Kurz zum FDP-Parteitag

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Bei dem schönen Wetter sollte man sich die gute Laune nicht verderben lassen, auch nicht durch den Schreihals Guido Westerwelle, der gestern noch in seiner Funktion als Außenminister vor den Särgen toter deutscher Soldaten stand und schweigend trauerte, sich aber vor den Kameras der Bild-Zeitung dazu hinreißen ließ, eine Hinterbliebene in die Arme zu schließen. Heute hat er den Schalter wieder umgelegt und ist zum ersten Volksverhetzer im Lande mutiert. Mit Sätzen wie…

„Die Bürger dürfen nicht den Eindruck bekommen, es ist für alles Geld da: für die Banken ist Geld da, für die Automobilindustrie ist Geld da, für die europäische Solidarität ist Geld da, aber für eine Entlastung der Mittelschicht ist kein Geld da.

Wir wollten im Herbst nicht regieren, damit es einen Regierungswechsel gibt, wir wollten regieren, damit es einen Politikwechsel gibt. Das macht nicht immer beliebt.

Wir sind denen zu erfolgreich geworden.

Das hat unser Land nicht verdient, dass 20 Jahre danach Sozialisten und Kommunisten wieder etwas zu sagen kriegen.“

…spulte er als FDP-Bundesvorsitzender sein altbekanntes Programm herunter. Er vergaß nur zu erwähnen, dass für Hoteliers und reiche Erben auch Geld dagewesen war. Ich weiß, für Westerwelle zählen wohlhabende Erben und die Mövenpicks und Co. auch zur Mittelschicht. Die Kritiker der FDP würden ja immer vergessen, dass nur der Steuern zahle, der auch Geld habe.

Was Westerwelle damit meint, hatte Hermann Otto Solms kürzlich im ZDF-Morgenmagazin präzisiert. Er antwortete auf die Frage, was er davon halte, dass mehr als die Hälfte der Bevölkerung Steuersenkungen derzeit nicht für sinnvoll hielten, so:

„Mehr als die Hälfte der Bevölkerung zahlt keine Steuern!“

Das ist natürlich gelogen und der Versuch eine volksverhetzende Demagogie zu platzieren. Egon W. Kreutzer findet diesbezüglich die richtigen Worte:

„Das ist glatt und elend gelogen!

Wer konsumiert, zahlt Steuern. Kindern wird das Taschengeld besteuert und Rentnern die Rente, Hartz-IV-Empfängern wird der Regelsatz besteuert und Arbeitslosen das Arbeitslosengeld.

Wer im Monat 350 Euro zum Leben hat, und davon 60% für Lebensmittel und andere Waren mit ermäßigtem Steuersatz ausgibt, zahlt dem Finanzminister jeden Monat 36 Euro an Mehrwertsteuer zurück. Ein Tank voll Benzin und eine Stange Zigaretten dazu – und der Fiskus kassiert noch einmal 50 Euro ab.

Dass der finanzpolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag so tut, als habe er keine Ahnung, wer in Deutschland in Wahrheit den Löwenanteil der Steuern zahlt, ist mehr als nur peinlich.

Und wenn er sich darauf hinausreden wollte, er habe natürlich nur von der Lohn- und Einkommensteuer gesprochen, und wer die nicht zahlt, habe in der Diskussion um die Senkung des Einkommensteuertarifs nicht mitzureden, dann vergisst er, dass die Konsumsteuerzahler letztlich für das aufkommen müssen, was den Einkommensteuerzahlern erlassen wird.

Und wenn er sich darauf hinausreden wollte, dass die Steuersenkung ja gerade denen zugute kommen, die wenig verdienen, dann lügt er schon wieder.

Steuersenkungen in der Progressionszone kommen allen zugute, deren Einkommen die entsprechende Höhe erreicht und natürlich auch allen, deren Einkommen darüber liegt!
Und wenn Steuerfreibeträgte erhöht werden, dann haben die mit den niedrigen Einkommen nichts oder wenig davon, während die mit den höchsten Einkommen am stärksten entlastet werden, weil der Freibetrag nämlich immer „von oben“ wirkt, also da, wo die höheren Steuersätze zum Ansatz kommen.

Lasst euch bloß nicht für dumm verkaufen!“

Dem ist nichts hinzuzufügen.

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Zu Neues aus der Anstalt – Folge 34

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Zu dieser Sendung fehlen mir fast die Worte. Ich glaube, dass war eine der besten Ausgaben von Neues aus der Anstalt, die ich bisher gesehen habe. Sogar der Bundespräsident verneigt sich. Ich weiß daher gar nicht, wo ich da anfangen soll. Mit Oberstleutnant Sanftlebens Trauerrede über das militärische Scheitern in Afghanistan, mit dem Steinmetz, der darüber nachdachte, wie man ein Denkmal für die Gefallenen eines umgangssprachlichen Krieges gestaltet, mit dem Pharmareferenten, der klarmachte, dass es völlig egal sei, wer unter seiner Lobby regiert oder einem Priol, der am Ende zum Dombrowski wurde und die NRWler dazu aufrief, schwarz-gelb zu wählen, weil dann „die Kanzlerin einmal gezwungen wird, all das zu zeigen, was sie nicht kann, wenn sie es einmal können muss.“

Eine Zusammenfassung ist sehr schwer. Man würde wahrscheinlich auch deshalb daran scheitern, weil man vieles vergisst. Daher müssen sie sich die komplette Sendung unbedingt selbst anschauen.

Quelle: ZDF-Mediathek

Trotzdem einige Höhepunkte. Besonders toll fand ich ja den Auftritt von Hagen Rether, der dem Papst ein Lied widmete. Er hätte ihn ja lieber ganz fest gedrückt. Aber der Eagles Klassiker „Desperado“ in der Johnny Cash-Version am Flügel wunderbar von Rether interpretiert, passte sehr schön. Einfach toll. Wobei es mir schwer fällt, sich den Papst als Cowboy vorzustellen. Aber Rether hat das einfach genial mit dem Papa-Mobil, dem modernen Gaul der Kriche, verknüpft.

You better let somebody love you,
You better let somebody love you,
You better let somebody love you,
Before it’s too late.

Es ist wahrscheinlich schon zu spät. Vor allem wenn man sich anschaut, was Georg Schramm an diesem Abend eindringlich zum Thema machte. Der Auftritt von Oberstleutnant Sanftleben hat mit Satire eigentlich nichts mehr zu tun, wie ich finde. Hier wird dem Zuschauer eine bittere Realität so deutlich vor Augen geführt, wie das kein anderer in diesem Land zu Stande bringen würde.

„So ein Pathos à la Guttenberg letzte Woche bei der Totenfeier. Das ist doch Trauerkitsch. Der Guttenberg soll weder seiner Tochter noch den Kindern der toten Kameraden erzählen, dass sie stolz sein sollen auf die Toten. Die sollen nicht stolz sein, die sollen traurig sein!“ Und ihr Weinen soll auch nicht übertönt werden von Politikern, die sich vorm Sarg ihr Image aufpolieren. Die sollen einfach dabei sein und ruhig schweigen. Alle Beide! Reden können sie vor dem Untersuchungsausschuss zu den 140 Toten in Kunduz! Ein militärstrategisches Desaster, sage ich ihnen.

Im Krieg sterbe zuerst die Wahrheit. Deshalb sollte auf einer Trauerfeier der Krieg draußen bleiben, um sich mit der Wahrheit beschäftigen zu können. Wir seien nur noch in Afghanistan und kämpfen, weil wir nicht den Mut hätten, zuzugeben, dass wir gescheitert sind. Eine Kultur des Scheiterns sei in unsererm westlichen Wertekatalog nicht mehr vorgesehen. Deshalb habe Clausewitz wohl geschrieben, nichts sei schwerer, als der Rückzug aus einer unhaltbaren Situation. Sanftleben appelliert regelrecht an den Zuschauer, der auch ein verantwortlicher Politiker sein darf, mutig zu sein, und das Schwere zu tun, in dem man das Scheitern eingesteht. Nur dann habe der Tod der Soldaten vielleicht noch einen Sinn gehabt.

Die Sendung war auch deshalb so grandios, weil das versprochene NRW-Wahlwatching nebensächlich war. Bei dieser Wahl geht es ja ohnehin nicht um Sachthemen oder die Probleme in der Gesellschaft, sondern um einen Ministerpräsidenten, der morgens Brötchen holt, damit er zu den FDP-Würstchen passt und eine SPD, die wahrscheinlich noch mit dem Spruch, wir haben die Kraft, plakatieren wird. Mit anderen Worten: Die Wahlen und der Wahlkampf sind überhaupt nicht mehr wichtig, sondern nur Ablenkung. Die Politiker spielen schließlich selbst Kabarett im Stück „Schicksalswahl“ und der Wähler soll sich unterhalten fühlen. Aber nicht mit Urban Priol. Der wurde zum Ende der Sendung erst zur Merkel und dann zum Dombrowski. Aber sehen sie selbst.

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Wie blöd ist eigentlich Sigmar Gabriel?

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Zwei Bemerkungen des SPD-Chefs heute rufen bei mir akuten Brechreiz hervor. Erstens: Gabriel könne sich ein Bündnis mit Grünen und der FDP in NRW vorstellen (siehe u.a. hier). Gabriel setzt dabei auf die bereits mehrfach gescheiterte Ausgrenzungsstrategie zur Partei die Linke. Er lässt wieder Beton anrühren, damit die SPD ihre Mauer um sich herum noch höher bauen kann.

Und zweitens, und das ist noch viel schlimmer: Gabriel fordert von der Kanzlerin eine Klarstellung über die Bezeichnung des Afghanistan-Einsatzes. Wenn Merkel das deutsche Engagement am Hindukusch für einen Krieg hält, müsse sie im Bundestag ein neues Mandat beantragen. Auf Spiegel-Online lese ich völlig entsetzt:

Wenn Merkel den Einsatz für einen Krieg halte, müsse sie ein neues Bundestagsmandat beantragen. „Dann würde mit Sicherheit die Abstimmung anders verlaufen.“

Häh? Was will uns der Harzer Roller denn damit sagen? Wenn die Bundesregierung das Offensichtliche beim Namen nennen würde, dann würde die SPD nicht mitstimmen, weil es sich bei der SPD um eine große Anti-Kriegs-Partei handelt? Ist der Gabriel jetzt völlig bescheuert? Seine Erläuterung zu diesem Unsinn ist noch unsinniger:

Gabriel sagte, er verstehe die Gefühle in der Bevölkerung, fügte aber hinzu: „Trotzdem müssen Politiker etwas anderes tun.“ Der Uno-Einsatz in Afghanistan diene dem Schutz der Regierung und dem „Kampf gegen die terroristischen Bastionen der Taliban“. Er sei an ein klares völkerrechtliches Mandat gebunden. Wenn die Bundesregierung der Meinung sei, dass dieses Mandat nicht mehr ausreiche, müsse sie das offen sagen, „und die Bundesrepublik Deutschland muss entscheiden, ob sie sich an einem Krieg beteiligen will“, sagte Gabriel.

Für die Sozialdemokraten ist es also entscheidend, genau zu wissen, wie man etwas nennt, als zu wissen, was tatsächlich in Afghanistan vor sich geht, um daraus dann die entsprechenden Schlüsse zu ziehen? Das ist ein starkes Stück. Wenn die Regierung also offiziell von Krieg spräche, würde die SPD ihre Zustimmung verweigern, um wahrscheinlich das sinnlose Sterben von Unschuldigen zu verhindern und um deutsche Soldaten vor einem lebensgefährlichen Kriegseinsatz zu bewahren. Solange aber die Bezeichnung stimmt, darf gekämpft, gemordet und gefallen werden. Das trägt die SPD dann aus Überzeugung mit oder wie? Ich fasse es nicht.

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Kontraste: Die PKW-Maut wird kommen

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Am 29. Januar 2010 schrieb ich anlässlich des Verkehrsgerichtstages in Goslar Folgendes hier im Blog:

In Goslar tagen mal wieder die Verkehrsexperten und beraten darüber, wie sie das Leben der Autofahrer mit neuen Regelungen bereichern könnten. Dabei wird auch über eine Reform des im Volksmund bekannten „Idiotentests“ gesprochen. Die Einzelheiten dazu erspare ich ihnen. Ich steige nur deshalb mit dieser Meldung ein, weil sie in den Nachrichten rauf und runter läuft, ohne dass einem mal klar gemacht werden würde, warum das Thema nun so wichtig sein soll. Bis dann natürlich der Groschen fällt. In Goslar redet man ja nicht nur über den Idiotentest, sondern auch über Dinge, die das Volk gar nicht so direkt mitbekommen soll. Zum Beispiel die Diskussion über die Pkw-Maut, die der Präsident des Verkehrsgerichtstages, Kay Nehm, für unumgänglich hält.

Mit anderen Worten, der Verkehrsgerichtstag soll schon einmal Vorarbeit leisten, wenn es nach der NRW-Wahl zur Klärung der Frage kommen wird, wie die Bundesregierung ihr Wachstumsbeschleunigungsgesetz gegenfinanzieren will. Schließlich wird man zu diesem Zeitpunkt völlig überraschend feststellen, dass die erhofften Steuermehreinnahmen noch ein bissel auf sich warten lassen und die Tiefe des Haushaltslochs aus unerfindlichen Gründen nicht mehr bestimmbar sei. Dann wird neben vielen anderen Fachministern auch Peter Ramsauer (Verkehrsminister) vor die Kameras treten und ein neues verkehrspolitisches Zukunftsprogramm verkünden, in dem die Pkw-Maut als Beitrag zur Wahrung der hiesigen Infrastruktur vorgestellt wird. Da möchte der Ramsauer dann bestimmt von den Ösis lernen, die beim Hypo Alpe Adria Deal ja gezeigt haben, wie gut sie (auf Kosten anderer) wirtschaften können.

Rund 10 Milliarden Euro wären da für den Fiskus drin. So ein verheißungsvolles Geschäft können sich unsere Wachstumsbeschleuniger natürlich nicht entgehen lassen. Schließlich soll das ganze Geld zweckgebunden in den Straßenbau fließen, um Vorwürfen gleich entgegen zu treten, die Bundesregierung würde die zusätzlichen Einnahmen in das tiefe Haushaltsloch verfüllen. Man fragt sich nur verdutzt, was eigentlich mit den über 50 Mrd. Euro geschieht, die bereits jetzt durch Kfz-Steuer, Mineralölsteuer und Lkw-Maut eingenommen werden. Aus diesen Mitteln fließen schließlich nur rund ein Drittel zurück in den Straßenbau. Natürlich ist es denkbar, dass die „zweckgebundenen“ Maut-Einnahmen in voller Höhe in den Straßenbau fließen. Dabei ist es aber sehr wahrscheinlich, dass Bund, Länder und Kommunen im Gegenzug die Mittel aus den anderen Steuereinnahmen zurückfahren werden.

Beim Verkehrsgerichtstag war die Geschichte mit der PKW-Maut noch nebensächlich. Kaum jemand berichtete darüber. Sind halt alles Idioten. ;) Gestern gab es nun endlich einen Bericht in der Sendung Kontraste zum Thema PKW-Maut. In der Anmoderation heißt es deutlich:

„Die Maut, die sich nicht traut. NOCH traut sie sich nicht – aber: Sie können sich drauf einstellen: sie wird kommen, vermutlich schon sehr bald.“

Die Argumente für eine Maut sind natürlich verlogen. In meinem Januar-Text oben habe ich bereits geschrieben, dass der Straßenbau keine Mehreinnahmen braucht, da ihm aus den speziellen Steuerabgaben wie Kfz-Steuer, Mineralölsteuer und Lkw-Maut theoretisch genügend Steuergelder zufließen müssten. Warum geschieht das aber offenkundig nicht, müsste die Frage lauten? Es geht dabei immerhin um 50 Mrd. Euro jedes Jahr, von denen nur ein Drittel tatsächlich beim Straßenbau landet. Was würde denn mit den zusätzlichen Einnahmen in Höhe von 10 Mrd. Euro aus einer PKW-Maut haushaltspolitisch passieren? Fließt das Geld wirklich in den Straßenbau oder doch eher in jene Haushaltslöcher, die Bankenrettung und Hotelgeschenke im Rahmen des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes hervorgerufen haben?

Wenn sie also demnächst 120 Euro im Jahr für eine Vignette zahlen müssen, um über kaputte und verstopfte Fernstraßen zu schleichen, dann sollten sie mindestens kostenlose Hotelübernachtungen beim Bundesfinanzminister einklagen und Herrn Westerwelle als Kronzeugen benennen. Ihr Kreuzverhör beginnen sie dann bitte mit den Worten, mehr Netto vom Brutto für den immer teurer werdenden Gebührenstaat. Doch nun zum Video.

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Über Merkels absurde griechische Tagesordnung

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Wenn es um Griechenland geht, beharrt die Kanzlerin auf ihrem Standpunkt. Sie sieht diesbezüglich keinen Handlungsbedarf und könne nicht verstehen, warum der Rest Europas das nicht erkennt.

Griechenland braucht keine Zahlungshilfen, Hilfen für Griechenland stehen nicht auf der Tagesordnung usw. (siehe Seite der Bundeskanzlerin)

Auf dem Gipfel seien Hilfen für Griechenland kein Thema, „denn Griechenland sagt selber, dass es im Augenblick keine Hilfe braucht“. Ministerpräsident Giorgos Papandreou habe ihr mehrfach versichert, dass sein Land keine finanziellen Forderungen an die EU stelle.

Das Land strebe „vielleicht eine bestimmte Klarheit“ über mögliche Hilfen an, so die Kanzlerin weiter. Zur Zeit gehe es aber lediglich um „technische Fragen“ für den Fall einer Zahlungsunfähigkeit.

Wie in solchen Fällen vorzugehen sei, „über diese Fragen müssen natürlich die Finanzminister einmal miteinander sprechen“, sagte Merkel. Abgewogen werden müsse, was Staaten bilateral tun könnten, oder ob die Hilfe des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Anspruch genommen werde. Dazu gebe es aber noch keine politische Entscheidung.

Toll oder, was da unser Pudding im Hosenanzug von sich gibt? Man merkt doch, dass Merkel ihre bisherige Taktik der Tatenlosigkeit wegen angeblich fehlendem Grund nicht mehr aufrecht erhalten kann. Schließlich brüllt Halbeuropa unüberhörbar in Richtung Berlin. Immerhin gibt die Merkel nun zu, dass Griechenland ein bissel Klarheit wünsche. Diese müsse aber, wie immer bei Merkel, erst einmal ruhig abgewogen und in einer gemeinsam hersgestellten europäischen, wenn nicht gar weltumspannenden, Lösung erzielt werden. Da möchte man doch am Liebsten und aus lauter Verzweiflung das Kanzlerinnenbild anschreien…

…und fragen, was die deutschen Superhirne auf den zahlreichen Brüsseler Gipfeltreffen eigentlich besprochen haben. Ich fasse es nicht. Letzten Montag hatte man doch schon verkündet, die technischen Fragen geklärt zu haben (siehe hier im Blog). In diesem Artikel habe ich Schäuble wie folgt zitiert:

„Ich glaube, es ist ein Missverständnis, wenn man sagt, gestern Abend ist eine Hilfszusage für Griechenland beschlossen worden.“ Es sei lediglich eine technische Abwicklung vorbereitet worden für einen Fall, den keiner will. „Griechenland hat keine Unterstützung erbeten. Aber es wäre unsinnig gewesen, wenn man diesen Fall technisch ausgeschlossen hätte“, sagte Kampeter dem Nachrichtensender N24.

Quelle: Focus

Laut Schäuble hat man also über den konkreten Fall und die Abwicklung einer griechischen Notlage gesprochen. Technisch dürfte also nichts mehr unklar sein, weil es ja laut Schäuble schlicht unsinnig gewesen wäre, dies auf dem Treffen der Finanzminister auszuschließen. Merkel lügt der Öffentlichkeit also dreist etwas vor, wenn sie nun behauptet, dass die Finanzminister erst miteinander sprechen müssten, wie man auf den Fall einer eventuellen Zahlungsunfähigkeit Griechenlands reagieren will.

Die Regierung Merkel spielt auf Zeit, weil sie im Vorfeld der Landtagswahl in NRW den bloßen Anschein vermeiden will, Deutschland würde zum Zahlmeister der Griechen. Vielleicht erinnern sie sich noch an die Springer-Bild-Hetze gegen Griechenland in den letzten Wochen:

BILDblog-Grafik
Quelle: BILDblog
siehe auch Print Würgt

Wenn man Friede Springers Sturmgeschütz zum Maßstab der politischen Marschroute nimmt, ist klar, dass es unter keinen Umständen offene Hilfe für Griechenland geben dürfe. Die Botschaft werden Merkel und Co wohl verstanden haben. Ist es doch ein Leichtes für Frau Springer, diese Regierung aus dem Amt schreiben zu lassen. Dazu noch einmal Georg Schramm aus Neues aus der Anstalt – Folge 28:

„Bild und Bertelsmann! Die lautstarken Herolde eines maroden Systems, das weltweit an den Fäden der Geldverleiher zappelt. Ein Handstreich von Friede Springer würde reichen, und ihre Tintenknechte schreiben die Kanzlerin vom Thron herunter und werfen sie ihrer eigenen Partei zum Fraß vor.“

Man stelle sich nur vor, Westerwelle müsse der Öffentlichkeit erklären, dass sein Freibier für alle Konzept nicht umgesetzt werden könne, weil die Griechen deutsche Steuergelder dringender bräuchten. Da wäre aber was los in diesem Land. Doch dieses ganze Theater kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Deutschland zahlen muss und zahlen wird. Allein schon deshalb, weil Deutschland als Bilanzüberschussland den Kampf gegen die Defizitländer verlieren wird. Das deutsche Exportkonzept braucht zahlungsfähige Abnehmerländer, wenn man so weitermachen will wie bisher und das will man ganz offensichtlich, wie Merkel letzte Woche im Bundestag zu Protokoll gab. Und da liegt das Problem, wie Martin Wolf in einer Kolumne für die Financial Times Deutschland schreibt:

„Beide Länder (die Überschussländer China und Deutschland, Anm. at) sind der Ansicht, ihre Kunden sollten weiter kaufen, aber gleichzeitig eine unverantwortliche Kreditaufnahme beenden. Da ihre Überschüsse Defizite anderer mit sich bringen, ist diese Position unlogisch. Überschussländer müssen Defizitländer finanzieren. Wird der Schuldenberg zu hoch, gehen die Schuldner pleite und die viel gepriesenen „Ersparnisse“ der Überschussländer erweisen sich als illusorisch.“

Kurzum: Wer kaufen soll, braucht auch das Geld dazu, sonst funktioniert das nicht mehr mit dem Exportüberschuss. Die Schwierigkeit besteht nun darin, dass man, wie ich oben bereits schrieb, nicht einfach hergehen und dem deutschen Volk mitteilen kann, die Griechen nun finanziell unterstützen zu wollen. Da würde man wohl tatsächlich einen empfindlichen Nerv treffen und einigen Zorn auf sich ziehen. Deshalb bleibt man bei der Positition und sucht nach einer Lösung, die den Anschein direkter Hilfen vermeidet. Am eigenen Wirtschaftskonzept will und darf die Regierung ohnehin nichts ändern, weil damit ein Glaubensdogma zusammenbrechen würde, das zu den Eckpfeilern der herrschenden Parteien gehört. Über dieses Dogma werden schließlich ganze Karrieren von Politikern abgewickelt. Zum Glaubensgrundsatz noch einmal Martin Wolf:

„Ursache all dessen ist eine Kluft zwischen den Standpunkten. Überschussländer beharren darauf, weiterzumachen wie bisher. Sie weigern sich zu akzeptieren, dass ihre Abhängigkeit von Exportüberschüssen zwangsläufig wie ein Bumerang zurückkommt, sobald ihre Kunden pleitegehen. Und genau das geschieht gerade. Zugleich können Länder, die in der Vergangenheit ein enormes Außenhandelsdefizit angehäuft haben, ihr massives Haushaltsdefizit nur über einen starken Anstieg der Nettoexporte reduzieren.

Gleichen Überschussländer diese Verschiebung nicht aus, indem sie die Gesamtnachfrage erhöhen, entsteht ein Kampf, in dem jedes Land verzweifelt versucht, sein Überangebot auf die Handelspartner abzuwälzen. Auch während der Katastrophe der 30er-Jahre spielte dies eine gravierende Rolle.

Es ist höchst unwahrscheinlich, dass die Überschussländer diesen Kampf gewinnen. Eine Zerrüttung der Euro-Zone wäre schlecht für die deutsche Produktion.“

Im Übrigen geht es Griechenland nicht nur um die Zusage eines Notfallplans, der den Zugang zu billigem Kapital an den Finanzmärkten ermöglicht, sondern auch konkret um die Rolle Deutschlands in der EU. In der franzöischen Zeitung Le Monde fand ich heute eine Stellungnahme des stellvertretenden griechischen Ministerpräsidenten Theodoros Pangalos.

Le vice-premier ministre grec s’en prend à l’Allemagne

„Tant que le sud de l’Europe est sous pression, l’euro est ébranlé et baisse, et les conditions dans lesquelles ils (les Allemands) peuvent accroître leurs exportations massives vers le tiers-monde, vers le reste du monde, s’améliorent“, a déclaré le vice-premier ministre grec, Théodoros Pangalos, lors d’une conférence à Athènes.

Il a ajouté que l’Allemagne autorisait ses banques à prendre part au „jeu déplorable“ de la spéculation sur les obligations grecques. „Je crains que si aucune décision n’est prise rapidement (…), alors l’euro n’aura aucun sens, et si l’euro échoue, cela nous ramènera plusieurs décennies en arrière en termes d’intégration européenne.“

Quelle: Le Monde

Er spricht den fallenden Euro an, der den Deutschen zunächst einmal zu Gute käme, weil deutsche Waren außerhalb Europas billiger werden. Er spricht aber auch die Tatsache an, dass Deutschland es seinen eigenen Banken weiterhin erlaube, an der Spekulation gegen Griechenland mitzumachen. Falls dagegen nichts unternommen würde, führe dieser Kurs unmittelbar zum Scheitern des Euro.

Und ein Scheitern des Euro will die Bundesregierung nach eigener Aussage unbedingt verhindern. Dafür muss sie aber mehr als bisher tun.

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TV-Tipp: Neues aus der Anstalt – Folge 33

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Beinahe hätte ich es vergessen, weil ich noch immer über das amtliche Regierungstheater staune. Heute Abend sollten sie aber auf keinen Fall „Neues aus der Anstalt“ im ZDF verpassen. Wie immer um 22:15 Uhr live und direkt nach dem heute-journal. Gäste diesmal Olaf Schubert, Jochen Malmsheimer und Arnulf Rating.
Quelle: ZDF

Schicksalswahl und Schuldenwahn sind Krankheitsbilder, die nur mit Satire therapierbar sind.

So heißt es in der Ankündigung. Also wird es wohl um die NRW-Wahl-2010, um die Finanzkrise (hoffentlich auch mit einem thematischen Schwenk nach Griechenland) und die Gesundheitspolitik des Philipp R. gehen. Wir dürfen gespannt sein.

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Kurz zu Westerwelles Rückkehr

Geschrieben von:

Entgegen meiner Empfehlung durfte Guido Westerwelle doch wieder einreisen und heute auf dem Landesparteitag der NRW-FDP in Siegen zugleich wieder gegen die ihm angetane Ungerechtigkeit wettern. Ich will nur ein Zitat kommentieren:

Es sei ein bisher einmaliger Vorgang, dass ein Minister auf einer Auslandsreise mit einer solchen Kampagne überzogen werde.

Da hat der Mann wohl Recht. Er geht da schließlich mit gutem Beispiel voran und beschimpft auch keine Hartz-IV-Empfänger, die sich im Ausland aufhalten. In diesem Sinne, weiter so Guido! Die allseits bekannten NRW-Kommunisten dürfen nach 20 Jahren Einheit gerade in NRW nicht mehr an die Macht kommen. Jawoll, wer erinnert sich nicht an die kommunistische Vorherrschaft in NRW bis 1990.

In Geschichte kauft dem Westerwelle niemand den Schneid ab.

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Wo liegt eigentlich der Unterschied zwischen "Arbeitszwang" und "freiwilliger Arbeit"?

Geschrieben von:

Worin besteht eigentlich der Unterschied zwischen Westerwelles Radikalforderung nach einem „Arbeitszwang“ für Langzeitarbeitslose und Hannelore Krafts Kuschelangebot an ALG-II-Empfänger, „freiwillige Arbeit“ gegen nunmehr einen „symbolischen Aufschlag“ auf die Regelsätze abzuleisten?

Richtig! Es gibt keinen. Beide Modelle führen zu dem gleichen Bild:


Quelle: NachDenkSeiten bzw. bei Klaus Stuttmann direkt

Vorhin erreichte mich von meinem Leser Jens K. noch folgende Karikatur zur Hartz-IV-Diskussion aus der Zeitschrift Erziehung und Wissenschaft 3/2010. Sie trifft den Sachverhalt ebenfalls sehr genau.

Karikatur zur Hartz IV Diskussion

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Zu Hannelore Kraft nur ganz kurz

Geschrieben von:

Die stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende Hannelore Kraft hat sich ja via Spiegel Online mehr oder weniger auf das Niveau der Westerwelle begeben.

Hartz-IV-Empfänger ohne Aussicht auf reguläre Arbeit sollten „die Chance bekommen, im Rahmen ihrer Möglichkeiten für die Gesellschaft etwas zu leisten“, sagte die Spitzenkandidatin der Sozialdemokraten für die nordrhein-westfälische Landtagswahl im Mai in einem SPIEGEL-Interview.

„Wir müssen endlich ehrlich sein: Rund ein Viertel unserer Langzeitarbeitslosen wird nie mehr einen regulären Job finden“, begründete Kraft ihre Initiative. Diese Menschen bräuchten ein neues Angebot, das ihnen eine „würdevolle Perspektive“ gebe.

Quelle: Spiegel Online

Mir geht’s dabei jetzt nicht um den inhaltlichen Schwachsinn und die offensichtliche Tatsache, dass Frau Kraft die Wahl in NRW nicht gewinnen will, sondern vielmehr um die Logik dieser Frau. Schließlich hält sie nach eigenem Bekunden die Tür der NRW-SPD für rückkehrwillige Linke weit offen und ist zudem auch noch überzeugt davon, dass da tatsächlich jemand vorbeischaut.

Damals sagte sie:

„Ich glaube, wir können jetzt wieder ein gutes Angebot für viele SPD-Abwanderer und Gewerkschafter sein. Die sind bei uns gut aufgehoben.“

Quelle: ad hoc news

Na dann, wenn sie von diesem Angebot einer „würdevollen Perspektive“ nicht überzeugt sind, weiß ich es auch nicht… :>>

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Mal wieder auf Grün geeicht: Oder wie im TV erneut für schwarz/grün getrommelt wird

Geschrieben von:

Natürlich ist mal wieder eine Infratest dimap Umfrage scheinbarer Auslöser einer neuerlichen medial gestützten Werbekampagne für Schwarz-Grün. Im gestrigen Bericht aus Berlin in der ARD konnte man einmal mehr im Vorfeld einer Wahl den Versuch absichtlicher Stimmungsmache in Richtung einer solchen Konstellation studieren. Zuletzt wurde das ja bei den Wahlen in Hamburg und im Saarland praktiziert. Dabei gibt es dafür überhaupt keinen Grund. Zwar sagen die Wahlforscher, dass sich die Bevölkerung in Deutschland ein solches Bündnis lieber wünschen würde als das bisherige, doch diese Klimaforschung deckt sich ja nicht einmal mit den gemessenen Abstimmungszahlen.

Wahltrend NRW
Quelle: infratest dimap

Demnach würde es im Augenblick eindeutig weder für schwarz-gelb, noch für schwarz-grün in NRW reichen. Das Thema der Sendung ist also absolut nicht zu verstehen. Man hätte eher danach fragen sollen, wie die sich abzeichnende große Koalition die Arbeit angehen will.

Doch um seriöse Berichterstattung ging es am Sonntag in der ARD nicht. Moderator Rainald Becker bezeichnete schon zu Beginn der Sendung das griechische Sparprogramm wahrheitswidrig als „alternativlos“ und die Finanzkrise gar als ein Ereignis, das bereits ein Jahr zurückläge. So ein Blödsinn. Zur Politik der Bundesregierung in Sachen Griechenland und der internationalen Finanzmärkte wurde im Anschluss der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel befragt. Zum Ende des Interviews dann der entscheidende unseriöse Dreh auf die „Das Volk liebt Schwarz-Grün“ Geschichte. Dabei müssen sie in dem folgenden Audio-Ausschnitt mal darauf achten, mit welchen Wahlforschungs-Ergebnissen derselben Umfragefirma da beide Geprächspartner hantieren. Ich kläre das am Ende einmal auf.

Moderator Becker unterstellt, dass alle von Schwarz-Grün reden würden und bezieht sich dabei auf ein Umfrageergebnis, welches er auch Gabriel ins Wort spricht und wonach rund 46 Prozent der Deutschen Schwarz-Grün toll fänden. Das ist eine grobe Manipulation und eine sträfliche Verletzung journalistischer Sorgfaltspflichten. Denn das Umfrageergebnis, das selbst ein Manipulationsstück ist, stellt sich in Wirklichkeit wie folgt dar:

Schwarz-Gelb oder Schwarz-Grün
Quelle: infratest dimap

Bundesweit wurde also eine Alternativfrage gestellt nach dem Muster entweder oder. Andere Optionen wurden gar nicht gemessen. Sigmar Gabriel bezog sich nun auf ein Umfrageergebnis desselben Instituts zur NRW Wahl, welches auch am selben Tag veröffentlicht wurde. Und da sieht das Ganze nun so aus:

Koalitionswünsche NRW
Quelle: infratest dimap

Also deutlicher kann man die absichtliche Meinungsmanipulation schon gar nicht mehr treiben. Nach dem Interview behauptete Moderator Becker erneut wahrheitswidrig und auf der Grundlage eines äußerst dubiosen Umfrageergebnisses, dass sich eine Mehrheit der Deutschen eine andere Politehe wünschen würde und Schwarz-Grün dabei ganz vorne stünde. Er behauptete auch, dass es nach der NRW-Wahl ganz schnell gehen könne mit Schwarz-Grün, weil es diese Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene bereits gibt. Es ist unerträglich wie in diesem Beitrag darauf hingesteuert wurde, positive Stimmen und Stimmungen einzufangen. Das ist kein Journalismus, das ist einfach billige PR.

Und das anschließende Interview mit Claudia Roth müssen sie sich anhören. Offenbar überrascht von der „theoretisch“ gehaltenen Frage Beckers, ob ein Trio aus Seehofer, Merkel und Roth besser funktionieren würde, als ein Trio Seehofer, Merkel, Westerwelle, musste die Parteivorsitzende der Grünen notgedrungen mit ja antworten: Einfach witzig, aber hören sie selbst:

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Link zur Sendung:
http://www.tagesschau.de/bab/

Das komplette Video zur Sendung:
http://www.tagesschau.de/multimedia/video/video666274.html

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