Bundesregierung legt Europa neu fest

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Bei der Diskussion um den dauerhaften Krisenmechanismus ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus) verlangen die Bundesländer von der Bundesregierung mehr Mitspracherecht. Die sagt aber nö und lässt das durch einen Ministeriumssprecher wie folgt erklären:

„Der ESM ist in diesem Sinne kein europäisches Projekt, da er nur die 17 Staaten der Euro-Zone betrifft“

Quelle: Welt Online

Mit “in diesem Sinne” ist Artikel 23 des Grundgesetzes gemeint, in dem verankert wurde, dass an Vorhaben der Europäischen Union der Bundestag und die Länder durch den Bundesrat mitwirken sollen. Der Sprecher, der mit Sicherheit vorab juristisch gebrieft wurde, hat nun auf den feinen Unterschied im Wortlaut des Grundgesetzes hinweisen wollen. Euro-Zone ist demnach nicht gleich Europäische Union, obwohl dieselben Gestalten selbstredend bei beiden Unternehmen in der Führungsetage sitzen.

Für alle, die sich jetzt Sorgen machen, dass sie vielleicht schon gar nicht mehr zu Europa gehören, sei keinesfalls zur Beruhigung gesagt: Guten Morgen, ihr habt Recht. Willkommen in Merkels marktkonformer Demokratie. Die liegt eben nicht mehr in Europa, sondern als Spekulationsobjekt auf dem Altar zügelloser Finanzmärkte.   

Feynsinn schreibt:

“Es wird doch einiges besser: Gestern noch wurden wir fürchterlich vereimert, heute schon deliriert die Nomenklatura frei vor sich hin, ganz unbeleckt von jeglichem Bemühen zur glaubhaften Lüge.”

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Journalistisches Herdenverhalten

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Jens Berger schreibt in seinem Artikel, Die Angst der Eliten vor dem Volk, über die Furcht der deutschen Presselandschaft, die eine Berichterstattung ganz im Sinne der von Merkel propagierten “marktkonformen Demokratie” betreibe.

Jede Art von Politik, die „die Märkte verunsichern“ könnte, wird verteufelt, Kritik an der neoliberalen Agenda ist unerwünscht. […]

Kann es jedoch auch sein, dass der Terminus „Finanzmärkte“ in diesem Kontext nur ein Synonym für die Meinung der „200 reichen Leute“, die „Eliten“, ist, die Sethe anführt?

Das mag schon stimmen, allerdings ist die Meinungsmache doch wohl eher einem Herdenverhalten von Journalisten geschuldet und weniger einem aktiv zum Ausdruck gebrachten Verleger-Willen. Ich glaube, die “200 reichen Verleger-Leute” müssen ihre Tintenknechte gar nicht mehr instruieren und auf Linie bringen. Denn wie an der Börse folgt die Herde inzwischen einem Trend und jeder noch verbliebene statt marktkonform verblichene Journalist schreibt vom anderen ab.

Es geht ja auch gar nicht mehr anders, wenn man bedenkt, dass Kosteneinsparungen und das Ausdünnen von Redaktionen auch zum betriebswirtschaftlichen Optimierungskonzept der Meinungsmacher zählen.

Wie an der Börse kommt es bei den Schreibenden nur darauf an, eine Geschichte glaubhaft zu machen und schon springt der Rest auf den fahrenden Zug mit auf. An der Börse bestimmen Gerüchte den Kursverlauf und die volkswirtschaftliche Realität tritt eher in den Hintergrund. In der Presse läuft es ähnlich. Wenn alle schreiben, dass eine Zunahme der Verschuldung nur eine Staatsschuldenkrise sein kann, die ihren Ursprung in einer zu lasch betriebenen Haushaltspolitik habe, trifft das ja auch spontan auf die Zustimmung der Kundschaft, die schon immer fest daran glaubte, dass der Staat viel zu viel Geld ausgebe und zu wenig spare.

Eine differenzierte Betrachtungsweise über die Unterschiede und die Notwendigkeit von Verschuldung findet nicht statt. Stattdessen macht sich die Politik die Haltung der Presse wiederum im Wahlkampf zunutze, um eine absurde Zuspitzung der Lage und der Lager zu erzielen. So möchte Norbert Röttgen in NRW zum Beispiel die anstehende Landtagswahl zu einer Abstimmung über Merkels Europakurs umfunktionieren, der nach der Wahl in Frankreich in Gefahr geraten sei. Merkel brauche für ihre Politik die Rückendeckung aus dem bevölkerungsreichsten Bundesland – statt einer fortgesetzten rot-grünen Schuldenpolitik, heißt es.

Selbst die FDP, die ohne Schulden im eigenen Parteihaushalt gar nicht mehr auskommt (8,5 Millionen allein bei der Bundespartei), beklagt eine Schuldenabhängigkeit des Staates, die von rot-grün weiter vorangetrieben würde und propagiert gebetsmühlenartig eine Konsolidierungspolitik, die ab einem bestimmten Zeitpunkt gänzlich auf die Aufnahme neuer Schulden verzichten soll. Das ist durchaus revolutionär, weil es Banken überflüssig machen würde. Die Forderungen nach einer Schuldenbremse, Schuldenfreiheit und einem ausgeglichenen Haushalt ohne neue Schulden sind aber mit dem Wirtschaftssystem, dass die freiheitsliebenden Parteien für alternativlos halten, einfach nicht vereinbar.

Das müsste eigentlich jeder normale Mensch spüren und wissen, dem der Begriff und die Bedeutung einer Investition geläufig ist. Die kann nämlich nur getätigt werden, wenn ein anderes Wirtschaftssubjekt spart, was nichts anderes als den Verleih von Geld bedeutet, für den es logischerweise auch Zinsen gibt. Ohne Staatsschulden oder mit einer Begrenzung derselben, wäre auch die von den gleichen politischen Kräften immer wieder propagierte private Altersvorsorge hinfällig. Es gebe ja dann keine Anlagemöglichkeit mehr, um Erspartes theoretisch in die Zukunft zu transferieren, was praktisch ohnehin nicht möglich ist. Aber das steht ja nicht zur Debatte, sondern die Widersprüchlichkeit in der neoliberalen Politik, die gerade den Medienschaffenden auffallen müsste.

Journalistisches Herdenverhalten ist daher kein Beleg für eine gezielt abgesprochene Meinungsmache, sondern viel eher ein Beweis für mangelnde Qualität. Zum Glück, und das stellt Berger richtig fest, interessiert unseren “Qualitätsjournalismus” trotz leichten Zugangs im Ausland niemanden.    

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Im asiatischen Windschatten

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Kurz vor und kurz nach Ostern trumpfte das statistische Bundesamt mit Meldungen auf, wonach die deutschen Exporte trotz Eurokrise auf Rekordkurs gestiegen seien. Grund sei die starke Nachfrage aus Asien und da insbesondere China. Es scheine so, als würde ausgerechnet das Reich der Mitte für die unter verschärfter Austeritätspolitik leidenden europäischen Handelspartner in die Bresche springen. Die deutsche Wirtschaft wachse nun im asiatischen Windschatten mit, meint der Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel und Dienstleistungen (BGA), Anton Börner.

Dabei ist dieser Windschatten gar nicht so groß oder von Dauer wie es den Anschein hat. Denn mit einem Anteil von knapp 6 Prozent an den deutschen Exporten hat China nicht wirklich jene ersetzende Zugkraft, die hier unterstellt wird. Über 60 Prozent der Ausfuhren gehen nach wie vor in die EU und die Eurozone (etwa 40 Prozent), die aber vom Spardiktat und der drohenden Schuldenbremse gezwungen wird, auf Waren Made in Germany zu verzichten.

Wenn nun aber ein Anstieg der Ausfuhren gerade in die Staaten der Eurozone freudestrahlend vermeldet wird, müssten die Fiskalpaktierer doch eigentlich Alarm schlagen, da der Überschuss des einen, nämlich unserer, ganz automatisch zu einer Erhöhung des Defizits auf Seiten derer führen muss, die bereits als Defizitsünder abgestempelt sind und harte Strafen zu befürchten haben. Stattdessen zeigt die Lobby der vermeintlichen Wirtschaftsexperten hämisch mit dem Finger auf jene, die immer wieder vor einem Absturz der deutschen Wirtschaft warnen. 

Dass die vermeldeten Exportzahlen als Ausweis einer guten Konjunktur nichts taugen, beweisen wesentlich aussagekräftigere Zahlen aus der Wirtschaft. Denn weder aus der Industrieproduktion noch beim Auftragseingang waren zuletzt Impulse für die Konjunktur feststellbar, von den Einzelhandelsumsätzen einmal ganz zu schweigen. Die volkswirtschaftlichen Indikatoren zeigen somit nach unten und belegen keinesfalls einen neuerlich bevorstehenden Boom, der aus Fernost getragen wird.

Denn sollte sich Chinas Handelsbilanz – derzeit macht es ja noch Überschüsse – dauerhaft umkehren, bleibt den Chinesen die Möglichkeit durch Abwertung des Yuan am Wechselkurs zu drehen und Importe zu verteuern, was verlorene Wettbewerbsanteile zurückbrächte. Das können die Euroländer bekanntlich nicht. Wer also auf der einen Seite einen knallharten Austeritätskurs verschreibt und damit die Wirtschaft seiner wichtigsten Handelspartner an die Wand fährt und auf der anderen Seite darauf vertraut, dass die übrige Welt Defizite hinnimmt, um die Überschüsse der deutschen Wirtschaft zu finanzieren, muss schon über reichlich viel Naivität verfügen.

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Schäuble holt zum nächsten Schlag aus

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Derzeit ist die Öffentlichkeit total gebannt vom neuerlich stattfindenden Geschacher um den Posten des obersten und an sich bedeutungslosen Grußonkels der Republik. Abseits davon hat Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble angekündigt, schon 2014 – also zwei Jahre früher als geplant – die Schuldenbremse einhalten zu wollen. Dafür plant er ein weiteres Sparpaket in Höhe von etwa zehn Milliarden Euro aufzulegen, das im Kampf gegen das eigene Volk als weiterer Schlag verstanden werden muss.

Vor zwei Jahren nannte Georg Schramm das erste Sparpaket der Bundesregierung eine Kriegserklärung an die absolute Mehrheit des Volkes, das gar kein Vermögen hat, das man in Sicherheit bringen könnte.

Und so ist es auch jetzt wieder. Schäuble weiß, dass die Wirtschaft an Fahrt verliert. Europa versinkt in der nächsten Rezession und Deutschland wird das hart zu spüren bekommen. Noch glauben viele das Märchen vom nie endenden Aufschwung und einem robusten Arbeitsmarkt, der vor allem dafür sorge, dass der private Konsum gestärkt werde, auf den die konjunkturelle Entwicklung letztlich angewiesen sei. Allein die offensichtlich mit Absicht nicht erkannte Realität straft diese Darstellung Lügen.

Geplant sind vor allem Kürzungen im Bereich der Sozialversicherung. So sollen die Bundeszuschüsse zur Kranken- und Rentenversicherung um Milliardenbeträge gekürzt werden. Bei der Arbeitslosenversicherung sind noch einmal Einsparungen von mehreren hundert Millionen Euro vorgesehen.

Das einst mit viel Getöse eingeführte Elterngeld soll nun gedeckelt werden. Offensichtlich ist auch bei der Regierung die Botschaft angekommen, dass von der Sozialleistung vor allem gutverdienende Eltern profitieren. Gerade bei der Gruppe der Besserverdienenden ist somit ein Mitnahmeeffekt feststellbar, während Geringverdiener oder Eltern mit gar keinem Einkommen nach Abschaffung des Erziehungsgeldes mit deutlich weniger oder gar keinem Elterngeld (Hartz-IV-Empfängern wurde die Leistung zum 1. Januar 2011 komplett gestrichen) auskommen müssen.

Bei der Kürzung von Bundeszuschüssen zu den Sozialversicherungen spielt Schäuble das bekannte neoliberale Spiel der systematisch betriebenen Verarmung des Staates. Dabei werden zunächst mit diversen “Reformen” die Arbeitnehmer/Versicherten durch Aufkündigung der paritätischen Finanzierung sowie durch eine Übertragung von Leistungen auf die Versicherungsgemeinschaft, für deren Finanzierung eigentlich die Allgemeinheit, also alle Steuerzahler, zuständig sind, einseitig belastet. Danach schießt der Staat Steuermittel zu, um die entstandene Finanzierungslücke auszugleichen. Im Anschluss werden diese Mittel nun mit Verweis auf eine angeblich gute Konjunktur sowie die schlechte Kassenlage und die Schuldenbremse wieder eingespart.

So bekommt niemand mit, dass die Mehrheit der Bevölkerung schlichtweg um Leistungen betrogen wird. Gleichzeitig gelingt es dem Bundesfinanzminister, in der Öffentlichkeit als erfolgreich agierender Politiker dazustehen, dem die Haushaltskonsolidierung nach so vielen Jahren der gescheiterten Versuche nun endlich zu gelingen scheint. 

“Nicht aus Notwendigkeit solle der Staat machtloser und ärmer werden, sondern aus Prinzip.”  (zit. nach Barbara Supp, via NachDenkSeiten)

Nach dem volkswirtschaftlichen Sinn eines ausgeglichenen Haushalts fragt indes niemand mehr. Ihn zu erzielen, gehört aber für viele in diesem Land zu einem unumstößlichen Anspruch, kurzum zu einem Dogma, dem mit Argumenten kaum beizukommen ist.    

“Der gute deutsche Haushaltspolitiker sorgt für die Zukunft vor, indem er spart und den Gürtel enger schnallt, wenn es einmal schlecht läuft. Er wird unterstützt von vielen, die fest daran glauben, dass buchstäblich jeder seine Ausgaben und Einnahmen ausbalancieren muss. Das ist aber sogar im Lichte der herrschenden ökonomischen Lehre falsch. Wenn in einer Wirtschaft investiert werden soll – und in welcher sollte nicht investiert werden?-, würde selbst diese Lehre sagen, man müsse unbalanciert vorgehen, einer müsse also sparen, sprich weniger ausgeben als einnehmen, und ein anderer müsse sich verschulden, um zu investieren.

Suggeriert man den Bürgern jedoch, dass sie zwar sparen dürfen, die anderen aber gleichwohl ihre Einnahmen und Ausgaben ausgleichen sollen, dann ist dies gefährlicher Unsinn, weil man damit ein Rezept verordnet, das zwingend darauf hinausläuft, dass die Wirtschaft in einer schweren Rezession und einer immerwährenden Schrumpfung versinkt.”

Quelle: Heiner Flassbeck, Zehn Mythen der Krise, S.20

Menschen, die es dennoch versuchen und der herrschenden Lehrmeinung widersprechen, werden bezichtigt, einer Sinnestäuschung zu unterliegen, schreibt Jens Berger in seinem ersten Buch “Stresstest Deutschland”. Positionen, die nicht im Einklang mit der vorherrschenden Meinung stünden, würden von den Medien lieber “links liegengelassen” oder ausgeblendet, sagt er. Dabei ist klar:

“Wann immer über die angeblich horrende Staatsverschuldung palavert wird, sollte man im Hinterkopf behalten, dass Deutschland nahezu schuldenfrei wäre, wenn die Regierungen Kohl, Schröder und Merkel die Staatseinnahmenquote nach der Wiedervereinigung nicht durch teilweise groteske Steuersenkungen für Unternehmen und Besserverdienende gesenkt hätten.” (S.14)

Der Verlauf der Krise zeige aber noch etwas anderes. Dringend benötigte Konjunkturprogramme könnte Deutschland im Augenblick so günstig finanzieren wie nie. Zwar sei der Schuldenstand absolut und auch real gestiegen, die Zinslast während der Finanzkrise aber erheblich gesunken.

“Die populäre Behauptung, nach der Deutschland aufgrund der Schuldenproblematik keinen Spielraum hätte, um haushaltspolitisch gegen die massiven Folgen der Finanzkrise anzugehen, ist bei näherer Betrachtung nicht haltbar. Doch statt mit Hilfe antizyklischer Finanz- und Wirtschaftspolitik die Krisenfolgen einzudämmen, die Binnennachfrage zu stärken und damit als stärkste Europäische Volkswirtschaft die dringend benötigte Rolle einer Wachstumslokomotive zu übernehmen, verfolgt die deutsche Regierung eine prozyklische Sparpolitik und nutzt ihren gewonnenen Einfluss darüber hinaus auch noch dazu, ihre neoliberale Schockstrategie auf die gesamte Eurozone auszudehnen. Deutschland nutzt die Gunst der Stunde, um ganz Europa auf den neoliberalen Kurs deutscher Machart zu zwingen.” (S.218)

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Vermeintliche Heldengeschichte: Weidmann rettet Unabhängigkeit der Bundesbank

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Im Nachklapp des G-20-Gipfels wurde bekannt, dass Bundesbankpräsident Jens Weidmann den Zugriff auf deutsche Währungsreserven verhindert habe. Deutschlands Haftung für den Eurorettungsschirm sollte mittels einer Zweckgesellschaft, die im Namen des IWF auf die Reserven der Notenbanken aller Mitgliedstaaten hätte zugreifen dürfen, aufgestockt werden. Damit hätte die Unabhängigkeit der Bundesbank gelitten.

Weil aber diese Unabhängigkeit zum Dogma aller Marktgläubigen gehört – sie muss um jeden Preis verteidigt werden – hat der Bundesbankpräsident und Ex-Kanzlerinnen-Chefberater Jens Weidmann Alarm geschlagen.

Als EU-Ratspräsident Herman van Rompuy und Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy den Plan vortrugen, schlug Bundesbank-Präsident Jens Weidmann Alarm. Nach SPIEGEL-Informationen alarmierte Weidmann Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Dann erst teilte Merkel den Kollegen in Cannes mit, dass die autonome Bundesbank bei der Freigabe der Sonderziehungsrechte nicht mitmachen würde.

Zunächst einmal ist es sehr amüsant, dass die Unabhängigkeit der Bundesbank offenbar an dem Verhältnis zwischen Merkel und Weidmann besonders erkennbar sein soll. Zweitens ist die sprichwörtliche Unabhängigkeit der Bundesbank keinesfalls sakrosankt, da sie lediglich durch ein Bundesgesetz geregelt wird, das mit einfacher Mehrheit gekippt werden könnte. Drittens ist es ja gerade die dogmatisch beschworene Unabhängigkeit der Zentralbanken, die die Staaten dazu zwingt, sich dem Diktat der Finanzmärkte unterzuordnen.

Denn die Staaten übernehmen vollkommen irrational die Rolle gewöhnlicher Schuldner bei den privaten Geschäftsbanken, von denen sie sich gerade das Geld leihen, welches sich diese wiederum von den unabhängigen Zentralbanken erst besorgen müssen.

Was bei der Heldengeschichte um Weidmann mal wieder völlig vergessen wird, ist die Tatsache, dass sich die deutsche Regierung mit Händen und Füßen gegen eine direkte Finanzierung der Staaten durch die Zentralbanken wehrt. Und der einzige Grund, mit dem sie das tut, ist die absurde Warnung vor einer Inflation. Staaten dürfen niemals Hand an die sogenannte Notenpresse legen. Wenn es aber private Hände in Gestalt der Geschäftsbanken tun, ist das natürlich etwas anderes.

Irrigerweise glaubt die Politik in Deutschland noch immer, dass nur private Hände sinnvoll mit geliehenem Geld umgehen können und an der richtigen Stelle investieren würden. Die Realität zeigt aber, dass gerade nichts größer ist, als die Gefahr vor einer Rezession. Dank der Politik, die Sparprogramm um Sparprogramm erlässt und die Schuldenbremse für eine große Reform hält, wissen die privaten Hände gar nicht mehr, wo sie eigentlich noch investieren sollen. In der Realwirtschaft bietet sich keine Anlagemöglichkeit und selbst auf den Kapitalmärkten macht sich die Panik breit.

Es muss doch einen Grund geben, warum die Staatsanleihen der großen Wirtschaftsnationen gerade so begehrt sind, dass Bieter immer weniger Zinsen verlangen, bloß um den Zuschlag zu erhalten und Gläubiger eines Landes wie Deutschland, USA oder Japan zu werden, obwohl deren öffentliche Verschuldung weit über den Vorgaben liegt, die sich die Politik als Obergrenze gesetzt hat.

Seltsamerweise spielt dann auch die Unabhängigkeit der Zentralbank keine Rolle, wenn sie aufgrund der sich abzeichnenden volkswirtschaftlichen Abkühlung die Zinsen senkt, wie es der neue EZB-Präsident Draghi gleich nach Amtsantritt getan hat. Dann sprechen aber alle wieder von Inflationsrisiken, die mit dieser Entscheidung verbunden seien. Nur wo soll so eine Inflation herkommen, wenn alle immer nur sparen und die Produktion von Waren und Dienstleistungen heruntergefahren werden muss, weil die Nachfrage wegbricht?

Natürlich liegt die aktuelle Teuerungsrate bei drei Prozent. Das ist verglichen mit den Lohnsteigerungen, die, wenn gewährt, darunter liegen auch ein Problem, weil die Kaufkraft immer weiter abnimmt. Von einer galoppierenden Inflation kann aber überhaupt keine Rede sein. Teurer werden zudem Waren, die auch nicht knapp, sondern der Spekulation auf den Märkten ausgesetzt sind. Mit ihnen lässt sich Geld verdienen. Sie werden auch zunehmend interessanter, wenn die Investitionsmöglichkeiten in der realen Wirtschaft abnehmen und die Zockerei ohne Regeln oder Schließung des Finanzkasinos fortgesetzt werden darf.

Nur darüber spricht kein Mensch. Zu schön sind die Heldengeschichten um Weidmann, Merkel und Co.   

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Eine Schuldenbremse nützt nur Arno Altreich, nicht Kuno Kleinspar!

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Diese Woche gab es einen bemerkenswerten Bericht bei “plusminus” im Ersten, in dem mehr Aufklärung über unser Finanzsystem steckt, als in den täglichen Berichten der Zeitungen und Nachrichtensendungen, die den Leser bzw. Zuschauer mehr in die Irre führen, anstatt objektiv zu informieren.

Diesen Film müssen sie dann auch vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse sehen. In der Bundesrepublik Deutschland haben sich alle etablierten Parteien dem Abbau von Schulden verschrieben und die Einhaltung der absurden Schuldenbremse zum obersten Ziel der Finanzpolitik erklärt. Vor allem die SPD, die sich schon bald wieder auf der Regierungsbank sieht, erklärt das unmissverständlich:

Deutlicher kann man doch nicht herumeiern. Es ähnelt alles an den Witz: Das Kleingedruckte hebt das Großgedruckte wieder auf. Nur, dass die SPD das klein zu Druckende schon einmal ganz fett druckt, um ja keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, wenn man denn erst einmal gewählt ist. Alles Zukünftige ordnet die SPD dem Abbau der Neuverschuldung unter. Radikaler sind CDU/CSU und FDP auch nicht. Im Gegenteil, die SPD gibt sich in diesem Punkt selbst radikaler als CDU/CSU und FDP, indem sie festhält: “Solide Finanzpolitik heißt für uns konkret: 1. Wir bauen in wirtschaftlich guten Zeiten konsequent Schulden ab. Im Gegensatz zu CDU/CSU und FDP werden wir die Schuldenbremse sicher einhalten!”

Quelle: Wirtschaft und Gesellschaft

Das System ist am Ende und mit ihr die politischen Kräfte, die nicht begreifen können, warum der Souverän den Wahlen immer häufiger fern bleibt. Es gibt einfach keine Alternative mehr und die Linke, die vielleicht eine sein könnte, wird als solche nicht wahrgenommen oder mit Hilfe der Arno Altreichs und der Verführbarkeit Kuno Kleinspars, der sich anscheinend von gestaltenden Versagern wie Peer Steinbrück wieder beeindrucken lässt, mehr oder weniger ausgeschaltet.  

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Unternehmerlogik und Schuldenbremse

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Die große Konsenssoßen-Politik ist seit Jahren bemüht, unternehmerische Logik auf ihre Entscheidungen die Volkswirtschaft betreffend zu übertragen. Der Staatshaushalt müsse ausgeglichen sein und Kosten eingespart werden. Dummerweise würde nie ein Unternehmer auf die Idee kommen, sich selbst eine Schuldenbremse zu verpassen. Wenn die Zinsen niedrig sind, werden Kredite aufgenommen. Und zwar deshalb, weil die Rendite aus Investitionen höher ist, als die Zinsen auf den Kredit. Auf die Volkswirtschaft übertragen, hieße das, dass beispielsweise über Staatsanleihen finanzierte Bildungsausgaben einen deutlich über den Kosten liegenden Gewinn versprechen. Selbst das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft errechnet Bildungsrenditen von bis zu zehn Prozent.

Ohne Kredite gibt es keinen Geldumlauf und ohne Geldumlauf kein Wachstum. Wenn man sich im Wahlkampf die einzelnen Positionen so anhört, so stellt man fest, dass von rechts bis links und von Nord nach Süd dieselbe Einstellung zum Schuldenmachen vorherrscht. Man dürfe nur ausgeben, was man auch tatsächlich habe, heißt es immer wieder. Aber genau das hat eben nichts mit Marktwirtschaft und der Realität zu tun. Denn was ist denn das, was jemand hat. Geld. Und Geld ist nichts weiter, als eine Schuldverschreibung, die man für beliebige Waren und Dienstleistungen wieder eintauschen kann. Geld entsteht überhaupt erst, weil Kredite vergeben werden. Wenn ein Arbeitnehmer Lohn erhält oder eine Stadt Steuern, dann drückt der Betrag nur eine bestimmte Höhe einer Forderungsposition aus. Etwas haben kann man hingegen nur, wenn man mit dem Geld investiert, konsumiert oder es als Tapete an die Wand klebt.

Geld zu horten und zu sparen, hat hingegen keinerlei volkswirtschaftlichen Sinn, sondern führt nur dazu, eine Deflation in Gang zu setzen. Was ist nun mit den Schulden? Wenn Schulden bestehen, heißt das doch nur, dass die Bank eine bestimmte Forderungsposition gegenüber dem Schuldner hat und einen Anspruch darauf, dass aus dem Nichts geschaffene Geld nach Tilgung wieder vollständig verschwinden zu lassen. Ein in seiner eigenen Währung verschuldeter Staat ist die Bedienung seiner Schulden immer problemlos möglich, weil er nicht nur Geld drucken, sondern auch dafür sorgen kann, es über Steuern einzutreiben. Er braucht daher keine Schuldenbremse, die in der Realität nur als Investitionsbremse wirken kann, sondern viel eher eine Wiederbelebung ökonomischen Sachverstandes. Er braucht übrigens auch keine Banken. Es reicht eine. 

Die Ausgaben von heute, sind eben nicht nur die Schulden von Morgen, sondern auch die Einnahmen. Wenn der Staat meint, den Banken Milliardenbeträge zu deren Rettung in den Rachen zu werfen oder vielmehr in den Rachen der Bankeigentümer, so hat er genauso gut das Recht, das viele Geld bei den so Begünstigten durch höhere Abgaben wieder hereinzuholen. Denn sie produzieren ja auch nichts damit, was dem Gemeinwohl vom Nutzen wäre. Das ist dann eben der Preis der Rettung, den dann auch die bezahlen sollen, die gerettet wurden. Sie wären ja nicht arm, nur weil sie von ihrem Reichtum etwas abgeben müssten. 

Wenn der Staat nun aber zu der Überzeugung gelangt, sich zu verschulden, weil er in die Realwirtschaft, in Schulen, in Straßen, in die Qualifikation der Bevölkerung investieren möchte oder Menschen einfach nur beschäftigen will, weil genug Arbeit da ist, so hat er nicht nur seinen Schuldenstand erhöht, sondern auch dafür Sorge getragen, dass ihm und den Sozialkassen in der Zukunft höhere Einnahmen zufließen, als der Kredit, den er dafür aufnehmen muss, in Wirklichkeit kostet. Die Tatsache, dass Schulden immer weiter zunehmen, liegt nicht daran, dass der Staat Kredite aufnimmt, sondern daran, dass seine politischen Führer eine falsche Wirtschaftspolitik betreiben, die einerseits einem total unproduktiven Sektor in Windeseile Milliardensummen zur Verfügung stellt und anderseits von den Menschen der Realwirtschaft verlangt, Verzicht zu üben und sparsam zu sein.

Wer aber von den Menschen verlangt, den Gürtel immer noch enger zu schnallen, muss die Demokratie, den Rechtsstaat und die Parlamente abschaffen. Vielleicht hat Frau Merkel genau das im Sinn.

“Wir leben ja in einer Demokratie und das ist eine parlamentarische Demokratie und deshalb ist das Budgetrecht ein Kernrecht des Parlaments und insofern werden wir Wege finden, wie die parlamentarische Mitbestimmung so gestaltet wird, dass sie trotzdem auch marktkonform ist.”

Quelle: NachDenkSeiten

In einer Demokratie zu leben, ist für Merkel anscheinend bedauerlich. Wo ist eigentlich der Aufschrei unserer Verfassungshüter aus der CSU? Steht Angela Merkel noch auf dem Fundament der freiheitlich, demokratischen Grundordnung? Immerhin will sie die Mitbestimmung marktkonform gestalten. Dazu schreibt das Grundgesetz:

Art 20

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

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Brüderle, oh Brüderle

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Rainer Brüderle ist bekannt für seine sprachlichen Verrenkungen und blumigen Ankündigungen. Als Bundeswirtschaftsminister hat er den “Aufschwung” das ein oder andere Mal lyrisch umschrieben, weil ihm schlicht die empirischen Belege fehlten. Jetzt ist Brüderle FDP-Fraktionschef und somit weder auf Umschreibungen noch Belege angewiesen. Er hat die Lizenz zum Drauflosreden mit der Wahl zum Fraktionskasper automatisch erhalten. Er darf sich zu allem äußern und seine Meinung dem jeweiligen Thema entsprechend anpassen. Mit Blick auf die Eurokrise sagt er nun:

„Europa braucht beim neuen Stabilitätspakt wirksame Sanktionen. Wenn Länder die Regeln nicht einhalten, müssen ihnen die zugeteilten EU-Mittel gekürzt werden“

Quelle: Welt Online

Bei dieser Bemerkung Brüderles spielt es sicherlich nur eine untergeordnete Rolle, dass besagte Länder EU-Mittel gerade deswegen bekommen, weil sie die Regeln unmöglich mehr einhalten konnten und ohne Hilfe der anderen die Zahlungsunfähigkeit hätten erklären müssen. Wenn nun also Herr Brüderle eine Kappung der Zuwendungen als Bestrafungsaktion vorschlägt, hat er genau was erreicht?

Aber das ist nicht das einzige, was dem liberalen Hoffnungsträger aus der Leck geschlagenen Pipeline tröpfelt. Deutschland hat keine Probleme mit der Stabilität, weil man glücklicherweise zu den Ländern gehört, denen trotz hoher Verschuldung gute Kreditbedingungen eingeräumt werden. Und weil das so ist, fordert Brüderle noch mehr Steuersenkungen als alle anderen.

“Union und FDP sind einig, im Herbst Steuerentlastungen für die Bürger zu beschließen. Ich bin da optimistischer und könnte mir mehr Entlastungswirkung vorstellen. Wir wollen ein stabiles Wachstum. Das schafft Arbeitsplätze und entlastet die Haushalte. Dafür brauchen wir ein ordentliches Entlastungsvolumen bei Steuern und Abgaben.”

Quelle: FDP

Ein stabiles Wachstum durch ordentliches Entlastungsvolumen. So einfach geht das vor und während einer Finanz- und Wirtschaftskrise, die die FDP noch nie wirklich zur Kenntnis genommen hat. Wieso dürfen diese Zaubermethode eigentlich nicht jene europäische Staaten anwenden, die gegen den Stabilitätspakt verstoßen, weil sie so wenig Einnahmen aus Steuermitteln haben, um ihre Schulden zu bedienen? Müsste Brüderle nicht den Griechen, Portugiesen, Spaniern, Iren und Italienern vorschlagen, sich dafür einzusetzen, dass ihre Steuer- und Abgabenbelastung gesenkt werde, weil dadurch ein stabiles Wachstum herbeigezaubert würde, das dann auf wundersame Weise auch zu mehr Steuereinnahmen führe?

Schließlich wollen doch alle, dass sich die Südeuropäer wieder aus eigener Kraft refinanzieren können. Aber daran glauben scheinbar weder die Liberalen noch Konservative oder Linke. Denn alle wollen nicht, dass Deutschland von seiner eigenen Wettbewerbsfähigkeit etwas abgibt. Vielmehr gilt die Devise, Waren und Dienstleistungen überall so billig herzustellen, dass jeder sie über den Export auf dem Weltmarkt verkaufen kann. An wen, spielt zunächst keine Rolle. Der Käufer müsste halt nur bereit sein, sich dafür zu verschulden. Da die Amerikaner mit dem Modell “Kaufe jetzt und zahle später” ordentlich auf die Nase gefallen sind, dürften aus dieser Richtung nur wenig Impulse kommen.

Und alle anderen sollen nach Brüderle eine Schuldenbremse nach deutschem Vorbild erhalten, “damit das ständige Schuldenmachen aufhört.” Deutschland hat es in diesem Jahr mit Schuldenbremse in der Verfassung schließlich auch geschafft, statt 48 Mrd. nur 30 Mrd. Euro neue Schulden aufnehmen zu müssen, wenn sich am “Aufschwung” nix mehr ändert. Im letzten Jahr vor Einführung der Schuldenbremse lag die Neuverschuldung übrigens noch bei 11,5 Mrd. Euro. Nun ist der Anstieg der Staatsverschuldung nicht darauf zurückzuführen, dass die Politik irgendwo eine Milliarde für mehr Kindergeld ausgegeben hätte, die man nach langen Diskussionen vielleicht einmal beschlossen hätte, sondern weil man sehr kurzentschlossen mehrere Hundertmilliarden für die Rettung von Banken ausgegeben hat und nun so tut, als sei die Bankenkrise eine Staatsschuldenkrise, deren Folgekosten unter Verweis auf die Schuldenbremse nur durch weitere Kürzung der bereits gestutzten Sozialausgaben finanziert werden können.

Damals wie heute träumt der Finanzminister wieder vom ausgeglichenen Haushalt, vorausgesetzt kein weiterer Spring-ins-Feld-Teufel durchkreuzt die hehre, aber volkswirtschaftlich völlig nutzlose Absicht, einen Staatshaushalt um jeden Preis, d.h. durch sparen, ausgleichen zu wollen.

Aber auch hier müsste Brüderle mal erklären, wie er eigentlich das ständige Schuldenmachen beenden will, wenn er gleichzeitig großzügige Steuersenkungen auf Pump zum politischen Nahziel erklärt bzw. an unnützen Steuergeschenken, wie das an die Hoteliers festhalten will. Die selbsternannten bürgerlichen Parteien müssen das nicht erklären, gelten sie doch gemeinhin als jene politischen Kräfte, denen man nachsagt, sie könnten mit Geld umgehen.

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Mit unsinniger Argumentation gegen Eurobonds

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Im Zuge des deutsch-französischen Gipfels ist die Diskussion um Eurobonds erneut aufgeflammt. Gestern hörte ich die absurde Kritik, dass Eurobonds deshalb nicht eingeführt werden können, weil damit auch eine Abgabe staatlicher Souveränität verbunden sei. Wenn es nämlich gemeinsame Anleihen gäbe, müssten die einzelnen Staaten auch auf ihr Budgetrecht verzichten, hieß es. Wieso? Haben etwa die Länderparlamente in Deutschland ihr Haushaltsrecht an Herrn Schäuble auch abgetreten?

Niedrigere Zinsen würden unterm Strich dazu führen, dass gute Schuldner die Lasten der schlechten Schuldner zu tragen hätten und zudem kein Anreiz mehr bestünde, im Haushalt zu sparen.

Lustig an dieser Argumentation ist ja, dass man behauptet, Deutschland sei ein guter Schuldner, weil die Zinsen, die man auf neue Kredite zahlen muss, niedriger sind, als an anderer Stelle in Europa. Nun hat aber auch Deutschland wie alle anderen Banken gerettet und die kostspieligen Rettungsschirme in den Haushalt einstellen müssen. Deutschland ist mit über 80 Prozent vom BIP verschuldet. Soll das nun ein guter Schuldner bzw. Haushälter sein? In der Europäischen Union war einmal eine Schuldenobergrenze von maximal 60 Prozent des BIP vorgesehen. Nun haben wir aber die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse.

Ist irgendjemanden schon mal aufgefallen, dass die Verschuldung trotz dieser absurden Bremse zunimmt? Wie kann man nun dieses offenkundige Bremsversagen in den Stand einer Reform erheben, die beispielhaft für andere Eurozonenländer sein soll? Frau Merkel möchte gern, dass alle anderen die deutsche Schuldenbremse in ihre Verfassungen aufnehmen und fortan genauso gute Bremseigenschaften aufweisen wie die Deutschen.  

Noch absurder wird es, wenn man sich einen sog. schlechten Schuldner wie Portugal anschaut. Der ist nämlich mit etwa genauso viel vom BIP (83 Prozent) verschuldet wie der deutsche Musterknabe. Trotzdem gilt er nach aktueller Lesart als schlechter Schuldner, weil die Finanzmärkte ihm nicht mehr vertrauen und mit hohen Zinsaufschlägen bestrafen. Wenn sie nun noch den Spitzenreiter Japan mit einer Staatsverschuldung von über 220 Prozent vom BIP hinzunehmen und feststellen, dass die Zinsen auf Anleihen niedriger sind, als die des deutschen Musterknaben, wird es langsam kriminell für den Hobbyanalysten.

Denn jetzt muss er sich was ausdenken, wie er die Zinsunterschiede erklären kann. Die Mühe erspare ich mich mir jetzt aber und sage einfach mal, dass die Höhe der Staatsschulden völlig Wurscht ist. Für den Finanzmarkt spielt es augenscheinlich keine Rolle, wie hoch ein Staat verschuldet ist. Selbst die eingebildete Macht der Ratingagenturen scheitert, wie am Beispiel der USA (übrigens bei knapp 100 Prozent vom BIP verschuldet) zu sehen ist, an den monetären Wirklichkeiten.

Warum sollte also eine gemeinsame Euroanleihe für die Deutschen teurer werden? Welche Optionen hätte denn das Kapital, um einen höheren Preis zu verlangen? Die Europäer sind insgesamt mit etwa sieben Billionen Euro verschuldet, die Amerikaner mit 14 Billionen US Dollar (10 Billionen Euro) und die Japaner mit umgerechnet knapp 10 Billionen US Dollar (7 Billionen Euro). Die Euroanleihe wäre also in bester Gesellschaft, was das Volumen angeht. Das Bruttoinlandsprodukt des Euroraumes liegt mit dem der USA auf Augenhöhe, wäre also vergleichbar.

Warum sollten höhere Zinsen für Euroanleihen verlangt werden dürfen, wenn sich neben den USA ein zweiter Währungshafen mit hoher Liquidität und Leistungskraft anböte? Die logische Annahme wäre doch die, dass die Nachfrage nach solchen sicheren Bonds zunehmen würde. Die Folge wäre dann aber eben nicht steigende sondern fallende Zinsen, die das derzeitige Niveau bei Bundesanleihen noch unterschreiten könnte, egal was Ratingagenturen sagen. Gleichzeitig fiele der Raum für Spekulationen weg, der ja nur deshalb existiert, weil es erstens keine Regeln auf den Finanzmärkten gibt und zweitens jedes Land der Eurozone seine eigenen Bonds herausgibt, die dann als Spekulationsobjekt ins Visier genommen werden.

Eurobonds wären eine Möglichkeit, die Refinanzierung von Staaten sicherzustellen. Die wachsende Verschuldung, die einige befürchten, ist dabei das geringste Problem. Sie ist doch nicht entscheidend, ob eine Volkswirtschaft funktioniert oder nicht. Was hindert denn die Haushälter daran, jene gesellschaftlichen Kräfte zur Finanzierung das Defizits heranzuziehen, derentwegen man die Staatsschuld erst in die Höhe trieb, um die systemrelevanten Spieleinsätze zu retten, die sich während des Platzens der Immobilienblase in Luft auflösten? 

Es kommt doch nicht auf den ausgeglichenen Haushalt an, sondern auf eine ausgeglichene Handelsbilanz. Wenn ein Land pausenlos Überschüsse ansammelt und sich auf Kosten der anderen Mitglieder in der Währungsunion per Lohndumping Wettbewerbsvorteile erschleicht, die es dann in der Krise auch nicht mehr hergeben will, führt das unweigerlich zu einem Dauerfinanzierungsproblem mit einer Transferunion als unausweichlicher Konsequenz. Die Frage nach dem guten oder schlechten Schuldner ist somit völlig am Thema vorbei. Aus handelspolitischer Sicht ist Deutschland ein Nettogläubiger, der unter Beibehaltung seines bisherigen Verständnisses von Ökonomie auf seinen Papierforderungen wird sitzen bleiben müssen.

Grundsätzlich dürfte allen Beteiligten dieser Zusammenhang klar sein. Das Problem ist nur, dass sich mit der Krise ein prima Geschäft machen lässt. Selbst wenn alle zu der Einsicht kämen, dass etwas grundsätzlich schief laufe und der große Zusammenbruch drohe, falls man so weiter mache wie bisher, sie würden ihr Handeln nicht ändern. Und zwar deshalb nicht, weil sie wissen, dass ein anderer an ihre Stelle treten würde, um dann den Profit zu kassieren, der sich mit dem Niedergang realisieren lässt.

Es ist also nicht nur eine Krise des politischen Handelns, sondern auch eine Krise des Systems, das aus sich selbst heraus den Niedergang produziert. Das heißt aber nicht, dass man ihn nicht aufhalten könnte. Denn dagegen stehen die Erfahrungen von so vielen Krisen.

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Eine Zwangsneurose: Die neue SPD-Troika

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Jetzt ist die SPD-Troika in neuer Besetzung zurück. Der Dicke und die Stones wollen für den Euro mit Merkel kuscheln. Im Hamburger Abendblatt kann man nachlesen, warum:

Gabriel erklärte, es seien europaweit Entscheidungen notwendig, die bei vielen Menschen zu Zorn und Verärgerung führten, weil sie finanzielle Beiträge für andere Staaten leisten müssten. Die SPD biete dafür ausdrücklich ihre Zusammenarbeit an. Die Sozialdemokraten seien bereit, „auch diese schwierigen Entscheidungen in der Öffentlichkeit zu vertreten“.

Das kann die SPD wirklich gut. Wenn Entscheidungen notwendig werden, mit denen man den Menschen und der bereits davongelaufenen Wählerklientel noch einmal gehörig vor das Schienbein treten kann, ist die SPD ausdrücklich dabei. Da treten die Agenda-Versager, vom Wiederholungszwang getrieben, noch einmal geschlossen an.

Besonders Steinbrück, den Josef Ackermann vor gut drei Jahren mit dem HRE-Deal lässig über den Tisch zog, tut so, als hätte er in der Finanzkrise etwas ganz großes mit dem Satz geleistet, die Spareinlagen der Deutschen seien sicher.

Hätte Europa zu Beginn der Euro-Krise so reagiert wie 2008, als Merkel und er in der Weltfinanzkrise mit der Garantie der Spareinlagen kamen, dann wären die Kalamitäten in Europa jetzt nicht so groß.

Über Norbert Blüm lacht man heute, über Steinbrück nicht. Dabei gebe es im Gegensatz zu Blüm durchaus Grund dazu. Denn mit was will denn Starökonom Steinbrück, der aktuell nicht mehr Finanzminister ist und das heilige Ziel eines ausgeglichenen Haushalts verfolgen darf, eine Garantie der Spareinlagen sicherstellen? Das ginge doch nur, wenn sich der Staat im Garantiefall um genau die Summe neu verschuldet, die der Höhe der zu sichernden privaten Einlagen entspricht. Das hieße dann aber…

“Guthaben minus Schuld = Null. Das ist der Wert der Garantie, volkswirtschaftlich.”

Quelle: Egon W. Kreutzer

Es ist völlig wurscht, ob man für Spareinlagen garantiert oder nicht. Es hätte nichts an der Kalamität in Europa geändert. Die Dimension der Finanzkrise ist doch nicht bloß auf eine fehlende Garantie zurückzuführen. Natürlich hat die zögerliche Haltung Merkels zu Beginn der Griechenlandmisere, als sie Hilfen erst kategorisch ausschloss, um sie dann doch noch zu beschließen, als es immer teurer wurde, dazu beigetragen, die Spekulation um eine Staatspleite an der Europeripherie weiter anzuheizen, doch hätten beispielsweise gemeinsame Eurobonds nur die Spekulation verhindert, nicht aber die Ursachen der Krise bekämpft.

Zum Thema der auseinanderklaffenden Leistungsbilanzen hat die neue Troika nun aber keine Meinung geäußert. Wie es gelingen kann, Überschüsse in den Bilanzen auf der einen Seite, nämlich der Deutschen, und Defizite in den Bilanzen der anderen Staaten, die einen Mittelmeerstrand haben, abzubauen, hört man nichts. Stattdessen folgt die derzeit beliebte Parole nach einem Schuldenschnitt. Und da wartet Finanzgenie Steinbrück mit einem Masterplan auf, der wie folgt beschrieben wird…

Die Bundesregierung müsse sich auf europäischer Ebene für einen Schuldenschnitt einsetzen, mit dem die griechischen Verbindlichkeiten um 40 bis 50 Prozent reduziert werden. Damit Banken nicht in den Strudel dieser hohen Abschreibungen gerissen werden, sollte eine Rekapitalisierung der öffentlichen Banken möglich sein.

Wie sich nun eine Rekapitalisierung öffentlicher Banken, die natürlich auch nur durch neuerliche öffentliche Verschuldung erreicht werden könnte mit einer Garantie auf alle privaten Spareinlagen und vor allem auch mit seiner Schuldenbremse deckt, bleibt wohl Steinbrücks Geheimnis. Es sieht wohl so aus, als wolle Steinbrück mit dem mutwilligen Herbeiführen eines Schuldnerausfalls mal austesten, ob seine und Merkels abgegebene Spareinlagen-Garantie auch funktioniert, obwohl er genau wissen müsste, dass eine erneute Rettung der Banken, die diesmal griechische Staatsanleihen abschreiben müssten, gerade jene privaten Guthaben auffrisst, die er ursprünglich schützen wollte.

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