Innehalten statt groß abfeiern

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Ausgerechnet zum Jubiläum des Mauerfalls stehen die Züge still. Rücksichtslos oder ein falscher Zeitpunkt, wie viele denken, ist das aber nicht.

Einige Stimmen meinen, die GdL mache mit ihrem Streik die toll vorbereitete Sause vom 7. bis zum 9. November in Berlin kaputt. Denn hunderttausende Menschen wollten am kommenden Wochenende mit dem Zug in die Hauptstadt fahren, um ein großes Fest, anlässlich des Falls der Mauer vor 25 Jahren zu feiern und eine imposante Lichtinstallation zu sehen.

Doch eine verhinderte Party ist aus meiner Sicht gar nicht so schlecht. Denn der 9. November ist kein Feiertag, an dem ausgelassen gejubelt werden sollte, sondern ein Tag des Nachdenkens über Deutschland und seine Geschichte, die selten von glücklichen und friedlichen Momenten erzählt.

Gerade der 9. November mahnt zum Innehalten. Die Inszenierung eines fröhlichen Events hingegen, dessen Eintrittskarte offenbar ein vorbehaltloses Bekenntnis zum Wort „Unrechtsstaat“ ist, wirkt seltsam. Nachdenken über die Vergangenheit geht auch von zu Hause aus oder bei einem Spaziergang, zum Beispiel durch die jüdische Geschichte des Ortes, in dem man lebt.

Denn diese Geschichte geht der deutschen Teilung unmittelbar voraus und ist mit dem Datum 9. November 1938 untrennbar verknüpft. Vielleicht ist es deshalb gar nicht verkehrt, wenn an diesem denkwürdigen Tag die Züge einmal stillstehen und an eine Zeit zurückgedacht wird, als Synagogen brannten und Eisenbahnen fuhren, um Millionen Menschen in den Tod zu schicken.


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Regierung redet Lage weiter schön

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Während sich die neue EU-Kommission längst vom Aufschwung verabschiedet hat und die Entwicklung der Wirtschaft in der Eurozone und vor allem Deutschland halbwegs realistisch einzuschätzen vermag, mauert das politische Berlin. Beim Arbeitgebertag trafen daher Not und Elend aufeinander.

Das Land taumelt am Rande einer Rezession und der Wirtschaftsminister warnt. Nicht vor einer Krise, die längst da ist, sondern vor einer, die nur herbeigeredet werde. Denn als Wirtschaftsminister glaubt Sigmar Gabriel wie seine Vorgänger auch, ganz fest an das Wachstum und jenen Pfad, auf dem es seit Jahren nur dahin schleicht. Nun ist es elendig verschieden, doch Anlass für eine Kurskorrektur sieht die Bundesregierung nicht. Sie mauert sich weiter ein.

Glaube hilft nicht weiter

Beim Treffen der Arbeitgeber darf die Kanzlerin unwidersprochen sagen, dass die deutsche Wirtschaft keineswegs an einer Wachstumsschwäche im Innern leide, schließlich sei der private Konsum eine starke Stütze. Die muss man sich aber einbilden, denn sichtbar ist sie nicht, nicht mal als Krücke. Die gesunkenen Wachstumserwartungen, so die Kanzlerin, gehen vor allem auf geopolitische Risiken sowie die Ukraine-Krise zurück, an deren Verschärfung die Außenpolitik der Bundesregierung natürlich vollkommen schuldlos ist.

Die Regierung Merkel begreift die konjunkturelle Lage als Herausforderung, tut aber nichts weiter, als die gescheiterten Rezepte, die ja nur Glaubenssätze sind, wieder und wieder aufzuwärmen. Beispiel Lohnnebenkosten. Ihnen geht es immer dann an den Kragen, wenn die Zeiten düster werden. Sie sind daher eine beliebte Stellschraube der Politik. Denn eine Senkung der Beiträge entlaste ja Arbeitgeber wie Arbeitnehmer, so die Lehre.

Dass aber nur der Arbeitgeber Kosten spart, während dem Arbeitnehmer der Lohn und die Sozialversicherungsleistung gekürzt werden, sagt die Regierung nicht. Sie glaubt ganz fest daran und mit ihr die Arbeitnehmer, dass die Arbeitgeber die eingesparten Kosten in Investitionen schon umsetzen und damit mehr Arbeitsplätze schaffen werden. Eine Fehlannahme wie die Realität beweist, die allerdings vom Glaubensdogma und immer neu vermeldeten Beschäftigungsrekorden regelmäßig in den Schatten gestellt wird.

Von der Last der permanenten Begünstigung

Seit Jahren werden die Investitionsbedingungen für Unternehmen verbessert. Steuern wurden gesenkt, der Arbeitsmarkt flexibilisiert und das Bildungssystem nach den betriebswirtschaftlichen Wünschen der Arbeitgeber umgebaut. Genutzt hat es nichts. Zwar explodierten die Gewinne, diese standen als Investitionen im Inland aber nicht zur Verfügung. Zum einen, weil die Erwartungen von Anteilseignern vorrangig zu bedienen waren, zum anderen aber auch, weil die gesamtgesellschaftliche Nachfrage fehlte, die ein Investment hätte lukrativ erscheinen lassen.

Die Folge: Das Geld fließt in Form von Krediten ab und Deutschland ist abhängig von Märkten, auf denen tatsächlich Nachfrage herrscht. Das leugnet selbst die Bundesregierung nicht und nennt das ganze Wettbewerbsfähigkeit. Dabei verschuldet sich das Ausland aber bei uns mit rund 200 Milliarden Euro pro Jahr. So hoch ist nämlich der Bilanzüberschuss, den die Bundesrepublik ausweist. Das heißt konkret, dass die Mittel für Investitionen im Inland zur Verfügung stünden. Warum sollten dann also Firmen weiter entlastet werden, wie die Arbeitgeberlobby fordert und die Kanzlerin in Aussicht stellt?

Angebliche Belastungen sind nicht das Problem, sondern eine fehlende Nachfrage. Die kann sich aber nur dann entwickeln, wenn die Arbeitnehmer auch an den wachsenden Gewinnen beteiligt würden. Nur so hätten die bisherigen Aufschwungsfantasien der Politik, die bereits Wahnvorstellungen gleichen, eine Chance vom Reich der Träume in die Wirklichkeit überführt zu werden. Danach sieht es aber nicht aus, weil nicht einmal die Worte Nachfrage und Lohn im Glaubensbekenntnis der handelnden Akteure einen Platz finden.

Von der Schutzbedürftigkeit der Wertschöpfungskette

Löhne sind Kosten, die Arbeitgeber stören. Und was die Arbeitgeber stört, stört auch die Politik, der es schon reicht, wenn irgendwie Arbeitsplätze entstehen. Welche sind egal. Oder doch nicht? „Du sollst froh sein, Arbeit zu haben und nicht auch noch nach einem Lohn verlangen“, so könnte es in der Bibel der Arbeitgeber stehen. In Wirklichkeit stehen da aber Sätze wie: „Ich warne davor, dass ein weiterer Eingriff, eine weitere Reglementierung und auch eine weitere Reduzierung der Flexibilität am Ende ganze Wertschöpfungsketten gefährdet.“ (Daimler-Personalvorstand Wilfried Porth im Handelsblatt).

Gemeint sind Werkverträge, die angeblich Wertschöpfungsketten schützen und in deren unternehmerische Gestaltung sich niemand einmischen dürfe, weil sie vom Himmel direkt in den Schoß der Arbeitgeber fielen. Das stimmt nicht ganz. Denn die berühmten Arbeitsmarktreformen einer rot-grünen Bundesregierung gelten eindeutig als weltliche Ursache für diesen Trend und einer bis heute ungebrochenen Konjunktur im Bereich der Leiharbeit.

Dann gab es aber noch eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts im Jahr 2010, das die ausgehandelten Tarifverträge zwischen Scheingewerkschaften wie der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personal-Service-Agenturen (CGZP) für ungültig erklärte und den um ihren Lohn betrogenen Beschäftigten ein Klagerecht einräumte. Das wiederum führte zu den Werkverträgen wie wir sie heute kennen und bei denen Mitbestimmung durch Arbeitnehmer grundsätzlich ausgeschlossen ist.

Missbrauch ist nicht gleich Missbrauch

Bloß keine Regulierung, fordern die Arbeitgeber daher, was nicht heißt, dass dieser Grundsatz auch für die Tarifpolitik gilt. Hier liegen die Interessen bekanntlich anders. In diesem Bereich stören Flexibilität und Deregulierung wieder, weil diese Bedingungen von den Arbeitnehmern ja ausgenutzt werden, um mit den Mitteln des Arbeitskampfes Forderungen zu stellen. Sie müssen schon verstehen, wenn die Arbeitgeber Scheingewerkschaften gründen, um quasi mit sich selbst Tarifverträge auszuhandeln, ist das eine kluge Politik, die Wertschöpfungsketten schützt. Wenn aber Arbeitnehmer den Spieß umdrehen und sich eine Gewerkschaft suchen, die ihre Interessen vertritt, ist das ein klarer Missbrauch der Tarifautonomie.

Dann muss die SPD als letzte Instanz zur Rettung von Arbeitgeberinteressen ran und ein Gesetz ausarbeiten, dass möglichst rasch für Klarheit sorgt und die Rechte von Arbeitnehmern beschränkt. Und so ist es auch. Das verfassungswidrige Gesetz zur Tarifeinheit liegt schon zur Verabschiedung bereit, wie Bundesregierung und Arbeitgeber im Gleichklang loben. Mit einer Regulierung der Werkverträge, von denen die SPD einst noch sagte, sie würden missbräuchlich Anwendung finden, will sich die Arbeitsministerin hingegen noch etwas Zeit lassen. Frühestens 2016 werde das Thema angegangen, so versicherte es Nahles den Personalvorständen.

Trotz dieser Fakten, bewundern die Medien die Kanzlerin dafür, dass sie den jammernden Arbeitgebern die Stirn biete und zum Beispiel an der Frauenquote festhalte oder im Angesicht zunehmender Altersarmut eine Senkung der Rentenbeiträge ankündigt. Es gebe wahrscheinlich wieder Spielräume, trotz schwächelnder Konjunktur? Dass die Senkung der Beiträge zuletzt noch ausgesetzt worden war, mit der Begründung, nur so Mütterrente und Rente mit 63 finanzieren zu können, wirft zwar Fragen auf, stört die Medien aber auch nicht weiter. Schließlich missbraucht die Kanzlerin ihren Posten ja nicht. Sie schwänzt ja nur einen anderen Beruf.


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ARD schießt ein Eigentor

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Hauptstadtstudio wirft der Linken vor, zu früh reagiert zu haben. Dabei hat die Redaktion selbst und ganz bewusst entschieden, was vorab veröffentlicht wird. Ein billiger Taschenspielertrick.

Die Gauck-Kontroverse wird immer peinlicher. Nun hat sich auch die ARD in Form von Katja Strippel vom BR in einem Kommentar auf Tagesschau.de zu Wort gemeldet und mehr oder weniger zugegeben, dass die Vorabveröffentlichung eines kleinen Teils des Interviews nur dazu diente, entsprechende Reaktionen zu provozieren.

Da diese erwartungsgemäß eintrafen, heißt es nun im Nachhinein: “Ätsch, hättet ihr mal abgewartet und das gesamte Interview angesehen.” Frau Strippel schreibt:

Und den Vogel schoss der Co-Parteivorsitzende Bernd Riexinger ab. „Präsidenten anderer Länder hätten Worte gefunden, als 4500 Nazis Angst und Schrecken verbreiten. Unser(er) macht Parteipolitik“, twittert Riexinger. Hätte er doch bloß noch ein bisschen gewartet mit seiner Twitter-Nachricht und sich erstmal das komplette Interview angeschaut. Denn Gauck ist in diesem Interview in der Berliner Gethsemanekirche sehr viel ausführlicher auf die Hooligans in Köln eingegangen als auf die Linkspartei in Thüringen.

Hätten Riexinger und Co. tatsächlich abwarten sollen? Die Tagesschau hat doch entschieden, welche wichtigen Äußerungen vorab veröffentlicht werden. Offenbar fanden die Journalisten die ausführlichen Bemerkungen Gaucks zu den Krawallen in Köln nicht so bedeutsam wie seine Meinung zur Regierungsbildung in Thüringen. Warum, liebe ARD-Redaktion?

Weil die Debatte über einen rechten Mob in Köln nicht soviel Klicks und Reaktionen verspricht, wie das Reizthema Vergangenheitsbewältigung in der Linkspartei? Vielleicht sollte sich die ARD mal dieser Debatte stellen und die Frage erörtern, ob sie ihrem Programmauftrag noch gerecht wird, wenn sie vergiftete Köder auswirft, um jene Fische an den Haken zu bekommen, die ihr bei bisherigen Angelversuchen (Interviews) durch journalistische Inkompetenz immer wieder entwischten.


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Zur Unterstellung, Gauck habe ja nur Kritik geübt

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Gaucks Helfer in den Medien glauben, der Bundespräsident habe lediglich Kritik und eine politische Meinung geäußert. Das tat er aber nicht, weil er zum Regierungsprogramm des möglichen rot-rot-grünen Bündnisses gar keine Stellung nahm.

Wie zu erwarten, haben die Aussagen Gaucks eine weitere Kontroverse unter den Schreibenden ausgelöst. Während Heribert Prantl recht klar bei seiner ablehnenden Linie bleibt, und Gauck einen Präsidenten nennt, der aus der Rolle fällt, äußern andere Kommentatoren Verständnis für die Haltung des obersten Grußaugusts. Deren Argumente vermögen aber nicht zu überzeugen, weil sie das Wahlergebnis konsequent ignorieren und dem Staatsoberhaupt zudem unterstellen, er hätte bloß Kritik geübt sowie eine politische Aussage getätigt. Das tat er aber nicht.

Warum nicht? Weil Joachim Gauck zu dem Ergebnis der Sondierungsgespräche gar nicht befragt worden war. Das hätte Deppendorf aber tun müssen, wenn er etwas über die politische Meinung des Bundespräsidenten hätte erfahren wollen.

Wäre die politische Meinung des Bundespräsidenten tatsächlich von Interesse gewesen, hätte sich Gauck zu Punkten wie Investitionen in Sportanlagen, Abschaffung des Landeserziehungsgeldes und dafür Einführung eines beitragsfreien Kita-Jahres äußern und erklären müssen, was er dagegen einzuwenden habe oder dagegen, den unter anderen Regierungen außer Kontrolle geratenen Verfassungsschutz, der rechte Straftaten mit V-Leuten unterstützt hat, zurecht zu stutzen.

Abneigung ist keine politische Meinung

Dem Fragensteller Deppendorf scheint auch nicht aufgefallen zu sein, dass sich in der Zusammenfassung der Sondierungsgespräche ein Punkt wiederfindet, der Gauck unbedingt gefallen müsste. „Thüringen arbeitet die DDR-Geschichte auf und unterstützt die Opfer des DDR-Unrechts“. Eine Regierung unter einem linken Ministerpräsidenten will also die Opferberatung finanziell besserstellen und die Gedenkstätten baulich instandsetzen und dazu die wissenschaftliche Aufarbeitung der DDR Geschichte vorantreiben.

Was Gauck dagegen haben könnte, erfahren wir nicht. Dennoch wird behauptet, das Staatsoberhaupt hätte ja nur eine politische Meinung getätigt. Nein, er hat seiner grundsätzlichen Abneigung Ausdruck verliehen und damit bewiesen, dass er weder zu einer politischen Meinung fähig ist noch die Eignung zum Staatsoberhaupt besitzt. Bei der Vertuschung dieses peinlichen wie offensichtlichen Mangels erhält Gauck nun wieder Schützenhilfe.

In vielen Wortmeldungen ist daher von dem SED Erbe zu lesen, mit dem der ein oder andere oder alle ein Problem hätten, die in der DDR gelebt haben. Einen Beleg dafür bleiben aber auch die Kommentatoren schuldig. Sie sagen einfach, Gauck war Ossi und Widerstandskämpfer und wisse es daher am besten. Demnach weise Gauck zurecht auf die Bauchschmerzen der Opfer hin. Doch um die Opfer scheint es nicht zu gehen, sondern eher um die Lust an der Provokation.

Gauck sorgt sich um die Bauchschmerzen der Wahlverlierer

Denn wer Gaucks Charakter kennt – er war ja nicht immer der nette Präsident zum Anfassen – weiß wie sehr er die herablassende Verurteilung und das Vorführen seiner ausgesuchten Opfer mochte. Deshalb schreiben einige auch verwundert, Gauck mache sich nichts aus der Kritik. Richtig, weil er fest damit gerechnet hat.

Er sucht die Konfrontation um seiner selbst willen. Er benutzt die Opfer des SED Regimes, um seiner persönlichen Eitelkeit Ausdruck zu verleihen und das Ergebnis einer Wahl zu desavouieren. Eine Wahl, zu der kaum einer hingegangen ist und die dennoch ein Ergebnis brachte. Eines, das vielen nicht schmeckt.

Die Frage ist daher, welche Bauchschmerzen Gauck tatsächlich meint. Die der SED Opfer oder die der Abgewählten, die glauben die Staatskanzleien dieser Republik auf ewig gepachtet zu haben. Er äußert daher keine politische Meinung, sondern lässt sich vor einen parteipolitischen Karren spannen. Souverän wirkt das nicht.

Gaucks Claquere ahnen das und versuchen mit einem medialen Ablenkungsmanöver sowie stinkenden roten Socken über die Unzulänglichkeiten ihres Präsidenten hinwegzutäuschen. Die Linke scheint jedenfalls deutlich regierungsfähiger zu sein als der Bundespräsident in der Lage zu repräsentieren.


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Lasst Gauck links liegen!

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Wenn sich zwei alte Betonköpfe in einer Kirche treffen, um 25 Jahre nach dem Fall der Mauer miteinander Vorurteile auszutauschen, ist statt hinhören, abschalten oder mitlachen angesagt. Von Bedeutung ist das aber nicht.

Der Bundesbürgerpräsident hat Bedenken gegen einen linken Ministerpräsidenten geäußert. Das schürt den Zorn, was aber vollkommen überflüssig ist, wenn man weiß, dass Gauck eigentlich nichts zu sagen hat. Er ist nur Grußonkel, den einige, wie Berliner Journalisten vom Schlage Deppendorf dennoch für besonders wichtig halten und sich deshalb in einer Kirche zum Gespräch treffen, um lieb gewonnene Vorurteile auszutauschen. Zwei Deppen unter sich.

Roberto De Lapuente hat mal treffend geschrieben, Gauck sei ein Präsident von gestern, der im Heute überfordert ist und diese Überforderung mit eloquenter Rhetorik vertuscht. Mit anderen Worten, er ist ein Dummkopf, der mit seiner Sprache die Dummheit nur zu überspielen versteht. Sowohl in der Fragestellung Deppendorfs wie auch in der Antwort des Bundespräsidenten wird deutlich, dass die Mauer in beiden Köpfen nie gefallen, sondern immer wieder neu errichtet worden ist.

Dass Deppendorf es nicht besser weiß und eine Frage stellt, die mal wieder die Linke als alleinige Trägerin eines SED Erbes stigmatisiert, ist bekannt. Dass Gauck darauf hereinfällt und sich zu einer persönlichen Äußerungen verleiten lässt, weil er sich in der Gemeinschaft der Deppen sicher fühlt, die er mit „viele andere auch“ umschreibt, war zu erwarten und unterstreicht die Überforderung eines Präsidenten, der sein Amt einst als Lehrling mit fürstlichen Bezügen und Aussicht auf lebenslangen Ehrensold antrat.

Würde er die Beschreibung zur Amtsführung des Bundespräsidenten kennen, die auf der Internetseite seines Hauses zu finden ist, er hätte es beim Respektieren des Wählerwillens belassen sollen, anstatt darüber Kenntnis zu heucheln, was Menschen in seinem Alter, die die DDR miterlebten, nun denken und fühlen würden. Ein Anwalt vor Gericht würde sagen, dass so etwas unmöglich ist. Ein Demoskop würde sagen, dass es einfach nicht stimmt, da Befragungen das Gegenteil beweisen.

Gauck hat das Klassenziel noch immer nicht erreicht. Er bleibt eine peinliche Nummer, die sich hinter Beliebtheitswerten und den Zuspruch jener Eliten versteckt, die ihn in einem überstürzten Akt üblichen Geschachers ungewaschen ins Amt hievten. Er ist ohne Kontakt zur Außenwelt, glaubt sie aber zu kennen, weil eine breite Mehrheit der Bundesversammlung ihn einst zum Präsidenten kürte.

Nur ihr fühlt er sich offenbar verpflichtet. Nur von ihr lässt er sich vorschreiben, was er zu sagen hat. Daher lasst ihn reden über Gott und die Welt. Hört hin oder hört weg. Lacht lieber über zwei alte Herren, die in einer Kirche sitzen und sich 25 Jahre nach dem Fall der Mauer an einem intellektuellen Gespräch versuchen. Lasst sie einfach sitzen oder noch besser links liegen.


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Noch mehr Peitsche für Arbeitslose

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Die Idee, eine Prämie an besonders bemühte Langzeitarbeitslose zu zahlen, ist nur der Entwurf für ein weiteres schäbiges Kapitel im Buch der gescheiterten Arbeitsmarktpolitik.

Weil das mit der Agenda 2010 und den sogenannten Strukturreformen so gut geklappt hat, will die Unionsfraktion im Bundestag künftig Prämien an Langzeitarbeitslose verteilen, die sich „besonders eifrig um eine erfolgreiche Rückkehr in den unsubventionierten Arbeitsmarkt bemühen“, schreibt die FAZ, der ein Positionspapier der Fraktion vorliegt. Damit sollen positive Anreize jene Sanktionen ergänzen, an denen natürlich nicht gerüttelt werden darf. Was auf den ersten Blick wie eine humane Kehrtwende aussehen mag, ist in Wirklichkeit das Eingeständnis eines Scheiterns.

Denn die angeblich so erfolgreichen Hartz IV-Reformen wirken nicht. Bis heute glaubt die Politik, das die Androhung von Leistungskürzung den Arbeitslosen diszipliniere und auf den Pfad zurück in den ersten Arbeitsmarkt führe. An der Zahl der Langzeitarbeitslosen hat dieses menschenverachtende Regime allerdings nichts geändert. Das Prinzip wirkt ausschließlich bei den Noch-Beschäftigten, die Arbeitslosigkeit fürchten und daher jene Bedingungen akzeptieren, die ihnen der Arbeitgeber diktiert.

Zweck der sogenannten Arbeitsmarktreform war auch nicht die Arbeitslosigkeit zu senken, sondern die Position der Unternehmen zu stärken, den Anstieg der Lohnstückkosten zu drosseln und damit einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil zu erzielen. Dass die Zahl der Arbeitslosen dennoch sank, war nicht die Folge eines Jobwunders, wie gern behauptet wird, sondern das Ergebnis von Änderungen bei der statistischen Erfassung von Erwerbslosigkeit.

Die Brücke ist längst eingestürzt

Es ist hinlänglich bekannt, dass die Statistik geschönt, die Zahl der Langzeitarbeitslosen aber unverändert und die Brücke in den ersten Arbeitsmarkt längst eingestürzt ist. Was können Prämien an diesem grundsätzlichen Problem ändern? Nichts, der Vorschlag lenkt aber von den Ursachen des Dilemmas ab. Erfolgreiche Arbeitsvermittlung findet heutzutage nur noch bei Ex-Ministern statt, die ohne Kompetenz auf Spitzenpositionen in der deutschen Wirtschaft wechseln, um mit dem Geschäfte zu machen, was sie als Regierende oder Abgeordnete in die Wege leiteten.

Für Langzeitarbeitslose steht dieser Weg natürlich nicht offen, trotz angeblichen Jobwunders und eines Fachkräftemangels, der immer wieder beklagt wird. Langzeitarbeitslose, die sich nach den Vorstellungen der neoliberalen Minderleister vorbildlich verhalten, bekommen dann im Prinzip eine Art Aufwandsentschädigung für eine Leistung, die ihnen die zuständigen Behörden schon längst nicht mehr bieten können. Eine mehr oder weniger sinnlose Eigeninitiative ersetzt fehlende Vermittlungsangebote und eine Förderung, die dem Sparhammer ganz bewusst zum Opfer fiel.

Die erfolgreiche Rückkehr in den Arbeitsmarkt bleibt weiterhin verbaut, da sich an der Politik der Profitmaximierung nichts ändern wird. Diese erfordert eine geschwächte Arbeitnehmerschaft, die sich mit der Aussicht auf ein Leben in prekärer Beschäftigung wie Leiharbeit gefälligst zufrieden geben soll. Das Modell fördert allerdings Perspektivlosigkeit und Wut. Die Neoliberalen fürchten das und versuchen sich mit der Prämien-Idee einerseits freizukaufen und andererseits den Klassenkampf im Armenhaus in eine genehme Bahn zu lenken.


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Und täglich grüßt das Murmeltier

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Privater Konsum im Wandel einer Woche: Vom unbelegten Hoffnungsschimmer zum größten Umsatzeinbruch seit Jahren. Alle tun zu Unrecht überrascht.

Vor einer Woche sahen die Medien noch einen Hoffnungsschimmer für die Konjunktur. Denn der GfK-Index stieg erstmals wieder. Trotz der internationalen Krisen habe sich die Laune der deutschen Verbraucher aufgehellt, hieß es. Nachdem das Statistische Bundesamt heute seine monatlichen Zahlen zu den Umsätzen im Einzelhandel veröffentlicht hat, herrscht weiter unten in den Nachrichten Katzenjammer. „Größter Umsatzeinbruch seit Jahren“, ist da jetzt zu lesen. Überraschend ist das aber nicht.

Wer das Murmeltier kennt, weiß auch, dass es täglich von neuem grüßt. Nur die Medien begreifen es nicht, dass der gefühlte Konsumklimaindex der GfK (Gesellschaft für Konsumforschung) keinerlei Aussage zum Kaufverhalten tätigt, sondern ähnlich unwissend ins Blaue schießt, wie die Wirtschaftsweisen mit ihren teuren Gutachten zweimal im Jahr.

Nun wirken alle wieder überrascht. Die Rahmenbedingungen seien doch gut. „Die Arbeitslosigkeit ist so niedrig wie seit drei Jahren nicht mehr, die Beschäftigung auf Rekordhoch, die Löhne steigen deutlich stärker als die Preise und erhöhen die Kaufkraft“, heißt es bei der Tagesschau. Vielleicht stimmt ja etwas mit der Bewertung der Rahmenbedingungen nicht?

Richtig hinschauen, hilft beim Sehen

Möglicherweise ist die Arbeitslosigkeit nicht so niedrig wie behauptet, sondern nur die Zahl, die vorgibt, sie zu messen. Möglicherweise ist die Beschäftigung ja auf einem Rekordhoch. Doch was heißt das schon, wenn nicht klar ist, wie viel Arbeitsstunden diese Beschäftigung umfasst. Möglicherweise sind die Löhne „deutlich“ gestiegen. Nur wieso liegt dann die Lohnquote rund fünf Prozentpunkte niedriger als im Jahr 2000?

Mag das vielleicht daran liegen, dass die Gewinneinkommen seit 2000 um rund 66 Prozent gestiegen und die Bruttoentgelte der Arbeitnehmer im gleichen Zeitraum lediglich um 27 Prozent zulegten? Das macht preisbereinigt einen Anstieg in 14 Jahren um gerade einmal 1,8 Prozent. Mag es vielleicht daran liegen, dass der Beschäftigungszuwachs vor allem dort zu verzeichnen ist, wo in Teilzeit mit vergleichsweise schlechter Bezahlung gearbeitet wird?

Ist es nicht eher so, dass sich sechs Prozent mehr Beschäftigte eine nur geringfügig höhere Lohnsumme teilen, was unterm Strich dazu führt, dass die Arbeitnehmerentgelte je Beschäftigten statt deutlich gestiegen eher deutlich gesunken sind? Statistiken muss man schon richtig lesen können, um nicht ständig Gefahr zu laufen, von der Realität überrascht zu werden.

Laut IAB-Berechnungen sind im Zeitraum von 2000 bis 2013 rund 1,7 Millionen Vollzeitstellen weggefallen und dafür 4,2 Millionen Jobs in den Bereichen Leiharbeit, Teilzeit, Minijobs, 1 Euro Jobs und Solo-Selbstständige entstanden. Wer diese Entwicklung kennt, wird sich nicht wundern, dass das wenige Geld der Verbraucher nicht mit vollen Händen ausgegeben werden kann.

Doch das interessiert die Überraschten nicht. Sie freuen sich aufs Weihnachtsgeschäft, das den erhofften Schub schon bringen wird. Sie verteilen Durchhalteparolen und Fotos mit vollen Konsumtempeln. Das Murmeltier wird dann nach dem Fest wieder zu sehen sein, wenn klar ist, das auch dieses Jahr wieder genauso beschissen verlaufen ist, wie das davor und das davor und das davor.

Quellenangabe: Die Daten zur Lohnentwicklung habe ich aus den Dossiers von Michael Schlecht entnommen, MdB, Wirtschaftspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion Die Linke.


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Politik will Luft anhalten bis es besser wird

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Die Bundesregierung plant zur Abwendung der sich verschärfenden Krise nichts und glaubt mit einer Mischung aus Kürzungen, Neuverschuldungsverbot und Sanktionen die Wende zum Guten schaffen zu können. Eine verrückte Einstellung.

Die verschärften Sanktionen haben deutsche Exporte nach Russland einbrechen lassen. Wie das Statistische Bundesamt mitteilt, sanken die Ausfuhren im August im Vergleich zum Vorjahresmonat um mehr als 26 Prozent. Auch die EU rechnet mit einer dämpfenden Wirkung, allerdings seien die Auswirkungen auf die russische Wirtschaft immer noch stärker. Deshalb, so die Überzeugung der Brüsseler Kommission, machen die Sanktionen auch weiterhin ökonomisch Sinn. Eine verrückte Einstellung.

Sanktionen schaden der Wirtschaft hüben wie drüben. Das steht fest. Wie aus einem Prozedere, das alle Beteiligten in einen Abwärtsstrudel reist, ein positives Ergebnis entstehen soll, ist nicht nur unklar, sondern auch unlogisch. Vor allem die vom Export abhängige deutsche Wirtschaft leidet. Nach Auffassung der Bundesregierung muss sie das aber in Kauf nehmen, damit Russland seine Haltung ändert. Mit anderen Worten: Wir halten solange die Luft an, bis Putin einlenkt.

Keine Impulse mehr

Dieses infantile Gehabe funktioniert schon im Sandkasten nicht. Auf großer politischer Bühne ist es sogar gefährlich. Denn Europa inklusive Deutschland taumelt in die nächste Rezession. Wer neben verordneter Kürzungspolitik und Neuverschuldungsverbot auch noch den Handel mit verbliebenen Partnern aussetzt, darf sich über konjunkturelle Einbrüche nicht wundern. Die deutsche Wirtschaft braucht bisher 200 Milliarden Euro Auslandsverschuldung, um nur ein bisschen zu wachsen.

Das allein hat mit solider Wirtschaftspolitik schon nichts zu tun. Aber bricht auch dieser Impuls weg, bleibt in Deutschland nichts mehr übrig, das für Impulse sorgen könnte. Die ständig gefeierte Binnennachfrage? Ein Witz, in Wirklichkeit stagniert sie seit Jahren. Da würde nicht mal das bevorstehende Weihnachtsgeschäft helfen, das uns von den Medien auch in dieser Adventszeit wieder als Zugpferd mit Bildern voller Einkaufspassagen präsentiert werden wird.

Nach allen vorliegenden Prognosen ist es vielmehr so, dass private Haushalte auch im kommenden Jahr versuchen wollen, 150 Milliarden Euro neu zu sparen. Das kann man ihnen nicht vorwerfen, werden sie ja permanent damit traktiert fürs Alter vorzusorgen. Zuletzt auch wieder vom Sparkassenverband, der sich darüber wunderte, dass vor allem Menschen mit geringen Einkommen die Vorsorge vergessen.

Fehlschlag und fehlende Einsicht

Nur werden auch diese Sparversuche nichts bringen, wenn auf der anderen Seite die Schuldner fehlen. Das wird auch der Bundesfinanzminister erkennen müssen, der noch immer an den Erfolg einer Strategie glaubt, die sich „wachstumsfreundliche Konsolidierung“ nennt. Kurz: Schwarze Null. Was in der theoretischen Vorstellung schon unvernünftig ist, wird ohne Wachstum auch in der Praxis wieder zu einem Fehlschlag werden.

Die angebliche Wachstumslokomotive stockt. Neben dem Handelskrieg mit Russland, bleibt auch die Investitionstätigkeit in Deutschland weiterhin schwach, trotz der hohen Gewinne, die in den vergangenen Jahren auf der Kapitalseite entstanden sind. Unternehmen schwimmen förmlich im Geld und investieren trotzdem nicht, weil es eben keine Nachfrage gibt. Auch das ist eine Wahrheit, die bei politischen Entscheidungsträgern zu keinerlei Erkenntnis führt.

Sie halten weiterhin an dem Dogma fest, die Investitionsbedingungen nur verbessern zu müssen, etwa durch Steuererleichterungen oder ganz neu, durch das Versprechen, höhere Renditen für privates Kapital zu zahlen, falls dessen Besitzer das Geld zur Verbesserung der maroden Infrastruktur zur Verfügung stellen. Schäuble hat mal gesagt, er wolle ein guter Kaufmann sein. Da er öffentliche Schulden billiger haben kann als einen privaten Fonds, wird er nicht mal diesem falschen Anspruch gerecht.

Die Bundesregierung braucht keine echten und keine falschen Kaufleute, sondern Menschen mit volkswirtschaftlichem Sachverstand. Die würden erkennen, das die bisherige Politik einen enormen Schaden anrichtet, statt diesen zu vermeiden, wie es eigentlich in der Verfassung steht und mit Amtseiden geschworen wird.


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Niederlegung der Gedankenarbeit

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Der Deutsche hat nur einen Wunsch. Er will mit der Bahn, die schon lange nur noch voraussichtliche Ankunftszeiten in ihre Fahrpläne schreibt, zu seiner Arbeit gelangen können, von der er selbst kaum noch leben kann.

Wer streikende Lokführer vermeiden will, muss die Bahn als öffentlichen Dienst organisieren, mehr Personal beschäftigen, für ordentliche Arbeitsbedingungen sorgen und eingestehen, dass es falsch war, ein Unternehmen der Daseinsvorsorge privaten Kapitalmarktinteressen auszuliefern. Nicht die Lokführer oder die GdL sind Schuld an der Misere, sondern ein auf den Profit ausgerichtetes Unternehmen, das nun darauf hofft, dass ihm die Politik mit einem Gesetz zur Einschränkung des Streikrechts zu Hilfe kommt.

Wer angesichts der Bahnstreiks einmal zurückblickt, wird sich vielleicht noch an den Flächentarifvertrag und starke Gewerkschaften erinnern, die auf Augenhöhe mit den Arbeitgebern verhandelten und deshalb, unter anderem von Guido Westerwelle, zum Grundübel der Gesellschaft erklärt wurden. Das Ziel war damals, betriebliche Bündnisse und Öffnungsklauseln zu schaffen, die es besser ermöglichen sollten, für einen Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen zu sorgen.

Folgen des neoliberalen Deals

Das war freilich nur ein Feigenblatt im anbrechenden Agendazeitalter, in dem die Arbeitgeber als Sieger vom Platz gehen sollten. Schluss mit Umverteilung, Schluss mit Arbeitnehmerrechten und Schluss mit dem Sozialstaat. Die Aufweichung des Flächentarifvertrags bot die Chance zur Kostenreduktion. Eine kleine Gruppe von Lobbyisten, Beratern und Berufsaufsichtsräten sah eine günstige Gelegenheit, ihren eigenen neoliberalen Deal in die Tat umzusetzen.

Die Arbeitskämpfe der GdL-Mitglieder sind nun ein Ergebnis dieses Prozesses. Die kleine Spartengewerkschaft war jahrelang ein friedlicher Partner in der Tarifgemeinschaft rund um die Deutsche Bahn, ja beinahe unauffällig. Doch dann kamen die üblichen Zumutungen neoliberaler Arbeitgeberlogik. Personalabbau, Mehrarbeit und weniger Gehalt. Die Berufsgruppe der Lokführer wehrte sich. Sie begriff sehr schnell ihre Schlüsselposition.

In den Jahren 2007/2008 folgte ein bis dahin unbekannter Schlagabtausch zwischen dem Chef der GdL, Manfred Schell, und der zu diesem Zeitpunkt amtierenden Arbeitsdirektorin bei der Bahn, Margret Suckale, von der man heute noch sagt, sie hätte etwas mit dem Datenskandal zu tun. Die Bahn trickste, schaltete teure Anzeigen in Zeitungen und verschwendete Ressourcen für Anwälte, die ein Verbot von Arbeitskämpfen gerichtlich erzwingen sollten. Die Bahn drang auf die Einhaltung der Tarifeinheit, die den damaligen Chef von Transnet, Norbert Hansen, übrigens direkt in den Vorstand der Deutschen Bahn spülte.

Empörte Öffentlichkeit

Die Öffentlichkeit war empört. Nein, nicht über den Wechsel von Hansen, sondern über eine kleine Gewerkschaft, die der gesamten Volkswirtschaft vermeintlich auf der Nase herumtanzte und dadurch einen beträchtlichen Schaden anrichtete. Dabei sind diese Schäden vergleichsweise gering als jene, die eine kleine Gruppe von Lobbyisten, Beratern und Berufsaufsichtsräten zu verantworten hat, die sich nicht nur für arbeitgebernahe Tarifpolitik interessiert, sondern nebenbei auch auf gut bezahlten Posten in anderen Branchen hockt. Bei Banken zum Beispiel, die der Steuerzahler später mit Milliarden Euros retten musste.

Doch zurück zum Grundsatz der Tarifeinheit. Er schließt das wirk­sa­me Be­ste­hen meh­re­rer, mit­ein­an­der kon­kur­rie­ren­der Ta­rif­ver­trä­ge überhaupt nicht aus. Die Rechtsauffassung ist da ziemlich eindeutig. Es kann aber auch ein gültiger Tarifvertrag einen anderen verdrängen, sofern die Belange der Beschäftigten darin Berücksichtigung finden. Das strebt die GdL in diesem Jahr an. Sie will auch für die Zugbegleiter verhandeln und über ein besseres Ergebnis sicherlich auch Mitglieder hinzugewinnen. Dieses Konkurrenzprinzip müsste ja gerade den marktliberalen Vordenkern gefallen.

Tut es aber nicht. Sie sprechen weiter von einer Aufsplitterung der Tarifverträge, die sie in der Theorie einst ganz toll gefunden haben. Streng genommen setzt sich die GdL aber für die Tarifeinheit ein, in dem sie Beschäftigte anderer Berufsgruppen ebenfalls vertreten will. Dennoch fordern die Gegner nun ein Gesetz zur Tarifeinheit, das in Wahrheit ein Gesetz zum Verbot von zulässigen Arbeitskämpfen werden soll. An der Bahnsteigkante findet so eine verfassungswidrige Position offensichtlich breite Unterstützung.

Solidarität weicht der Gleichgültigkeit

Zumindest legt es die Berichterstattung nahe, die wie immer verärgerte Reisende einspielt, statt aufzuklären, warum es zu Tarifkonflikten kommt, welche Funktion Streiks haben und warum der Organisationsgrad von Arbeitnehmern in Deutschland in Wirklichkeit erschreckend gering ist. Wo ist die gesellschaftliche Solidarität geblieben? Sie ist offenbar längst der neoliberalen Gleichgültigkeit gewichen, die alle, die an der Bahnsteigkante zurückbleiben, miteinander verbindet.

Die fühlen sich aber kollektiv im Stich gelassen und wenden ihre Wut gegen Streikposten oder Servicekräfte der Bahn, die informieren wollen. Die GdL scheint ohnehin unten durch, weil sie es wagt, Streiks vom Zaun zu brechen, die andere unmittelbar zu spüren bekommen. Damit müsse Schluss sein, wie mit der Umverteilung, den Arbeitnehmerrechten und dem Sozialstaat. Was ist erfolgreicher? Der Streik der Lokführer oder die Niederlegung der Gedankenarbeit?

Der Deutsche hat nur einen Wunsch. Er will mit der Bahn, die schon lange nur noch voraussichtliche Ankunftszeiten in ihre Fahrpläne schreibt, zu seiner Arbeit gelangen können, von der er selbst kaum noch leben kann. Er hat schließlich viel zu tun, nachdem Mitarbeiter, Weihnachtsgeld und bezahlte Pinkelpausen über die Jahre hinweg gestrichen worden sind. Und weil das so ist, dürfen es andere auch nicht besser haben, so scheint es.


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Uschis externe Berater halten Lieferfrist ein

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Die Bundesverteidigungsministerin erteilt drei externen Beratungsfirmen den Auftrag, ein Gutachten über die Bundeswehr zu erstellen. Auf die Ergebnisse hätte von der Leyen allerdings auch selbst kommen können. Das hätte dann nur nicht so schön nach Arbeit ausgesehen.

Kennen Sie den wahren Witz von der McKinsey-Studie? Volker Pispers hat den im Jahr 2004 mal erzählt. Die tolle Beraterfirma wollte wissen, warum Lidl und Aldi so erfolgreich sind. Ein halbes Jahr hat McKinsey intensiv geforscht und ist dann zu dem Ergebnis gekommen: Es liegt am Preis.

Volker Pispers zu der Frage, warum Lidl und Aldi so erfolgreich sind.

So ähnlich müssen Sie auch die Meldung verstehen, die seit gestern im Umlauf ist und von einem Gutachten spricht, das Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen bei der Unternehmensberatung KPMG, der Ingenieurgesellschaft P3 und der Kanzlei Taylor Wessing in Auftrag gegeben hat. Dieses fachlich qualifizierte Konsortium sollte herausfinden, was bei der Bundeswehr so alles schief läuft. Ein völlig überraschendes Ergebnis lautet nun, die Bundesregierung habe sich von der Industrie über den Tisch ziehen lassen.

Da hätte man ohne professionelle Beraterhilfe wohl nicht drauf kommen können. Vielleicht mit gesundem Menschenverstand. Aber den hat Ursula von der Leyen schon als Sozialministerin in Niedersachsen sowie als Familien- und Arbeitsministerin im Bund beiseite geschoben. So ein gesunder Menschenverstand sieht ja auch nicht nach Arbeit aus. Der braucht nämlich kein halbes Jahr und sündhaft teure Honorare, um zu einem Ergebnis zu kommen, das irgendwie offensichtlich ist.

Jetzt kann von der Leyen aber wieder Entschlossenheit demonstrieren und zum Beispiel mehr Geld für das Militär fordern. Das ist auch bitter nötig, nachdem gleich drei Beratungsgesellschaften bezahlt werden müssen. Mit über den Tisch ziehen hat das aber nichts zu tun. Zwar wurde auch hier Steuergeld verpulvert, doch immerhin die Lieferfrist des Gutachtens eingehalten. Das mag wohl auch daran liegen, das Ministerin von der Leyen mit Katrin Suder seit 1. August 2014 eine Unternehmensberaterin von McKinsey als Staatssekretärin im Haus beschäftigt. Und das ist kein Witz.


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