Freund Putin zur Seite sprang und zugab, als Kanzler selbst gegen das Völkerrecht verstoßen zu haben.

Neuer Dreiklang: Sanktionen, Sanktionen, Sanktionen

Es ist noch gar nicht so lange her, da ließ die Kanzlerin durch ihren Sprecher Seibert erklären, sie halte im Umgang mit Russland an einem Dreiklang fest. Hilfen für die Ukraine, Gesprächsangebote für Russland und die Drohung mit neuen Sanktionen. Inzwischen ist daraus ein Sanktionsorchester geworden, bei dem Merkel ungeachtet der Entwicklungen forsch drauflos dirigiert.

Als am Montag die träge EU neue Sanktionen beschloss, der ausgehandelte Waffenstillstand in der Ukraine aber weitestgehend zu halten schien, zog EU-Ratspräsident van Rompuy die Notbremse. Beschluss ja, Umsetzung nein. Absurdes Theater. Merkel legte während der Haushaltsdebatte am Mittwoch im Bundestag nach und forderte eine sofortige Umsetzung der neuen Sanktionen.

Gesagt getan. Und trotz Waffenstillstand, trotz positiver Signale von Poroschenko, der freiwillig einräumt, den Abzug russischer Soldaten gesehen zu haben, treten nun schon am Freitag neue Sanktionen gegen Russland in Kraft. Und das obwohl der Ratspräsident am Wochenende noch verkündete: „Falls die Waffenruhe Bestand hat und/oder die Friedensverhandlungen beginnen, sind wir bereit, diese Sanktionen rückgängig zu machen.“

Merkel war nicht bereit und ihr Wille ist in Brüssel offenbar Gesetz. Sieht so aus, als hätte Deutschland unter Merkel auch Grenzen korrigiert.


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Viele unbekannte Flugobjekte

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Die Gründe für vorschnelle Urteile sowie für die Sanktionen gegen Russland waren falsch. Das hätte die Schlagzeile des Tages sein müssen, nachdem der Zwischenbericht zum Absturz von MH17 vorgelegt worden ist.

Fliegende Objekte, deren Identifizierung nicht möglich ist, werden im Fachjargon UFOs genannt. Um solche muss es sich auch am 17. Juli gehandelt haben, als das Flugzeug der Malaysia-Airlines mit der Nummer MH17 von „high energy objects“ getroffen wurde und infolgedessen über der Südostukraine vom Himmel stürzte. Der Bericht der niederländischen Ermittler lässt eigentlich alle Fragen unbeantwortet und bietet weiterhin reichlich Raum für wilde Spekulationen.

Diese werden von allen Seiten betrieben, auch von den Medien, die nun ihre seit Wochen als Wahrheit verkaufte Indizienkette bestätigt sehen. Der Stern titelt zum Beispiel:

“Russische Rakete hinter Abschuss vermutetDer Verdacht existiert schon seit dem Absturz, jetzt hat er sich erhärtet: Der Absturz des Fluges MH17 über der Ostukraine geschah mutmaßlich durch eine russische Buk-Rakete.”

Der Ermittlungsbericht schürt in Wirklichkeit gar keinen Verdacht, sondern spricht von vielen Objekten, die den Flieger mit hoher Energie getroffen haben müssen, was augenscheinlich ist, wenn man die Bilder von den Wrackteilen betrachtet. Der Bericht gibt insofern keine neuen Informationen an die Hand, sondern lässt sich im Prinzip auf die Aussage reduzieren, die der Postillon heute als Überschrift für seine Satire-Meldung wählte.

“Spektakulärer Zwischenbericht: Flug MH17 vermutlich abgestürzt”

Immerhin ist der Inhalt der Flugschreiber nun bekannt. Ein Fortschritt. Allerdings bleibt es merkwürdig, dass das dürftige Ergebnis des Berichts so lange gebraucht hat, um ans Licht der Öffentlichkeit zu gelangen. Vielleicht liegt es daran, dass die Ermittler gründlich vorgehen wollen, vielleicht daran, dass Informationen weiterhin unterdrückt werden sollen. Wer weiß das schon?

Klar ist eigentlich nur, dass nichts klar ist. Was aber bleibt, ist die Geschichte eines politischen Aktionismus in den vergangenen Wochen, der sich nun genau an diesem Ergebnis messen lassen muss. Die Begründungen für Vorverurteilungen und für Sanktionen waren falsch. Das hätte die Schlagzeile des Tages sein müssen.

Wie die EU gestern noch einmal bewies, gehen ihr selbst die schlechten Gründe allmählich aus. Es wird zunehmend schwieriger, eine absurde Sanktionspolitik, die allen mehr schadet als nützt und auf der Grundlage von mehr oder weniger haltlosen Mutmaßungen und Spekulationen fußt, weiter zu rechtfertigen. Gerade die schwarzen Nullen in Berlin sollten das erkennen. Doch wie sagte Schäuble heute im Bundestag:

„Wir haben keinen Grund, jetzt in voreiligen Pessimismus zu verfallen. Wir müssen allerdings die Realität zur Kenntnis nehmen, und diese ist, dass sich das wirtschaftliche Umfeld etwas eingetrübt hat.“

Was für ein Witzbold, dieser Schäuble.


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Kindergarten über den Ticker

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Derzeit folgt eine Eilmeldung der nächsten und unsere Online-Medien und Radiostationen machen das Kindergartenspiel zwischen Moskau und Kiew munter mit. Was ist passiert?

Als gesichert dürfte gelten, dass Putin und Poroschenko heute miteinander telefoniert haben. Beide Seiten leugnen das nicht. Doch der Kreml meldet zunächst relativ unspektakulär einen Austausch von Meinungen und eine Annäherung, was auch immer das heißen mag. Kiew schwieg recht lange und hat offenbar nach der zweiten Tasse Kaffee und der Sichtung der Telefonabschrift völlig überraschend festgestellt, dass beide Präsidenten sich auf einen Waffenstillstand geeinigt hätten.

Prompt überschlagen sich die deutschen Medien mit Durchbruchsmeldungen, da man Kiew als seriöser Quelle selbstverständlich Glauben schenkt. Alle behaupten nun übereinstimmend, dass so eine Einigung tatsächlich möglich sei. Keiner verschwendete zu diesem Zeitpunkt auch nur einen Gedanken an die bisherige Haltung Moskaus, die da lautet, keine Kriegspartei zu sein. Warum sollte man sie da um die Erlaubnis für eine Waffenruhe bitten? Da müsste Kiew nach Lesart Moskaus schon mit den Separatisten sprechen und verhandeln.

Nachdem die Meldung über einen Waffenstillstand nun aber ins virtuelle Laufband getackert worden war, folgte dann auch wie erwartet das Dementi Moskaus, mit der Begründung, die oben steht. Nun rudern die Medien wieder zurück, bleiben aber dabei, dass eine Waffenruhe möglich sei. Was soll das?

Die Meldung vom angeblichen Waffenstillstand ist mal wieder eine, na nennen wir es mal, Übertreibung der Ukraine. Es scheint so, als wolle der Westen Russland zu etwas zwingen. Lehnt Moskau den Waffenstillstand ab, bleiben sie selbstverständlich Kriegstreiber, obwohl sie nur einer Ente Kiews widersprochen haben. Hätte Moskau auf der anderen Seite gesagt, ja stimmt, es wäre wohl der Beweis für den Westen gewesen, das Russland Kriegspartei ist und bisher immer gelogen hat.

Sie sehen also, Russland kann nur gewinnen, egal wie es sich entscheidet. Da Russland dementiert, ist es wohl auch gegen einen Waffenstillstand. So könnte die Story aus Sicht westlicher Medien weitergehen. Ich sehe schon die Kommentare morgen und heute Abend in den Tagesthemen.

Running Gag Brok ist nicht lustig, sondern peinlich

Der Running Gag im EU-Parlament, Elmar Brok, redet übrigens vom Kalten Krieg in Europa. Er sagte, die EU sei in gewisser Hinsicht ratlos, wie sie Russlands Präsidenten an den Verhandlungstisch bekomme. Der Politiker, der den Beinamen Experte zu Unrecht trägt, scheint nicht mehr zu wissen, dass es auch die EU war, die den Ausschluss Russlands aus der G8-Gruppe begrüßte und geplante Treffen mit Russland absagte.

Übrigens hat gerade die designierte EU-Chefdiplomatin Mogherini Russland attackiert und gesagt, dass Moskau kein strategischer Partner mehr für die EU sei.

Brok meint weiter, dass Putin klar gemacht werden müsse, dass es zu teuer sei, einen Krieg zu führen. Vielleicht sollte er das der ukrainischen Führung sagen. Schließlich war es Poroschenko, der seinen Friedensplan mit dem Panzer in den Südosten der Ukraine zustellen ließ. Brok leidet hingegen an offenkundigen Wahrnehmungsstörungen wenn er betont, dass der Westen keinen militärischen Konflikt wolle und daher weiter auf Sanktionen gegen Moskau setze.

Das heißt konkret. Der Westen wolle zwar keinen militärischen Konflikt, nimmt aber einen Handelskrieg, bei dem die EU selbst nur verlieren kann, billigend in Kauf. Wie viel Dämlichkeit kann die Öffentlichkeit eigentlich noch vertragen?


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