Der Preis für die übertriebene Exportorientierung

Geschrieben von:

Seit geraumer Zeit verfällt der Dollarkurs und keinen hat es je interssiert. Deutschland konnte trotz des schwachen Dollars in den vergangenen Jahren vor der Krise seine Exporte steigern, weil es unter seinen Verhältnissen lebte. Jahrelanger Lohnverzicht sicherte der deutschen Exportindustrie Marktanteile, die sich schlussendlich im Titel des Exportweltmeisters wiederspiegelten. Immer wurde und wird uns erzählt, dass die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit an oberster Stelle stünde und die Entwicklung der Löhne sich dem unterzuordnen habe. Mittlerweile ist China neuer Exportweltmeister und deutsche Export-Unternehmen überlegen gegenwärtig, aus Kostengründen ihre Produktion weiter in den Dollarraum zu verlagern (siehe z.b. hier im Stern). Mit Verlaub, aber diese Entwicklung war abzusehen.

Deutschland wird mit voller Wucht getroffen und spürt nun die Folgen der jahrelang aufgebauten Handelsungleichgewichte. Der Dollar verliert zunehmend an Wert und deutsche Waren werden im Dollarraum teurer, aber nicht nur die. Der gesamte Euroraum ist betroffen, da die Einheitswährung sämtliche Ökonmien zu Knechten der deutschen Lokomotive macht. In der Eurozone können im Wettbewerb unterlegene Volkswirtschaften währungspolitisch nicht mehr reagieren. So wuchsen Staatsverschuldung und die Gefahr von Staatspleiten wie man am Beispiel Griechenland sehen kann.

Der Stern überschreibt seinen Artikel mit dem Titel, „Wenn der Export nicht mehr lohnt“. Das könnte zu einem sehr zynischen Spruch der Zeit werden, denn er bedeutet vor allem auch, dass der jahrelange Verzicht auf Lohnerhöhungen, die Hinnahme von massiven Steuersenkungen für Unternehmen bei gleichzeitiger Erhöhung der Mehrwertsteuer und die Reduzierung der Staatsquote auf ein historisches Tief zu Gunsten des Außenhandels umsonst gewesen sind. Der jahrelange Verzicht der Arbeitnehmer zu Gunsten ihrer jammernden Manager wird nun von der betriebswirtschaftlichen Logik dieser Herren einkalt und bitter bestraft. Das ist auch das Ergebnis der Bundesregierungen unter Rot-Grün-Schwarz-Gelb.

Doch lernt man daraus? Nein. Der Exportfetischismus geht weiter, gestützt durch den Rat sog. Wirtschaftsexperten, die weiterhin das Dogma der Wettbewerbsfähigkeit predigen. Von einer „Lohnpause“ spricht zum Beispiel Klaus Zimmermann, Präsident des DIW. Egal welche wirtschaftliche Situation diese Experten auch vorfinden, sie kennen nur das eine Rezept. Lohnzurückhaltung. Klaus Zimmermann ist übrigens der Experte der unlängst zur Bewältigung der Krise vorgeschlagen hat, die Mehrwertsteuer auf 25 Prozent anzuheben. Das sollen die Menschen dann wohl von ihrer Lohnpause bezahlen, habe ich mich gefragt auf der Suche nach einem Funken Logik in den Aussagen des durch die Steuerzahler hoch bezahlten Experten.

Zu dieser Expertenrunde können sie auch DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben zählen, der behauptet, dass das Potenzial für Lohnsteigerungen nahezu aufgefressen sei und die Löhne in vielen Branchen eigentlich deutlich hätten sinken müssen. Nur zur Erinnerung, Herr Wansleben gehört zum Beraterkreis der IKB, also jener Bank, die als erste Milliarden Euro Steuergelder erhielt, weil sie sich im Finanzkasino verzockte oder als willige Bad Bank der Deutschen Bank fungierte, indem sie deren Ramschpapiere übernahm. Dass solche Leute noch immer als Ratgeber und Experten in den Medien auftreten dürfen, ist eine Beleidigung der Menschen in diesem Land, die nicht nur die Kasino-Rechnung begleichen müssen, die Leute wie der Wansleben mit zu verantworten haben, sondern nun auch noch weiter auf ihren erarbeiteten Lohn verzichten sollen, weil derselbe Experte es verlangt. Das ist doch nicht hinnehmbar?

Zudem ist der Vorschlag der lila Pause Fraktion volkswirtschaftlich absurd und gemessen an den ökonomischen Daten total unsinnig. Der private Konsum und damit die Binnennachfrage geht weiter dramtisch zurück wie wir seit heute wissen und die Auftragseingänge in der gewerblichen Wirtschaft stagnieren auf einem katastrophal niedrigen Niveau (siehe Jahnkes Infoportal). Wenn die weltweiten wie nationalen Konjunkturmaßnahmen auslaufen, riskiert Deutschland ein Abrutschen in eine lange Stagnationsphase. Daher brauche Deutschland weitere konjunkturelle Stützungsmaßnahmen, gerade weil die wirtschaftliche Entwicklung labil und schwach zugleich ist. Der langjährige Stau bei den öffentlichen Investitionen müsse aufgelöst und sowohl in Infrastruktur als auch in Bildung investiert werden, sagt IMK-Direktor Gustav Horn (siehe u.a Handelsblatt). Gleichzeitig könne die Lohndumpingmaschine endlich abgeschaltet werden und durch die Stärkung der Binnennachfrage auch unseren EU-Partnern, die vom Staatsbankrott bedroht sind, durch eine Erhöhung der Importe geholfen werden.

Das müsste doch eigentlich auch im Interesse der ehemaligen EU-Retterin Angela Merkel sein, die kürzlich herablassend anmahnte, dass Griechenland seine Staatsfinanzen gefälligst in Ordnung bringen müsse. Das geht aber nur, wenn der Verursacher der griechischen Finanzprobleme, nämlich Deutschland, endlich anfangen würde, nicht nur von ausländischen Konjunkturmaßnahmen lax zu profitieren, sondern auch selbst einen Beitrag zu leisten, dass die weltweiten Ungleichgewichte ausgeglichen werden. Statt der FDP und stumpfsinniger Steuersenkungspolitik von gestern bedarf es eines weiteren Konjunkturpaketes, dass auch den Namen verdient. Und Lohnpausen sollten nur für Wirtschaftsexperten gelten, die am laufenden Band unsinnige Aussagen treffen.

0

Rainer Brüderle sollte lieber wieder Weinfeste eröffnen

Geschrieben von:

Davon versteht er nämlich was. Zu seinem Stehvermögen beim Weinsaufen will ich jetzt aber mal nichts sagen, was gegen mich verwendet werden könnte. Aber mich beschleicht doch das Gefühl, als schaue der Bundeswirtschaftsminister manchmal etwas zu tief ins Glas. Ich kann mir nämlich nicht erklären, wie er auf dem Arbeitgebertag in Berlin dazu kommt, gerade jetzt via Rheinische Post die Abschaffung der Erbschaftssteuer zu fordern und eine Schuldenbremse für die Agentur für Arbeit gleich mit.

Sind dem Herrn Brüderle da ein paar Gedächtniszellen im Hirn abhanden gekommen oder versucht er Michel Glos in Sachen Fachkompetenz noch zu unterbieten? Denn wenn ich es recht in Erinnerung habe, hat gerade eben der Wirtschaftsminister seinem Amtskollegen im Arbeitsministerium zugestimmt, die ziemlich teure Kurzarbeitergeldregelung zu verlängern und damit politisch gewollt, das Defizit der Bundesagentur für Arbeit zu erhöhen. Wie kann man da nur eine Schuldenbremse für die Behörde fordern und den Eindruck erwecken, als hätte man mit der Ausgabenexplosion nix zu tun?

Bei der Erbschaftssteuer verstehe ich nun aber gar keinen Spaß mehr und erkläre den Minister einfach für einen Dummschwätzer, weil er dummes Zeug schwätzt. Die Erbschaftssteuer gehört zu den vermögensbezogenen Steuern. Diese Steuern tragen nur zu einem Anteil von 0,9 Prozent des BIP zum Gesamtsteueraufkommen bei. Wer das mal mit anderen Industriestaaten und dem OECD-Durcchschnitt vergleichen will, sollte sich folgende Grafik genau anschauen.

Anteil Vermögenssteuern
Quelle: NachDenkSeiten

Deutschland ist diesbezüglich eine Steueroase. Da hilft auch keine altbackene Schwachsinnsbehauptung, wonach Vermögen in diesem Land bereits x-mal versteuert worden sei. Das ist eine glatte Lüge. Die Zusammensetzung des realen Steueraufkommens ist aber nicht nur bei der Vermögensbesteuerung unsolidarisch. Das Steueraufkommen im Jahr 2008 setzte sich bei den beiden größten Einzelposten z.B. wie folgt zusammen. Aus der Einkommenssteuer rund 142 Milliarden Euro. Aus der Mehrwertsteuer 176 Milliarden Euro. Wo ist denn da die Steuergerechtigkeit? Könnte man nicht eher diese Verteilung des Steueraufkommens als ungerecht empfinden?

2

Annette Schavan und ihr Bildungs-Riester oder Meinungsmache, wie Botschaft B die Botschaft A transportiert

Geschrieben von:

Gestern staunte ich nicht schlecht, als Bundesbildungsverweserin Annette Schavan mit dem Vorschlag aufwartete, privates Sparen für die Ausbildung der Kinder staatlich fördern zu wollen. In nahezu allen Medien kam dann folgende Meldungskonstruktion.

Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) will die Förderung von Studenten aus einkommensschwachen Haushalten langfristig um ein Bildungssparen ergänzen, vergleichbar der Riester-Rente oder dem Bausparen.

Weil, so die Ministerin, sich gezeigt habe, dass solche Modelle in der Praxis gut funktionierten. Also Botschaft B ist die Ankündigung in Sachen Bildung etwas tun zu wollen, weil man die Probleme erkannt zu haben scheint. Doch diese Botschaft B dient nur einem Zweck, die Botschaft A, dass nämlich staatlich gefördertes privates Sparen wie die Riester-Rente ein Erfolgsmodell sei, zu transportieren.

Dabei ist genau das Gegenteil richtig. Die staatlich geförderte Riester-Rente ist ziemlich deutlich gescheitert, vor allem auch deshalb, weil einkommmensschwache Haushalte nichts vom Ersparten im Alter haben werden, da die Riester-Rente mit der Grundsicherung verrechnet wird.

4

Rekordrückgang bei gewerblicher Beschäftigung

Geschrieben von:

Das Statistische Bundesamt meldet:

4,4% weniger Beschäftigte im Verarbeitenden Gewerbe im August 2009

Nach Mitteilung des Statistischen Bundesamtes (Destatis) wirkt sich die aktuelle Schwäche der Gesamtwirtschaft immer deutlicher auf die Beschäftigung im Verarbeitenden Gewerbe in Deutschland aus: Ende August 2009 waren in den Betrieben des Verarbeitenden Gewerbes mit 50 und mehr Beschäftigten gut fünf Millionen Personen tätig. Das waren rund 229 000 Personen oder 4,4% weniger als im August 2008. Seit Januar 1995 ist der prozentuale Rückgang der Beschäftigtenzahl im Vergleich zu einem Vorjahresmonat noch nie so stark gewesen wie in diesem Monat.

Mal wieder ein herber Dämpfer für alle Konjunkturoptimisten im Tigerentenclub. Auch die Arbeitsstunden und die Entgeltsummen nehmen dramatisch ab. In der Langzeitabbildung wird deutlich, dass Arbeitsstunden und Bruttolohnsummen seit Juli 2008 stark zurückgehen. Eigentlich hätte die Bundesregierung auf Grundlage dieser Daten bereits handeln und gegensteuern müssen. Die aktuellen Zahlen zeigen jedenfalls, dass die bisher getroffenen Maßnahmen zur Stabilisierung der Konjunktur nicht ausreichen. Trotzdem empfehlen die Wirtschaftsinstitute in ihrem Herbstgutachten bereits den Ausstieg aus der aktiven Konjunkturpolitik. Das ist unverantwortlich!

Der gemessene Rückgang bei den Einkommen hat Signalwirkung auf die Binnenwirtschaft. Da im verarbeitenden Gewerbe die Tarifbindung im Vergleich zu anderen Branchen recht hoch ist und demnach auch bessere Löhne und Gehälter gezahlt werden, muss sich der Absturz zwangsläufig beim privaten Konsum bemerkbar machen. Eine weitere Belastung der ohnehin schwächelnden Binnenkonjunktur ist somit abzusehen. Doch die Institute und der Tigerentenclub in Berlin sehen plötzlich wieder Spielräume für ihre Steuersenkungsträume. Man müsse halt nur richtig an anderer Stelle sparen.

Der hessische Ministerpräsident Roland Koch macht das im NP-Interview mit der Überschrift „Wir müssen 50 Milliarden sparen“ heute noch einmal deutlich:

„Steuererhöhungen sind definitiv ausgeschlossen. Daher muss es Einsparungen geben, um die notwendigen Gestaltungsmittel zu erhalten. Unser Ziel ist es, die Leistungsträger durch Veränderungen im Steuerrecht zu motivieren.“

Konjunkturprogramme und damit eine Motivierung zum Konsum sind kein Thema mehr. Denn…

„Wir können und dürfen die Schuldenbremse nicht außer Acht lassen und keine Schulden über die verfassungsrechtliche Grenze hinaus machen.“

Und während der Tigerentenclub gezielt an den Problemen dieses Landes vorbei diskutiert, rutscht die Wirtschaft mangels Nachfrage immer tiefer in die Rezession. Ein Umstand, der auf breite Ignoranz trifft.

1

Neue Presse Hannover: Interview mit einer "Optimistin im Börsendschungel"

Geschrieben von:

In der Wochenendausgabe der NP erscheint ein Interview mit der Geschäftsführerin der Niedersächsischen Börse zu Hannover Sandra Lüth. Sie ist Deutschlands erste Börsenchefin. Die 32 Jährige hält strengere Regulierungen der internationalen Finanzmärkte für weniger gut.

„Aktuell werden die alten Regulierungsgrundlagen sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene in Frage gestellt. Der Wunsch besteht bei vielen Beteiligten, dass mit strengeren Regeln jeder zukünftigen Krise vorgebeugt werden kann. Dieses Ziel zu erreichen, ist aus meiner Sicht schwierig und vielleicht auch nicht realistisch.“

Aha. Also weiter wie bisher? Das fragen die drei Interviewer Chefredakteur Harald John, Politikchef Udo Harms und Redakteurin Inken Hägermann natürlich nicht. Aber man kann nicht sagen, sie hätten nicht versucht, irgendetwas Substanzielles über die Finanzmarktkrise von Frau Lüth zu erfahren. Hier einige Beispiele:

NP: In welchem Stadium der Krise bewegen wir uns?
Lüth: Ich bin kein Analyst, daher kann ich auch nur Meinungen zusammentragen, und die gehen derzeit sehr stark auseinander… Unterschiedliche Meinungen werden diskutiert, die ich mit Spannung verfolge. Ich bin gern ein optimistischer Mensch und hoffe natürlich, dass die Krise bald überstanden ist.
NP: Das schnelle Geld, die hohe Rendite, ist in Zeiten der Finanzkrise in Verruf geraten. Was denken Sie darüber?
Lüth: Wenn man dieser Krisenzeit überhaupt etwas Gutes abgewinnen kann, dann vielleicht das Hinterfragen von bestimmten Strukturen in der Finanzwelt, aber auch ein aufgeklärter Umgang mit Anlageprodukten. Ich habe aber die Befürchtung, dass viele auf der Suche nach Rendite ein mögliches Risiko verdrängen. Genau dessen müssen sich Anleger aber bewusst sein, dass eben hundertprozentige Sicherheit und höchste Rendite nicht zu vereinen sind…
NP: Es heißt häufig, dass eine der Hauptursachen der Krise die Gier der Banker und Börsenhändler gewesen sei.
Lüth: Das kann ich nicht beurteilen. Ich kann aber sagen, dass unsere Börsen in jedweder Krisenzeit stets funktioniert haben…

In Sachen PR hat sie viel drauf, aber kann man nach diesem Interview wirklich behaupten, hierbei handele es sich um eine Optimistin im Börsendschungel. Eine Ahnungslose trifft es nach diesen Antworten doch eher?

Entsprechende Werbung darf natürlich auch nicht fehlen. Da ist mir eine Antwort besonders aufgefallen. Oben hat sie ja behauptet, dass es stärkerer Regularien an den Börsen nicht unbedingt bedarf und das vor allem die Anleger Schuld seien, dass sie ihr Geld verloren haben, weil sie halt das bestehende Risiko ausblendeten. Sie selbst habe auch ein geringes Lehrgeld zahlen müssen. Aber auf die Frage, wozu man eigentlich Regionalbörsen braucht, antwortet sie…

„Es gibt in Deutschland sieben Regionalbörsen, die miteinander wetteifern. Und Wettbewerb bringt für Anleger Vorteile. Die Börsen Hamburg und Hannover sind besonders innovativ, wenn es darum geht, Mehrwerte für Anleger zu schaffen. So haben wir 2002 an der Börse Hamburg den Fondshandel etabliert. Privatanleger können sekundenschnell Fonds kaufen oder verkaufen – und dies ganz ohne Ausgabeaufschlag.

Jetzt hätte bloß noch die Bemerkung, „ganz ohne Risiko“, gefehlt. Sie schwärmt dann noch von provisionsfreien Aktienkäufen bis 5000 Euro und quittiert diese in ihren Augen attraktive Handelsbedingung mit den Worten:

„Ein klarer Kostenvorteil!“

Sind klare Kostenvorteile nicht Auslöser der Krise? Na ja, warum sollte das überhaupt jemanden auf dem Parkett interessieren. Was zählt, ist der Index. Deshalb fragt die NP auch nach einer Prognose der Expertin, wie hoch denn der Dax am Ende des Jahres stehen würde. Die Antwort ist toll.

„Hmmm. Wenn man bedenkt, dass an der Börse auch Stimmungen und Erwartungen „gehandelt“ werden, bin ich verhalten optimistisch und hoffe, dass der Dax-Stand höher sein wird als heute.“

Ich als Leser frage mich da immer wieder, was die Höhe des Daxes für eine Aussagekraft hat, wenn nicht die über blühende Geschäfte der Spekulanten. Heute ist bekannt, dass die Vervierfachung des Dax-Wertes zwischen 1995 und dem März 2000 überhaupt nicht mit dem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts in Einklang zu bringen war. Schon damals hat man sich ordentlich verzockt und die rot-grüne Regierung musste bereits im Jahr 2003 über die Bildung einer Bad-Bank nachdenken. Die HypoVereinsbank verlagerte im gleichen Jahr ihre schlechten Risiken auf die neu gegründete Hypo Real Estate aus, die einige Stunden nach dem Ablauf der Haftungspflicht für den Alteigentümer HypoVereinsbank am 29. September 2008 durch den Finanzminister Peer Steinbrück eine Ausfallbürgschaft versprochen bekam, für die der Steuerzahler aufzukommen hat.

Mit der Agenda 2010 Politik vollzog man in meinen Augen das größte Geldbeschaffungsprogramm der Geschichte für das Finanzmarktkasino. Unter dem Motto des ökonomischen Sachzwanges wurde eine Politik betrieben, die es zulies, dass die Gewinne aus der Produktivitätssteigerung nicht mehr in Form von Lohn- und Gehaltssteigerungen oder Investitionen zurück in den Wirtschaftskreislauf flossen, sondern auf dem Parkett der großen Finanzplätze landeten, zu dem Deutschland nach Auffassung Steinbrücks unbedingt gehören sollte. Mit dem Riesterrentenquatsch spühlte man der Versicherungsbranche noch weitere Milliarden zu.

Angesichts dieser Fakten ist es gerade zu ein Skandal, wenn sich eine 32 Jährige Börsenchefin hinsetzt und über Bauchgefühle und den richtigen Riecher philosophiert wenn es um die Anlageentscheidung geht oder die simple Formulierung raushaut:

„Aber das ist Börse: Jederzeit ist ein Auf und Ab möglich. Letztendlich kann niemand für einen bestimmten Tag einen bestimmten Kurs für das Wertpapier voraussagen – was auch gut ist.“

Die vielen Riestersparer in der Republik wird so eine schlichte Sicht er der Dinge sicher beruhigen. Das Börsenparkett als Spielfläche für immer jüngere Zocker, die es offenbar anturnt im Auf und Ab der Indizes einen besonderen Kick zu erleben. Zum Ausgleich geht man dann ein wenig Joggen.

„Schuhe an und los. Das ist ein sehr schönes Hobby, es macht den Kopf frei und die Gedanken etwas lockerer. Im kommenden Jahr möchte ich einen Halbmarathon hier in Hannover laufen.“

Na dann viel Erfolg.

0

Christoph Slangen kann auch nicht rechnen

Geschrieben von:

Heute beglückt uns das Berliner PR-Büro Slangen und Herholz mit einem zu Guttenberg Interview, bei dem Andreas Herholz die Fragen stellte und sein Kompagnon Christoph Slangen einen passenden Kommentar darüber liefert. In dem Interview darf der Bundeswirtschaftsminister die Insolvenz als positive Floskel neu erfinden. Die Medien sind ja bereits in Vorleistung getreten und haben das Gerede von der „geordneten Insolvenz“ als gute, chancenreiche und vor allem langfristige Perspektive für Unternehmen unters Volk gestreut. In der heutigen Ausgabe der Neuen Presse Hannover sind nun folgende Sätze des Bundeswirtschaftsministers zu lesen:

„Wir müssen in jedem Fall alle Optionen sehr gewissenhaft prüfen. Das gilt für jedes Unternehmen. Insolvenzen können auch Zukunftsperspektiven bieten.

Bei Arcandor wäre es gerade bei einer Lösung mit staatlicher Rettungsbeihilfe zu einem deutlichen Arbeitsplatzabbau und einschneidenden Umstrukturierungen gekommen. Nicht nur deshalb müssen wir im übrigen endlich den Begriff Insolvenz entdramatisieren. Einige wollen darin immer nur den völligen Abgrund und die Pleite sehen. Das moderne Insolvenzrecht gibt einem Unternehmen aber doch gerade die Chance, sich neu aufzustellen und Arbeitsplätze zu erhalten.“

Das ist schon ein starkes Stück. Der „von und zu“ behauptet einfach, dass es mit staatlicher Beihilfe zu Jobverlust und Umstrukturierungen käme, um dann hinten anzufügen, dass es in der Insolvenz immerhin die Chance gäbe, das es nicht so kommt. So ein Satz zeigt die ganze manipulative Wirkung von PR-Arbeit. Es soll der Eindruck erweckt werden, das staatliche Eingriffe per se schädlich sind und privatwirtschaftliche Lösungen in jedem Fall zu bevorzugen seien.

„Bevor staatliche Hilfe geleistet wird, sollten immer privatwirtschaftliche Lösungen geprüft werden.“

Auch hier stelle ich wieder fett gedruckt die Frage nach den raschen und vielfach ungeprüften Milliardenhilfen für die Banken, denn Monsieur Herholz kommt mal wieder nicht drauf.

Wo war denn da der gelobte Ordnungspolitiker zu Guttenberg? Wo war da seine angeblich so klare Sicht der Dinge und sein hochtrabendes Gelaber von Fairness und Gerechtigkeit? Wo war da der Vorschlag von einer geordneten Insolvenz? Über 100 Mrd. Euro für eine verhältnismäßig kleine Bank – die Hypo Real Estate! Welche Maßstäbe gelten hier eigentlich – verdammt und zugenäht? Okay, als die gigantischen Staatsgarantien beschlossen wurden, war zu Guttenberg als Generalsekretär noch erster Wasserträger seiner CSU. Am 10. bzw. 12. Februar 2009 aber kam er ins Amt, am 20. März 2009 wurde das Finanzmarktstabilisierungsergänzungsgesetz, das die Verstaatlichung der HRE regeln soll vom Bundestag verabschiedet. Mit ja hat gestimmt: Karl-Theodor zu Guttenberg

Jürgen Trittin (Bündnis’90/Die Grünen) fragte damals am 6. März 2009 im Bundestag den „von und zu“ ganz konkret:

„Lieber Herr zu Guttenberg, liebe FDPler, glauben Sie denn im Ernst, dass es im Sinne Ludwig Erhards wäre, einen Spekulanten wie Herrn Flowers mit dem Zwei- bis Dreifachen des Marktwertes der Hypo Real Estate zu entschädigen?“

Tja, berechtigte Frage. Denn nix anderes bedeutet ja die Milliardenrettungsaktion. Den Aktienbesitzern werden nicht nur die faulen Geschäfte und damit auch die Renditen gerettet, sie werden für ihren hoch riskanten Einsatz zum Abschluss auch noch vom Staat entschädigt. Wenn sie denn auch freiwillig gehen.

Aber einen Moment. Ich tue dem zu Guttenberg vielleicht unrecht. Denn auch im Fall der HRE hat er die Insolvenz ins Spiel gebracht. Nur hat sich kein Journalist dafür interessiert. Damals, auch am 6. März 2009, findet sich in der Wirtschaftswoche folgende mittlerweile scheinbar schon bekannte Aussage:

„Bevor es tatsächlich zum letzten Mittel einer Enteignung kommen sollte, halte ich es auch bei der HRE für geboten, alle Optionen geprüft zu haben. Hierzu könnten auch – falls möglich – besondere, auf den Finanzmarkt zugeschnittene Sonderregelungen in Anlehnung an die Insolvenz zu zählen sein.

Natürlich müssen die systemischen Risiken, die es im Bankensektor nun einmal gibt, dabei sorgfältig berücksichtigt werden. Ich will Alternativen zur Enteignung, damit der Einführung der Staatswirtschaft nicht leichtfertig Tür und Tor geöffnet werden, was manche fahrlässig bis gierig betreiben.“

Hier könnte man tatsächlich den Eindruck gewinnen, als würde zu Guttenberg einen konsequenten Kurs fahren. Stimmt aber nicht. Im Fall der HRE meinte er klipp und klar eine „begrenzte Insolvenz“. Das ist im Gegensatz zu seinem üblichen Gelaber schon ein riesiger Unterschied. Denn die Aktionärsrechte sollten nach diesem Verfahren nur für die Dauer der Rettung ruhen. Im Klartext: Nachdem die Verluste durch die Allgemeinheit bezahlt worden wären, hätten die Aktionäre das Ruder wieder übernehmen dürfen.

Auf so einen Scheiß kommt der gestylte Freiherr natürlich nicht selber. Sein Vorschlag zur „begrenzten Insolvenz“ sowie das Finanzmarktstabilisierungsgesetz und das Finanzmarktstabilisierungsergänzungsgesetz wurden nachweislich von externen Anwaltskanzleien wie Freshfields oder Linklaters geschrieben, für Stundensätze je beteiligten Anwalt von 300 Euro und mehr. Gegengeprüft wurden die Werke dann nicht von eigenen Juristen der Ministerien, sondern wiederum von einer Kanzlei, diesmal vom Marktführer Hengeler Mueller.

Zu all diesen Fakten könnte man als Journalist den „von und zu“ mal befragen, statt so einen Taugenichts auch noch über die Steuerpläne der Union auszufragen. Und da kommen wir schon zum Kommentar von Christoph Slangen. Ich dachte schon, den Bogen schaffe ich jetzt nicht mehr. Doch ich möchte unbedingt noch anfügen, für wie unglaublich dumm Herr Slangen seine Leser hält. Die Union hat sich nämlich auf ein Steuerkonzept geeinigt. Demnach sollen untere Einkommensbezieher mit der schrittweisen Senkung des Eingangssteuersatzes von derzeit 15 auf 12 Prozent entlastet werden. Der Spitzensteuersatz von 42 Prozent soll erst ab einem Einkommen von 56.000 Euro und schließlich von 60.000 Euro an gelten – derzeit gilt er ab 52.000 Euro. So kann man eine Absenkung der Einkommenssteuer für Besserverdiener auch beschreiben.

Christoph Slangen dazu:

„Ein Zweistufen-Programm soll die Steuerzahler mit einem von 14 auf 12 Prozent gesenkten Eingangssteuersatz entlasten. Am oberen Ende würde der Spitzensteuersatz erst bei einem höheren Einkommen fällig. Das klingt vernünftig. Sowohl Geringverdiener als auch Besserverdiener würden entlastet.“

Das kann man so schreiben, wenn man nicht dazu sagen möchte, um wie viel jeder einzelne nun tatsächlich entlastet werden würde. Vielleicht hat der gute Herr Slangen aber auch unser Steuersystem nicht begriffen oder will bewusst etwas Falsches suggerieren. Jedenfalls ist die Aussage, das sei vernünftig, weil Gering- und Besserverdiener entlastet würden, sehr unausgewogen. Denn die Absenkung des Eingangssteuersatzes kommt doch jedem zu Gute, nicht nur den Geringverdienern. D.h. auch der Besserverdiener profitiert von der Absenkung des Eingangssteuersatzes. Denn die ersten Euros über dem Grundfreibetrag werden mit diesem Eingangssatz besteuert. Erst mit jedem weiteren zusätzlich verdienten Euro verändert sich die Besteuerung. Das kennt man ja unter dem Begriff Progression.

Wenn die Union nun aber vorschlägt, den Spitzensteuersatz erst ab einem höheren Einkommen zu Grunde zu legen, dann haben da aber nur jene etwas von, die auch so viel verdienen. Und da müsste man sich ernsthaft fragen, welchen Zweck eine solche Strategie verfolgt. Wieso sollen Besserverdiener quasi doppelt entlastet werden? Was hat der Geringverdiener denn von einer Glättung des sog. Mittelstandsbauchs? Das ist doch keine gerechte Besteuerung, wie uns die Union und Herr Slangen mal wieder glauben machen wollen.

Und weil Christoph Slangen keine Ahnung von dem hat, was er da hinschreibt oder es doch ganz genau weiß, er es aber vemeiden will, heftig protestieren zu müssen, kommentiert er die Pläne der Union auch sehr devot:

„In Zeiten der Krise erscheint ihr ein solches Wahlversprechen, an dem man sie messen könnte, wenig ratsam. Und schließlich gilt es doch auch, das Versprechen von Zukunftsinvestitionen in die Bildung zu erfüllen und die Staatsverschuldung wieder in den Griff zu bekommen. So präsentieren CDU und CSU vergleichsweise vorsichtige steuerpolitische Absichtserklärungen.

Aber gerade weil z.B. Bildungsinvestitionen, die ja aus dem Steueraufkommen bezahlt werden müssen, dringend notwendig sind, um auch Kindern aus einkommensschwacheren Haushalten endlich die Möglichkeit zum gesellschaftlichen Aufstieg zu geben, kann das Konzept der Union sowie der FDP volkswirtschaftlich einfach nicht passen. Mit anderen Worten: Stupide Klientelpolitik setzt das Einmaleins der Haushaltspolitik außer Kraft. Wer kann da eigentlich nicht richtig rechnen?

0

Zum Thema Statistik

Geschrieben von:

Weil ich Statistiken nicht sonderlich traue und viele Erhebungen für schlimme Auftragsarbeiten halte, die die Wirklichkeit verzerren sollen und deren Absicht es vornehmlich ist, die öffentliche Meinung zu manipulieren, gibt es hier mal einen anschaulichen Spot des DGB zum Thema Gerechtigkeit, den jeder verstehen dürfte…

0

Zur Steuer- und Abgabenbelastung

Geschrieben von:

Seit gestern schwirrt eine OECD-Studie durch die Medien, wonach in Deutschland vor allem Geringverdiener und mittlere Einkommen eine starke Abgabenlast zu tragen hätten. Die NachDenkSeiten weisen heute darauf hin, dass in der Berechnung nicht differenziert wird. Die OECD bezieht die gesamten Abgaben auf den Bruttolohn – also auch den Arbeitgeberanteil an der Sozialversicherung – in ihre Betrachtung mit ein. Deshalb würde eine Belastung der Arbeitnehmer von zum Teil über 50 Prozent zu Stande kommen.

Dieses Ergebnis soll nach Auffassung der NachDenkSeiten einer neuerlichen Kampagne zur Senkung der „Lohnnebenkosten“ Vorschub leisten. Dem möchte ich mich anschließen und hinzufügen, dass damit auch den Steuersenkungsprogrammen der FDP und dem kürzlich geäußerten Konzept der Kanzlerin in die Karten gespielt würde. Um diesem manipulativen Versuch, die Menschen für ein gefährliches Abgabensenkungsabenteuer zu gewinnen, etwas entgegenzuhalten, hier ein paar differenziertere Daten zur Entwicklung von Einkommen und Steuern. Im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses zur Unternehmenssteuerreform 2008 haben die Professoren Dr. Lorenz Jarass (Standford University) und Dr. Gustav M. Obermair (Universität Regensburg) seinerzeit Daten für die Jahre 2001-2005 zusammengestellt, die viel aufschlussreicher und aktueller den je sind.

  • Demnach stieg das Volkseinkommen in dem Zeitraum um +81 Mrd. Euro. Die darauf bezahlten Steuern und Sozialabgaben sanken aber um -46 Mrd. Euro.
  • Die Bruttolohnsumme fiel im gleichen Zeitraum um -25 Mrd. Euro und die darauf bezahlten Steuern und Sozialabgaben sanken um -30 Mrd. Euro.
  • Die Unternehmens- und Vermögenseinkünfte stiegen allein in den Jahren 2001-2005 um +106 Mrd. Euro. Die darauf bezahlten Steuern und Sozialabgaben sanken jedoch um -16 Mrd. Euro.

Allein aus diesen Zahlen lässt sich bereits erkennen, dass unser Problem nicht eine zu hohe Belastung durch Steuern und Abgaben ist. Im Gegenteil. Nicht die deutsche Bevölkerung verarmt wegen hoher Steuern und Abgaben, wie man angesichts der OECD-Daten vermuten könnte, sondern der Staat, weil er eine Abgabensenkungsorgie nach der anderen fährt.

Zum Beispiel die Senkung des Spitzensteuersatzes von 53 Prozent (bis 1999) auf 42 Prozent (seit 2005) kostete den Staat 2,3 Mrd Euro im Jahr. Die Steuerbefreiung der Gewinne aus Unternehmensverkäufen ab 01.01.2002 lässt sich noch gar nicht beziffern. Die Absenkung der Körperschaftssteuer auf 25 Prozent (Unternehmenssteuerreform 2001) sowie die Einführung des Halbeinkünfteverfahrens führten zum Zusammenbruch der Körperschaftssteuer.

Einnahmen aus der Körperschaftssteuer (in Mrd. Euro):

  • 2000: 23,6
  • 2001: -0,4
  • 2002: 2,9
  • 2003: 8,3

Quelle: Bundesfinanzministerium (BMF)

Die aktuelle Unternehmenssteuerreform 2008 beinhaltet eine weitere Absenkung des Körperschaftssteuersatz von 25 auf 15 Prozent, einen Sondersteuersatz von 28,25 Prozent für einbehaltene Gewinne bei Personenunternehmen bzw. die Abgeltungssteuer von 25 Prozent auf private Kapitalerträge und Veräußerungsgewinne ab 2009. Das Bundesfinanzministerium beziffert die Steuerausfälle schöngerechnet aber immerhin wie folgt (in Mrd. Euro):

  • 2008: 6,47
  • 2009: 6,72
  • 2010: 6,80
  • 2011: 5,27

Die Prognose bedeutet also langfristig einen Ausfall von 5 Mrd. Euro.

Diese ganzen Ausfälle müssen aber bezahlt bzw. gegenfinanziert werden. Die Politik ist augenscheinlich noch immer der Auffassung, dass Abgabensenkungen zu höheren Investitionen führen und damit Arbeitsplätze aufgebaut und gesichert würden. Der fundamentale Glaube an die organisierende Kraft und die Effizienz der Marktwirtschaft ist also nach wie vor ungebrochen. Wie wir aber aus der Struktur der aktuellen Krise wissen, von der die OECD-Studie meiner Meinung nach auch abzulenken versucht, sind die Mrd. Geschenke an die Kapitalseite eben nicht in Form von Investitionen in die Wirtschaft zurück geflossen, sondern schlicht und einfach im Kasino gelandet. Dennoch weigern sich die herrschenden Kreise, das systemische Elend angemessen zu würdigen. Man muss halt noch stärker beten und an den Erfolg des Systems glauben, so das Rezept der Fundamentalisten, ganz nach dem Motto Encore un effort

Wo das hingeführt hat, kann man an der Gegenüberstellung von Staatsschulden und Vermögenszuwachs deutlich machen. In den Jahren 1998 bis 2005 stieg die Staatsverschuldung um 355,89 Mrd Euro, der Zuwachs der Ersparnisse privater Haushalte wuchs hingegen um 817,85 Mrd Euro. Allein aus dieser Perspektive wird ersichtlich, dass eine Dramatisierung nicht unbedingt der Seite der wachsenden Staatsschulden gebühren sollte, wie es beispielsweise der Bund der Steuerzahler andauernd tut, sondern vielmehr der unverschämten Zunahme von Vermögen in den Händen weniger. Denn die oberen 10 Prozent der Haushalte verfügen über mehr als 50 Prozent des Geldvermögens.

Wenn die OECD-Studie auf etwas richtig hinweist, dann darauf, dass Besserverdienende und große Vermögensbesitzer zunehmend entlastet wurden. Die Einnahmesituation des Staates sowie der sozialen Sicherungssysteme könnte demnach verbessert werden, wenn man in der Steuer- und Abgabenpolitik einen anderen Weg einschlüge und in der Wirtschaftskrise verstätkt Vermögen und höhere Einkommen zur Finanzierung wichtiger staatlicher Aufgaben heranzöge, von denen vor allem Einkommensschwache profitieren würden. Damit wäre auch die Gefahr gebannt, dass enorme Geldvermögen in die globalen Finanzkasinos abflössen und beim riskanten und unproduktiven Milliardenspiel einfach in persönliche Verluste und Schulden umgewandelt werden, die dann wiederum von der Gemeinschaft aller Steuerzahler beglichen werden sollen.

Dafür nimmt der Staat wiederum neue Schulden bei jenen Vermögenden auf, deren Verluste gerade bezahlt werden sollen. Der Staat senkt also einerseits die Abgaben auf Vermögen und zahlt dann auch noch Zinsen für geliehenes Geld, mit dem die persönlichen Verluste aus den Geschäften, die nur durch „Überakkumulation“ dank Steuersenkungen möglich wurden. Das ist in der Tat systemisch. Systemischer Wahnsinn. Oder wie Theodor W. Adorno schrieb:

„Die bürgerliche Gestalt von Rationalität bedarf von je irrationaler Zusätze, um sich als das zu erhalten, was sie ist, fortwährende Ungerechtigkeit durchs Recht.“

Quelle: Theodor W. Adorno, Jargon der Eigentlichkeit. Zur deutschen Ideologie.

0

DGB-Aufruf: Die Verursacher müssen zahlen!

Geschrieben von:

DGB-Demo zu den EGB-Aktionstagen für ein soziales Europa am 16.Juni 2009 in Berlin

EGB/DGB - Demo 16.Juni 2009
Quelle: DGB

EGB und DGB fordern:

  1. Ein erweitertes Konjunkturprogramm: Für ein soziales Europa, das Armut, Arbeitslosigkeit und Ausgrenzung aktiv bekämpft und eine gute öffentliche Daseinsvorsorge garantiert.
  2. Eine Europäische Zentralbank, die sich zu Wachstum und Vollbeschäftigung verpflichtet, und nicht nur zu Preisstabilität.
  3. Eine strenge Regulierung der Finanzmärkte, den Reichtum gerecht zu verteilen und ein Ende des Kasinokapitalismus. Kein “Weiter so”, sondern einen Neubeginn!
  4. Höhere Löhne und sichere Renten, einen starken Sozialstaat und mehr Kaufkraft durch höhere Leistungen. Und: mehr Mitbestimmung, um die Arbeitnehmer zu schützen und die Wirtschaft zu stärken.
  5. Soziale Grundrechte müssen Vorrang haben und überall muss uneingeschränkt gelten: „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort”!

EGB/DGB - Demo 16.Juni 2009

0

Heute: Gleichschaltung mit Merkel-Interview

Geschrieben von:

Unsere rasenden Reporter Christoph Slangen und Rasmus Buchsteiner waren mal wieder unterwegs und verbreiten im Auftrag der Bundeskanzlerin Merkel-Botschaften. Nicht nur in der Neuen Presse Hannover erscheint heute das Interview unter dem Titel „Deutschland soll stärker werden“. In der Schwäbischen Zeitung zum Beispiel können sie den Scheiß unter dem Titel „Deutschland ist gut gerüstet“ sogar online nachlesen. Komisch ist, dass man auf der offiziellen Interviewseite der Kanzlerin seit dem 15.03.2009 keinen Eintrag mehr findet.

Es ist nach wie vor ein Skandal, dass regionale Tageszeitungen so tun, als hätten sie mit medialen Erfüllungsgehilfen wie Christoph Slangen, Rasmus Buchsteiner und Andreas Herholz unabhängige Journalisten in ihren eigenen Reihen beschäftigt. Das ist eine grobe Irreführung der Leserschaft. Es kann nicht sein, dass die unterschiedlichsten regionalen Tageszeitungen landauf landab diese sprichwörtlichen Mediennutten ihren Lesern als eigenes Personal verkaufen. Diese Leute sind nichts weiter als die PR-Abteilung der Berliner Politik. Nur sie führen in der Regel die Interviews mit Merkel, Steinmeier, Köhler und Co und verbreiten diese deutschlandweit.

Vor ein paar Wochen konnten sie hier im Blog Informationen über ein entsprechendes Interview mit Horst Köhler erfahren, das im Vorgriff auf seine „Wir haben alle über unsere Verhältnis gelebt“- Rede ebenfalls in zahlreichen regionalen Tageszeitungen abgedruckt wurde. Dieses Interview wurde genauso unkritisch von denselben Journalisten geführt, wie das heutige mit Angela Merkel. Bitte weisen sie ihre Tageszeitungen darauf hin, sollte auch bei ihnen solche Interviews abgedruckt sein, dass solche PR-Gefälligkeitsarbeiten der Herren Slangen, Herholz und Buchsteiner nichts mehr mit dem journalistischen Anspruch auf unabhängige Berichterstattung zu tun haben. Wenn solche korrupten Ratten dann auch noch Kommentare in den jeweiligen Tageszeitungen verbreiten dürfen, ist das der Gipfel der Unverschämtheit.

Zu dem Interview braucht man an sich nicht viel zu sagen. Sie werden heute im Radio oder der Tagesschau mit den Ansichten der Kanzlerin bombardiert. Kernaussage wird vermutlich die Steuersenkungsabsicht nach der Wahl sein. Das Ganze steht unter dem Schalgwort „Dreiklang“ und zwar…

„Wir werden im Wahlprogramm einen Dreiklang von Schuldentilgung, Investitionen in Innovation und steuerlicher Entlastung beschließen.“

Das taucht in dem Interview so direkt nicht auf, wird aber den Lesern selbstredend in einem Extrakasten mitgeliefert. Eigentlich weiß man gar nicht genau, wie lang das Interview tatsächlich war. Denn jede Tageszeitung stellt sich ihr eigenes Paket zusammen. Dennoch kann man eine Reihenfolge der Themen erkennen. An erster Stelle steht die „Schweinegrippe“. Es gilt zu beruhigen und Handlungsfähigkeit zu demonstrieren. So als ob die Grippe schlimmer ist, als die Wirtschaftskrise. Denn erst im Anschluss kommt die Absage an weitere Konjunkturpakete und die gleichzeitige Versicherung, alles gegen die Krise zu unternehmen. Es soll ja nicht der Eindruck entstehen, die Kanzlerin böte ein Angriffsziel, an dem sich etwaige soziale Unruhen abarbeiten könnten. Diesen Spekulationen erteilt sie eine klare Absage.

„Die Menschen wollen konstruktive Antworten und seriöses Krisenmanagement. Die Bundesregierung geht hier die richtigen Schritte. Unser Ziel ist, soviel Beschäftigung wie möglich zu sichern. Die Sozialpartner verhalten sich in der aktuellen Situation sehr verantwortlich. In den Unternehmen werden zurzeit gemeinsam von Management und Belegschaften viele verantwortliche Entscheidungen getroffen, um Arbeitsplätze zu sichern. Das gibt mir Zuversicht, dass die weltweite Krise den Gedanken der sozialen Marktwirtschaft in Deutschland wieder stärken wird.“

In der Neuen Presse Hannover steht noch mehr…

„Wir tun alles, um den Bürgern und Unternehmen eine Brücke zu bauen, diese globale Wirtschaftskrise möglichst schnell zu überstehen. Und wir haben den Anspruch, dass Deutschland stärker aus der weltweiten Krise hervorgeht, als es hineingekommen ist.“
[…]
„Die erfolgreiche Bekämpfung der Krise entscheidet über die Stärke und Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Volkswirtschaften der Welt. Wenn die Weltwirtschaft wieder anspringt, muss unser Anspruch sein, eine führende Exportnation zu bleiben.
[…]
„Wir gehen davon aus, dass die Talsohle in diesem Jahr erreicht wird und wir dann langsam, aber sicher aus dem Tal herauskommen. Die Bundesregierung hat viel getan, um die Auswirkungen der starken Rezession abzumildern: Wir fördern die Kurzarbeit und stützen die sozialen Sicherungssysteme. So stabilisieren wir den Konsum und dämmen den Anstieg der Arbeitslosigkeit ein. Entscheidend wird aber sein, dass die Weltwirtschaft möglichst bald wieder wächst. Denn Deutschlands Verluste beim Export können wir nicht zu hundert Prozent ausgleichen, indem wir die Binnennachfrage stärken.
[…]
„Ein drittes Paket mit völlig neuen Maßnahmen brauchen wir nicht. Es wäre kontraproduktiv, schon wieder neue Erwartungen zu wecken. Wir sollten die beschlossenen Investitionen erst einmal wirken lassen.“

Lesen sie ganz genau, was die Kanzlerin sagt. Sie will, dass Deutschland Exportnation bleibt. Eine erfolgreiche Bekämpfung der Krise hängt also davon ab, ob andere Volkswirtschaften wieder Nachfrage entwickeln. Denn die Stärkung der eigenen Binnennachfrage ist in den Augen der Kanzlerin kein geeignetes Mittel zur Überwindung der Krise. Stellen sie sich mal einen Franzosen oder einen Amerikaner vor, der das liest. Der muss sich doch fragen, warum er ausgerechnet mit seinen Steuergeldern, die die Konjunkturpakete seines Landes speisen, nun dafür sorgen soll, den deutschen Export zu stützen und somit die eigene Staatsverschuldung noch weiter nach oben zu treiben, als sie ohnehin schon ist. Das funktioniert einfach nicht.

Die Kanzlerin demonstriert einmal mehr ihre Ahnungslosigkeit in volkswirtschaftlichen Fragestellungen. Sie ist sich der Konsequenzen ihrer Aussagen nicht bewusst. Aber was noch viel schlimmer ist, sind diese bescheurten Journalisten, die es nicht merken. Sie fragen nicht einmal danach, wie das Kurzarbeitergeld für eine Stabilisierung des Konsums sorgen soll. Meines Wissens liegt diese Entgeltersatzleistung immer noch empfindlich unter dem tatsächlichen Lohn. Auch die Aufstockungen einiger Unternehmen auf 90 Prozent des Gehalts wurden wieder abgeschafft. Fakt ist, dass die reale Kaufkraft abermals zurückgeht. Von einer Stabilisierung kann also überhaupt keine Rede sein. Die Bundesregierung verlässt sich in ihrem Tun einzig und allein auf die Anderen. Sie selbst tut nichts.

Das konnte man schon unter der Woche bei der Vorstellung des Wirtschaftsberichts durch den Herrn „von und zu“ sehen. Bei der Prognose behauptete der, dass es durch Export und steigende Löhne im eigenen Land wieder aufwärts gehen werde – nach der Wahl. Die Bundesregierung interpretiere da ein paar Zahlen etwas anders als die Institute, hat er gesagt. Im Zentrum stünden die steuerlichen Entlastungen die irgendwann einmal wirken sollen, wenn sie denn endlich in Kraft treten.

Den Weg der steuerlichen Entlastung möchte nun auch die Kanzlerin und ihre Partei weiter gehen. Im Wahlkampf schließt man sich nun den Liberalen an. Der obige „Dreiklang“ also. Schuldentilgung, Investitionen und steuerliche Entlastungen. Sie lesen richtig. Das passt überhaupt nicht zusammen. Man muss den Eindruck gewinnen, die schmeißen ein paar Forderungen in einen Becher und schütteln das Ganze mal kräftig durch. Heraus kommt obiger Unsinn. In einer Wirtschaftskrise dieses Ausmaßes kann man keine Steuern senken, gleichzeitig investieren und Schulden tilgen und in Sachen Konjunktur darauf warten, dass der Export irgendwann wieder anspringt. Wo soll das Geld herkommen? Eine Besteuerung von Vermögen lehnt die Kanzlerin ja nach wie vor ab. Bei wem soll also künftig eingespart werden?

Dazu Robert von Heusinger in der FR

„Im Schnitt steigt die Staatsverschuldung nach einer Bankenkrise um 86 Prozent, haben die Top-Ökonomen Kenneth Rogoff und Carmen Reinhart herausgefunden. Überschlagen wir kurz: Bei einem Schuldenstand von rund 1,5 Billionen Euro entsprechen 86 Prozent knapp 1300 Milliarden Euro zusätzliche Verschuldung in den kommenden Jahren!
Diese Schulden wollen verzinst werden, und zwar aus Steuergeldern. Das ist die wahre Herausforderung vor der die Wirtschaftspolitik steht – Wahlkampf hin, Wahlkampf her. Über Steuersenkungen zu reden ist in höchstem Maße unseriös. Das Gegenteil ist richtig: Die Steuern müssen erhöht werden. Und sie können erhöht werden, hat Deutschland doch eine im internationalen Vergleich verdammt niedrige Steuerquote.“

Aber was tut die Bundesregierung? Sie denkt aktuell darüber nach, an der Unternehmenssteuerreform nachzubessern. Die Unternehmen sollen also noch einmal entlastet werden.

0
Seite 9 von 11 «...7891011