Wolfgang Münchau in der FTD über die FDP

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Vieles von dem, was Münchau über den Zustand der FDP schreibt, ist richtig beobachtet:

Die FDP hat einfach keine Ahnung

„Die FDP steckt also in der Krise. Und die Personalie Westerwelle ist nur ein Symptom. Das eigentliche Problem der Liberalen ist inhaltlicher Natur: nämlich die Unfähigkeit, Liberalismus im Zeitalter nach der Finanzkrise neu zu definieren. Die FDP weicht dieser Verantwortung systematisch aus. Der Partei fehlen mittlerweile die Instinkte und das Personal für eine inhaltliche Neuordnung. Am liebsten pochen die Mitglieder auf ihren alten Themen herum und üben sich in Neiddebatten.“

Sehr schön ist natürlich die Einsicht, dass das eigentliche Problem der FDP inhaltlicher Natur sei, weil man keine Antwort auf die Krise zu geben vermag. Jedoch ist die Behauptung, es liege eine Unfähigkeit vor, den Liberalismus im Zeitalter der Finanzkrise neu zu definieren, falsch. Denn das setzt nämlich voraus, dass es in Deutschland vor der Finanzkrise soetwas wie einen Liberalismus oder eine liberale Partei gegeben hätte. Dem ist nicht so.

Die Westerwelle-FDP war schon immer nur eine Kaspertruppe, deren Anhänger sich nur einbildeten, etwas mit Liberalismus im Sinn zu haben. In Wahrheit aber, und das sieht man heute jawohl ganz deutlich, sind diese widerlichen und zum Teil sehr jungen Gestalten vornehmlich staatlich alimentierte Lobbyisten, die sich zudem in ihrer Freizeit als Mietmäuler für die Finanzwirtschaft prostituieren. Gerade jetzt kann man am Innenleben der FDP sehr schön studieren, was es heißt, wenn alle im freien Spiel der Marktkräfte, ihre Wettbewerbsposition verbessern wollen. Da wird um belanglose Pöstchen gestritten und jeder keilt gegen jeden ohne Rücksicht auf Verluste und bevorstehende Wahlen. Offiziell gilt die FDP noch als Partei, obwohl sich das einzelne Mitglied wahrscheinlich für wesentlich wichtiger hält.

Die Ära des Liberalismus ist längst gescheitert und im Falle Deutschlands bereits schon bevor es Deutschland überhaupt gab. Warum erinnerten die angeblichen Liberalen nicht vor drei Tagen an den 140. Geburtstag der deutschen Nation? Am 18.01.1871 wurde in Versailles das Deutsche Reich proklamiert. Vielleicht weil die Reichsgründung und die Einheit Deutschlands unter Ausschluss der bürgerlichen Kräfte vollzogen wurde. Die Revolutionäre waren ja bereits 1848/49 jämmerlich gescheitert, als sie in Berlin den preußischen König Friedrich Wilhelm IV. buchstäblich in die Knie gezwungen hatten, es aber nicht zu Ende führten. Er verlor nicht seinen Kopf, sondern brauchte sich nur vor den Märzgefallenen zu verneigen. Später ließ er dann die Nationalversammlung scheitern, weil er sich weigerte, dass berühmte Tüpfelchen auf dem „i“ im Rahmen einer konstitutionellen Monarchie zu werden – also Grußaugust.

Später wurden die liberalen Minister im preußischen Parlament entlassen, weil sie das Budget für eine Aufstockung des Militärs nicht bewilligen wollten. Der nun amtierende preußische König Wilhelm I. holte den Junker Bimarck zurück, der dann sieben Jahre lang ohne Haushalt Ministerpräsident Preußens sein durfte und den Krieg gegen Frankreich sowie die Einigung Deutschland vorbereiten konnte. Aus Sicht des deutschen Liberalismus eine Katastrophe, denn der deutsche Nationalstaat wurde nicht durch sie, sondern von oben durch einen König und einen Großgrundbesitzer schlussendlich geschaffen.

Im weitern Verlauf zerfielen die Liberalen in verschiedene Fraktionen und Bismarck konnte wahlweise die eine Seite gegen die andere ausspielen. Das ist die traurige Geschichte des Liberalismus in Deutschland. Es ist eine Geschichte bürgerlicher Schwäche. Spätestens mit der Zustimmung zum Ermächtigungsgesetz 1933 hat sich der deutsche Liberalismus dann endgültig und selbst begraben.

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Ein Hoch auf die Karikatur eines Parteistrategen Alexander Dobrindt

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Die CSU hat einen Zeichentrickfilm anfertigen lassen, mit dem sie ihre aktuelle Kampagne zum Ausdruck bringen will. Bezeichnenderweise geht es dann auch nicht um eigene Inhalte, wahrscheinlich aus Mangel an ebendiesen, sondern um die Grünen als „Dagegen-Partei“. Dazu sagt dann auch der Vorsitzende des Zentralrats der Partei der namentlich bekannten Alkoholiker mit Glaubenbekenntnis Alexander Dobrindt.

„Die Grünen sind im Kern immer noch die alte anti-bürgerliche Chaoten- und Steinewerfer-Partei von vor 30 Jahren“, erklärt Generalsekretär Alexander Dobrindt zur neuen Kampagne. Das müsse wieder stärker in den Fokus gerückt werden. Der Spot werfe einen Blick hinter die Fassade der Partei.

Quelle: Welt Online

Ich glaube, der Spot wirft eher einen Blick hinter die Fassade der CSU und da offenbart sich ein erschreckendes Bild über den Geisteszustand der Parteiführung. Die Amigos der CSU sehen nur noch Kommunisten und Steinewerfer. Dabei wäre es doch sehr interessant, einmal über die Verstrickungen der bayerischen Landesregierung in den Bankenskandal zu sprechen, der für den Steuerzahler nämlich immer teurer wird. Immerhin stehen mit der BayernLB und der HRE gleich zwei Krisen- und Skandalinstitute auf dem Münchner Hoheitsgebiet.

Mal abgesehen von dem Umstand, dass die CSU die BayernLB immer als Selbstbedienungsladen bzw. Parteibank nutzte, erinnern wir uns doch an die jüngste Skandalgeschichte. Durch den dubiosen Erwerb der Hypo Group Alpe Adria (1,6 Mrd. Euro) musste die BayernLB mit dem Eintreten der Finanzkrise als Mehrheitsaktionär auch die Verluste dieser vergleichsweise kleinen Bank in Höhe von 4 Mrd. Euro übernehmen. Dies geschah mit einer spontanen 10 Mrd. Euro Geldspritze durch die bayerische Landesregierung/Bundesregierung sowie Bürgschaften durch den SoFFin in Höhe von ebenfalls 10 Mrd. Euro.

Dass diese auch in Anspruch genommen werden, steht inzwischen außer Frage. Nur was die Landesregierung bisher unterlassen hat, ist für diesen Fall im Haushalt Vorkehrungen zu treffen. Zu dieser Einschätzung kam zumindest der oberste Rechnungshof des Freistaats.

Sie sehen Bayerns bislang solide Staatsfinanzen wegen Landesbank und Finanzkrise in großer Gefahr. Denn die obersten Rechnungsprüfer des Freistaats vermissen vor allem eines: angemessene Vorsorge. Für die milliardenschweren Steuerausfälle des nächsten Jahres hat die Staatsregierung nach Einschätzung des ORH keinerlei Vorbereitungen getroffen.

Wegen der Landesbank-Krise hat sich der Schuldenstand Bayerns innerhalb eines Jahres um fast 50 Prozent auf 34 Milliarden Euro erhöht. Hinzu kommen Bürgschaften und Haftungsverpflichtungen in Höhe von 11,5 Milliarden Euro, die die Staatsregierung bei der BayernLB sowie anderen Banken und Firmen übernommen hat. Diese Bürgschaften sind nur zum Teil im Haushalt verbucht – soll heißen: Falls Bürgschaften in größerer Höhe fällig werden, ist dafür im Staatshaushalt derzeit weder Geld vorhanden noch eingeplant.

Für die erwarteten Steuerausfälle von 1,6 Milliarden Euro im nächsten Jahr hat die Staatsregierung laut ORH-Bericht “keine Vorsorge“ getroffen.

Darüber hinaus täuscht der bayerische Finanzminister Fahrenschon die Öffentlichkeit über das wahre Ausmaß des Desasters, weil bekannt wurde, dass er den Prüfbericht zur Hypo Alpe Adria dem Landtag über Monate vorenthielt.

Vor allem die ehemalige Führungselite um Huber, Beckstein, Faltlhauser und Schmid glänzten als Aufsichtsräte der Bank durch Ahnungslosigkeit und lasche Kontrollen, die die kriminellen Bankgeschäfte mit hochspekulativen ABS-Papieren erst ermöglichten. Der Tatbestand der Fahrlässigkeit wurde immerhin schon festgestellt, auch wenn das juristisch nicht weiter relevant ist, weil die Satzung der Landesbank diesbzüglich und vorsorglich geändert wurde. Beim Verwaltungsrat greifen Schadenersatzansprüche erst bei einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung.

Bekannt wurde auch, dass sich der ehemalige Bankvorstand der BayernLB Gerhard Gribkowsky persönlich bereichert hat. Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft soll er beim Verkauf der Formel-1-Anteile, die der Bank aus der Insolvenzmasse des Kirch-Konzerns zugefallen waren, 50 Millionen Dollar abgezweigt haben. Ihm wird also nicht nur Bestechlichkeit vorgeworfen, sondern auch Steuerhinterziehung. Zudem hat er der Bank einen beträchtlichen Schaden zugefügt. Er wurde zurecht verhaftet.

So sieht das in Bayern aus, dessen Landesregierung ihre Politik nun vornehmlich auf die Bekämpfung von Phantom-Steinewerfern und Phantom-Kommunisten ausrichten will, statt ihr Augenmerk auf die reale Bedrohung krimineller Finanzakteure zu legen, die von ahnungslosen und mindestens fahrlässig handelnden Politikern an ihrem Tun nicht weiter gehindert wurden.

Wer schadet dem Land und seiner Bevölkerung wohl mehr? Bevor man über angebliche „Dagegen-Parteien“ billig polemisiert und den Kommunismus als düstere Zukunftsbedrohung an die Wand malt, sollte man doch ernsthaft über die bayerischen Verhältnisse sprechen. Das wäre mal ein echter Fortschritt, dem sich auch die SPD hätte widmen können, anstatt den Begriff bis zur Unkenntlichkeit im neuen Programmentwurf zu entstellen.

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Realsatire im Bundestag

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Im Bundestag soll es heute heiß her gegangen sein. Die Reform des Hartz-IV-Gesetzes stand auf der Tagesordnung und Arbeitsministerin von der Leyen schritt gleich zweimal ans Rednerpult, nachdem die SPD überraschend ihren letzten Redner gegen Parteichef Sigmar Gabriel ausgetauscht hatte, der zum Rundumschlag ausholte. Das konnte sich die ehemalige Unions-Barbie und Zensursula natürlich nicht gefallen lassen und wechselte sich kurzerhand gegen den letzten Redner der Union noch einmal selbst ein.

Wütende Proteste hüben wie drüben. Auf Antrag der Linken wurde die Sitzung dann unterbrochen und später wieder fortgesetzt. Am Ergebnis hat der inszenierte Zoff natürlich nichts geändert. Hartz-IV bleibt Armut per Gesetz und zwar ganz unabhängig davon, ob die SPD ihren Mindestlohn bekommt oder nicht. Rot-Grün steckt in einer Glaubwürdigkeitsfalle, weil sie die Arbeitsmarktreformen buchstäblich zu verantworten haben und das immer noch toll finden. Union und FDP können der Opposition somit genüsslich die Beteiligung und das Versagen während ihrer eigenen Regierungszeit vorhalten und jeder kann dem spontan zustimmen.

Dass Union und FDP die Arbeitsmarktreformen von Schröder selber mitbeschlossen haben, als damals SPD und Grüne die Zustimmung im Bundesrat brauchten, ist nur eine Randnotiz, aber auch ein entscheidender Hinweis auf die Gegenwart, die unter veränderten Vorzeichen genauso schäbig abzulaufen droht wie damals. Jetzt brauchen Union und FDP halt die Zustimmung von der SPD oder nur von den Saarland-Grünen, um ihr Gesetz im Bundesrat zu verabschieden.

Gregor Gysi wies in seiner Rede darauf hin und betonte noch einmal die seltsame Rolle der Grünen mit Blick auf Hamburg und das Saarland sowie auf die Tatsache, dass die große Hartz-IV-Konsenssoßenvereinigung im deutschen Bundestag einmal mehr ein verfassungswidriges Gesetz beschließen wird.

Die neue Chefmathematikerin der Union Ursula von der Leyen wurde am Ende ihres zweiten Auftritts, bei dem sie schon eigenartige Schüttelsätze von sich gab, frenetisch gefeiert und mit minutenlangem Applaus bedacht. Das war im Prinzip der zweifelhafte Höhepunkt dieser geschmacklosen Show. Die Frage aber, warum man für die Rechnung fünf Euro mehr fast ein ganzes Jahr braucht und damit jene Frist, die das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber gesetzt hat, bis zum Schluss ausnutzen muss, bleibt weiterhin ein Rätsel.

Bei der Ablösung des kriminellen Vorstands der HSH-Nordbank, Dirk Jens Nonnenmacher, sind die Politiker offenbar bereit, zwei Millionen Euro Abfindung unter Vorbehalt zu zahlen.

Der Bankchef soll nach dem Willen der Eigentümer – vor allem Hamburg und Schleswig-Holstein – die zwei Millionen Euro nur unter Vorbehalt bekommen, wie die „Süddeutsche Zeitung“ weiter berichtete. Sie wollen vertraglich festlegen lassen, dass Nonnenmacher das Geld zurückzahlen müsse, falls er wegen Straftaten verurteilt werden sollte oder noch Sachverhalte bekannt würden, die eine fristlose Kündigung gerechtfertigt hätten.

Und wie soll die „vertragliche Festlegung“ dann heißen. Ausgliederungsvereinbarung? Und wieso sagt man nicht einfach, dass Nonnenmacher sein Vermögen zunächst aufbrauchen müsse, bevor der Steuerzahler, der schon seine Bank und sein Gehalt gerettet hat, ihm noch einen Abschiedsbonus hinterschiebt? Die Schnösel von der FDP meinen ja, dass man diese beiden Dinge, also Eingliederungsvereinbarung und Ausgliederungsvereinbarung nicht miteinander vergleichen könne.

Wenn aber Gabriel den Vergleich in seiner Rede gezogen und auf die Schieflage innerhalb der Gesellschaft hingewiesen und Vorschläge zur Abhilfe unterbreitet hätte, dann wäre ihm vielleicht auch die Zuschauertribüne applaudierend zur Seite gesprungen, obwohl die Besucher des Bundestags das eigentlich gar nicht dürfen.

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Zum 9. November…

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…habe ich am 8. November 2009 schon etwas geschrieben, was auch heute noch gilt. Thilo Sarrazin ist immer noch aktuell und die öffentlich betriebene Hetze gegen Minderheiten fällt auf fruchtbaren Boden. Im Jahr 2006 war die Welt noch zu Gast bei Freunden, im Jahr 2010 ist der Ansatz für Multikulti gescheitert, absolut gescheitert, wie unsere Kanzlerin jüngst betonte, nachdem sie sich zuvor noch von Sarrazins Äußerungen distanziert hatte.

Die Versuchung, das politische Versagen mit einer neuerlichen Debatte um Integration und Identität vergessen machen zu können, war einfach zu groß. Das Schlimme ist nur, dass man den Politversagern diesen Müll wieder und wieder abkauft, sogar den Gipfel der Verblödung mit der Erfindung einer christlich-jüdischen Tradition. Dazu schreibt Prantl in der Süddeutschen:

Die neue Innigkeit ist nicht von Theologen und Pastoralklerikern ausgerufen worden, sondern von Politikern. Im Jahr 72 nach der Reichspogromnacht haben sie etwas entdeckt, was es nicht gibt: eine christlich-jüdische Tradition, eine gemeinsame Kultur. In Kürze soll diese auf dem CDU-Parteitag halbamtlich dekretiert werden. Das ist ein bemerkenswerter Vorgang, weil die nun beschworene Gemeinsamkeit über Jahrhunderte hin die Gemeinsamkeit von Tätern und Opfern war.

Die christliche-jüdische Geschichte besteht vor allem in der Verfolgung, Vertreibung und Vernichtung der Juden und in der Verketzerung des Talmud. Und wo es gemeinsame Wurzeln gab, hat die Mehrheitsgesellschaft sie ausgerissen. Wenn Juden anerkannt wurden, dann nach ihrem Übertritt zum Christentum.

Das ist schon richtig formuliert, bis auf die Anerkennung der Juden durch den Übertritt zum Christentum. Das ist natürlich falsch. Die Nürnberger Rassegesetze waren diesbezüglich sehr eindeutig und die tödliche Umsetzung ein gesellschaftlicher Zeitvertreib.

Dennoch ist es beachtenswert, dass einer wie Prantl die neue staatsmännische Sprachregelung als Heuchelei geißelt, die nur dem einen Zweck dient, der lustvollen Ausgrenzung von Minderheiten weiter Vorschub zu leisten.

Zur Kritik gehört aber auch, einen Blick auf Deutschlands Selbstverständnis zu werfen. Der neue Messias am Politikfirmament Karl-Theodor zu Guttenberg rennt im Augenblick herum und lässt sich fotografieren, lässt die Bundeswehr zu einem Berufsheer umbauen und verkündet fröhlich jenen Blödsinn, den auch Ex-Bundes-Horst-Wer? Köhler beiläufig verkündete und anschließend zurücktrat, weil man es ihm nicht dankte. Nun schwadroniert also auch zu Guttenberg ganz offen über die militärische Sicherung von Rohstoffquellen und Handelswegen.

„Die Sicherung der Handelswege und der Rohstoffquellen sind ohne Zweifel unter militärischen und globalstrategischen Gesichtspunkten zu betrachten.“

Quelle: RP Online

Auf der Berliner Sicherheitskonferenz brachte der Freigeist seine Verwunderung darüber zum Ausdruck, dass Köhler seinerzeit für etwas geprügelt wurde, das im Grunde selbstverständlich sei. In der Tat muss man sich das fragen, zumal Frau Bundeskanzlerin in ihrer ersten Regierungserklärung vom 10. November 2009 genau dasselbe sagte.

„Mehr noch: Wir alle müssen verstehen, dass es um weit mehr geht als nur um die Bewältigung der Folgen der Krise in unserer eigenen Volkswirtschaft. Nein, die Karten werden weltweit neu gemischt. Das und nichts anderes ist die Dimension der Krise. Weltweit werden die Karten neu gemischt. Da gibt es eben keine angestammten Marktanteile und Positionen. Wer wird sich den Zugriff auf Rohstoffe und Energiequellen sichern? Wer lockt Investitionen aus anderen Teilen der Welt an? Welches Land wird zum Anziehungspunkt für die klügsten und kreativsten Köpfe?“

Quelle: Tautenhahn

Damals interessierte das bis auf Oskar Lafontaine nur keinen. Er war wohl der einzige, der Merkel zuhörte, auch wenn es schwer viel. Er warnte die Bundesregierung gleichzeitig davor, sich in Kriege einspannen zu lassen, die nur dem Zweck der Rohstoffsicherung dienten. Nun ist zu Guttenberg schon dabei und schafft sich eine Truppe von Willigen, befreit vom Staatsbürger in Uniform, vor dessen Särgen er noch öffentlich heulen musste. Nun soll das Morden für deutsche Wirtschaftsinteressen auf eine solide Geschäftsgrundlage gestellt werden. Das ist das eigentliche Ziel seiner Bemühungen.

Und die Herzen fliegen ihm dabei zu. Das ist schlimm.

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Am Montag wird der Müll raus gestellt

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Montag ist ein blöder Tag. Zum einen fängt die Woche gerade erst an, zum anderen steht man noch unter dem Eindruck des Wochenendes. Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Vielleicht beim Schäuble, der die Kommunalfinanzen vollends ruinieren will und ganz nebenbei großkotzige Sprüche in Richtung Amerkia spuckt? Oder sollte man sich doch mit dem Protest beschäftigen? In Hannover demonstrierten am Wochenende etwas mehr als 10.000 Menschen gegen die Politik der Bundesregierung und in Gorleben sind die Proteste zur Stunde noch nicht vorbei.

An allen Ecken und Enden dieses Landes stinkt es gewaltig. Umso erstaunlicher ist es, dass die Landesregierungen von Hamburg und Schleswig-Holstein offenbar erkannt haben, dass mit Dirk Jens Nonnenmacher ein besonders dicker Dreckbrocken im eigenen Haus herumgärt, den man nun endlich loswerden will. Herzlichen Glückwunsch. Allerdings dürfte die Entsorgung des Vorstandsvorsitzenden der HSH-Nordbank teuer werden, falls es nicht gelingt, dem Nonnenmacher persönliches Fehlverhalten nachzuweisen. In solchen Kreisen ist das aber nahezu ausgeschlossen. Und eine Verdachtskündigung wie beim gemeinen Fußvolk, die schon bei Bagatelldelikten gerechtfertigt ist und auch dann wenn man nix beweisen kann, kommt wohl nicht in Frage.

Geprüft wird offenbar auch, ob eine fristlose Kündigung möglich sei. Dafür müsste Nonnenmacher allerdings wohl nachgewiesen werden, dass er persönlich in die diversen Affären bei der HSH verstrickt ist. Der Vorstandschef beteuert seine Unschuld.

Wieso sollte man auch etwas nachweisen wollen, einfach einen Kugelschreiber, einen Tacker oder eine Packung Heftklammern in die Aktentasche des ungeliebten Angestellten schmuggeln. (Nonnenmacher hat ja nach eigener Aussage eh keine Ahnung, was in seinem Laden vor sich geht.) Dann könnte man Nonnenmacher bequem des Diebstahls bezichtigen und eine Störung des Vertrauensverhältnisses begründen. Auf diese Weise haben schließlich schon zahlreiche Arbeitnehmer ihren Job verloren. So eine Nummer wünsche ich mir jedenfalls auch mal bei einem Manager wie Nonnenmacher.

Im Prinzip müsste nun auch der amtierende Aufsichtsratschef und Ex-Peanuts-Jäger der Deutschen Bank Hilmar Kopper seinen Hut nehmen. Schließlich hat der seinen Job immer mit dem von Nonnenmacher verknüpft und lange Zeit eine Ablösung des umstrittenen Vorstands verhindert. Aber ob sich der Kopper an sein Versprechen erinnern wird, hängt wohl davon ab, wo es mehr abzugreifen gibt. Bei einer Doppelentsorgung der zwei Finanznieten dürfte es wohl kaum einen Mengenrabatt geben. Man fragt sich nur, für was da der Steuerzahler drauf zahlen soll? Sondermüllgebühr?

Als die Vorstandsgehälter für öffentliche Banken, die durch den Staat in der Finanzkrise gestützt werden mussten, auf 500.000 Euro gedeckelt wurden, machte man bei Nonnenmacher eine Ausnahme. Er durfte seinen drei Millionen Bonus erfolgreich einfordern und behalten. Inzwischen reichen die Vorwürfe bei der HSH-Nordbank von riskanten bis kriminellen Geschäften im Finanzkasino bis hin zur organisierten Bespitzelung von Vorstandskollegen und einem ehemaligen Minster.

Und was ist eigentlich mit dem schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen und seinem Finanzminister Rainer Wiegard, denen von Seiten des Ex-Wirtschaftsministers Werner Marnette Vertuschung vorgeworfen wurde? Genießt Carstensen etwa einen besonderen Schutz, weil er seinen Abtritt zu den vorgezogenen Neuwahlen bereits angekündigt hat? Dieses korrupte Gehabe hält doch kein Mensch mehr aus.

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Neues zur Hypo Real Estate

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Als frohe Botschaft verkündet heute Spiegel Online, dass die Pleitebank Hypo Real Estate Garantien des Bundes in Höhe von 23,5 Mrd. Euro zurückgeben möchte.

Damit müssten die Bürgen nur noch für gut hundert Milliarden einstehen.

Sobald die Bürgschaften zurückgegeben sind, bleiben noch Garantien im Volumen von 100,5 Milliarden Euro übrig. Sie sollen den Planungen nach bis Mitte 2011 schrittweise zurückgeführt werden.

Mal abgesehen von der sehr unglücklichen Formulierung, dass der Steuerzahler nur noch für gut 100 Mrd. Euro garantieren müsse, ändert doch eine Rückführung der Staatsbürgschaften überhaupt nichts an der enormen Belastung der Bürger. Spiegel Online tut aber gerade so, als wäre das Gegenteil der Fall. Dabei wird im Text darauf hingewiesen, wofür die Staatsgarantien gebraucht wurden.

Die Garantien hatten während der Übertragung von Altlasten in eine sogenannte Bad Bank als Puffer für einen möglichen Liquiditätsbedarf gedient und würden nun nicht mehr benötigt.

Anfang des Monats hatte die Bank erfolgreich Wertpapiere und nicht mehr strategisch relevante Geschäftsbereiche im Wert von 173 Milliarden Euro auf eine Abwicklungsanstalt des Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (Soffin) übertragen. Damit gingen auch die Garantien an die Bad Bank FMS Wertmanagement über.

Die Bank hat also erfolgreich Wertpapiere und nicht mehr strategisch relevante Geschäftsbereiche auf eine Bad Bank übertragen. Wer garantiert denn für die Bad Bank? Spiegel Online? Auch wenn der Artikel nur eine Agenturmeldung ist, die Redakteure hätten noch einmal recherchieren sollen, was der Pate im Bundesfinanzministerium Jörg Asmussen Anfang Oktober in Brüssel zu Protokoll gab.

In der Financial Times Deutschland könnte man da zum Beispiel fündig werden.

Der Bund garantiert nicht nur die für eventuelle Risiken der Transaktion, die Pleitepapiere steigern auch die Staatsverschuldung. In dem Moment, in dem die Bad Bank konsolidiert ist, steige die deutsche Gesamtverschuldung um 8,5 Prozentpunkte, sagte Finanzstaatssekretär Jörg Asmussen am Freitag in Brüssel. Die Gesamtverschuldung läge dann bei rund 84 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP).

Zunächst einmal geht es also nicht um Wert-, sondern um Pleitepapiere. Das ist ein merklicher Unterschied. Schließlich hatte die Transaktion ja gerade den Zweck, die Bilanz der HRE von diesen Pleitepapieren zu bereinigen. Oder anders ausgedrückt, die Verluste, die offiziell hätten realisiert werden müssen, wurden nun entsprechend ausgelagert und in eine andere Bilanz, nämlich die der Bad Bank, verschoben. Diese sieht nun wiederum ziemlich schlecht aus. Aber eine Bad Bank macht ja auch keine weiteren Geschäfte, sondern verwaltet den eingelagerten Müll in der Hoffnung das daraus eines Tages wieder etwas Brauchbares wird, da sonst der Eigentümer der Bad Bank (SoFFin, Staat, wir alle) für die Verluste gerade zu stehen hat.

Die HRE hingegen kann wieder weiterzocken und Gewinne an Risiko freudige Spieler auszahlen, während die Staatsverschuldung im Zuge der Konsolidierung, man könnte auch sagen, nach der Sozialisierung der Verluste, weiter nach oben schnellt. Insofern ist es völlig egal, ob die HRE Staatsgarantien bis 2011 schrittweise zurückführt. Der Steuerzahler bleibt so oder so auf den Kosten der kostspieligen Rettung sitzen.

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Zur Regelsatzdiskussion

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Seit sieben Jahren kommt in diesem Land mit der ALG-II-Regelung ein verfassungswidriges Gesetz zur Anwendung. Zu diesem Ergebnis kamen die Richter des Bundesverfassungsgerichts im Februar 2010. Bis zum Jahresende sollte der festgestellte Verstoß gegen Artikel 1 Grundgesetz (Menschenwürde) und Artikel 20 GG (Sozialstaatsprinzip) im Rahmen einer an der Wirklichkeit orientierten Neuberechnung der Hartz-IV-Sätze beseitigt werden. Die bisherigen Bemühungen der zuständigen Ministerin Ursula von der Leyen sind kaum erkennbar. Zwar hat sie für das kommende Jahr höhere Ausgaben für Öffentlichkeitsarbeit im Bundeshaushalt angemeldet, über die Neuberechnung der Regelsätze dringt nun aber recht wenig nach außen. Dabei wird es langsam eng.

Doch was passiert eigentlich, wenn die Regierung bis zum Jahresende kein neues Gesetz vorlegt? Wird Frau von der Leyen dann in Gewahrsam genommen oder die Amtszeit der schwarz-gelben Minderheitsregierung für beendet erklärt? Nein. Es passiert natürlich nix. Die Bundesrichter hatten das ja im Februar ganz toll geregelt:

Sollte der Gesetzgeber allerdings seiner Pflicht zur Neuregelung bis zum 31. Dezember 2010 nicht nachgekommen sein, wäre ein pflichtwidrig später erlassenes Gesetz schon zum 1. Januar 2011 in Geltung zu setzen.

Quelle: BverfG

Theoretisch könnte die Bundesregierung den verfassungswidrigen Zustand auch über das Jahresende hinaus andauern lassen, falls man noch keine adäquate Methode gefunden hat, die Regelsätze wirklichkeitskonform herunterzurechnen. Möglicherweise wächst der Niedriglohnsektor auch noch ein wenig, so dass die Bedarfssituation der unteren Einkommensgruppen, die ja zur geforderten transparenten Berechnung herangezogen werden sollen, noch etwas nach unten rutscht.

Möglicherweise führt dann ja ein Gesetz, das rückwirkend zum 1. Januar 2011 wirksam wäre dazu, dass viele Hartz-IV-Bezieher etwas zurückzahlen müssen, weil sie nach dem dann gültigen Stand überzahlt worden sind. Was für eine Vorstellung. Aber bei dem Pannenkabinett ist ja nichts unmöglich.

Nun ist aber doch ein wenig über die Pläne der Ministerin an die Öffentlichkeit gedrungen. So zum Beispiel der Vorschlag, dass sich die künftige Höhe der Regelsätze an der Preis- und Nettolohnentwicklung orientieren solle und nicht mehr an der Entwicklung der Renten. Das ist jetzt natürlich ein Riesenfortschritt. Da hat man einfach das Urteil gelesen (immerhin nach 7 Monaten) und das Verfahren lediglich dem Wortlaut der Richter angepasst.

Die Faktoren aber, die das für die Bildung der Regelleistung maßgebliche Verbrauchsverhalten des untersten Quintils bestimmen, namentlich das zur Verfügung stehende Nettoeinkommen und die Preisentwicklung, spielen bei der Bestimmung des aktuellen Rentenwerts keine Rolle. Er ist deshalb zur realitätsgerechten Fortschreibung des Existenzminimums nicht tauglich.

Quelle: BverfG

Jetzt muss Frau von der Leyen es nur noch schaffen, mit Hilfe dieser neuen Betrachtungsmethode weniger oder den gleichen Geldbedarf herauszubekommen, der bisher als Leistungsatz den Bedürftigen zugestanden wird. Und der große Wurf wäre perfekt. Denn laut der Richter kommt es ja nur darauf an, dass die Berechnung des Existenzminimums transparent und wirklichkeitsnah geschehe. Denn nur die unbegründete Abweichung von dieser Methode sei ein Verstoß gegen die Menschenwürde. Bei der Festlegung des Existenzminimums habe der Gesetzgeber hingegen nach wie vor gestalterische Freiheit. Und die Regelsätze seien ja „im Allgemeinen nicht evident unzureichend“, so die Richter in ihrem Urteil.

Da bin ich aber doch gespannt, wie die untersagten „Schätzungen ins Blaue“ mit der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers in Einklang gebracht werden können. Die bisherige Politik dieser Bundesregierung bestand doch nur aus derartigen Schüssen ins Blaue ohne Sinn und Verstand.

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Zur Frage der Lohnangleichung

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Meine gestrige Kritik an Gregor Gysis Forderung nach einer Lohnangleichung der ostdeutschen Löhne unter der Parole gleicher Lohn für gleiche Arbeit hat zu ebenfalls kritischen Reaktionen geführt. Zum Kommentar von Ormuz möchte ich mich näher äußern:

Die Ausplünderung der DDR ist mittlerweile 20 Jahre her und von Produktivitätsunterschieden kann meines Erachtens nach keine Rede mehr sein.
Aber selbst wenn, die Leute im Osten müßen genau so viel arbeiten, müßen die selben Mieten bezahlen und auch das selbe für Lebensmittel, Strom etc.
Es ist also nicht zu rechtfertigen, daß im Osten noch immer deutlich weniger Lohn gezahlt wird, denn die Lebenshaltungskosten sind ja auch keineswegs deutlich niedriger.

Das ist verständlich, Ormuz.

Nur ändert das eben nichts an der Tatsache, dass die Währungsunion von 1990 mit der Umstellung von schwacher Ost-Mark auf die starke D-Mark sowie die schnelle Angleichung der Ost-Löhne richtig vergeigt worden war. Dieser ökonomische Irrsinn hatte fatale Folgen. Die Ost-Betriebe verloren ihre Wettbewerbsfähigkeit reihenweise und die Menschen im Osten ihre Jobs sowie eine Perspektive. Die gutausgebildeten migrierten in den Westen (meine Familie gehörte dazu) und die zumeist weniger gut ausgebildeten Menschen blieben als Chancenlose zurück.

Während dieses Ausblutens ganzer Regionen, erhöhten sich entsprechend die Marktanteile der West-Betriebe innerhalb einer gemeinsamen Volkswirtschaft, da ja die gleiche Währung galt. Es wurde einfach versäumt, den notwendigen Aufholprozess der ostdeutschen Wirtschaft fachlich zu begleiten.

Der Oberhammer war aber, dass die selben Idioten, die das Ausmaß ihres Tuns spätestens 1994 erkennen konnten, da die Arbeitslosigkeit im Osten einerseits weiter zunahm und andererseits die Migrationsbewegung von Ost nach West neue Höhen erreichte, dass diese Leute derweil die nächste Währungsreform (Euro) nach dem selben fatalen Muster planten und, wie wir heute wissen, ebenfalls gehörig in den Sand setzten.

Die politische Lösung in beiden Fällen, um die Auswirkungen falscher Wirtschaftspolitik einzudämmen, heißt Solidarität. Ohne Transferleistungen geht es innerhalb Deutschlands nicht, aber auch nicht innerhalb Europas. Doch das Gegenteil ist der Fall. In Deutschland klagt man lauthals über die Belastungen durch den Solidaritätszuschlag und mit Blick auf Europa klagt man, der Zahlmeister für Defizitsünder wie Griechenland sein zu müssen. Dabei ist die Rolle des Zahlmeisters die logische Konsequenz aus dem Verhalten einer starken Volkswirtschaft, die sich auf Kosten der im Aufholprozess befindlichen Ökonomien bereichert hat.

Mit Blick auf die Wirtschaftsleistung innerhalb Deutschlands lässt sich jedenfalls festhalten, dass die ostdeutschen Betriebe noch immer aufholen müssen. Die Wirtschaftsleistung Ostdeutschlands liegt erst bei 70 Prozent der westdeutschen. Um diese Lücke schließen zu können, bedarf es einer höheren Produktivitätsentwicklung als im Westen, die aber nur mit zusätzlichen staatlichen Hilfen angeschoben werden könnte. Erst dann ist es möglich, dass auch die Löhne im Osten stärker steigen als die im Westen. Ohne Subventionen geht es aber nicht und vor allem geht es nicht ohne einen Flächentarifvertrag, der den Lohnzuwachs für alle gleich regelt, also für Unternehmen mit hoher Produktivität und für die mit weniger Produktivität.

Wer hingegen das Lied von der Flexibilisierung der Tarife und Löhne fröhlich vor sich hin trällert, kapiert nicht, dass er die Marktwirtschaft außer Kraft setzt. Wenn jeder Betrieb nur noch dafür aufkommt, was er sich selber wirtschaftlich leisten kann, gibt es keine Nachfrage mehr, weil es permanent darum geht, die Lohnkosten zu drücken, um sich Marktanteile zu sichern. Daher sind steigende Löhne und vor allem ein gesetzlicher Mindestlohn als Nachfragegröße enorm wichtig, damit die Wirtschaft überhaupt gesund funktionieren kann. Die Parole „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit!“ ist hingegen falsch, weil es eben darauf ankommt, an welchem Ort der Lohn gezahlt wird. Es gilt daher der Satz „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort!“

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Nachtrag zur Haushaltsdebatte

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Okay, die Rede Gregor Gysis von heute über die Lobby-Kanzlerin sollte man gehört haben, zumal in den Medien, die ich jetzt noch zur Kenntnis nehmen konnte, wie üblich kaum etwas über den Inhalt mitgeteilt wird. In einem Punkt würde ich Gysi sogar widersprechen und zwar darin, dass die Löhne und Gehälter in Ostdeutschland an die im Westen endlich angeglichen werden müssten. Bei aller ökonomischen Kompetenz, die immer wieder in den Reden Gysis mitschwingt, in diesem Punkt siegt wohl die rhetorische Versuchung über den ansonsten scharfen Verstand. Denn es geht doch nicht um die Anpassung von Lohnniveaus, damit hatten sich doch schon die Gewerkschaften während des Vereinigungsprozesses unter der Parole „Lohnangleichung-Ost“ ordentlich verhoben. Es geht doch in erster Linie um einen funktionierenden Flächentarifvertrag, der unter Berücksichtigung des Produktivitätsfortschritts für eine gerechte Lohnfindung sorgt.

Oskar Lafontaine könnte das vielleicht als großer Skeptiker der deutschen Einheit bestätigen. Denn es ist nunmal auch ein volkswirtschaftlicher Unterschied zwischen Deutschland-West und Deutschland-Ost zu machen, bei dem gerade die Lohnentwicklung nicht für sich allein betrachtet werden darf. Gerade im Osten muss es doch auch um das Produktivkapital gehen, welches nach der Wende nahezu vollständig an die Treuhandanstalt des Bundes übertragen wurde. Diese Vermögensverhältnisse waren doch keineswegs vergleichbar mit denen im Westen. Die Leistungskraft des eingesetzten Kapitals unterschied sich doch deutlich. Wer nun ausschließlich auf eine reine Lohnanpassungsstrategie setzt, verkennt, dass ein zu stark ansteigender Lohn im Verhältnis zur Leistungskraft des eingesetzten Kapitals, die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe gefährdet, die sich gerade von Plan- auf Marktwirtschaft umzustellen hatten.

Diesen Zusammenhang hatte in der Vergangenheit – mit Ausnahme westdeutscher Arbeitgeber, die die Situation für sich zu nutzen wussten und Konkurrenz aus dem Osten ausschalten konnten – kaum einer begriffen und schon gar nicht die damalige Bundesregierung samt Opposition, die einzig und allein die Privatisierung und Verscherbelung ostdeutscher Vermögenswerte im Blick hatten. Der wirtschaftspolitische Sachverstand beschränkte sich bloß auf die Floskel von den blühenden Landschaften und einer populistisch betriebenen, schnellen Angleichung der Einkommen. Die reale Performance der ostdeutschen Wirtschaft wurde dabei kaum zur Kenntnis genommen, vor allem nicht die Unterlegenheit gegenüber Deutschland-West, das in der Folge zum bis heute andauernden Transferproblem führte. Das kann man auch ganz aktuell innerhalb Europas zwischen Nord und Süd und unter der Bedingung einer gemeinsamen Währung wiederfinden.

Die Frage nach der Lohnangleichung ist also gar nicht so einfach zu beantworten. Aber dafür war wahrscheinlich die Redezeit zu kurz.

Viel interessanter fand ich hingegen die Rede von Gesine Lötzsch vom Dienstag und ihre Bemerkung über das Informationsbedürfnis der im Bundestag vertretenen Parteien zur Causa HRE. Auch das ist in der Berichterstattung irgendwie untergegangen…

Am Wochenende wurde bekannt, dass die Hypo Real Estate zusätzliche Bürgschaften in Höhe von 40 Milliarden Euro braucht. Wir als LINKE können diese Geheimhaltungspolitik überhaupt nicht akzeptieren. Der Bundestag ist nicht informiert worden. Ich war schon sehr erstaunt, als ich am Wochenende die Stellungnahmen der Vertreter der anderen Parteien hörte, die sich darüber erregten, sie wären nicht informiert worden, denn der Vertreter unserer Fraktion, Roland Claus, hat in der Sommerpause immer wieder Sitzungen des Gremiums eingefordert – am 26. Juli, am 16. und 30. August. Die Sitzungen wurden stets mit der Begründung abgelehnt, dass die erforderliche Mehrheit von drei Mitgliedern, die eine Sitzung wünschen, nicht erreicht worden sei. Also ich sage nochmal: Der Skandal ist, dass die Abgeordneten aller anderen Fraktionen, einschließlich SPD und Grüne, offensichtlich gar nicht informiert werden wollten.

Quelle: Die Linke

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Nachwehen des Atomkompromiss(t)es

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Offensichtlich kam es zu später Stunde am Wochenende zu einen Geheimvertrag zwischen der Bundesregierung und den Energieversorgern. Zuerst berieten sich die Koalitionsspitzen stundenlang, um dann im Telefongespräch gegen 23 Uhr am Sonntag mit den Finanzvorständen von eon, RWE, Vattenfall und EnBW die abschließenden Bedingungen einer Vereinbarung festzuzurren. Gegen Montagmorgen sei sogar der Staatssekretär im Umweltministerium Jürgen Becker durch die Energieriesen aus dem Bett geklingelt worden, um ihm die Entscheidung der Konzerne mitzuteilen. RWE-Vorstand Rolf Martin Schmitz hat sich verplappert:

Quelle: FTD

Tobias Münchmeyer von Greenpeace will wissen, wer denn garantiert, dass die Konzerne wirklich ihre Zusatzgewinne aus längeren Atomlaufzeiten abgeben. Die Konzerne hätten schließlich schon einmal einen Vertrag gebrochen, den Atomkonsens mit Rot-Grün nämlich. Es ist die Art von Frage, die Schmitz gar nicht leiden kann. Das sei eine Unterstellung, schimpft er. Und im Übrigen hätten die Konzerne die Vereinbarung mit der Bundesregierung noch in der Nacht paraphiert. „Um 5.23 Uhr morgens.“ Schmitz zeigt auf Umweltstaatssekretär Jürgen Becker, der in der ersten Reihe sitzt. „Auch Sie, Herr Staatssekretär, haben wir dafür noch mal aus dem Bett geholt.“

Jetzt ist die Nachricht in der Welt. Und sie wirft viele Fragen auf. Was steht in diesem Geheimvertrag? Hatte die Regierung nicht immer versprochen, keinen Deal mit den Konzernen zu schließen? Und warum haben die Kanzlerin und ihre Minister in all den Pressekonferenzen seit Montagmorgen nichts verraten?

Also ich rege mich jetzt nicht darüber auf, dass die Korruption zum alltäglichen politischen Geschäft gehört. Ich rege mich viel mehr darüber auf, dass sich keiner der Beteilligten mehr die Mühe macht, sein illegales Tun zu verbergen. Inzwischen wird sich einfach verplappert oder die Wahrheit nach dem Motto hinausposaunt, jawohl ihr werdet von uns verarscht, was wollt ihr dagegen tun? Wie immer nichts, denn das Volk ist ja mit Sarrazin beschäftigt. Den hat man schließlich extra bestellt.

Finanzminister Schäuble war auch nicht schlecht, als er zu der steuerlichen Absetzbarkeit der bis 2016 befristeten Brennelementesteuer meinte, dass das ja gar kein Problem für den Fiskus sei, weil die Energiekonzerne durch den Atomkompromiss schließlich auch höhere Gewinne machten. Wie jetzt? Doch Klientelpolitik, weil der Gesetzgeber den Konzernen höhere Gewinne ermöglicht, während die übrige Bevölkerung, mit Ausnahme der neuen Einkommensmillionäre, den Gürtel weiter enger schnallen soll?

Wolfgang Lieb von den NachDenkSeiten kommentiert sehr treffend:

„So offen wie in der letzten Meldung wurde regierungsoffiziell meines Wissens noch nie zugegeben, dass der „Atomkompromiss“ den Atomkraftwerksbetreibern höhere Gewinne sichert.
Schlimmer noch ist allerdings das Verhältnis von demokratischem Staat und wirtschaftlicher Macht, das hier zum Ausdruck kommt: Der Begriff „Revolution“, den Kanzlerin Merkel im Zusammenhang mit der Laufzeitverlängerung benutzte, erfährt angesichts dieser geheimen Vereinbarung seine ursprüngliche historische Bedeutung, nämlich im Sinne eines „Umsturzes“. Der Geheimvertrag ist das Eingeständnis, dass der demokratische Staat gegenüber den wirtschaftlich Mächtigen nicht mehr das „Gewaltmonopol“ hat, das heißt sich nicht mehr mit hoheitlicher Macht durchzusetzen vermag, sondern dass er bestenfalls noch Verhandlungspartner gegenüber wirtschaftlicher Macht ist.
Das zeigt sich in Formulierungen wie z.B. „Schäuble konnte sich nicht gegenüber der Atom-Lobby durchsetzen“ oder „den ganzen Sonntag über verhandeln die Koalitionsspitzen im Kanzleramt. Sie stehen in engem Kontakt mit den Finanzvorständen der Konzerne, die in ihren Berliner Büros sitzen und ausrechnen, welche Belastung sich wie stark auswirkt. Um 23 Uhr rufen die drei Parteichefs bei den vier Konzernchefs an. Gemeinsam klären sie die Bedingungen“.
Da sitzen also auf der einen Seite die Regierung und auf der anderen Seite die Konzernbosse und klären per Telefon die Konditionen; und das Parlament darf dann bloß noch den geheimen Deal sozusagen der demokratischen Form halber absegnen.
Eine ganz ähnliche Erpressung der Regierung durch die Banker hatten wir bei der Rettung der HRE erlebt.“

Im Augenblick regen sich ja viele Menschen darüber auf, dass sich Muslime nicht an Recht und Ordnung halten würden und härtere Strafen für Zuwanderer, egal ob sie bereits einen deutschen Pass haben oder nicht, zwingend erforderlich seien. Wie steht es eigentlich mit dem offenkundig verfassungswidrigen Verhältnis zwischen den wirtschaftlich Mächtigen in diesem Land und den politischen Hampelmännern und Frauen, die uns auf der Bühne der Berliner Puppenkiste Demokratie vorspielen (Zitat: Georg Schramm)? Gegen die kann man natürlich nix machen. Das ist halt so, gelle. Die machen doch eh, was sie wollen. Aber den Nachbarn, der anders aussieht und mehr Kinder hat, da könne man sich wahrscheinlich vorstellen, aktiv zu werden, wenn sich die Gelegenheit böte. :roll:

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