Kruzifix noch emal…

Geschrieben von:

Da habe ich nun gedacht, dass sich die CDU in Niedersachsen mit Aygül Özkan eine clevere Ministerin ins Kabinett holt, die mal ganz nebenbei ein Kopftuchverbot an öffentlichen Schulen fordert (siehe hier im Blog), schließlich ist das eine jahrelange Herzensangelegenheit der Leitkulturdeppen aus der Union, und dann das. Die Union ist noch bescheuerter als ich dachte. Denn auf einmal plustert sich das gesamte C-Spektrum in diesem Land an der Bemerkung Özkans auf, dass Kreuze nichts in Schulen zu suchen hätten, anstatt sich darüber zu freuen, dass die neue Vorzeige-Muslimin in der CDU für ein Kopftuchverbot eintritt.

Ich hielt die Aussage Özkans zu den Kreuzen wirklich für ein kalkuliertes Ablenkungsmanöver, um das Thema Kopftuchverbot einmal mehr aufs Tapet zu heben. Schließlich haben wir Finanz-, Wirtschafts-, Kriegs-, ach was eine handfeste Weltuntergangskrise, die es zu bewältigen gilt. Und unter solchen Bedingungen hat die Union bis jetzt ja immer eine dusselige Wertedebatte losgetreten oder um die Leitkultur gestritten.

Doch nun hört man einen empörten Aufschrei aus dem Lager der christlichen Fundamentalisten, die sofort an die Decke gehen, wenn jemand das ausspricht, was das Bundesverfassungsgericht schon vor langer Zeit angeordnet hat, nämlich das christliche Kreuze aus Klassenzimmern öffentlicher Schulen zu verschwinden haben. Es hält sich nur kaum ein Dienstherr dran. Und wenn es doch ein Untergebener wagen sollte, sich am Kreuz zu versündigen, wird wahrscheinlich der Prügel-Mixa reaktiviert.

Jedenfalls ist die Union irgendwie in einer Sackgasse gelandet und hat es verpasst, eine Steilvorlage bzgl. des Kopftuches zu verwandeln. Ich will gar nicht aufzählen, was da alles schon wieder an sprachlichem Sondermüll produziert wird. Das ist echt peinlich. Nur eine Aussage fand ich wirklich lustig. Und zwar meinte die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Maria Böhmer, doch allen ernstes, dass Kruzifixe eine „jahrhundertealte christliche Tradition in Deutschland“ seien. Jahrhunderte? Deutschland gibt es doch erst seit 139 Jahren und das Grundgesetz, dass nach Rassenwahn und dem jähen Ende des tausendjährigen Reiches in Deutschland beschlossen wurde, ist erst 61 Jahre alt.

Vor der Reichsgründung am 18.01.1871 gab es ja nur den alten Fritz und den durchgeknallten Ludwig bzw. zahlreiche Landesfürsten, denen viele Dinge wichtiger als die deutsche Nation waren. Und was in den Schulen unter dem Kreuz abging, lassen wir doch lieber aus. Das taugt nun nicht als Vorzeigebeispiel. Vielleicht sollte man mit den schlechten Traditionen endlich mal aufhören und sich neue suchen. Deutschland sollte meiner Meinung nach nicht auf der Tradition des Kreuzes aufbauen, sondern auf der von den unveräußerlichen Menschenrechten. Wenn sich dafür mal die Unions-Deppen richtig einsetzen würden…

3

Der Jobcenter Beschiss

Geschrieben von:

Hartz IV ist ein verfassungswidriges Gesetz. Zumindest werden immer wieder Regelungen daraus höchstrichterlich als Verstöße gegen das Grundgesetz gewertet. Das war auch im Fall der Jobcenter-Regelung so. Die praktizierte Mischverwaltung, also aus Bundesbehörde und kommunaler Trägerschaft, ist verfassungswidrig. Bis Ende diesen Jahres muss eine neue Lösung her. Nun hat sich die ganz große Koalition im deutschen Bundestag geeinigt. Aber nicht darauf, dass offensichtlich verfassungswidrige Gesetz abzuschaffen, sondern darauf, die Verfassung dem schlechten Gesetz anzupassen. Ein bemerkenswerter Betrug an der Öffentlichkeit. In Sachen Hartz IV arbeiten die Macher, also Regierung und Teile der Opposition, sehr eng zusammen.

Dabei bietet die SPD einmal mehr ein erbärmliches Schauspiel. Der Architekt der Agenda 2010 und heutige Oppositionsführer Frank-Walter Steinmeier stellt sich vor die Presse hin und faselt etwas von bestmöglicher Betreuung von Arbeitslosen und Arbeitsuchenden. Hinter diesem Ziel müssten „oberflächliche, parteitaktische Überlegungen“ zurücktreten. Dabei waren genau diese wohl ursächlich dafür, dass die Bundesregierung zunächst 900 Millionen Euro für Arbeitsmarktmaßnahmen im Bundeshaushalt sperrte, um sie sich dann von der SPD wieder abhandeln zu lassen. Damit kann Steinmeier und seine SPD einen Scheinerfolg verbuchen. Einfach nur widerlich. Steinmeier und Co glauben zudem noch, dass keiner diesen miesen Trick einer ganz großen Schwachsinnskoalition im deutschen Bundestag bemerken würde.

Ich wiederhole es wieder. Solange sich die SPD nicht von ihrer korrupten und verfassungsbrechenden Führungselite verabschiedet, bleibt jede scheinbare Abkehr von der Hartz-Gesetzgebung unglaubwürdig. Wann werden es die Sozialdemokraten, sofern es mehrheitlich noch welche gibt, endlich begreifen?

2

Arbeitsgericht bewertet kirchliche Sonderrechte höher als das Grundrecht auf Streik

Geschrieben von:

Das kann ja sehr interessant werden. Das Arbeitsgericht Bielefeld hat entschieden, dass das kirchliche Selbstbestimmungsrecht Vorrang vor dem Streikrecht hat. Die Diakonie Westfalen-Rheinland-Lippe sowie die westfälische und die hannoversche Landeskirche hatten gegen die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di geklagt. Die Gewerkschaft hatte im vergangen Herbst zu Streiks in diakonischen Einrichtungen aufgerufen, um bessere Bezahlung der Mitarbeiter sowie einen Tarifvertrag für Beschäftigte der Diakonie durchzusetzen.

Dieses Vorgehen der Diensleistungsgewerkschaft ver.di hat das Arbeitsgericht Bielefeld nun für nicht rechtmäßig erklärt, weil, und jetzt kommt’s, die kirchlichen Satzungen nicht nur das Streikrecht, sondern auch das Recht auf Aussperrung ausschließen. Die Kirchen gehen bei der Tariffindung einen sog. Dritten Weg, wonach Arbeitgeber und Arbeitnehmer in einer paritätisch besetzten Kommission die Tarife für die Beschäftigten aushandeln können. Bei Uneinigkeit würde eine Schiedskommission angerufen, deren Spruch dann aber für beide Parteien verbindlich sei. Diesen Weg sah das Arbeitsgericht als gangbar an, weshalb es das Argument, dem Grundrecht auf Streik Vorrang gegenüber Kirchenrecht einzuräumen, nicht folgte. Irre oder?

Ver.di hat angekündigt, durch alle Instanzen zu gehen. Am Ende wird sich das Bundesverfassungsgericht mit der Frage wohl beschäftigen müssen. Endlich, muss man hinzufügen. Das Grundrecht auf Streik, welches sich aus Art. 9 GG Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit ableitet, kann doch nicht hinter dem, ins Grundgesetz übernommenen, Staatskirchenrecht aus der Weimarer Reichsverfassung (siehe Art. 140 GG) zurücktreten? Oder stößt diese Frage nun an die Grenzen einer bürgerlichen Verfassung, die einerseits die institutionelle Trennung von Staat und Kirche vorschreibt und andererseits das kirchliche Selbstbestimmungsrecht öffentlich gewahrt und geschützt sehen will?

Auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts bin ich da jedenfalls gespannt. Es wird wahrscheinlich sehr lang ausfallen. :>>

________________________________

Quellen:
http://presse.verdi.de/pressemitteilungen/showNews?id=42696eca-26cd-11df-4d33-0019b9e321cd

http://www.evangelisch.de/themen/wirtschaft/arbeitsgericht-kirchenmitarbeiter-duerfen-nicht-streiken13661

1

Wolfgang Neskovic: "Kein Sieg für den Datenschutz"

Geschrieben von:

Der ehemaliger Richter am Bundesgerichtshof und Abgeordnete der Fraktion die Linke im Deutschen Bundestag Wolfgang Neskovic hat im Interview mit dem Deutschlandfunk klare und kritische Worte zum gestrigen Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung gefunden.

Quelle: dradio

„Es ist im Ergebnis langfristig eine Niederlage, weil das Bundesverfassungsgericht einen Richtungswechsel vorgenommen hat, einen ganz entscheidenden Richtungswechsel. Es ist nämlich die Speicherung ohne Anlass, ohne Verdacht zukünftig zulässig, es wird nur der staatliche Zugriff auf die gespeicherten Daten eingeschränkt. Das ist mit dem Verständnis und der Geschichte der Grundrechte nicht vereinbar. Sie sind nämlich Abwehrrechte gegen den Staat. Sie stellen institutionalisiertes Misstrauen dar gegen den Staat, und hier wird das Misstrauen gegen die Bürger institutionalisiert, weil ein Generalverdacht gegen alle Bürger jetzt vorgenommen wird.“

Und die Tagesaktualität gibt ihm Recht in seiner Annahme, dass das Bundesverfassungsgericht eine Tür aufgestoßen habe, die vorher geschlossen war. Dazu müssen sie sich nur den völlig durchgeknallten Wolfgang Bosbach (CDU) anhören, um zu begreifen, dass es nun erst richtig losgehen wird. Bosbach sprach von einem Vakuum, das man nicht über Monate offen lassen dürfe.

„Wenn wir in Deutschland nicht gemäß den Richtlinien und gemäß unserer Verfassung die Daten speichern, ist das eine Einladung an alle Straftäter, die mit Hilfe von Telekommunikationseinrichtungen Straftaten begehen wollen, nach Deutschland zu kommen, weil sie hier sicher sein können, dass die Daten nicht gespeichert werden, bis wir ein neues Gesetz haben.“

Quelle: Presseportal

Der Mann hat einfach einen totalen Vollschuss. Der sollte mal über das Vakuum in seiner eigenen Birne nachdenken. Allein schon die Tatsache, dass Bosbach jemanden als Straftäter bezeichnet, bevor eine Straftat überhaupt stattgefunden hat, zeigt wie behämmert Bosbach ist und welches Verständnis vom Rechtsstaat dieser Herr doch hat. Nicht Straftäter und Terroristen bedrohen den Rechtsstaat, es sind Leute wie Bosbach, die ihn bedrohen.

1

Karslruher Richter kassieren Vorratsdatenspeicherung

Geschrieben von:

Wie viele Verfassungsbrüche darf sich eine Regierung eigentlich erlauben? Es ist unglaublich, mit welch hoher Schlagzahl die Karlsruher Richter sogenannte Sicherheitsgesetze für verfassungswidrig erklären. Ob es um das flächendeckende automatisierte Überprüfen von Kfz-Kennzeichen geht oder um Online-Durchsuchungen oder um den Abschuss von Zivilflugzeugen oder eben jetzt um die Vorratsdatenspeicherung, das Bundesverfassungsgericht zeigt der Exekutive regelmäßig die Grenzen auf. Dabei wird im vorliegenden Fall einmal mehr deutlich, dass offensichtlich Gesetze erlassen werden, die in ihrer Grundkonstruktion bereits fatale Fehler enthalten. Doch wie kann das passieren, angesichts des juristischen Fachpersonals in den Ministerien sowie in den immer öfter mit der Ausarbeitung von Gesetzen beauftragten externen Kanzleien, die für ihre in machen Politiker-Augen unverzichtbare Expertise einen Haufen Steuergeld überwiesen bekommen?

Zur Vorratsdatenspeicherung urteilten die Karlsruher Richter, dass die vom Gesetzgeber geschaffenen Vorschriften weder eine hinreichende Datensicherheit, noch eine hinreichende Begrenzung der Verwendungszwecke der Daten gewährleisten würden. Auch genügten diese Vorschriften nicht in jeder Hinsicht den verfassungsrechtlichen Transparenz- und Rechtsschutzanforderungen. Damit seien die Regelung insgesamt verfassungswidrig und nichtig.

Im Klartext: Alle bisher erhobenen Daten müssen umgehend gelöscht werden. Doch gleichzeitig sagen die Richter auch, dass grundsätzlich nichts dagegen spräche, Daten zu speichern. Das wiederum ist interessant auch im Hinblick auf andere Datenbanken, die sich bereits im Aufbau bzw. im Einsatz befinden, wie das Elena-Verfahren zur Erfassung sämtlicher Einkommensinformationen oder die Fluggastdatenbank, die sich die Amerikaner und weite Teile der CDU ja immer noch wünschen. Denken sie auch an die elektronische Gesundheitskarte, auf der ebenfalls personenbezogene Daten gespeichert werden sollen. Diese Dinge sind mit dem Urteil noch lange nicht vom Tisch.

Im Gegenteil. Ich glaube, dass der Gesetzgeber auf diesem Feld nachlegen wird. Dafür sind die Daten für unsere Hardliner in der Regierung einfach viel zu wertvoll. Grundgesetz hin oder her.
________________________________

Quelle: Urteil

3

Regelsatzdiskussion: Die Regierung nimmt sich alle Zeit der Welt

Geschrieben von:

Allein das ist schon ein Skandal. Nicht Guido Westerwelle, der heute im Bundestag wieder log, ist das Problem, es sind diejenigen, die, wie die Kanzlerin zum Beispiel, so tun, als würden sie dem Vizekanz-nicht zurechtweisen, ihm in Wirklichkeit aber Recht geben. Lesen sie mal die erste Äußerung der Regierungschefin nach der Duktus-Offenbarung vor einer Woche:

In der heutigen Ausgabe der FAZ heißt es:

Bundeskanzlerin Merkel wirft dem FDP-Vorsitzenden und Vizekanzler Westerwelle vor, die Debatte über die Reform des Sozialstaats unnötig erschwert zu haben. „Selbstverständliches sollte selbstverständlich bleiben, damit man in der Sache zu guten Ergebnissen kommen kann“, sagte Frau Merkel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Formulierungen wie „Man muss noch sagen dürfen“, ließen den Eindruck entstehen, „es werde etwas ausgesprochen, was nicht selbstverständlich ist, als gebe es also ein Tabu“. Das treffe bei der Umsetzung des Hartz IV-Urteils und beim sogenannten Lohnabstandsgebot nicht zu, kritisierte die Kanzlerin Westerwelle.

Mit anderen Worten, Westerwelle hätte nicht so auf den Putz hauen sollen, weil man sich in der Sache doch schon längst einig ist. Das ist kein inhaltlicher Widerspruch, sondern lediglich eine Kritik an der äußeren Form. Oder wie es Ulrich Maurer gestern in der Aktuellen Stunde zum „Schweigen der Bundeskanzlerin zur Sozialpolitik der Bundesregierung“ treffend formulierte:

„Ich bin an einem einzigen Punkt derselben Meinung wie der Kollege Kolb. Die Frau Bundeskanzlerin hat nicht geschwiegen, sondern sie hat den Duktus des Herrn Vizekanzlers gegeißelt. Das heißt im Klartext: Sie hat sich wie eine Richterin verhalten, die den Kollegen Westerwelle nicht wegen seiner Tat, sondern wegen mangelnder Eleganz bei der Tatausführung verurteilt.“

Quelle: Deutscher Bundestag (Stenografischer Bericht)

Es lohnt sich übrigens, die kurze Rede Maurers anzuschauen: (gefunden u.a. im Blog Marigny de Grilleau)

Heute nun die Aussprache über den Antrag der Partei die Linke mit dem Titel, „Weg mit Hartz IV – Für gute Arbeit und eine sanktionsfreie, bedarfsdeckende Mindestsicherung“. In den Medien ist aus diesem Antrag nur der Punkt, Erhöhung der Hartz-IV-Sätze auf 500 EUR überliefert. Das kann man ja aus Schlagzeilensicht verstehen, aber der Antrag hat acht Seiten, auf denen mehr steht, als die bloße Anhebung des Regelsatzes. Der für mich entscheidende Absatz darin lautet:

Hartz IV hat die Furcht vor Armut und sozialem Ausschluss bis weit in die Mitte der Gesellschaft hineingetragen. Die Drohung mit dem sozialen Absturz wirkt disziplinierend auf die Beschäftigten, schwächt die Durchsetzungsfähigkeit der Gewerkschaften, begünstigt Untertanenmentalität und unterhöhlt so die gesellschaftlichen Voraussetzungen der Demokratie. Hartz IV stärkt die Arbeitgeber im gesellschaftlichen Verteilungskampf, befördert die Ausweitung des Niedriglohnsektors und die zunehmende soziale Polarisierung bei Einkommen und Vermögen.

Statt diese Fehlentwicklungen grundlegend zu korrigieren und Hartz IV einer Generalrevision zu unterziehen, setzt die neue Bundesregierung aus CDU, CSU und FDP auf die noch stärkere Drangsalierung von Erwerbslosen durch erneut verschärfte Sanktionen und die weitere Ausdehnung des ohnehin schon riesigen Niedriglohnsektors.

Man kann das noch deutlicher formulieren. Die Bundesregierung will, so lang es eben nur geht, gar nichts an dem im Kern verfassungswidrigen Gesetz ändern. Sie will sich erst einmal bis zum Herbst Zeit nehmen, um erneut irgendetwas zu prüfen. Seit Jahren hört man das, ohne Ergebnis. Es war ein großer Fehler der Bundesrichter, die verfassungswidrigen Regelungen bis zum Ende des Jahres formal gelten zu lassen. Spätestens im Mai nach der NRW-Wahl wird die unmögliche Hetzerei ihren Höhepunkt erreichen. Man muss es einfach noch einmal ganz klar sagen.

Für die Banken haben alle Fraktionen des Bundestags, mit Ausnahme der Partei die Linke, binnen einer Woche knapp 500 Mrd. Euro bereitgestellt und ein Ermächtigungsgesetz erlassen, das dem damaligen Finanzminister Steinbrück rechenschaftslose Verfügungsgewalt über Steuergelder zugestand. Damals hieß das Zauberwort „Systemisch“, mit dem sich jede Kritik wegbügeln ließ. Heute geht es um einen verfassungswidrigen Zustand, was die Berechnung der Hartz-IV-Sätze anbelangt und die Regierung nimmt sich alle Zeit der Welt, um die festgestellte Grundrechtsverletzung, die Verletzung der „Menschenwürde“, zu beseitigen.

Was für ein Skandal.

Und dann der Auftritt von Frau von der Leyen zum Schluss. Die hat auch gar nichts begriffen. Sie schwafelt andauernd davon, dass man vor allem Kinder fördern und staatliche Hilfe gerade dort in Form von Sachleistungen verstärkt anbieten müsse. Liebe Frau von und zu Hirnlos, das Bundesverfassungsgericht hat die Regelsätze der Kinder für verfassungswidrig erklärt, weil der Gesetzgeber es schlicht unterlassen hatte, das Existenzminimum eines minderjährigen Kindes überhaupt festzustellen und es stattdessen lieber vorzog, freihändig ins Blaue zu schätzen. Vielleicht schaut die Supermutti erst einmal, welcher Bedarf konkret besteht, bevor sie ins Plenum schreit, den Kindern armer Eltern Nachhilfeunterricht zu ermöglichen. Diese dumme Aristokraten-Pute sollte selbst Nachhilfe nehmen oder einfach mal das Urteil lesen!

5

Schneeschipper Westerwelle

Geschrieben von:

Dr. Guido Westerwelle stellt auch am Wochenende seine geistigen Fähigkeiten unter Beweis. Sie haben es vielleicht gehört, die Geschichte mit dem Schneeschippen (siehe SpOn). Toll. Da freut sich am Montag der Stammtisch wieder. Ich will den Schwachsinn gar nicht weiter kommentieren. Ich habe das ja bereits mit Verweis auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Falle Pinkwart getan (siehe hier im Blog). Auch Westerwelle ruft dazu auf, die höchst richterliche Entscheidung zu den sozialen Hilfeleistungen des Staates mit Füßen zu treten und die Verfassung abermals zu brechen. Westerwelle rechnet wohl damit, dass es wieder fünf Jahre dauern wird, bis das Bundesverfassungsgericht eine im liberalen Sinne durchgesetzte Neuregelung der Hartz-Gesetze für grundgesetzwidrig erklärt.

Nachdem also Westerwelle und seine liberalen Ministerkollegen neue Jobs für Gleichgesindel, äh Gleichgesinnte, geschaffen haben und diese nun ihre Ärsche als zusätzliche Staatssekretäre und Referatsleiter plattsitzen dürfen, will Westerwelle auch in anderen Bereichen für Vollbeschäftigung sorgen. Wenn schon das Straßenfegerpersonal und der Winterdienst in Berlin weggespart wurden oder unter dem Diktat liberaler Unternehmenslogik leiden, wonach Kostenfaktoren immer vor dem Auftrag, Versorgungs- und Verkehrssicherheit zu gewährleisten, stehen, muss nun das arbeitslose Faulenzerherr ran und gefälligst Schippen gehen, damit auch der verbliebene Rest ordentlich bezahlter öffentlicher Arbeit betriebswirtschaftlich abgewickelt werden kann.

Findet sich bei den Liberalen eigentlich kein beschäftigungsloser Minderleister, der den geistigen Sondermüll des Vorsitzenden wegschippen könnte? Die haben in der Truppe doch alle keine Erfahrung mit praktischer Arbeit, sondern sind meist aus der Uni gleich in den Parteiapparat gewechselt. Da besteht doch Nachholbedarf oder nicht? Man könnte doch einiges lernen, wenn man unter dem Abfall scheinliberaler Worthampelei die Straße ins Verderben wiedererkennen könnte. Aber so wie es aussieht, nehmen die liberalen Freigeister doch eher rechtzeitig jene, für den öffentlichen Durchgangsverkehr gesperrte, frisch asphaltierte Ausfahrt nach Eldorado, die im Prozess der Arbeitsteilung vom angeblich so neidischen Straßenpöbel fertiggestellt und zudem vom selbigen auch bezahlt wurde.

4

FDP-Vize Pinkwart fordert den Verfassungsbruch

Geschrieben von:

Glauben sie das jetzt nicht? Ist aber so. Lesen sie mal die Schlagzeile.

FDP-Vize Pinkwart fordert, Hartz-IV-Beziehern schneller die Stütze zu kürzen, wenn sie angebotene Jobs verweigern.

Nordrhein-Westfalens FDP-Landeschef Andreas Pinkwart heizt die Debatte um Hartz IV an und fordert ein härteres Vorgehen gegen „Leistungsverweigerer“: Wenn die Betreuung in den Jobcentern weiter verbessert werde, „müssen die Bezüge arbeitsfähiger Hartz-IV-Empfänger, die zumutbare Arbeit verweigern, auch konsequenter gekürzt werden“, sagte Pinkwart, der auch Vizechef der Partei ist. Wer arbeitsfähig sei, „sollte auf staatliche Hilfe grundsätzlich nur Anspruch haben, wenn er auch zur Gegenleistung bereit ist“, zitierte ihn die „Rheinische Post“.

Quelle: Spiegel-Online

Langsam glaube ich, die FDP-Idioten wurden nicht nur zu heiß gebadet, denen hat man auch gehörig ins Gehirn geschissen. Tschuldigung für den Ausdruck. Aber so dämlich und plump kann man doch nicht mehr sein. Gerade hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zu den Hartz-IV-Regelsätzen doch ganz klar festgestellt, dass staatliche Hilfe keine Leistung sein darf, an die der Gesetzgeber einfach so Bedingungen knüpfen kann. Der Bedürftige hat einen unmittelbaren verfassungsrechtlichen Leistungsanspruch, „da das Grundrecht die Würde jedes individuellen Menschen schützt“ (siehe Rdnr. 134 im Urteil)

Die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums muss durch einen gesetzlichen Anspruch gesichert sein. Dies verlangt bereits unmittelbar der Schutzgehalt des Art. 1 Abs. 1 GG. Ein Hilfebedürftiger darf nicht auf freiwillige Leistungen des Staates oder Dritter verwiesen werden, deren Erbringung nicht durch ein subjektives Recht des Hilfebedürftigen gewährleistet ist.

(siehe Rdnr. 136 im Urteil)

Und dann gibt es noch folgenden Absatz im Urteil der Karslruher Richter (Rdnr. 137):

Der gesetzliche Leistungsanspruch muss so ausgestaltet sein, dass er stets den gesamten existenznotwendigen Bedarf jedes individuellen Grundrechtsträgers deckt. Wenn der Gesetzgeber seiner verfassungsmäßigen Pflicht zur Bestimmung des Existenzminimums nicht hinreichend nachkommt, ist das einfache Recht im Umfang seiner defizitären Gestaltung verfassungswidrig.

Leistung nur gegen Gegenleistung wie Pinkwart es wohl gerne hätte, deckt sich nicht mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, wonach dem Bedürftigen ein absoluter und unverfügbarer Anspruch auf verfassungsrechtlich konform ermittelte staatliche Hilfen zusteht. Dazu noch einmal der Wortlaut aus dem Urteil (Rdnr. 133):

Dieses Grundrecht aus Art. 1 Abs. 1 GG hat als Gewährleistungsrecht in seiner Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG neben dem absolut wirkenden Anspruch aus Art. 1 Abs. 1 GG auf Achtung der Würde jedes Einzelnen eigenständige Bedeutung. Es ist dem Grunde nach unverfügbar und muss eingelöst werden, bedarf aber der Konkretisierung und stetigen Aktualisierung durch den Gesetzgeber, der die zu erbringenden Leistungen an dem jeweiligen Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den bestehenden Lebensbedingungen auszurichten hat.

Möglicherweise hätte eine deutliche Stellungnahme des Gerichts zum Sanktionsparagraphen § 31 SGB II mehr Klarheit in dieser Frage schaffen können. Aus dem Urteil des Verfassungsgerichts lässt sich aber meiner Meinung nach indirekt schließen, dass diese Sanktionsregelungen ebenfalls verfassungswidrig sein müssen, da sie gegen den vom Gericht aufgestellten „absolut wirkenden Anspruch“, der unverfügbar eingelöst werden müsse, streiten. Zumindestens dürfte die Forderung nach einer Verschärfung der Sanktionsregeln mit dem Urteil klar ausgeschlossen sein.

Den Hetzern aus der FDP scheint das aber völlig egal zu sein. Diese beklagen sich über eine angeblich sozialistische Gefahr und brechen gleichwohl als feine Demokraten verkleidet die eigene Verfassung, wo es nur geht. Da möchte man wirklich zum Dreschflegel greifen und dieser selbsternannten Elite die Arroganz aus dem Leistungsschädel prügeln. Nicht mal richtig lesen können diese Kasperköpfe.

1

Der notorische Verfassungsbrecher Schäuble zu Hartz-IV

Geschrieben von:

Wer glaubt, dass mit Westerwelles verbal Tremolo die Debatte um Hartz-IV ein Ende gefunden hätte oder gar in eine andere Richtung laufen könnte, irrt sich gewaltig. Nun schlägt nämlich die Stunde derjenigen, die das gleiche wie Westerwelle sagen, aber dabei höflicher und diplomatischer auftreten. Erkennen sie die Strategie? Der politisch sehr erfahrene Finanzminister Wolfgang Schäuble z.B. dämpft via Frankfurter Rundschau die Hoffnungen auf höhere Sozialleistungen mit den Worten:

„Das Bundesverfassungsgericht hat ausdrücklich nicht gesagt, die Hartz-IV-Sätze seien unzureichend.

Wir dürfen den Grundgedanken von Hartz IV nicht aus den Augen verlieren: Die notwendigen Sozialleistungen dürfen die Aufnahme von Arbeit nicht unattraktiv machen.“

Das sind 1:1 dieselben Aussagen, die auch Westerwelle von sich gab. Freilich fehlt der Ausflug in die römische Geschichte, aber was macht das schon. Die Medien sehen jedenfalls Unterschiede. Zu Schäubles Wortmeldung leitet Welt Online wie folgt ein:

„Spätkapitalistischer Irrsinn“, der Außenminister ein „Esel“ – während die Diskussion über die Hartz-IV-Äußerungen von FDP-Chef Westerwelle weitere Runden dreht, versucht Finanzminister Schäuble (CDU) zum Kern des Themas zurückzukehren: mit einem strikten Nein zu einer Erhöhung der Hartz-IV-Bezüge.

Der seriöse Schäuble also, kehrt inhaltlich zum Kern des Themas zurück und sagt im Grunde nichts anderes wie Guido Westerwelle. Ausgerechnet Schäuble, der, die Medien haben das wahrscheinlich schon wieder vergessen, im letzten Jahr in seiner Rolle als Bundesinnenminister das Bundesverfassungsgericht ebenfalls angriff und bemängelte, dass sich die Karlsruher Richter zu sehr in die Gesetzgebung einmischen würden. Am 11. März 2009 druckte die FAZ dazu sogar ein Streitgespräch zwischen Schäuble und Winfried Hassemer, einem ehemaligen Vizepräsidenten des Bundesverfassungsgerichts, ab. Darin äußerte sich Schäuble u.a. so:

„Den einmaligen Kompetenzen des Verfassungsgerichts entsprechen eine ganz hohe Verantwortung und auch ein hohes Maß an Zurückhaltung mit öffentlichen Äußerungen. Da haben Politiker eine ganz andere Legitimation. Wir müssen in der öffentlichen Debatte ständig Position beziehen. Verfassungsrichter müssen Anspruch auf Respekt haben. Wer Gesetze gestalten will, sollte sich bemühen, Mitglied des Deutschen Bundestages zu werden.“

Quelle: FAZ

Mit anderen Worten: Das Bundesverfassungsgericht solle bitteschön so eine Art Grußonkel sein und sogar bei verfassungswidrigen Gesetzen die Klappe halten, da nur dem Gesetzgeber die Gestaltungshoheit in Sachfragen zustünde.

Aber zurück zum angeblich so sachlich auftretenden Schäuble, der sich zur Hartz-IV-Debatte äußert. Er spricht ja vom Grundgedanken, wonach Sozialleistungen die Aufnahme von Arbeit nicht unattraktiv machen dürften. Welche Arbeit denn? Vor allem schlecht bezahlte Arbeit. Denn ein Programm zur Beschäftigungssicherung bzw. zum Beschäftigungsaufbau sucht man auch in dieser Regierung vergebens. Ziel der Hartz-Gesetze war es ja auch, den größten Niedriglohnsektor innerhalb der EU zu schaffen (siehe NachDenkSeiten) und das unternehmerische Konjunkturrisiko auf den Arbeitnehmer zu verschieben.

Wer sich mal erklären lassen möchte, wie das in Deutschland mit dem Arbeitsmarkt auch nach fünf Jahren Hartz IV in Wirklichkeit aussieht, sollte sich die Zusammenfassung von Joachim Jahnke unbedingt anschauen („Die Lügenmärchen vom Arbeitsmarkt„).

Schäuble hingegen setzt auf die Wirkung dramtatisch klingender Zahlen. Rund eine Billion Euro gebe der Staat pro Jahr für Sozialleistungen aus, das seien pro Kopf 12.500 Euro. Wahrscheinlich will er damit zeigen, dass genug Masse zum Sparen da sei. Dabei wäre ein Konjunktur- und Beschäftigungsprogramm das beste Sparprogramm. Selbst die Kanzlerin hatte mal von antizyklischer Politik gesprochen, obwohl sie dann das Gegenteil in die Praxis umsetzen lies. Albrecht Müller von den NachDenkSeiten bringt es auf den Punkt:

Es muss ein neues Beschäftigungsprogramm her. Ein Element eines solchen Beschäftigungsprogramms ist der Zuwachs an Lohneinkommen und damit bessere Tarifabschlüsse. Die Gemeinden brauchen mehr Geld, um ihre Leistungen aufrechterhalten. Tatsächlich läuft alles dagegen: die Arbeitgeber im öffentlichen Dienst sperren sich gegen Lohnerhöhungen; die Gemeinden werden weiter ausgehungert; den hohen Einkommen sollen die Steuern gesenkt werden, wodurch nichts an zusätzlicher Nachfrage wächst und der Spielraum öffentlicher Ausgaben sinkt. Prozyklische Politik allerorten.

Es ist höchste Zeit, dass die herrschenden Kreise in Politik und Wissenschaft, Medien und Wirtschaft endlich begreifen, dass die makroökonomische Politik in der jetzigen Situation Vorrang hat. Dass dies nicht begriffen wird, hängt damit zusammen,

  • dass Juristen das Sagen haben,
  • dass den Neoliberalen eh nichts daran liegt, die Reservearmee an Arbeitslosen schrumpfen zu lassen,
  • und außerdem daran, einige maßgebliche Kräfte auf der linken Seite des Spektrums von Beschäftigungspolitik auch nichts halten, weil für sie der Kapitalismus in den siebziger Jahren schon gescheitert ist.
2

Das Märchen vom Aufschwung entzaubert: Deutsche Wirtschaftsleistung stagniert

Geschrieben von:

Wie das statistische Bundesamt heute mitteilte, veränderte sich das Bruttoinlandsprodukt im vierten Quartal 2009 im Vergleich zum Vorquartal nicht.

Quelle: destatis

Die Erholung der deutschen Wirtschaft ist Ende 2009 ins Stocken geraten: Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stagnierte im vierten Vierteljahr 2009 – preis-, saison- und kalenderbereinigt – auf dem Niveau des Vorquartals (+ 0,0%), teilt das Statistische Bundesamt (Destatis) mit. Damit hat sich der leichte Aufwärtstrend der Wirtschaft aus dem zweiten (+ 0,4%) und dritten Quartal 2009 (+ 0,7%) nicht fortgesetzt.

Aber viel wichtiger ist die Tatsache, dass im Vergleich zum letzten Vorkrisenquartal 01/2008 die gegenwärtige Wirtschaftsleistung ein Minus von 5,6 Prozent aufweist (siehe Jahnkes Infoportal). Konsumausgaben und Investitionen nahmen weiter ab. Lediglich der Außenhandelsbeitrag wuchs ein wenig an. Interessant an den Zahlen ist aber, dass selbst die Stagnation im Grunde nur ein statistischer Effekt ist, da die rückläufigen Importe sich positiv auf die Gesamtbilanz niederschlagen. Jahnke schreibt dazu:

Das heißt aber auch, daß ohne die rückläufigen Importe die Wirtschaftsentwicklung bei einem geringeren Außenbeitrag negativ und nicht stagnierend gewesen wäre oder anders ausgedrückt: selbst die Stagnation ist noch einer negativen Entwicklung zu verdanken.

Bei uns glaubte man indes weiter an das Märchen vom Aufschwung. Die dummen Ökonomen in ihren Instituten hatten bereits nach der Stagnations-Schätzung des statistischen Bundesamts vom Januar lauthals widersprochen und protestiert, dass man die Lage nicht so schwarz malen könne. Sie rechneten daher mit einem Zuwachs von 0,2 Prozent. Nun fallen sie mal wieder überrascht aus allen Wolken und werden Lügen gestraft. Andere Volkswirtschaften erholen sich dagegen auch statistisch nachweisbar. In Frankreich zum Beispiel trug ein gestiegener privater Konsum (+0,9 %) zum Gesamtwachstum auf Quartalssicht um 0,6 % bei.

Das füge ich nur deshalb an, weil es in Deutschland eine derzeit total verrückte Debatte gibt, wie viel Geld arbeitenden und nichtarbeitenden Menschen zusteht. Auch dem letzten politischen Hinterwäldler in diesem Land muss eigentlich klar sein, dass wir an einer chronischen Nachfrageschwäche leiden. Der private Konsum liegt am Boden und man tut nichts dagegen. Es wird eher dafür gesorgt, die Lage noch weiter zu verschärfen. Als die Krise ausbrach, haben alle politischen Kräfte im Chor das Lied vom privaten Konsum gesungen, der nach dem Wegbrechen des Exports zu einer Stütze der wirtschaftlichen Leistung werden könne und müsse. Doch mit jedem zurückgelegten Quartal musste man feststellen, dass gerade der private Konsum immer weiter einbrach.

Im Jahr 2010 beschließt der Gesetzgeber nun Steuersenkungen für Hotelbesitzer und Menschen, die über genug Einkommen verfügen, um dank der Steuerpolitik zusätzlich noch mehr sparen zu können. Geringverdiener und Sozialleistungsempfänger gehen dagegen weiterhin leer aus. Viele Beschäftigte der unterschiedlichsten Branchen werden im Augenblick medial darauf vorbereitet, dass sie bitteschön in den bevorstehenden Tarifverhandlungen nichts bis gar nichts zu erwarten hätten und den Gürtel lieber noch enger schnallen sollten, wenn sie denn an ihren Jobs hängen. Andernfalls könne man sich ja im angeblichen Luxus Hartz-IV einrichten.

Der Bundesaußenminister Guido Westerwelle, der gleichzeitig selbsternannter geistig politischer Vordenker in diesem Land sein will, fällt derzeit mächtig aus seiner diplomatischen Rolle. In dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Hartz-IV-Regelsätzen will Westerwelle sozialistische Züge entdeckt haben (Hat er es überhaupt gelesen?). Und ganz allgemein kommentierte er:

„Wer dem Volk anstrengungslosen Wohlstand verspricht, lädt zu spätrömischer Dekadenz ein.“

Vergessen sie Westerwelle. Der Mann ist bereits politisch tot. Man könnnte jetzt alternativ auch das Geblubber von Frau von der Leyen, Frau Köhler oder sonst irgendwelchen Leuten anfügen, die meinen die sozialpolitische Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben. Tenor aller Wortmeldungen war jedenfalls, dass es nicht mehr Geld geben dürfe, das die Betroffenen, oh Schreck, einfach nur ausgeben könnten. Dabei wäre genau das der Weg, um aus der wirtschaftlichen Krise herauszukommen. Eine Stärkung der Massenkaufkraft und damit der Nachfrage. Kostet zuviel Geld heißt es da ermahnend aus den Politikerstuben, während man gleichzeitig ein Födergesetz verabschiedet, das Hotelbesitzer, Erben und Gutverdiener abermals reichlich beschenkt. Welche Nachfrage soll diese Gruppe eigentlich entwickeln, die sie nicht schon vorher dank ausreichender Mittel befriedigt hätte? Eine einfache Frage.

Die FDP würde jetzt darauf antworten, Leistung muss sich halt lohnen. Es lohnt sich aber volkswirtschaftlich überhaupt nicht, wenn man ganz bestimmte Leistungsträger staatlich belohnt, ihnen quasi spätrömische Dekandenz ermöglicht, so dass sie beispielsweise auf den noch immer unregulierten Kapitalmärkten verstärkt aktiv sein können. Auf der anderen Seite lohnt es sich volkswirtschaftlich auch nicht, von der großen Masse zu verlangen, diesen Belohnungsprozess auch noch solidarisch zu begleiten und brav die Rechnung zu bezahlen, wenn das ganze System einmal ins Wanken gerät.

Lesen sie dazu mal die Erklärung des Generalsekretärs der FDP, Christian Lindner:

„Die teils reflex- und teils flegelhaften Reaktionen auf Guido Westerwelle zeigen, dass Deutschland seinen inneren Kompass zu verlieren und sein Kraftzentrum in der Mitte der Gesellschaft zu beschädigen droht.

Faire Politik muss zwischen den Interessen der Leistungsgeber und den Interessen der Leistungsnehmer vermitteln. Solidarität fordern Liberale von den Starken, die die Bedürftigen unterstützen, genauso wie von den Schwachen, die Hilfe nur soweit als erforderlich in Anspruch nehmen sollten.“

Quelle: pressrelations

Die FDP scheint noch immer nicht begriffen zu haben, wie das mit der kapitalistischen Produktionsweise funktioniert. Deutschlands Wirtschaft schrumpft ja nicht, weil die Sozialleistungen zu hoch sind, sondern weil die herrschende Politik will, dass der Wohlstand der Masse weichen soll für das dekadente Bedürfnis einiger Weniger nach immer mehr Reichtum. Den innereren Kompass der FDP möchte ich mal sehen. Wahrscheinlich hat sich in deren Wirklichkeit das Magnetfeld umgedreht.

2
Seite 7 von 8 «...45678