Jetzt ist von tiefenentspannten Ermittlungsmethoden die Rede, die der belgischen Polizei vorgeworfen werden, weil sie lieber Feierabend machte, als einen Terrorverdächtigen in seinem Unterschlupf zu stellen. So ganz von der Hand zu weisen ist das ja nicht. Defizite gibt es aber nicht nur in Belgien, sondern auch in anderen EU-Ländern, durch die sich die Terrorjugend offenbar frei und unbehelligt bewegen konnte. Die Schlamperei bei den Ermittlungen ist wohl Absicht, um die wieder aufkeimenden Forderungen nach noch schärferen Sicherheitsgesetzen, die ja gegen Verfassungsrecht verstoßen, rechtfertigen zu können. Oder wie Bundesinnenminister de Maizière neuerdings zu sagen pflegt:
„Datenschutz ist schön, aber in Krisenzeiten hat Sicherheit Vorrang“
Wie immer nach solchen Anschlägen in Europa (nicht irgendwo anders auf der Welt) wird eine Welle neuer Maßnahmen gefordert. Dabei lagen alle Informationen über die mutmaßlichen Täter vor. Und offenbar funktioniert auch der Austausch zwischen den Ländern wunderbar. Die Türkei will Belgien vor einem der Attentäter schon vor Monaten gewarnt haben. Und ZDF-Terrorismus-Experte Elmar Theveßen hatte sogar ganz genaue Informationen darüber, wo die Verdächtigen bei ihrer Reise von Ungarn nach Belgien in Deutschland übernachtet hatten und mit welchem Mietauto sie unterwegs waren.
Aber vielleicht funktioniert der Austausch von Daten ja tatsächlich nicht. Dann liegt das aber mit Sicherheit nicht am Datenschutz, sondern daran, dass eingesetzte Technik und berufene Minister mit der Realität offenkundig überfordert und nicht kompatibel sind. Ein Austausch von Daten ist noch nicht einmal hierzulande zwischen den Behörden von Bund und Ländern möglich, selbst wenn die Zusammenhänge so klar auf der Hand liegen, wie bei den NSU-Morden.
Um den Datenschutz geht es ja auch gar nicht. Das ist nur der Köder. „Wir brauchen Ein- und Ausreiseregister für den Schengenraum“, sagte der Minister. Also eine Vorratsdatenspeicherung für Reisen. Die Franzosen fordern erneut, die Fluggastdatenüberwachung nun endlich zu verabschieden. Und Polen hat eine halbherzige Zusage, Flüchtlinge aufzunehmen, gleich wieder einkassiert. Was das aber alles bringen soll, wenn die Terroristen Einheimische sind, mit dem Auto durch Europa fahren und Wegwerfhandys nutzen, bleibt offen. Noch einmal. An Informationen mangelt es nicht. Alle mutmaßlichen Täter sind den Behörden bekannt.
Offenbar wird aber falsch ermittelt und auf Prävention komplett verzichtet, so dass sich Menschen in europäischen Städten aus welchen Gründen auch immer radikalisieren können. Den IS oder eine islamistische Ideologie braucht es dafür nicht. Terror funktioniert über den Hass, dessen Ursachen hier in Europa liegen. Flüchtlinge haben damit nichts zu tun. Das sei nur erwähnt, weil schon wieder der Eindruck entsteht, als seien sie und offene Grenzen dafür verantwortlich. Aber die Täter waren erneut einheimische Kriminelle, die, von versagenden Sicherheitsbehörden in die Enge getrieben, als Amokläufer einen großen Abgang zelebrierten.
Dazu auch Christian Ehring von Extra 3:
MRZ
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.