Rainer Brüderle sollte lieber wieder Weinfeste eröffnen

Geschrieben von:

Davon versteht er nämlich was. Zu seinem Stehvermögen beim Weinsaufen will ich jetzt aber mal nichts sagen, was gegen mich verwendet werden könnte. Aber mich beschleicht doch das Gefühl, als schaue der Bundeswirtschaftsminister manchmal etwas zu tief ins Glas. Ich kann mir nämlich nicht erklären, wie er auf dem Arbeitgebertag in Berlin dazu kommt, gerade jetzt via Rheinische Post die Abschaffung der Erbschaftssteuer zu fordern und eine Schuldenbremse für die Agentur für Arbeit gleich mit.

Sind dem Herrn Brüderle da ein paar Gedächtniszellen im Hirn abhanden gekommen oder versucht er Michel Glos in Sachen Fachkompetenz noch zu unterbieten? Denn wenn ich es recht in Erinnerung habe, hat gerade eben der Wirtschaftsminister seinem Amtskollegen im Arbeitsministerium zugestimmt, die ziemlich teure Kurzarbeitergeldregelung zu verlängern und damit politisch gewollt, das Defizit der Bundesagentur für Arbeit zu erhöhen. Wie kann man da nur eine Schuldenbremse für die Behörde fordern und den Eindruck erwecken, als hätte man mit der Ausgabenexplosion nix zu tun?

Bei der Erbschaftssteuer verstehe ich nun aber gar keinen Spaß mehr und erkläre den Minister einfach für einen Dummschwätzer, weil er dummes Zeug schwätzt. Die Erbschaftssteuer gehört zu den vermögensbezogenen Steuern. Diese Steuern tragen nur zu einem Anteil von 0,9 Prozent des BIP zum Gesamtsteueraufkommen bei. Wer das mal mit anderen Industriestaaten und dem OECD-Durcchschnitt vergleichen will, sollte sich folgende Grafik genau anschauen.

Anteil Vermögenssteuern
Quelle: NachDenkSeiten

Deutschland ist diesbezüglich eine Steueroase. Da hilft auch keine altbackene Schwachsinnsbehauptung, wonach Vermögen in diesem Land bereits x-mal versteuert worden sei. Das ist eine glatte Lüge. Die Zusammensetzung des realen Steueraufkommens ist aber nicht nur bei der Vermögensbesteuerung unsolidarisch. Das Steueraufkommen im Jahr 2008 setzte sich bei den beiden größten Einzelposten z.B. wie folgt zusammen. Aus der Einkommenssteuer rund 142 Milliarden Euro. Aus der Mehrwertsteuer 176 Milliarden Euro. Wo ist denn da die Steuergerechtigkeit? Könnte man nicht eher diese Verteilung des Steueraufkommens als ungerecht empfinden?

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Neues aus der Anstalt – Folge 29

Geschrieben von:

Die gestrige Sendung bekannt zu geben, habe ich ja total vergessen. Ich bitte um Verzeihung. Aprospos Verzeihung bzw. Haltungsänderung, heute ist doch Buß- und Bettag. Vielleicht sollten sich an dieser Stelle unsere feinen Politiker bei uns entschuldigen. Der Feiertag wurde nämlich 1994 abgeschafft, um die angebliche Mehrbelastung der Arbeitgeber durch die Einführung der paritätisch finanzierten Pflegeversicherung mit Mehrarbeit der Arbeitnehmer zu vergelten. Nun will aber die neue schwarz-gelbe Koalition auch noch eine private Zwangszusatzversicherung für Arbeitnehmer einführen, um die Pflegeversicherung zukunftsfest zu machen, wie es heißt. Könnte man dann nicht den Feiertag wiederhaben, um über den Unsinn von Regierungspolitik nachdenken zu können? Übrigens hätte ich dann auch die Anstalt nicht verpasst.

Und damit sind wir wieder beim Thema. Ich habe mir die Sendung gerade angesehen und muss sagen, ein heiteres Zusammentreffen diesmal. Und ein wenig Selbstkritik. Das Nachgeäffe der Kanzlerin durch Priol soll aufhören, meinte Dombrowski. Bei Priol gerate die Kanzlerin immer zu einer „Vorpommerschen Platitüden-Mamsell“, zu so einer

„…mecklenburgischen Landpommeranze, die über den Suppentellerrand eines Heringsdorftrampels nie herausgekommen ist und nichts anderes im Sinn hat, als den Minderwertigkeitskomplex einer bedeutungslosen Pastorentochter dadurch zu kompensieren, dass sie mit den Mächtigen an einem Tisch sitzt und von deren Tellerchen essen darf und von 80 Millionen Untertanen als Königin Aschenputtel verehrt wird.“

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Dombrowski will weg von der Karrikatur, er will vielmehr zu dem vorstoßen, was die Kanzlerin und ihre Regierung konkret sagt und vor hat. Eine Entpommeranzung sozusagen.

Die zentrale Botschaft „Mut zur Zukunft bei Freiheit in Verantworung“, könnte zum Beispiel heißen „Husten als Chance“. Die neue Regierung fahre in der Krise auf Sicht, hätte Volker Kauder gesagt. Dombrowski darauf:

„Das hat die Titanic auch gemacht. Aber! Es gibt einen wichtigen Unterschied. Wer hat Tempo und Kurs der unsinkbaren Titanic bestimmt? Der Mehrheitsaktionär. Und der saß in London-City im Trockenen.“

In seinem späteren Solo führte Dombrowski dann aus, was er mit dem Versuch einer „Entpommeranzung“ zu Beginn meinte. Zunächst einmal die Feststellung, dass alles bereits gesagt ist. Selbst die bürgerliche Presse zerreißt das politische Konzept und die beabsichtigte Geisterfahrt von Schwarz-Gelb. Selbst der Sachverständigenrat, der sonst auch nicht immer mit Sachverstand glänzt, fand klare ablehnende Worte. Was sollte Dombrowski da noch zu sagen. Dass in Bezug auf die neue Bundesregierung die Sprache zum Gegenteil dessen benutzt wird, wofür sie eigentlich da ist, nämlich zur Verständigung, ist schon sehr seltsam. Es werde extra so formuliert, dass wir nicht verstehen, was die Regierung will. Doch Dombrowski klärt einmal mehr sein Publikum auf.

Möglicherweise sei es ja Absicht, dass die Bundesregierung die Verschuldung im kommenden Jahr auf Rekordniveau steigen lassen will, und die irrsinnigen Steuersenkungen dienen nur als Mittel zum Zweck. Denn ab 2011 schreibt die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse ja vor, müsse das Haushaltsdefizit jährlich um ein Sechstel abgebaut werden. Ein Finanzmathematiker folgert daraus nun messerscharf:

„Je höher im vorausgehenden Jahr die Schulden sind, desto mehr Schulden kann ich in den Jahren danach machen.“

Dombrowski liefert die entsprechende Grafik aus der Süddeutschen Zeitung vom 17.11.2009 gleich mit. En passant: vom 17.11.2009! Tag der Sendung!, d.h. Georg Schramm hat seinen Auftritt quasi mit heißer Nadel gestrickt.

Zulässiges Haushaltsdefizit

An den Kurven können sie sehr schön sehen, wie im Finanzministerium gerechnet wird. Nocheinmal Dombrowski dazu:

„Solche rechenakrobatischen Kunststücke, die kannte man bisher ja nur von den Bonusartisten der Investmentbanken. Aber von deren Geist beseelt, führt jetzt eine gerade Linie hin zum Bilanzbetrug, zur kreativen Defizitmanipulation unserer marktwirtschaftlich bewussten und kompetenten bürgerlichen Regierung. Das ist der Geist von: Nach uns die Sinntflut. Aber nach uns kommt vielleicht keine Sinntflut. Wir sind vielleicht schon die Sinntflut.“

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Quelle zum Nachschauen in der Mediathek des ZDF unter:
http://www.zdf.de/ZDFmediathek/kanaluebersicht/aktuellste/508#/beitrag/video/899226/Neues-aus-der-Anstalt—Folge-29/

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Zur Steuerschätzung und zur gestörten Wahrnehmung der Medien

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Der Arbeitskreis Steuerschätzung hat seine Prognose bekannt gegeben. Und? Es geistert die Zahl 2,9 Mrd. Euro weniger Einnahmen durch alle Schlagzeilen. Doch da stimmt etwas mit der journalistischen Wahrnehmung nicht. Denn bei den 2,9 Mrd. handelt es sich um den Rückgang zur letzten Steuerschätzung vom Mai diesen Jahres. Für 2010 wird dann auch mit einem Plus von 1,1 Mrd. gerechnet. Also wieder im Vergleich zur Mai-Schätzung. Das ist doch Volksverarsche ersten Ranges, wenn man sich beispielsweise die FAZ anschaut. Warum vergleicht man Steuerschätzung mit Steuerschätzung und nicht Steuerschätzung mit den tatsächlich eingenommenen Steuern des Vorjahres?

Wenn man das nämlich tut, sieht es ziemlich katastrophal aus, auch für 2010. Im Vergleich zum Vorjahr würde der Staat laut aktueller Schätzung 37 Mrd. Euro weniger an Steuern einnehmen und 2010 12,6 Mrd. weniger als 2009. Die Netzeitung berichtet darüber z.B. korrekt. Vielleicht will man ja der neuen Koalition in ihrem Steuersenkungswahn nicht die totale Unsinnigkeit ihrer Vorhaben vor Augen führen oder dem rollenden Schwarzgeld-Schäuble die Unsinnigkeit von beabsichtigten Sparaktionen. Zum begehrten Sparhammer soll die Regierung nämlich zurückkehren, weil das in der Vergangenheit immer so prima geklappt hat. Schließlich hätte Steinbrück beinahe den so lang ersehnten ausgeglichenen Haushalt vorlegen können, ja wenn die blöde Finanzkrise nicht vom Himmel gefallen wäre.

Das Mantra deutscher Journalisten wie Hobbyhaushaltspolitiker lautet: Ausgeglichener Haushalt, koste es, was es wolle. Seit 1991, als das Haushaltsdefizit erstmalig bei drei Prozent des BIP lag, wurde der ausgeglichene Haushalt zur wichtigsten Aufgabe deutscher Finanzminister. Doch was war die Folge? Stagnierende Inlandsnachfrage, steigende Arbeitslosigkeit, höhere Staatsverschuldung und ein Haushaltsdefizit, das sich kaum von jenen drei Prozent des BIP entfernte. Dafür hat man es geschafft die Staatsquote vor Ausbruch der Krise auf einen historischen Tiefstand zu reduzieren. Selbst in kurzen Aufschwungphasen würgte man durch prozyklische Ausgabenpolitik die Konjunktur einfach ab. Jörg Bibow, Ökonomieprofessor am Skidmore College im US-Bundesstaat New York, sagte dazu in der Financial Times Deutschland:

„Das Grundmuster der deutschen Makropolitik ist klar erkennbar: sinnloses Drosseln der heimischen Nachfrage durch Sparmaßnahmen, kombiniert mit der Hoffnung, bei den Exporten schmarotzen zu können.“

Dabei wäre eine Sparpolitik in der jetzigen Lage fatal. Doch die Schuldenbremse wirft ihre Schatten auch schon voraus. Aber wie ich gerade auf NDR 2 höre, glaubt Schäuble an die verabredeten Steuersenkungen, weil die Schätzung mit den 2,9 Mrd. Euro weniger ja nicht so schlimm ausfiel wie erwartet. Da kann man nur mit dem Kopf schütteln. Über NDR 2 meine ich jetzt. Den Schäuble können sie komplett vergessen. Hören sie lieber auf Leute wie den Ökonomen Jörg Bibow, die von der Sache auch was verstehen.

„Offensichtlich war die derzeitige Krise noch nicht schlimm genug, damit Deutschland das Modell des exportorientierten Wachstums einer gründlichen Korrektur unterzieht. Das tatsächliche Problem ist, dass das Land zu einer Politik neigt, die Importe drosselt. Handelsbilanzüberschüsse dienen dabei dem geradezu moralischen Kreuzzug für einen ausgeglichenen Staatshaushalt. Die nächste Gelegenheit, diese dringend nötige öffentliche Debatte zu führen, kommt vielleicht in naher Zukunft. Hoffentlich ist dann eine Bundesregierung im Amt, die nicht auf Kollisionskurs zur europäischen Integration liegt.“

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Rekordrückgang bei gewerblicher Beschäftigung

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Das Statistische Bundesamt meldet:

4,4% weniger Beschäftigte im Verarbeitenden Gewerbe im August 2009

Nach Mitteilung des Statistischen Bundesamtes (Destatis) wirkt sich die aktuelle Schwäche der Gesamtwirtschaft immer deutlicher auf die Beschäftigung im Verarbeitenden Gewerbe in Deutschland aus: Ende August 2009 waren in den Betrieben des Verarbeitenden Gewerbes mit 50 und mehr Beschäftigten gut fünf Millionen Personen tätig. Das waren rund 229 000 Personen oder 4,4% weniger als im August 2008. Seit Januar 1995 ist der prozentuale Rückgang der Beschäftigtenzahl im Vergleich zu einem Vorjahresmonat noch nie so stark gewesen wie in diesem Monat.

Mal wieder ein herber Dämpfer für alle Konjunkturoptimisten im Tigerentenclub. Auch die Arbeitsstunden und die Entgeltsummen nehmen dramatisch ab. In der Langzeitabbildung wird deutlich, dass Arbeitsstunden und Bruttolohnsummen seit Juli 2008 stark zurückgehen. Eigentlich hätte die Bundesregierung auf Grundlage dieser Daten bereits handeln und gegensteuern müssen. Die aktuellen Zahlen zeigen jedenfalls, dass die bisher getroffenen Maßnahmen zur Stabilisierung der Konjunktur nicht ausreichen. Trotzdem empfehlen die Wirtschaftsinstitute in ihrem Herbstgutachten bereits den Ausstieg aus der aktiven Konjunkturpolitik. Das ist unverantwortlich!

Der gemessene Rückgang bei den Einkommen hat Signalwirkung auf die Binnenwirtschaft. Da im verarbeitenden Gewerbe die Tarifbindung im Vergleich zu anderen Branchen recht hoch ist und demnach auch bessere Löhne und Gehälter gezahlt werden, muss sich der Absturz zwangsläufig beim privaten Konsum bemerkbar machen. Eine weitere Belastung der ohnehin schwächelnden Binnenkonjunktur ist somit abzusehen. Doch die Institute und der Tigerentenclub in Berlin sehen plötzlich wieder Spielräume für ihre Steuersenkungsträume. Man müsse halt nur richtig an anderer Stelle sparen.

Der hessische Ministerpräsident Roland Koch macht das im NP-Interview mit der Überschrift „Wir müssen 50 Milliarden sparen“ heute noch einmal deutlich:

„Steuererhöhungen sind definitiv ausgeschlossen. Daher muss es Einsparungen geben, um die notwendigen Gestaltungsmittel zu erhalten. Unser Ziel ist es, die Leistungsträger durch Veränderungen im Steuerrecht zu motivieren.“

Konjunkturprogramme und damit eine Motivierung zum Konsum sind kein Thema mehr. Denn…

„Wir können und dürfen die Schuldenbremse nicht außer Acht lassen und keine Schulden über die verfassungsrechtliche Grenze hinaus machen.“

Und während der Tigerentenclub gezielt an den Problemen dieses Landes vorbei diskutiert, rutscht die Wirtschaft mangels Nachfrage immer tiefer in die Rezession. Ein Umstand, der auf breite Ignoranz trifft.

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Katastrophenmeldungen erschüttern Wohlfühlwahlkampf

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Als erstes stimmten uns zu Guttenberg und Steinbrück am Sonntag bei Anne Will auf harte Einschnitte nach der Bundestagswahl ein, ohne auch nur ein Wort darüber zu verlieren, wo man denn nun beabsichtige, den Rotstift anzusetzen. Man sollte sicherlich nicht immer von Lügnern sprechen, da dieser Vorwurf rechtlich nicht ganz einwandfrei ist, jedoch äußern nun auch einige Journalisten Unverständnis und sprechen wie zum Beipiel Markus Sievers von der Frankfurter Rundschau vom „dreisten Schweigen“ oder „Unverschämtheiten“ gegenüber den Wählern.

„Es darf gerätselt werden, weil kein Politiker konkrete Vorschläge macht. Das ist angesichts der gewaltigen Herausforderungen dreist, um nicht zu sagen unverschämt gegenüber den Wählern.“

Nach und nach platzen weitere Bomben. Vorstände der Bundesagentur für Arbeit schreiben einen Brief an die Kanzlerin, in dem sie um weitere finanzielle Hilfen bitten. Mit anderen Worten, hier steht man unmittelbar vor der Pleite. Warum? Die Beitragssatzabsenkung zu Beginn des Jahres, die als konjunkturelle Maßnahme propagiert wurde, war und ist ein politisch schwerer Fehler gewesen, geradezu verantwortungslos. Die großzügigen Zusagen der Bundesregierung in Sachen Kurzarbeitergeld liefen der Beitragssatzsenkung schon rein logisch zuwider. Nun bekommt man die Quittung präsentiert. Die Unentschlossenheit und Planlosigkeit der Bundesregierung bei der Krisenbekämpfung kommt hierbei zum Ausdruck. Die Kultur des Abwartens auf irgendwelche Wirkungen ist falsch und verantwortungslos. Die zögerliche und völlig unzureichende Konjunkturpolitik grandios gescheitert.

Dennoch tut Frau Merkel so, als würde sie mit ihren Steuerplänen nach der Wahl weiterhin Konjunkturpolitik betreiben. Nun muss sie sich aber die Frage gefallen lassen, wie die Kosten der von ihr und ihrer Regierung zu verantwortenden offenen wie verdeckten Arbeitslosigkeit bezahlt werden können. An der Forderung der Bundesagentur sehen sie sehr schön, wie borniert es ist, auf konjunkturelle Maßnahmen aus fiskalischen Gründen zu verzichten. Allein mit Kürzungen wird man die Defizite nicht ausgleichen können. Weitere Schulden sind unumgänglich. Aber Frau Merkel glaubt an Wunder und wahrscheinlich die heilsamen Kräfte des Marktes, um wieder in die Wachstumsspur zu kommen.

Doch heute vermeldet das statistische Bundesamt, dass im ersten Halbjahr 2009 die Exporte katastrophal eingebrochen sind. Um 23,5 Prozent sind die Ausfuhren zurückgegangen. Da Frau Merkel und auch ihr potenzieller Koalitionspartner Westerwelle sowie auch Steinbrück die Exportwirtschaft für besonders wichtig erachten, stellt sich die Frage, wie man angesichts dieser Zahlen ein neuerliches Wachstum erzielen will, das die erlittenen Verluste auszugleichen vermag. Die Kanzlerin aber auch Dummkopf Steinbrück sprechen aktuell von moderaten Wachstumsraten, die man schaffen könne. Was soll das? Wem nützen moderate Wachstumsraten?

Ein Umsteuern wäre dringend geboten. Der Binnenmarkt muss gestärkt, Kaufkraft gesteigert und somit Arbeit gesichert werden. Das Geld, das man nun für die Verwaltung von Arbeitslosigkeit und weiterer sozialer Kosten aufbringen muss, weil Arbeitslosigkeit nun einmal auch dazu führt, dass Beiträge ausbleiben und Löcher in die Finanzhaushalte reißen, hätte man nehmen können, um ein Konjunkturprogramm zu finanzieren, das auch den Namen verdient. Wie will man eigentlich mit der eiligst beschlossenen und viel umjubelten Schuldenbremse überhaupt finanzpolitisch agieren? Gar nicht, wird man feststellen. Indirekte Steuern rauf, wird es heißen, um die Finanzsituation zu verbessern. Die Mietmäuler Wiegard und Straubhaar schreien bereits lauthals nach einer Mehrwertsteuererhöhung um ein Prozent.

In den Augen der Wirtschaftsexperten sind deshalb Steuererhöhungen nach dem 27. September unvermeidlich. „Ohne Steuererhöhungen wird es nicht gehen. Sie sind nach der Bundestagswahl programmiert“, sagte der Wirtschaftsweise Wolfgang Wiegard. Die „am wenigsten wachstumsschädliche Form der Steuererhöhung“ sei eine Erhöhung der Mehrwertsteuer. „Sie belastet den Konsum, aber nicht die Investitionen.“ Eine Anhebung von einem Prozentpunkt auf dann 20 Prozent würde nach Ansicht von Wiegard genügen.

In diesem Punkt ist sich Wiegard mit dem Chef des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts, Thomas Straubhaar, einig. Der erneuerte ebenfalls seine Forderung nach einer starken Anhebung der Mehrwertsteuer. Im Gegenzug müssten aber die direkten Steuern drastisch gesenkt werden, sagte Straubhaar im ZDF.

Quelle: Stern

Grober Unfug! Wiegard erzählt denselben Müll wie Merkel. Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer sei angeblich nicht wachstumschädlich. Sie belaste ja nur den privaten Konsum. Was sind das eigentlich für Leute? Und Straubhaar rundet das Bild ab. Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer muss eine Absenkung der Einkommenssteuer entgegenstehen. Unglaublich assozial. Der Sinn von direkten Steuern ist doch die gerechte Besteuerung unterschiedlich hoher Einkommen. Eine immer stärkere Verschiebung des Steueraufkommens auf die für alle Einkommensgruppen gleich hohe Verbrauchssteuer ist assozial, unsolidarisch und verfassungsfeindlich.

Die Masken fallen allmählich und die hässliche Fratze des „Weiter so“ kommt zum Vorschein. Sorgen sie mit ihren beiden Stimmen am 27. September für eine Alternative. Werfen sie sie nicht weg. Gehen sie wählen.

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Wie man eine Deflationsgefahr unterschätzt, beweist die Neue Presse Hannover

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Christoph Slangen überschrieb seinen Kommentar gegen Ulla Schmidt und die SPD mit „Schmidt hat die Brisanz unterschätzt“. Daneben kommentiert sein Kollege Rasmus Buchsteiner den aktuell gemessenen Preisverfall und versucht eine Analyse der Lage, sehr unterschätzend, wie ich finde.

„Grund für die purzelnden Verbraucherpreise sind nicht nur die deutlich gesunkenen Energiepreise. Sie spiegeln auch die Massenpsychologie dieser Krise wider. Es ist die Zeit der Zukunftsängste, der großen Ausgabendisziplin. Größere Anschaffungen werden verschoben, solange es geht – das gilt für Betriebe wie für Privathaushalte.“

Zunächst einmal sind die Energiepreise nicht einfach nur deutlich gesunken. Manchmal hilft es auch, selbst zu recherchieren, um die Daten des statistischen Bundesamtes entsprechend einzuordnen. Es ist zwar richtig, dass im Vergleich zum Vorjahr die Energiepreise deutlich gesunken sind, jedoch ist es gerade jetzt mehr als merkwürdig, dass trotz Weltwirtschaftskrise und dramatisch sinkender Nachfrage, der Ölpreis bereits wieder um die 70 Dollar pro Fass pendelt (aktuell 65 Dollar). Seit Dezember 2008 steigt der Preis wieder. Und trotz eines relativ hohen Rohstoffpreises sinken gleichzeitig die Verbraucherpreise.

Allein dieser Widerspruch ist alarmierend. Denn einerseits zeigt sich im steigenden Ölpreis das nach wie vor unreglementierte Spekulationsgeschäft und andererseits deuten gleichzeitig sinkende Verbraucherpreise auf einen dramatischen Abwärtstrend hin, den man unter dem Begriff Deflation beschreibt. Buchsteiner sieht das erwartungsgemäß anders und spielt die Fakten herunter.

„Von der befürchteten Deflation, das heißt rasant fallenden Preisen, kann noch keine Rede sein, aber unübersehbare Tendenzen in diese Richtung gibt es schon. Eine regelrechte Deflationsspirale hätte fatale Auswirkungen auf Realwirtschaft und Arbeitsmarkt. Wären nicht zwei milliardenschwere Konjunkturprogramme auf den Weg gebracht worden, müsste man sich ernsthaft Sorgen machen.“

Wir müssen uns also keine Sorgen machen. Dabei holt Deutschland nur das nach, was in zahlreichen Ländern der EU sowie den USA bereits im Mai geschah. Dort gingen die Verbraucherpreise bereits zurück, während in Deutschland die Inflationsrate auf Null sank. In einigen Bundesländern wie Hessen und Rheinland-Pfalz sanken die Preise auch schon im Mai. Es stimmt also schon mal nicht, dass erst jetzt deflationäre Tendenzen erkennbar seien.

Der Verweis auf die Konjunkturpakete ist richtig wenngleich auch durchschaubar. Buchsteiner hält genau wie sein Chef Christoph Slangen, der nach dem Willen seiner Einflüsterer schreibt, nichts von Konjunkturprogrammen. Jedenfalls ließen sie bis Ende 2008 keinen Zweifel daran und plapperten das Gerede von den „Strohfeuern“ einfach nach. Heute geht das nicht mehr so leicht. Ein Strohfeuer kann schließlich keine Deflation aufhalten, weshalb ein anderes beängstigendes Szenario bemüht werden muss. Die Hyper-Inflation. Die Vorlage bot natürlich wieder Steinbrück, der Mitten in der Abwärtsspirale damit anfing, vor Inflation zu warnen.

„Das große Knausern und Geld-Horten ginge ohne die Konjunktur-Milliarden vom Staat einfach weiter. So wird in diesem und im nächsten Jahr viel Geld in den Wirtschaftskreislauf kommen. Spätestens dann wird es wohl nicht mehr um Deflationsängste gehen: Mancher Ökonom warnt schließlich bereits vor einer Hyper-Inflation.“

Hier sehen sie sehr schön einen methodischen Täuschungsversuch von Rasmus Buchsteiner. Er benutzt die Geldmengenthese als Beleg für eine diffuse Inflationsgefahr, um ein Scheinargument zu gewinnen, welches er einer möglichen Forderung nach Ausweitung von Konjunkturmaßnahmen entgegen setzen könnte. Denn nach wie vor lehnt der Autor aus ideologischen Gründen Konjunkturprogramme ab. Das sollte der Leser an dieser Stelle wissen.

Sachlich gesehen, ist das Gerede von der Inflationsgefahr infolge erhöhter Geldmengen grober Unfug. Inflation kann es immer nur dann geben, wenn es auch einen überdurchschnittlichen durch enorme Nachfrage getriebenen Aufschwung gibt, der gleichzeitig durch einen massiven Abbau von Arbeitslosigkeit begleitet wäre. So ein Prozess ist durch vernünftige Geldpolitik letztlich beherrschbar. Eine Notenbank kann nicht nur Geld drucken, sondern auch wieder vom Markt nehmen. Bundesbank und EZB demonstrieren das seit Jahren. Immer wenn das zarte Pflänzchen Konjunktur zu blühen begann, würgten die Banker das Wachstum aus ideologischen Gründen (Wettbewerb, Sparzwang, Inflationsgefahr) mit ihrer Geldpolitik einfach ab.

Eine Deflation hingegen ist nicht durch monetäre Eingriffe beherrschbar. Einfach nur Gelddrucken und auf den Markt werfen, reicht nicht. Derzeit schlummert die überaus günstige Milliarden Liquidität ungenutzt bei den Banken. Aber nicht deshalb, weil Banken es Kreditnehmern besonders schwer machen, sondern weil es schlicht keinen Bedarf an Krediten gibt. Warum auch? Die Weltwirtschaft schrumpft dramatisch, die deutsche mit am Stärksten. Überkapazitäten werden mangels Nachfrage abgebaut, in Deutschland schönt derzeit die Kurzarbeit noch die Arbeitslosenzahlen. Ohne eine starke Belebung der Binnennachfrage wird eine Umkehr der Deflationsspirale nicht möglich sein.

Es muss also gerade jetzt die Frage behandelt werden, ob eine Ausweitung von Konjunkturprogrammen angesichts der Ausgangslage von minus 6 Prozent nicht ernsthaft diskutiert werden sollte. Stattdessen positionieren sich aber die alten Ideologen wie Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt und fordern völlig wahnsinnig Lohnsenkungen. Nichts wäre gefährlicher. Lohnsenkungen bedeuten weitere Preissenkungen und weiteren Verzicht auf Konsum. Ohne Nachfrage braucht der Unternehmer auch nichts zu produzieren oder zu entwickeln oder gar seine Produktivität zu steigern. Kapazitäten und Auslastungen werden weiter zurückgefahren.

So und nun kommt die Preisfrage. Wenn man aufgrund einer aktuell falschen Wirtschaftspolitik dabei zusieht, wie die Gütermenge reduziert wird, weil die Löhne keine Nachfrage erzeugen, was passiert dann wohl, wenn ein tatsächlicher Geldüberschuss aus Sparvermögen, zum Beispiel aus der immer noch staatlich geförderten kapitalgedeckten Altersvorsorge, realisiert würde? Dann stünde ein plötzlicher Kaufkraftgewinn einer reduzierten Gütermenge gegenüber und es entsteht tatsächlich Inflation. Egon W. Kreutzer schreibt dazu einleuchtend.

„Man kann die Kartoffeln, die sich 2009 nicht verkaufen lassen, weil das Geld, statt es für Kartoffeln auszugeben, für die kapitalgedeckte Rente gespart wird, nicht bis 2050 einlagern, um sie dann mit dem Spargeld von 2009 zu kaufen. Man wird sich 2050 die Kartoffeln teilen müssen, die 2050 wachsen.
Auch Autos, Kühlschränke und Präservative sind nach 40 Jahren Lagerung kaum noch zu gebrauchen. Es wäre ein Blödsinn, Waren einzulagern und sie 40 Jahre lang aufzubewahren, damit sie zur Verfügung stehen, wenn die Rentenversicherungen fällig werden.

Folglich wird zu jedem beliebigen Zeitpunkt der dann verfügbaren Geldmenge immer nur die Warenmenge gegenüberstehen, die für diesen Zeitpunkt produziert wurde. Steht mehr Geld zur Verfügung, entsteht Inflation. Die Kaufkraft des Geldes schwindet mit dem Schwinden des Angebots.“

Es ist also wichtig, gerade in der Krise eine vernünftige expansive Wirtschaftspolitik, ohne Hindernisse wie die völlig absurde Schuldenbremse zum Beispiel, zu betreiben. Ferner sollte man das dumme Abwarten, wie es auch bei Buchsteiner wieder anklingt, endlich sein lassen.

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TV-Tipp: Monitor im Ersten

Geschrieben von:

Auf die gestrige Monitor Sendung möchte ich sie unbedingt aufmerksam machen. Schauen sie sich die Berichte über die Mogelpackung der SPD zum Thema Reichensteuer an und den Beitrag über die dubiosen Geschäfte der Karstadt Manager mit dem Immobilienfonds des Josef Esch, der wiederum mit der Privatbank und Arcandor-Eigner Sal. Oppenheim aufs engste verbandelt ist. Stichwort Kölner Klüngel. Die Methode, Immobilien an einen Fonds zu verkaufen und von diesem gegen teures Geld zurückzumieten, ist das erfolgreiche Geschäftsmodell des Josef Esch. Damit erzielt er seit Jahren traumhafte Renditen für die wohlhabenden Einleger der Sal. Oppenheim Privatbank zu Lasten der Steuerzahler und jetzt auch zu Lasten der Beschäftigten bei Karstadt.

An dem Beispiel Esch kann man sehr schön studieren, wie in den letzten Jahren überall in Deutschland gewirtschaftet wurde. Denn nicht nur Karstadt hat ein solches sale & lease back Geschäft betrieben, sondern auch Hedgefonds und sogar die öffentliche Hand unter dem Stichwort öffentlich private Partnerschaften (ÖPP oder PPP). Das Prinzip ist dabei immer dasgleiche. Eigentum wird verramscht und zu hohen Mieten vom ehem. Besitzer weiter genutzt. Schauen sie sich explizit die Verkäufe der Karstadt Töchter Hertie, SinnLeffers und Wehmeyer an, die von Middelhoff an Finanzhaie veräußert wurden. Auch dort wurden die Unternehmen mit hohen Mieten in die Insolvenz getrieben. Aufgekauft und ausgesaugt, könnte man diesen Vorgang zusammenfassen. Die Rendite der Hedgefonds war gesichert, da die Bundesregierung dieses Vorgehen immer noch ausdrücklich billigt und sogar steuerlich fördert. Die Beschäftigten führen hingegen ein nahezu ausichtslosen Kampf um den Erhalt ihrer Arbeitsplätze. Ich konnte mich am vergangenen Wochenende in der Cuxhavener Hertie-Filliale selbst davon überzeugen.

Der Steuerzahler ist natürlich auch noch da. Während man im Fall Arcandor aktuell die Bundesregierung und den Baron aus Bayern zu Guttenberg lobt, weil er sich mit seiner Insolvenz-ist-toll-Meinung durchgesetzt hat, gibt es auch andere Fälle, in denen die öffentliche Hand bereitwillig Steuergelder zur Verfügung stellt und alle Medien schweigen. Dabei geht es um jene Unternehmungen, an denen die öffentliche Hand selbst beteiligt ist.

Zum Beispiel die Deutsche Messe AG in Hannover. Sie hat im großen Stil Cross-Border-Leasing Geschäfte betrieben. 25 ihrer insgesamt 27 Messehallen wurden vor neun Jahren an US-Investoren verpachtet und für insgesamt 28 Jahre zurückgemietet, um angeblich Steuern zu sparen. Jährlich werden 60 Millionen Euro fällig, die aus dem laufenden Messegeschäft hätten bezahlt werden sollen. Eine kühne Rechnung, die natürlich nicht aufgehen konnte. Nun müssen die öffentlichen Haushalte einspringen, denn eine vorzeitige Kündigung des Vertrags kommt nicht in Betracht, da dann Vorfälligkeitszinsen an die Banken fällig würden. Die schlauen Anwälte haben da nämlich alle Eventualitäten sorgsam berücksichtigt und die Kommunen reihenweise über den Tisch gezogen, nein, die Kommunen haben sich freiwillig über den Tisch ziehen lassen, weil so blöd kann man eigentlich nicht sein.

Der Finanzinvestor bekommt sein Geld und seine Rendite und die verantwortlichen Politiker vielleicht einen Posten bei der Heuschrecke. Gegenwärtig benötigt die Deutsche Messe AG eine Finanzspritze von 250 Millionen Euro. Nur zum Vergleich, Arcandor wollte vom Staat 300 Millionen Euro haben. Im Fall der Deutschen Messe AG teilen sich nun das Land Niedersachsen und die Stadt Hannover als Hauptanteilseigner die vom Vorstand der Messe AG geforderte Summe. Was sagte Christian Wulff doch gleich zum Fall Arcandor? Ein Persilschein sei auch für Arcandor nicht zu verantworten.

Zitate von Wulff:

„Wir können uns nicht erlauben, veraltete, nicht zukunftsfähige Strukturen zu retten“

„Kurzfristiger Zeitgewinn darf kein Kriterium sein“

„Das Muster ‚Die Gutmenschen retten Jobs, die Bösen geben sie auf‘, ist zu simpel.“

„Wir brauchen totale Transparenz – auch zu den Mietvertrags-konditionen“

Quelle: ad hoc news

Die Stadt Hannover muss sich für diesen Kraftakt weiter verschulden, während man gleichzeitig ein radikales Sparprogramm auflegt, unter dem Beschäftigte im öffentlichen Dienst und öffentliche Einrichtungen wie Schulen und Kindertagesstätten zu leiden haben werden. Die Kreditaufnahme von 125 Millionen Euro hat das Land Niedersachsen im Schnellverfahren genehmigt. Das Land selbst trägt die anderen 125 Millionen. Wussten sie das? Das steht in der Neuen Presse Hannover heute ziemlich weit hinten im Regionalteil auf Seite 19. Sie können den skandalösen Vorgang aber auch in der Zeitung Neues Deutschland nachlesen. Wo war da eigentlich der Baron aus Bayern? Oder die Schuldenbremser? Oder die Kanzlerin?

Na ja, die saß gestern bei Frau Illner im ZDF und hat einen Satz gesagt, der auch durch die Nachrichten ging. Auf die Frage warum Opel und nicht Arcandor antwortete die Kanzlerin, als ob es immer klar gewesen sei, dass im Fall Opel eine ausländische Regierung Druck gemacht habe. Deshalb hat man sich zu dieser Lösung entschieden. Unglaublich. Die Union hat wie von mir und anderen immer vermutet konsequent auf Verschleppung und die Pleite hingearbeitet, obwohl sie immer das Gegenteil behauptete. Auch in der Pleite von Arcandor verspricht die Kanzlerin größtmögliche Unterstützung der Bundesregierung für die Beschäftigten. Das ist schon ziemlich dreist und zynisch.

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Die Neue Presse zur Opel-Rettung

Geschrieben von:

Udo Harms kommentiert heute die Glanzleistung der Bundesregierung. Er findet die Rettung gut, weil Opel gute Autos gebaut hat. Am Ende will er einen Bogen zu Arcandor/Karstadt schlagen und platziert mal wieder eine astreine Meinungsmanipulation.

„Viele Unternehmen, mit Arcandor/Karstadt an der Spitze, können jetzt mit Blick auf Opel Geld vom Staat fordern. Und wer durch die Krise in Not geraten ist, kann auch auf Hilfe hoffen, die Bundesregierung hat ja gewaltige Konjunkturprogramme und Rettungsschirme verabschiedet.“

Er setzt das Adjektiv gewaltig vor zwei Maßnahmen der Bundesregierung, die in ihrer Konzeption unterschiedliche Ausmaße haben und erweckt so den Eindruck der Gleichrangigkeit. Man kann es auch grob vereinfacht ausdrücken.

50 Mrd. : 500 Mrd.

Das ist nicht gleich gewaltig, sondern ein gewaltiger Unterschied. Es bleibt also auch die Strategie der Neuen Presse Hannover, die riesigen und unverschämten Milliarden-Geschenke an die Banken schlichtweg unter den Tisch zu kehren. Die Milliardenbürgschaften und direkten Stützen an die Banken, über die der Schleier des Schweigens per Gesetz ausgebreitet wurde, den nicht einmal das Parlament lüften darf, sind gut, und die Überbrückungshilfen für angeschlagene Unternehmen der Realwirtschaft sind schlecht oder bedürfen zumindest der kritischen Nachfrage. So lautet die simple Botschaft.

Bankenrettungsschirme sind systemisch notwendig wie die Agenda 2010, für die es angeblich keine Alternative gab, weil die Sachzwänge es so verlangten, und Konjunkturprogramme sind halt verpulvertes Geld, weil die Dogmatiker der reinen Lehre es so predigen. Die Schuldenbremse ist daher nur konsequent, auch wenn sich in ihr der Widerspruch zur Realität so deutlich wie nie offenbart. So ist das mit den Gläubigen. Die Wahrnehmung ist getrübt.

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Schuldenbremse: Die Neue Presse jubelt

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Claus Lingenauber kommentiert in der Samstagsausgabe der Neuen Presse Hannover den Bundestagsentschluss zur Schuldenbremse. Und er freut sich.

„Sparsame Haushaltsführung sollte auch in der Politik eine Selbstverständlichkeit sein. Leider sieht die Realität oft anders aus. Wie an der Schuldenuhr des Steuerzahlerbundes abzulesen ist. Zurzeit hat Deutschland 1613 Milliarden Euro Schulden – Tendenz steigend.“

Und was heißt das, lieber Herr Lingenauber? 1,6 Billionen Euro Schulden hat der Staat. Das ist aber schlimm. Bei wem denn? Genau. Bei denen, sie sich ein Vermögen von rund vier Billionen Euro in Deutschland teilen – Tendenz noch viel mehr steigend. Nämlich jenes obere Zehntel, das über 60 Prozent des Gesamtvermögens von rund 6,6 Billionen Euro verfügt. Gegen die viel schneller laufende Vermögensuhr sieht die bekloppte Schuldenuhr des Steuerzahlerbundes wirklich armselig aus.

Es ist immer dieselbe Leier.

„Allgemein aber muss der Grundsatz „Auch in Zeiten guter Konjunktur und sprudelnder Steuereinnahmen sollte sparsam gewirtschaftet werden“ gelten. Damit während einer Rezession noch Geld übrig ist und der Staat nicht sofort wieder in der Schuldenfalle sitzt. Hier ist ein grundsätzliches Umdenken notwendig. Vielleicht hilft die geplante Grundgesetzänderung ja dabei. Schön wärs.“

Gegen sparsames Haushalten ist überhaupt nichts einzuwenden, nur bedeutet das Geschreibsel von Herrn Lingenauber in Wirklichkeit, dass der Staat mit Hilfe der Schuldenbremse gezwungen werden soll, sinnvolle Ausgaben zu streichen, notwendige Investitionen zu verschieben, große öffentliche Bedarfe wie zum Beispiel Investitionen in Bildung und soziale Dienstleistungen auszusparen. Im Kern heißt das eine Fortsetzung der Sozialstaatsdemontage.

Dabei hätte Lingenauber von seinem Nachrichtenlieferanten aus Berlin, Christoph Slangen (vom PR-Büro Slangen+Herholz), etwas wichtiges erfahren können. Slangen hat nämlich Peter Bofinger interviewt und ihn zur Schuldenbremse befragt. Und Bofinger antwortet auf die noch immer dusselige Frage, ob eine Schuldenbremse von der Idee her nicht gut sei, weil an künftige Generationen gedacht werde, die ja dann ohne die Belastung von Schulden aufwachsen könnten, wie gewohnt sachverständig und einleuchtend.

„Der Staat muss aber auch in Bildung, Infrastruktur, Umwelt investieren. Ich fürchte, dass diese aktive Vorsorge unter die Räder gerät. Das sieht man auch an den Befürwortern der Schuldenbremse: Sie wird am lautesten von denen gefordert, die auch Steuersenkungen propagieren. Um beides zu verwirklichen, müssten die Staatsausgaben massiv beschnitten werden. Und am einfachsten lassen sich Investitionen in die Zukunft einsparen, weil diese Einschnitte nicht direkt spürbar sind. Unsere Kinder werden jedoch darunter leiden, wenn der Staat zu wenig investiert. Sie werden fragen: Warum habt ihr nur an Geld gedacht, nicht an Bildung und Umwelt?“

Und Bofinger liefert noch ein weiteres Argument. Man kann nämlich ausrechnen, was eine Schuldenbremse gebracht hätte, wäre sie schon früher zum Einsatz gekommen. Die Staatsausgaben der Vergangenheit sind ja bekannt. Wäre die Schuldenbremse zu Zeiten des zarten Aufschwungs in den vergangenen Jahren bereits wirksam gewesen, hätte sie dafür gesorgt, dass die Ausgaben, die mittels neuer Schulden getätigt wurden, nicht gemacht worden wären. Dies hätte wiederum zur Folge gehabt, dass das kleine Konjunkturpflänzchen rigoros zertrampelt worden wäre und am Ende höhere Schulden gestanden hätten. Diesen Zusammenhang begreifen Leute wie Lingenauber einfach nicht.

Ich zitiere mal aus einer aktuellen IMK-Studie, die die Auswirkungen einer Schuldenbremse auf die Wirtschaftsentwicklung und die Staatsfinanzen untersucht hat.

In einem ähnlichen Experiment wurde daher die Entwicklung nachgezeichnet, die sich ergeben hätte wenn die Schuldenbremse für den Bund schon ab dem Jahren 2001 gegolten hätte. Die Berechnungen zeigen, dass bei einer restriktiven Fiskalpolitik, wie sie die Schuldenbremse in jenem Zeitraum impliziert hätte, das Wirtschaftswachstum massiv reduziert worden wäre (IMK-Report 29/2008). Das nominale BIP wäre um bis zu 50 Mrd. Euro bzw. um bis zu 2,4 Prozent niedriger ausgefallen als im Status quo, am Ende des betrachteten 8-Jahreszeitraums hätte das nominale BIP 1,5 Prozent unter dem Status quo gelegen. Damit ist der BIP-Verlust deutlich höher als die Reduzierung des Staatsverbrauchs, der (implizite) Multiplikator liegt bei 1,75. Auch das reale BIP wäre deutlich gedrückt worden, und das Beschäftigungsniveau hätte zeitweise um mehr als 500 000 Personen niedriger gelegen. Insgesamt hätte die Anwendung der Schuldenbremse zu Beginn dieses Jahrzehnts zu wachstumsbedingten Einnahmeverlusten des Staates geführt, die einen nennenswerten Teil der intendierten Reduzierung der Nettokreditaufnahme zunichte gemacht hätten.

Mit anderen Worten – alles für die Katz. Am Ende stehen höhere Schulden, weil wirtschaftliches Wachstum verhindert wird. Das ist auch gar nicht so schwer zu begreifen, wenn man sich die Sparversuche der Minister Waigel, Eichel und Steinbrück anguckt. Sie haben prozyklisches Sparen auf die Spitze getrieben und somit Konjunkturzyklen regelrecht abgewürgt. Schauen sie sich die Staatsquote an. Ein historischer Tiefstand nach dem anderen. Erst als Deutschland vom weltwirtschaftlichen Wachstum profitierte, verringerte sich auch die Verschuldung der öffentlichen Haushalte. Leider wird diese positive Wirkung immer den eigenen Reformen zugeschrieben. Dass das Blödsinn ist, kann man schon daran erkennen, dass in der Krise der Reformgrundsatz plötzlich nicht mehr gilt. Denn stagniert oder schrumpft die eigene wirtschaftliche Leistungskraft, ist natürlich die Weltwirtschaft Schuld, wächst hingegen die eigene Wirtschaftsleistung, so liegt das immer an den Reformen.

Wer also der Schuldenbremse einen Verfassungsrang zugesteht, will in Wirklichkeit keine Schulden verhindern, denn er weiß es ja besser, sondern seinem Dogma von der Zurückdrängung des Staates Geltung verschaffen, um so den Sozialstaat vollständig zugrunde richten zu können. Der öffentliche Sektor soll auf ein Minimalmaß zurückgestutzt werden. Es soll nur noch einen Nachtwächterstaat geben. Sämtliche Aufgaben sollen in privater Hand liegen und den Bedingungen des freien Marktes unterworfen sein. An diesem Vorgang kann man viel verdienen, wie die Privatisierung der Rente bereits heute zeigt. Eine Schuldenbremse in Verbindung mit Steuersenkungen bedeutet also nur eins:

Sozialstaatsdemontage!

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Die nächsten Sparorgien sind bereits geplant

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Angesichts der riesigen Steuerausfälle liegen die Nerven blank. An dem Dogma, Ausfällen nur mit Einsparungen begegnen zu können, hat sich nichts geändert. Mittlerweile ist diese schizophrene Auffassung an Absurdität kaum noch zu überbieten. In Hannover rechnet man im Rathaus mit Einnahmeausfällen von bis zu 750 Millionen Euro bis zum Jahr 2012. Natürlich ist man sich darüber im Klaren, dass sich so eine gewaltige Summe überhaupt nicht durch Einsparungen ausgleichen lässt. Das ändert aber nichts an der Überzeugung aller Beteiligten, es dennoch mit allen Mitteln zu versuchen. Und zwar radikal.

Nach Angaben der Neuen Presse Hannover gibt es zwei dicke Ordner mit Vorschlägen für Etatkürzungen. Darunter Beihilfekürzungen für Vereine und Verbände, Einsparungen bei Personalkosten und auch Privatisierungen von Kindertagesstätten und Heimen. Bisher habe man ein Einspraungsziel von jährlich 40 Millionen Euro angepeilt. Nun denkt man über mehr nach. Da fragt man sich, wohin die Reise nun gehen soll. Augenblicklich haben wir es nämlich in Sachen Haushaltspolitik mit einem handfesten Paradoxon zu tun.

Einerseits will man auf Grundlage der Zuweisung von finanziellen Mitteln des Bundes im Rahmen eines Konjunkturprogramms Investitionen tätigen, weil das Setzen von staatlichen Impulsen die Krise bekämpfen helfen soll und andererseits trägt man bereits einen Berg von Vorschlägen mit sich herum, die sich mit der Konsolidierung der Haushalte gerade in der Rezession beschäftigen. Das ist widersinnig, konterkarrierend und daher offensichtlich das Ergebnis einer nach wie vor krankhaften Wahrnehmungsstörung.

Dass es anders geht, zeigen aktuell französische Kommunen, die ihre Ausgaben noch einmal massiv erhöhen wollen, um so einen deutlicheren Impuls gegen die Wirtschaftskrise setzen zu können. So haben 18 785 Städte, Gemeinden und Landkreise eine entsprechende Konvention mit der Regierung unterzeichnet.

Demnach wollen die Gebietskörperschaften ihre Investitionen in diesem Jahr auf 53,5 Mrd. Euro ausbauen. Das entspricht einem Zuwachs um 54 Prozent gegenüber den durchschnittlichen Ausgaben in den Jahren 2004 bis 2007, teilte Patrick Devedjian, Sonderminister für das Konjunkturpaket, mit.

Quelle: Handelsblatt

Vor allem die regionale Wirtschaft soll dadurch profitieren und das ist auch legitim, so zu denken. Denn nur eine Steigerung der Nachfrage schafft Jobs, sichert Jobs, Bildung, Ausbildung – also Qualifikation und somit Wachstum und Steuereinnahmen. Nur die deutschen Schäfchen, die noch immer brav dem Glauben an eine gescheiterte Wirtschaftspolitik anhängen wie der moralisierende Christ dem durch die Gesellschaft längst getöteten Gott. Sie glauben nur an die Erlösung durch das Sparen in der Bilanz, die den Blick auf den engen Horizont eines Betriebswirtschaftlers reduziert.

Denn wie soll durch Einsparungen wie sie augenscheinlich geplant sind wieder Wachstum entstehen? Wie soll durch das Streichen von Personal oder das Kürzen von Löhnen im öffentlichen Dienst wieder mehr Steuereinnahmen generiert werden? Wie soll die Privatisierung von öffentlichen Aufgaben, wie das Betreiben von Kindertagesstätten zu einer Sicherung von Betreuung beitragen, die notwendig ist, damit Eltern vor Ort einer Beschäftigung nachgehen können, aus der wiederum Steuereinnahmen fließen?

Die Angst vor Schulden ist zu vergleichen mit der Angst des Gläubigen vor dem Teufel. Das Böse bedarf dann auch keiner näheren Erklärung mehr. Seine bloße Existenz reicht aus, um den Verstand zu betäuben, damit man im Sinne der Lehre handelt. Vielleicht ist die Kiste Bier zum Vatertag und das mehr oder weniger kollektive Besäufnis eine möglicherweise unbewusste Handlung, um den Glauben an die Rückkehr Christi auf Erden mal kurz zu verdrängen. Denn wie heißt es drohend im christlichen Credo:

Er sitzt zur Rechten des Vaters
und wird wiederkommen in Herrlichkeit
zu Richten die Lebenden und die Toten;
seiner Herrschaft wird kein Ende sein.

Da kann man es schon mit der Angst zu tun bekommen und sich glücklich schätzen, an den Hochfesten mal etwas über die Stränge schlagen zu dürfen. Nur ändert das nichts an der weltlichen Wirklichkeit. Die Franzosen haben das lange vor uns begriffen. Sie haben Gott und den Glauben dejure abgeschafft und ihn der Privatsphäre überlassen. Wo er auch hingehört. In der politischen Wirklichkeit hingegen zählt die Vernunft – das kommt übrigens von den großen deutschen Denkern. Und nach dieser ist es eben vernünftig, in einer solchen Wirtschaftskrise nicht mit Sparorgien zu antworten, um den Glauben zu erneuern, sondern aktiv etwas gegen die Verschärfung der Rezession zu tun, um die Wirklichkeit zu retten.

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