Grundrechenarten

Geschrieben von:

Reicher Mann und armer Mann, standen da und sahn sich an. Und der Arme sagte bleich: “wär ich nicht arm, wärst du nicht reich.”

Bertolt Brecht hat mehr von Volkswirtschaft verstanden, als 90 Prozent der deutschen Ökonomen oder führende Politiker, die als Abgeordnete des deutschen Bundestages oder als Regierung über Maßnahmen entscheiden, die unser aller Schicksal bestimmen.

In dieser Woche erreichten uns neue Zahlen zur Vermögensverteilung, die eigentlich niemanden überraschen dürften. Daneben tobt die Rentendebatte, in deren Schlepptau eine neuerliche PR-Offensive der Versicherungslobby folgt. Selbst diesen unbedeutenden Blog erreichen Mails von irgendwelchen Agenturen, deren Texte und Grafiken über tolle Anlagemöglichkeiten zur Vermeidung von Altersarmut ich doch gern verwenden könne.

Die große Volksverdummungs-Stiftung mit Namen Warentest veröffentlicht wieder Berichte über Riester-Renten und stellt völlig überraschend fest, dass nur 5 von 29 Policen im Sinne der Versicherten “gut” seien. Man fragt sich verwundert, was unabhängig vom Sinn der Riester-Rente aus der staatlichen Zertifizierung geworden ist, die angeblich all diesen Verträgen geprüfte Seriosität verleihen sollte. Es wird einfach weiter manipuliert und dummes Zeug erzählt.

Heiner Flassbeck hat unterdessen herausgefunden, dass die Sparquote der privaten Haushalte seit der Einführung der Riester-Rente im Jahr 2002 praktisch unverändert geblieben ist. Messerscharf kombiniert der Ökonom:

“Der Staat hat mehr als zehn Milliarden an Subventionen dafür ausgegeben, dass die Haushalte Ersparnisse, die sie ohnehin gehalten hätten, teilweise durch Riester-Produkte ersetzt, insgesamt aber weniger gespart haben. Sinnloser kann eine Subvention nicht sein.”

Es ist doch vollkommen klar, dass die Versicherungsbranche bei solch einem Befund leicht in Panik gerät und ein Versiegen der vom Staat am Sprudeln gehaltenen, kommerziell sehr lukrativen Ölquelle befürchtet. Denn im Gegensatz zu den Politikernasen beherrschen die Damen und Herren Finanzvertreter die Grundrechenarten und setzen sie für ihre Zwecke ein.

Möglicherweise könnte ja ein Blitzerwarner helfen, um die Zunahme absurder Entscheidungen zu verhindern. Geblitzt wurde auf der herbstlichen Sommerpressekonferenz der Bundeskanzlerin ja viel. Doch relativ unbemerkt und unwidersprochen durfte sie Unglaubliches in die Notizblöcke diktieren:

“Wegen der sehr hohen Verschuldung sind die Finanzmärkte in Sorge, ob wir die Schulden jemals zurückzahlen können.” Deshalb müssten die Ausgaben für den öffentlichen Sektor in vielen Euro-Staaten zurückgeschnitten werden, auch wenn dies in einer Übergangsphase sicher zu “negativen Wachstumsimpulsen” führe, sagte Merkel. Dafür zeige sich etwa in Spanien und Portugal aber bereits, dass durch den eingeschlagenen Reform-Kurs wieder Arbeitsplätze in der Industrie- und Exportwirtschaft entstünden.

Quelle: Reuters

Ihr blute übrigens das Herz, weil vor allem die Griechen mit niedrigem Einkommen unter der Krise zu leiden hätten. Die Sorge der Finanzmärkte wiege aber schwerer und der Hunger, den die Menschen im angeblich wieder aufstrebenden Portugal verspüren und der sie deshalb zu Tausenden auf die Straße treibt, scheint bei Frau Merkel und den Hauptstadtjournalisten in Berlin noch nicht angekommen zu sein. Der Reform-Kurs wirke ja, so die Botschaft. Wen interessieren schon die Realitäten. Zum Beispiel, dass Portugals Wirtschaft in diesem Jahr um weitere 3,3 Prozent geschrumpft und die Arbeitslosigkeit auf das Rekordniveau von 15,7 Prozent angestiegen ist.

Das sei ja nur eine Übergangsphase mit “negativen Wachstumsimpulsen”. Aha. So etwas kann Frau Merkel, kann auch jeder andere heute einfach sagen, ohne das jemand die betreffende Person für einen Schwachkopf oder eine Schwachköpfin hält. Wie gut, dass es da noch ehemalige Finanzminister gibt, die mit “frischen Konzepten” zur Regulierung der Kapitalmärkte aufwarten. Bei der Vorstellung der Steinbrück-Biografie – ich dachte, die hätte Su-Peer schon mit dem Buch “Unterm Strich” abgeliefert – rührt ein weiterer Ex-Finanzminister (Theo Waigel) die Werbetrommel für den Starökonomen der SPD.

“Ja, er kann es”, sagte Waigel. Nur was? Schach vielleicht? Im vergangenen Jahr hatte diesbezüglich Altkanzler Helmut Schmidt wohl unbeabsichtigt aber dennoch “Zug um Zug” Steinbrücks Schwächen offengelegt. Waigel attestiert ihm nun ökonomischen Sachverstand und das Gerede um die Kandidatenfrage, wer auch immer das für wichtig hält, breitet sich weiter aus.

Dabei hätte ich von allen Kandidaten und der amtierenden Regierung einmal die fünf Konten der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung erklärt bekommen, von denen der oben zitierte Bertolt Brecht offenbar mehr verstanden zu haben scheint.

Professor Bontrup, Sprecher der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik übernimmt:

Auf Konto eins, das sind die privaten Haushalte haben sich zwischen 1991 und 2010 1986,7 Mrd. Euro an Vermögen angesammelt. Das sind im Schnitt rund 100 Mrd. pro Jahr. Wo die gelandet sind, steht im aktuellen Armutsbericht. Auf Konto zwei, das sind die nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften, also produzierende Unternehmen, standen zum selben Zeitpunkt 414,9 Mrd. Euro Schulden, was auch vollkommen normal ist, da Unternehmen für Investitionen Kredite aufnehmen müssen. Auf Konto drei haben die Finanzinstitute, also Banken, Versicherungen und die Bundesbank ein Vermögen von 260,1 Mrd. Euro zwischen 1991 und 2010 angesammelt, was durchaus verwunderlich ist, wenn man das Gerede vom Misstrauen und einer angeblichen Kreditklemme in Erinnerung hat.

Auf Konto vier kommen nun endlich die nächsten Schuldner. Der Staat, also alle öffentlichen Haushalte (Bund, Länder, Kommunen) und die Sozialversicherungen. Sie haben zwischen 1991 und 2010 Schulden in Höhe von 958,9 Mrd. Euro angehäuft. Das sind durchschnittlich rund 48 Mrd. Euro neue Schulden pro Jahr. Wenn man jetzt mal alles zusammenaddiert, fehlt etwas, damit die Bilanz ausgeglichen ist. Und zwar noch weitere Schulden in Höhe von 873 Mrd. Euro. Die sind in Konto fünf verbucht, das die Überschrift “Ausland” trägt. In diesem Konto ist das in diesem Blog immer wieder thematisierte Bilanzungleichgewicht erkennbar. Der Exportweltmeister hat Forderungen in gigantischer Höhe angehäuft. Dafür hat der deutsche Michel nun seinen Gürtel enger geschnallt. 

Zwischen all diesen Konten besteht ein Zusammenhang. Die rund 2 Billionen Euro Vermögen brauchen zwangsläufig einen Schuldner, um überhaupt als Vermögen existieren zu können. Will man also die Schulden abbauen oder neudeutsch bremsen, muss man zwangsläufig auch Vermögen reduzieren oder dessen Vermehrung einbremsen. Da dass aber nicht im Interesse der Vermögenden ist, werden zwischen den Konten allerhand trickreiche Umbuchungen vorgenommen. Meistens fällt dem Konto vier dabei die Rolle des Schurken zu. Allein in den Krisenjahren 2009 und 2010 hat sich die Staatsverschuldung um 72 Mrd. bzw. 82 Mrd. Euro erhöht.

Das musste so sein, weil die Vermögenden ihre Verluste an den Finanzmärkten nicht durch einen Vermögensverlust bezahlen wollten. Die privaten Haushalte haben im Gegenteil im Jahr 2009 ihr Vermögen um zusätzliche 136 Mrd. Euro steigern können. Um das zu realisieren, mussten auf der anderen Seite auch die Schulden in den Konten vier und fünf steigen.

Bei der politisch veranlassten Umbuchung hat übrigens der oben kurz erwähnte und ach so kompetente Ökonom Steinbrück als Finanzminister und Best-Krisenmanager-Ever im Verwendungszweck des Überweisungsträgers  das Wörtchen “systemrelevant” eintragen lassen. Sie erinnern sich? Nun brauchte nur noch eine sprachliche Umdeutung der Vermögenskrise in eine Staatsschuldenkrise zu erfolgen und der Drops war gelutscht.

Es ist übrigens witzig, dass Steinbrücks angeblich bahnbrechendes Konzept den Umbau der Deutschen Bank vorsehen soll. Die Manager müssten sich warm anziehen, heißt es. Wie warm Steinbrück im Herbst 2008 wohl angezogen war, als ihn Ackermann über den Tisch gezogen hat und er kreidebleich mit seiner Chefin Angela vor die Presse trat, um eine Garantie für die Spareinlagen aller Deutschen abzugeben, können wir wohl jenseits des Protokolls in Steinbrücks Biografie nachlesen.

Und morgen suchen wir alle einen Namen für die neue Billig-Airline der Lufthansa.

Gute Nacht.      

7

Die SPD macht sich lächerlich (Teil 2)

Geschrieben von:

In der Rentendiskussion hat sich die SPD zu Verhandlungen mit der Union grundsätzlich bereiterklärt, sofern ein paar Bedingungen erfüllt würden. Die Chancen für einen Kompromiss hält SPD-Chef Gabriel allerdings für sehr gering. Das politische Schwergewicht findet, dass die Löhne endlich wieder steigen müssten, um Altersarmut wirksam zu bekämpfen.

Solange die schwarz-gelbe Regierung den Niedriglohnsektor ausbauen wolle, Leih- und Zeitarbeit nicht vernünftig bezahlt werde und es Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern für die gleiche Arbeit gebe, „solange gibt es keinen Konsens“, betonte Gabriel in der ARD.

Quelle: ARD

Mal abgesehen von der Tatsache, dass es die SPD war, die den Niedriglohnsektor ausgebaut und die Leiharbeit dereguliert hat, setzt Gabriel noch einen drauf. Den Forderungen der Parteillinken und der Jusos, die eine Anhebung des Rentenniveaus fordern, erteilte er eine klare Absage.

Diese Forderung würde rund 30 Milliarden Euro kosten, die die Beitragszahler aufbringen müssten. Zusammen mit Problemen im Bereich der Erbwerbsminderungsrente und den Erwerbstätigen, die zu niedrige Renten hätten, würden sogar Kosten von mehr als 40 Milliarden Euro entstehen. Das sei schlichtweg unbezahlbar.

Wäre die Rentenkasse eine Bank, würde man sagen: „Was, nur 40 Milliarden?“

Vielleicht erinnert sich Gabriel noch an den Finanzmarktstabilisierungsfonds (SoFFin), der in diesem Jahr noch einmal verlängert wurde. Er stützt derzeit Banken mit Hilfen in einer Gesamthöhe von 30,8 Milliarden Euro. Vor vier Jahren erblickte der Fonds binnen einer Woche im deutschen Bundestag das Licht der Welt. Damals sagten auch die Sozialdemokraten ja zu 480 Milliarden Euro.

Unbezahlbar? Diese Frage stellte damals keiner in der SPD, weil alle daran glaubten, dass die Banken systemrelevant seien und deren Rettung alternativlos. Die Rente hingegen ist ein System minderer Relevanz, wie es scheint. In dieser Sache weiß Sigmar Gabriel jetzt schon ganz genau, dass er sie nicht bezahlen kann. Deshalb habe es auch keinen Sinn, eine Wiederherstellung der Rentenformel den Wählern zu versprechen. Doch was will der Vorsitzende der SPD seinen Wählern anbieten? Mal wieder einen Kompromiss mit der CDU?

3

Die "Renten-Uschi" wirbt für private Altersvorsorge

Geschrieben von:

Die überraschende Erkenntnis von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen, wonach vielen Menschen mittelfristig Altersarmut drohe, ist wirklich der Gipfel der Schamlosigkeit. Von der Leyen gibt sogar zu, dass die Rentenkürzung auf 43 Prozent politisch herbeigeführt worden ist. Das sei aber gar keine Fehlentwicklung. Vielmehr böte die Tatsache Anlass zur Sorge, dass viele Geringverdiener, zu denen schon, man höre und staune, Menschen mit einem monatlichen Bruttoeinkommen von 2.500 Euro zählen, zu wenig die private Altersvorsorge nutzen würden.

„Viele realisieren nicht, dass auch sie von Altersarmut bedroht sind, und dass sie zwingend eine zusätzliche Altersvorsorge brauchen, um der Armutsfalle im Rentenalter zu entkommen.“

Quelle: Welt Online

Diese grässliche Frau betreibt schamlos Werbung für Versicherungskonzerne, denen dumme Arbeitnehmer gefälligst ihr Geld hinterherwerfen sollen, damit die Ölquellen der Maschmeyers ja weiter sprudeln können. Hier ein Foto der Hannover-Connection, auf dem jede Person nachweislich irgendwie Dreck am Stecken hat. Nur bei Ursula von der Leyen hat das noch zu keiner politischen Konsequenz geführt. Sie darf weiter als “Renten-Uschi” (Zitat: Dieter Hildebrandt) durch die Gazetten hüpfen.

Die Armutsfalle drohe also durch fehlende private Altersvorsorge und nicht durch eine mutwillig herbeigeführte und völlig überflüssige Zerstörung der Rentenformel, die die Politik unter dem scheinheiligen Argument bevorstehender demografischer Verwerfungen und unter dem Beifall der Versicherungsbranche bestrieben hat. Wie sehr die Rentenkasse unter der Demografie leidet, zeigen die Überschüsse, die man nun, damit das neoliberale Weltbild wieder passt, durch eine Beitragssatzsenkung abermals mutwillig abbauen möchte.

Dabei ist die Rentenkasse das einzige System, das funktioniert. Die ersten 20 Jahre des Lebens profitiert man davon, dann zahlt man 40 Jahre drauf und profitiert anschließend wieder rund 20 Jahre davon. Etwas Gerechteres gibt es nicht, so fern jeder mit einem bestimmten Prozentsatz seines Gesamteinkommen – Mieten, Zinsen etc. zählen auch dazu -zur Finanzierung des Systems herangezogen wird. Basis ist die volkswirtschaftliche Leistungsfähigkeit und der Verteilungsspielraum, der sich aus ihr ergibt. Das kann in einem Jahr mal mehr sein und in einem anderen Jahr mal weniger. Die Rente wird aber nie ganz weg sein, erklärte Volker Pispers einmal sehr einleuchtend.

Ganz anders die kapitalgedeckte Altersvorsorge, deren Beiträge schon zu Beginn der Anlage zu einem erheblichen Teil auf den Konten der Versicherungskonzerne verschwinden. Zwischen 10 und 40 Prozent betragen die Kosten einschlägiger Altersvorsorgeprodukte, weil Werbung und Akquise Geld kosten und Aktionäre vorrangig bezahlt werden wollen. Hier versickern Milliardenbeträge von Beitragszahlern, die sich auf eine sichere Rente verlassen, aber am Ende mit einem dicken Minus ihren Ruhestand genießen dürfen, sofern der Riester-Vertrag nicht mit der Grundsicherung verrechnet wird.

Doch mit dem Versickern hat Frau von der Leyen so ihre Erfahrungen. Die Gelder aus dem Hartz-IV-Bildungspaket verschwinden ebenfalls zweckentfremdet an anderer Stelle, wie vergangene Woche bekannt wurde. Hier habe der Bund keinen Überblick, teilte das Laienspiel Ministerium der verdutzten Öffentlichkeit mit.

Zudem palavert die Arbeitsministerin über den skandalösen Zustand eines breiten Niedriglohnsektors einfach mal hinweg und tut so, als könnten sich Minijobber, Leiharbeiter und befristet eingestellte Erwerbspersonen, kurz: prekär Beschäftigte ein auf Dauer ausgelegtes Altersvorsorgeprodukt leisten. Gerade im letzten Arbeitsmarktbericht wurde doch wieder deutlich, dass rund ein Drittel der offenen Stellen im Bereich der Leiharbeit angesiedelt sind. Wie sollen diese Menschen Vorsorge leisten?

Der Vorwurf der Ministerin, die Betroffenen würden ihre absehbare Altersarmut nicht realisieren, ist eine infame Schweinerei. Da spricht eine Berufspolitikern, die ihre eigene geistige Armut nicht erkennen will. Von der Leyen verschließt ihre Augen vor einer zunehmenden gesellschaftlichen Spaltung wie auch vor steigender Ausgrenzung von immer mehr Menschen. Dafür ist ihr die neue Brille des Aushilfskanzlers Rösler während einer von ihm geleiteten Kabinettssitzung aufgefallen. Fälschlicherweise hatte von der Leyen zunächst angenommen, der Philipp (O-Ton von der Leyen) hätte sich ein neues Image zugelegt, aber dann habe sich im Rahmen der Sitzung herausgestellt, dass die alte Brille nur kaputtgegangen sei und Rösler zu einem neuen Designermodell greifen musste.

6

Plänkeleien im Sommerloch

Geschrieben von:

Von der Vermögenssteuer, die in Deutschland nicht abgeschafft, sondern wie die Wehrpflicht bloß ausgesetzt ist, über einen lächerlich geringen Ehegattensplittingvorteil, der unter viel „Getöns“ gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften mehr oder weniger vorenthalten werden soll, damit die Moralvorstellungen von Sittenaposteln bestehen bleiben können, bis hin zur milliardenschweren Umverteilung durch die Mehrwertsteuer, über die niemand redet, obwohl sie gespartes Einkommen (also Vermögen) schont, hat sich Egon W. Kreutzer im aktuellen Paukenschlag einmal Gedanken um das Steuergeplänkel im Sommerloch gemacht.

Passend dazu lohnt sich aber auch ein Blick auf die Pläne der Sozialministerin Ursula von der Leyen, die den Beitragssatz in der Rentenversicherung mal eben um 0,6 Prozentpunkte absenken will, um auch weiterhin Armutsrenten ab 67 garantieren zu können. Offensichtlich wirft das gesetzliche Rentensystem trotz permanent betriebener politischer Demontage unter dem Vorwand eines dramatisch stattfindenden demografischen Wandels immer noch Überschüsse ab. Die dürfen aber keinesfalls den Rentnern zugute kommen, weil sonst ja der Eindruck entstehen könnte, dass man sich den ganzen Schwachsinn mit der teuren und verlustreichen privaten Altersvorsorge auch sparen könnte, ja müsste.

Da die “Ölquelle” (Zitat: Maschmeyer) der Versicherungsgesellschaften aber weiterhin sprudeln soll, haben nun jene Arbeitnehmer die Chance auf ein “Sozialhilfe plus” im Alter, die jetzt von ihren ohnehin schon niedrigen Einkommen trotzdem noch etwas an Allianz und Co verschenken. Damit würden die Betroffenen bei der Rente aber erneut über den Tisch gezogen. Denn erst findet aus haltlosen demografischen Gründen heraus eine politisch veranlasste Kürzung der Rente statt, die bei vielen kaum mehr das Grundsicherungsniveau übersteigen wird. Und nun sollen die Betroffenen aus ihren bisweilen viel zu niedrigen, aber politisch immer noch tolerierten Einkommen, Geld locker machen, um im Armenhaus später eine privilegiertere Position einnehmen zu können.

Über den Rest des Einkommens, das ja vollständig in die Lebenserhaltung und damit in Konsumgüter des täglichen Bedarfs fließen muss, freuen sich dann wiederum die Versicherungsgesellschaften, denen dank Riesterförderung der Zugriff auf zusätzliche Steuermilliarden erlaubt wurde. Diese, aus Sicht der Bundesregierung absolut notwendige Subvention, macht natürlich Einsparungen an anderer Stelle erforderlich.

Und so folgt nach der angeblich so segensreichen Arbeitsmarktreform “Hartz IV” nun mit Blick auf die sich abzeichnende Altersarmut ein “Beschiss im Quadrat”.

Denn Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble meinte heute in einem anderen Zusammenhang: “Wir halten nichts von Steuergerechtigkeit nach dem Zufallsprinzip.” Doch hält er überhaupt etwas von Gerechtigkeit? Bundesländer, die Steuer-CDs kaufen würden, hätten aus Sicht der Union “jedes Maߔ verloren und nicht etwa die kriminellen Steuerhinterzieher, denen Schäuble mit einer günstigen Nachveranlagung strafrechtliche Amnestie verspricht. Das Land habe ja auch kein Einnahmen- sondern ein Ausgabenproblem, wie es die Gegner des Aktionsbündnisses “Umfairteilen – Reichtum besteuern!” der Öffentlichkeit weismachen wollen. 

umFAIRteilen

Das “Qualitätspersonal” in der Bundesregierung und in den Redaktionen der großen Blätter bestimmt die öffentliche Meinung und das Sommerloch. Da passt es auch, dass der Bundeswehr-Oberst Georg Klein nun wegen seiner Verdienste in den Rang eines Generals erhoben wird. Ein Ministeriumssprecher sagte, der Oberst sei “dafür gut geeignet”. Zudem erfülle er auch alle fachlichen Voraussetzungen. Zu Guttenberg hätte ihn wahrscheinlich lobend als Original im wahrsten Sinne des Wortes bezeichnet.    

0

Ruhestand für alle war gestern

Geschrieben von:

Ursula von der Leyen verdankt ihre politische Karriere Christian Wulff, der sie als niedersächsischer Regierungschef aus vermutlich seinem Hut zauberte. Allein das reicht schon, um an der Kompetenz der Ministerin zu zweifeln. Ihre politische Bilanz ist verheerend. So ziemlich alles. was diese Frau auf den Weg gebracht hat, wird oder wurde wieder einkassiert.

Sie hat den Blinden in Niedersachsen kaltherzig eine dringend notwendige Sozialleistung gestrichen, später wurde das wieder zurückgenommen. Sie hat im Internet Stoppschilder aufstellen lassen, damit Kinderschänder bei ihrem perversen Treiben einen Sichtschutz erhalten, und sie hat die Akademikerinnen-Wurfprämie aufgrund zweifelhafter Geburten-Statistiken, die ihr von dubioser Seite zugespielt wurden, erfunden. Inzwischen wird das Elterngeld wieder zusammengestrichen.

Dazu kommen 10 Euro für Hartz-IV-Kinder, die davon mehrere Schulessen finanzieren sollen, die es gar nicht gibt usw. usf. Nun hat Frau von der Leyen herausgefunden, dass Altersarmut nicht die Ausnahme, sondern zur Regel zu werden droht und erklärt den Ruhestand, die Rente, für abgeschafft. Denn wer zu wenig Rente bekommt, um davon leben zu können, soll künftig im Alter mehr hinzu verdienen dürfen. Eine tolle Sache, findet die Ministerin. Man kann das, nein man muss das anders sehen.

Roberto hat das, wie ich finde, treffend aufgeschrieben.

http://ad-sinistram.blogspot.de/2012/03/der-altersarmt-den-kragen.html

4

Berufsunfähig: Versicherungen zahlen nicht

Geschrieben von:

Am Dienstag berichtete die ZDF-Sendung Frontal21 über einen Fall, bei dem ein Arbeitnehmer berufsunfähig wurde und auf Leistungen aus seiner privaten Berufsunfähigkeitsversicherung hoffte. Das Problem dabei. Die Versicherungsgesellschaften beauftragen eigene Gutachter, um festzustellen, ob tatsächlich eine Berufsunfähigkeit des Antragsstellers vorliegt. Das Ergebnis dieser Gutachten ist inzwischen vorhersehbar und fällt sehr häufig nicht zu Gunsten der Betroffenen aus.

Dann braucht der Versicherte viel Geduld, Geld und einen Anwalt, der die Ansprüche vor Gericht einklagt. Die Assekuranzen lassen es in der Regel auf einen oder mehrere Prozesse ankommen. Jahrelange Rechtsstreitigkeiten, die sich ein Versicherungskonzern locker leisten und aussitzen kann, sind die Folge. Für die Betroffenen hingegen kommt zu der lebenserschwerenden Berufsunfähigkeit eine kräfteraubende Auseinandersetzung um legitime Ansprüche hinzu, für die man zuvor artig und in gutem Glauben seine Beiträge gezahlt hat.

Der Frontal-Bericht kommt zu dem Ergebnis, dass gerade bei der privaten Berufsunfähigkeitsversicherung durch die Anbieter ein systematischer Regulierungsmissbrauch betrieben würde.

“In Deutschland wird jeder Fünfte erwerbsunfähig. Bei denen mit einer Berufsunfähigkeitsversicherung erhält aber nur jeder 400. tatsächlich Leistungen. Versicherer zahlen selten, verdienen so viel Geld mit der Berufsunfähigkeit.”

Quelle: Frontal21

Darüber hinaus geben die Versicherer über das Geschäft mit der Berufsunfähigkeit keinerlei Auskünfte, was den Verdacht nahe lege, so ein Versicherungsexperte, dass mit den Verträgen sehr viel mehr Geld verdient werde, als man nach außen hin bereit ist offenzulegen.

Der Fachanwalt für Versicherungsrecht Jürgen Hennemann sagt:

“Es ist allgemein bekannt, dass die Berufsunfähigkeitsversicherung zu den Cash-Cows innerhalb der Assekuranz zählt. Dies liegt zum einen an der selektiven Risikoauswahl, dem erhöhten Prämienniveau und nicht zuletzt der Tatsache, dass die Versicherer in der Berufsunfähigkeitsversicherung beinhart regulieren.”

Die Versicherer selber reden sich mit der “zynischen” Antwort heraus, nur Risiken abzusichern, deren Eintritt hinreichend ungewiss sei. Das hat der Gesetzgeber so sicher nicht gewollt. Wie bei der Riester-Rente folgte der Rückzug des Staates aus der Versorgung von Menschen, die berufsunfähig werden, aber auch vollkommen bewusst, um der privaten Versicherungswirtschaft ein lukratives Geschäftsfeld zu eröffnen.

Fachanwalt Hennemann:

“Die von der Versicherungswirtschaft seit Jahrzehnten intensivst bespendete Politik schaut sich dieses Treiben der Versicherer auch im Bereich der Berufsunfähigkeitsversicherung seit Jahrzehnten praktisch tatenlos an.”

Leider kommt der Beitrag am Ende nur zu dem Ergebnis, dass der offensichtlich nicht funktionierende Markt im Versicherungswesen besser reguliert werden müsse, anstatt zu fordern, dieses miese Geschäft mit der Absicherung von Lebensrisiken zu beenden. Die soziale Sicherheit ist eine Aufgabe des Staates, die er im Rahmen der Daseinsvorsorge und der gesetzlichen Sozialversicherung sehr viel billiger als die großen Konzerne betreiben kann.

Doch wer kennt sie nicht, die netten Versicherungsvertreter der einschlägigen Gesellschaften oder die Finanzoptimierer von AWD und MLP. Trotz der aufgedeckten Machenschaften von Maschmeyer und Co. gilt das Geschäft mit der privaten Rente oder Berufsunfähigkeit – bald auch Pflege – immer noch als wichtige Ergänzung im sozialen Vorsorgesystem. Unter dem Stichwort Eigenverantwortung wird unentwegt Werbung für die private Versicherungswirtschaft gemacht, während die gesetzliche Sozialversicherung erst schlecht geredet und anschließend durch politische Entscheidungen in ihrer Leistungsfähigkeit immer mehr beschnitten wird. 

Ebenfalls am Dienstag fand ich im Wirtschaftsteil meiner Tageszeitung einen Bericht über die Zurückhaltung der Kunden bei der privaten Altersvorsorge. Unter der Überschrift “Konsum gewinnt gegen Altersvorsorge – Finanzberater MLP spürt Zurückhaltung der Kunden / Dennoch Sonderdividende im Gespräch” wurde der Leser wie folgt informiert:

“Seit Jahren hofft […] MLP auf eine Belebung seiner Geschäfte mit der Altersvorsorge. Doch weder die Rentenkürzung, die durch die Rente mit 67 droht, noch die gute Konjunktur bringen die Geschäfte auf Trab.

Ganz unverhohlen wird die politisch vorangetriebene Rentenkürzung als das bezeichnet, was sie ist. Ein Geschäft für die private Versicherungswirtschaft, sonst nichts. Leider, so der Bericht weiter, sei aber ein Großteil der zurückliegenden Lohnsteigerungen im vergangenen Jahr in andere “Kanäle” abgeflossen.

“Unser größter Wettbewerber ist und bleibt der Konsum.”

Dabei soll doch gerade der Konsum künftig dafür sorgen, dass die Wirtschaft weiter wächst und somit auch die Rendite der privaten Altersvorsoge finanziert. Die langfristige Entwicklung der Anlagen ist für die an den Beiträgen interessierten Konzerne aber nicht von Belang. Denn die Gebühren werden stets vorher fällig und von den Beiträgen der Versicherten abgezogen, bevor der Rest am Kapitalmarkt seine letzte Ruhestätte findet. Deshalb dürfen auch die Gelder aus Versicherungsbeiträgen und Steuersubventionen wie der Riester-Förderung oder einer Förderung für die Berufsunfähigkeitsversicherung nur in die Kanäle der privaten Versicherungswirtschaft fließen. Aber nicht um die Menschen gegen ein Risiko abzusichern, sondern um damit ein Milliardengeschäft zu machen.

Den Schaden haben am Ende andere.

7

Wer arm ist, stirbt früher

Geschrieben von:

Die Debatte im Bundestag um die Behauptung der Linken, wonach Geringverdiener eine niedrigere Lebenserwartung hätten, treibt die Regierungsfraktionen auf die Palme. Dabei zitiert die Linke aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Große Anfrage der Abgeordneten Matthias W. Brinkwald, Klaus Ernst, Diana Golze und weiterer Abgeordneter der Fraktion DIE LINKE.

Darin sei dokumentiert, dass gerade geringverdienende Männer in den letzten zehn Jahren immer früher gestorben seien.

Starben solche Rentenbezieher 2001 im Durchschnitt noch mit 77,5 Jahren, lag die Zahl 2010 nur noch bei 75,5 Jahren. Im Osten jedoch ging die Lebenserwartung im gleichen Zeitraum bereits um 3,8 Jahre zurück, also fast vier Jahre. Dort starben Geringverdiener 2001 im Schnitt noch mit 77,9 Jahren, 2010 jedoch bereits mit 74,1 Jahre.     

Quelle: taz

Die Regierung bezichtigt die Linke der Lüge und wirft ihnen vor, eine Falschmeldung in den Medien platziert zu haben. Und jetzt kommt die abenteuerliche Begründung: Die Linke würde Sterbetafeln mit der Lebenserwartung verwechseln.

Die Lebenserwartung steige im Durchschnitt über alle Einkommensgruppen und Altersklassen hinweg. Das würden die Studien und Zahlen des statistischen Bundesamtes und der Deutschen Rentenversicherung eindeutig belegen. Interessant ist nun, dass Fakten mit Erwartungen bekämpft werden. Dass eine nicht unerhebliche Zahl von Männern mit geringem Einkommen tatsächlich früher gestorben ist, als es die Erwartungen vermuten ließen, ignoriert die Koalition und wirft der Linken stattdessen vor, mit sozialistischen Rechenkünsten die Öffentlichkeit zu täuschen.

Dabei erinnere ich mich an Frau von der Leyens aufgedeckte Falschrechnung zu einer angeblich gestiegenen Geburtenrate und die monatlich vorgestellten Arbeitsmarktdaten, die auf einer fingierten Statistik beruhen. Die Koalition ist keineswegs vertrauenswürdig im Umgang mit Zahlen. Doch wie hat Brinkwald von der Linken gerechnet? Nun er hat sich die Statistik im Anhang der umfänglichen Antwort der Bundesregierung genauer angeschaut und aus den unten markierten Werten, die im übrigen von der Rentenversicherung selbst stammen, seine Schlüsse gezogen.

Rentenbezugsdauer

Aus der Tabelle geht hervor, dass es im Jahr 2001 etwa 10.000 Männer gab, deren Altersbezüge weggefallen sind und die von ihrem 65. Lebensjahr an gerechnet für etwa 12,5 Jahre eine durchschnittliche Rente von 683 Euro bezogen haben. Schaut man nun weiter nach rechts, stellt man fest, dass im letzten Jahr über 16.000 Männer gestorben sind, die ab ihrem 65. Lebensjahr eine durchschnittliche Rente von 712 Euro für lediglich 10,5 Jahre bezogen haben.

Um Geringverdiener handelt es sich deshalb, weil die Betroffenen nur zwischen 0,5 bis 0,75 Entgeltpunkte pro Versicherungsjahr erhalten haben. Sie haben also Versicherungsbeiträge unterhalb des Durchschnitts in die Rentenkasse eingezahlt. Im Grunde genommen ist statistisch auch ablesbar, was sich für jeden mit gesundem Menschenverstand auch so erschließt, weite Teile des Bundestages ausgenommen.

Wer nur wenig verdient, muss trotzdem mit den gestiegenen Kosten leben, die ihm die Politik durch die Reformen der letzten Jahre aufgedrückt hat. Da wären beispielsweise eine höhere Mehrwertsteuer, die Praxisgebühr, allgemein höhere Zuzahlungen, aber auch weniger Wohngeld zu nennen. In der Realität können Menschen mit niedrigem Einkommen gar nicht gesund leben, ohne sich massiv zu verschulden.

Sie haben eben nicht die Wahl, wie das der völlig behämmerten FDP immer vorschwebt, zwischen verschiedenen Gesundheitsleistungen frei auszuwählen, sondern sie sind dazu gezwungen, sich auch notwenige Arztbesuche zu sparen. In diesem Zusammenhang ist mir während der heutigen Bundestagsdebatte aufgefallen, dass Johannes Vogel – Jahrgang 1982 – der arbeitsmarktpolitische Sprecher der Liberalen ist. Ja hat der denn überhaupt schon mal gearbeitet? Erster Satz am Rednerpult war dann auch entsprechend von Kompetenz durchdrängt. Er wisse jetzt, warum die DDR untergegangen sei.

Wer mit wenig Geld auskommen muss, frisst auch den billigen Lebensmitteldreck, der ohne Warnampel auf der Verpackung in den Regalen der Einzelhandelsketten herumliegt. Am Ende zeigen dann gerade solche liberalen Irrlichter wie der Vogel mit dem Finger auf die immer fetter werdenden Leute und beschwert sich angeekelt über die angeblich spätrömische Dekadenz von Geringverdienern, denen man doch ansehen könne, dass es ihnen immer noch zu gut geht.

Aus Sicht der großen schwarz-rot-grün-gelben Koalition gibt es natürlich keinen Zusammenhang zwischen der Agendapolitik und der Lebenserwartung. Sie muss einfach steigen, weil sonst die gesamte demografische Ideologie einfach so in sich zusammenbrechen würde. Wobei eigentlich jeder bei klarem Verstand längst durchschaut haben müsste, dass das Demografieargument nur eine nützliche Erfindung der Versicherungslobby war, um die für die Konzerne so lukrative private Vorsorge politisch salonfähig zu machen.

Klar werden die Leute älter und die Geburten gehen zurück. Aber wenn das Alter Kosten verursacht, werden auf der anderen Seite durch weniger Geburten Kosten eingespart. Man muss immer wieder darauf hinweisen, dass bis heute niemand eine Gesamtbetrachtung aller gesellschaftlichen Kosten vornimmt, sondern der Blick immer nur auf einen Teilaspekt reduziert wird.

8

Der nächste Akt im asozialen Leyenspiel

Geschrieben von:

Ursula von der Leyen aus dem Arbeits- und Sozialministerium, die gestern im deutschen Bundestag stolz verkündete, ihren Etat für die Rettung der Banken um mehrere Milliarden (vier) gekürzt zu haben, hat die zunehmende Altersarmut als Problem erkannt. Menschen, die ein Leben lang gearbeitet hätten und zusätzlich in die private Altersvorsorge einzahlten, landeten am Ende nur auf Grundsicherungsniveau. Das sei ungerecht, stellt von der Leyen empört fest. Sie schlägt nun vor, dass diese Menschen, wenn sie denn weiterhin brav in die private Rente einzahlen, einen staatlichen Rentenzuschuss erhalten sollen. Statt 650 bis 750 Euro Grundsicherung stünden den Betroffenen dann großzügige 850 Euro zur Verfügung.

Merken muss man sich jetzt mehrere Dinge. Erstens, ab 850 Euro im Monat hört bei Frau von der Leyen Armut auf. Zweitens, der Hartz-IV-Regelsatz in Höhe von 364 Euro erlaubt noch immer ein Leben in der sozialen Hängematte. Drittens, der gerade eben erst durch von der Leyen weggekürzte Beitrag zur Rentenversicherung bei Hartz-IV-Empfängern hat nichts mit der Altersarmut zu tun. Viertens, die unsinnige private Altersvorsorge, namentlich Riester-Rente, in die bereits über 8,2 Mrd. Euro an Steuergeldern geflossen sind, davon allein sechs Milliarden an die Versicherungskonzerne, Finanzdienstleister und Banken für Verwaltungskosten, Vertriebskosten und Provisionen, soll auch für Geringverdiener weiterbetrieben werden, obwohl deren Beiträge zu keiner Rentenleistung führen. Dafür will von der Leyen noch einmal Steuergelder in die Hand nehmen, um das offensichtliche Verlustgeschäft für Geringverdiener und die öffentliche Hand auszugleichen und damit weiterhin die Gewinne der Konzerne in Milliardenhöhe abzusichern.

Volker Pispers erklärt noch einmal den Witz mit der Riester-Rente.

3

Altersarmut

Geschrieben von:

Immer mehr Rentner jobben nebenbei, um ihre karge gesetzliche Rente aufzubessern. Dem Moderator des Deutschlandfunk fiel eben bei seiner Anmoderation zum Thema nichts besseres ein, als von einem demografischen Wandel zu sprechen, wonach es immer mehr und vor allem länger lebende alte Menschen geben würde, die einer schrumpfenden Gruppe von Beitragszahlern gegenüberstünden. Bezeichnenderweise erklärte dann ein anderer Redakteur aus Berlin, mit dem Namen Gerhard Schröder, dass es gegenwärtig etwa 20 Millionen Rentner gebe, von denen rund 600.000 einer zusätzlichen Erwerbstätigkeit nachgingen. Dieser Anteil habe in den letzten Jahren dramatisch zugenommen.

Interessant ist nun eine Zahl, die nicht genannt wird. Wenn es nämlich 20 Millionen Rentner gibt, wie viel Erwerbsfähige stehen diesen gegenüber? Es sind über 50 Millionen Menschen in diesem Land. Wo ist da bitteschön der demografische Wandel? Die Politik rühmt sich immer damit, dass die Beschäftigungszahl auf Rekordhöhe sei. Und in der Tat sind über 40 Millionen Menschen irgendwie beschäftigt. Schaut man aber etwas genauer hin, wird man feststellen, dass die sozialversicherungspflichtige Vollzeitbeschäftigung auf inzwischen 22,3 Millionen im Jahr 2010 zurückgegangen ist. Auf der anderen Seite nehmen prekäre Arbeitsverhältnisse rasant zu.

Wir haben also mit Blick auf die Rente kein demografisches, sondern ein Arbeitsmarktproblem. Künftige Rentner leiden nicht unter ihrer Gesundheit, die ihnen zu einem längeren Leben verhilft und auch nicht darunter, dass immer weniger junge Menschen Beiträge zahlen, sondern weil es mit Absicht vollzogene Rentenkürzungen durch die Politik gegeben hat. Zudem hat die junge Generation sowie die Rentenversicherung darunter zu leiden, dass mit prekärer Beschäftigung und dem massiven Ausbau des Niedriglohnsektors zu Gunsten der Wirtschaft, dem Sozialversicherungsmodell die Finanzierungsbasis entzogen wird. Woher sollen die Beiträge auch kommen, wenn die Jobs so schlecht bezahlt sind?

Im übrigen ist von dieser Entwicklung nicht nur die gesetzliche Rentenversicherung betroffen. Die Beiträge für eine sehr viel unsichere private Altersvorsorge können ebenfalls nicht aufgebracht werden, wenn die Einkommenssituation verschlechtert wird. Das Kapitaldeckungsverfahren ändert demnach auch nichts an der Demografie. Es ist nur die teurere Variante eines Umlageverfahrens, an dem Versicherungskonzerne und die Finanzwirtschaft kräftig mitverdienen, weil die Politik einerseits Steuermittel zur Subvention bereitstellt – Stichwort: Riesterförderung – und andererseits den Menschen ihre gesetzliche Rente um den Betrag kürzt, den sie dann in einem privaten Modell zu höheren Kosten anlegen sollen.

In dem Bericht mit Gerhard Schröder wird tatsächlich das Märchen erzählt, dass viele Rentner noch gesundheitlich sehr fit seien und freiwillig länger arbeiten, weil sie es können. Steigende Gesundheit und höhere Lebenserwartung spiele neben der durchaus zunehmenden Altersarmut eine Rolle. Darauf antwortet der Moderator mit der Frage:

“Also ganz so einfach, wie das jetzt aus der Partei die Linke beispielsweise zu hören ist, dass dies nun eindeutig eine dramatische Entwicklung schon jetzt bei der Altersarmut zeigt, belegen die Zahlen nicht?”

Quelle: dradio (7.44 Uhr) 

Nein, die Zahlen belegen das nicht, sagt der Journalist Schröder weiter. Es gebe aber einen klaren Trend zur Altersarmut, weil die Zahlen eben doch im Vergleich sehr stark zunehmen und die Renten der Zukunft aus demografischen Gründen durch die Politik bereits gekürzt wurden. Gleichzeitig hätten immer mehr Menschen nur Minijobs, aus denen sie weder für die gesetzliche Rente Ansprüche erwerben noch für die private Altersvorsorge etwas ansparen könnten.

Wer das Gespräch aufmerksam verfolgt, kann nur zu dem Schluss kommen, dass es kein demografisches Problem gibt. Es existiert nur als Grund für die Politik, um die gesetzliche Rente zerstören zu können, damit die Finanzwirtschaft davon profitiert. Maschmeyers “Ölquelle Riesterrente” braucht an dieser Stelle nicht noch einmal erwähnt werden. Selbst wenn die Bevölkerung altert oder schrumpft, wäre das nicht dramatisch für die Rente, weil in einer kleineren Generation auch jene Kosten wegfallen würden, die in einer größeren durch alle aufgebracht werden müssen. Kinder kosten auch Geld. Nur tauchen sie nie in der Rechnung auf, wenn über die Alterung einer Gesellschaft gesprochen wird, in der ihr Fehlen sich ja positiv auf die Gesamtfinanzierung des Sozialsystems auswirken müsste.

Fakt ist, dass sämtliche sozialen Kosten einer Generation auch von dieser aufgebracht werden müssen. Es ist also immer die Verteilungsfrage zu beantworten und damit auch die Frage, wie viel Vermögen sich bei weinigen ansammeln darf, die ja letztlich davon profitieren, dass sie aus der Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme entlassen und mit Entscheidungen hinsichtlich steuerlich geförderter Anlageprodukte wie Riester und Rürup Renten begünstigt werden.

1

Kurzer Nachschlag zu ARD-exclusiv über Carsten Maschmeyer, "Der Drückerkönig und die Politik“

Geschrieben von:

Am vergangenen Mittwoch lief in der ARD die Doku vom Panorama Reporter Lütgert über Carsten Maschmeyer. Darin gab es auch einen Komplex über Walter Riester, der als politisches Bindeglied mit seinen Rentengesetzen das Geschäftsfeld für Maschmeyers AWD und andere Finanzdienstleister erst eröffnete und bereitwillig sein Gesicht für die Vermarktung neuer Vorsorgeprodukte zur Verfügung stellte. Persönlich darauf angesprochen, leugnete der ehemalige Arbeitsminister vehement als Werbemaskottchen der Versicherungsbranche aufgetreten zu sein.

In dem neuen Buch von Pascal Beucker und Anja Krüger, Die verlogene Politik – Macht um jeden Preis, gibt es einen schönen Abschnitt mit dem Titel, Die Riester-Renten-Lüge. Die beiden Journalisten haben vor allem auch Zitate gesammelt und natürlich auch von Walter Riester.

Der Sozialdemokrat ist zum Werbeträger für die nach ihm benannte Rente geworden und lässt sich das gut bezahlen. Als die Bundestagsabgeordneten 2007 erstmals ihre Nebeneinkünfte offenlegen mussten, staunte die Öffentlichkeit, wie viel Geld der Ex-Minister mit Dienstleistungen für Versicherer, Banken oder Vertriebsorganisationen wie AWD verdiente. Im Interview mit der Süddeutschen Zeitung wollte er die Summe von 200 000 Euro im Jahr nicht dementieren. „Wenn man mir 7000 Euro anbietet, sage ich nicht, dass ich nur 4000 Euro oder gar nichts wert bin“, sagte er. „Mein Name ist halt positiver Werbeträger.“ Eine Sparkasse verpflichtete ihn unter dem Motto „Riester erklärt Riester“. Eine Bank produzierte ein Plakat mit seinem Bild und dem Spruch „Walter fürs Alter“. Bei einer Tagung des Ostdeutschen Sparkassenverbands, zu der er eingeladen war, lag auf jedem Platz ein T-Shirt mit der Aufschrift „Ich bin Riester“. Er tue sich leicht mit der Marke „Riester-Rente“, sagte Riester der Märkischen Allgemeine: „Stellen Sie sich einmal vor, ich würde Hartz heißen. Das wäre schwieriger.“

Das nur als Ergänzung zum Film. Das Buch von Beucker und Krüger sollte jeder gelesen haben.

________________________________

Pascal Beucker / Anja Krüger: Die verlogene Politik. Macht um jeden Preis, Knaur-Verlag, München, ISBN: 978-3-426-78345-0, 302 Seiten, 8,99 Euro.

2
Seite 3 von 8 12345...»