Berufsunfähig: Versicherungen zahlen nicht

Geschrieben von: am 23. Feb 2012 um 18:53

Am Dienstag berichtete die ZDF-Sendung Frontal21 über einen Fall, bei dem ein Arbeitnehmer berufsunfähig wurde und auf Leistungen aus seiner privaten Berufsunfähigkeitsversicherung hoffte. Das Problem dabei. Die Versicherungsgesellschaften beauftragen eigene Gutachter, um festzustellen, ob tatsächlich eine Berufsunfähigkeit des Antragsstellers vorliegt. Das Ergebnis dieser Gutachten ist inzwischen vorhersehbar und fällt sehr häufig nicht zu Gunsten der Betroffenen aus.

Dann braucht der Versicherte viel Geduld, Geld und einen Anwalt, der die Ansprüche vor Gericht einklagt. Die Assekuranzen lassen es in der Regel auf einen oder mehrere Prozesse ankommen. Jahrelange Rechtsstreitigkeiten, die sich ein Versicherungskonzern locker leisten und aussitzen kann, sind die Folge. Für die Betroffenen hingegen kommt zu der lebenserschwerenden Berufsunfähigkeit eine kräfteraubende Auseinandersetzung um legitime Ansprüche hinzu, für die man zuvor artig und in gutem Glauben seine Beiträge gezahlt hat.

Der Frontal-Bericht kommt zu dem Ergebnis, dass gerade bei der privaten Berufsunfähigkeitsversicherung durch die Anbieter ein systematischer Regulierungsmissbrauch betrieben würde.

“In Deutschland wird jeder Fünfte erwerbsunfähig. Bei denen mit einer Berufsunfähigkeitsversicherung erhält aber nur jeder 400. tatsächlich Leistungen. Versicherer zahlen selten, verdienen so viel Geld mit der Berufsunfähigkeit.”

Quelle: Frontal21

Darüber hinaus geben die Versicherer über das Geschäft mit der Berufsunfähigkeit keinerlei Auskünfte, was den Verdacht nahe lege, so ein Versicherungsexperte, dass mit den Verträgen sehr viel mehr Geld verdient werde, als man nach außen hin bereit ist offenzulegen.

Der Fachanwalt für Versicherungsrecht Jürgen Hennemann sagt:

“Es ist allgemein bekannt, dass die Berufsunfähigkeitsversicherung zu den Cash-Cows innerhalb der Assekuranz zählt. Dies liegt zum einen an der selektiven Risikoauswahl, dem erhöhten Prämienniveau und nicht zuletzt der Tatsache, dass die Versicherer in der Berufsunfähigkeitsversicherung beinhart regulieren.”

Die Versicherer selber reden sich mit der “zynischen” Antwort heraus, nur Risiken abzusichern, deren Eintritt hinreichend ungewiss sei. Das hat der Gesetzgeber so sicher nicht gewollt. Wie bei der Riester-Rente folgte der Rückzug des Staates aus der Versorgung von Menschen, die berufsunfähig werden, aber auch vollkommen bewusst, um der privaten Versicherungswirtschaft ein lukratives Geschäftsfeld zu eröffnen.

Fachanwalt Hennemann:

“Die von der Versicherungswirtschaft seit Jahrzehnten intensivst bespendete Politik schaut sich dieses Treiben der Versicherer auch im Bereich der Berufsunfähigkeitsversicherung seit Jahrzehnten praktisch tatenlos an.”

Leider kommt der Beitrag am Ende nur zu dem Ergebnis, dass der offensichtlich nicht funktionierende Markt im Versicherungswesen besser reguliert werden müsse, anstatt zu fordern, dieses miese Geschäft mit der Absicherung von Lebensrisiken zu beenden. Die soziale Sicherheit ist eine Aufgabe des Staates, die er im Rahmen der Daseinsvorsorge und der gesetzlichen Sozialversicherung sehr viel billiger als die großen Konzerne betreiben kann.

Doch wer kennt sie nicht, die netten Versicherungsvertreter der einschlägigen Gesellschaften oder die Finanzoptimierer von AWD und MLP. Trotz der aufgedeckten Machenschaften von Maschmeyer und Co. gilt das Geschäft mit der privaten Rente oder Berufsunfähigkeit – bald auch Pflege – immer noch als wichtige Ergänzung im sozialen Vorsorgesystem. Unter dem Stichwort Eigenverantwortung wird unentwegt Werbung für die private Versicherungswirtschaft gemacht, während die gesetzliche Sozialversicherung erst schlecht geredet und anschließend durch politische Entscheidungen in ihrer Leistungsfähigkeit immer mehr beschnitten wird. 

Ebenfalls am Dienstag fand ich im Wirtschaftsteil meiner Tageszeitung einen Bericht über die Zurückhaltung der Kunden bei der privaten Altersvorsorge. Unter der Überschrift “Konsum gewinnt gegen Altersvorsorge – Finanzberater MLP spürt Zurückhaltung der Kunden / Dennoch Sonderdividende im Gespräch” wurde der Leser wie folgt informiert:

“Seit Jahren hofft […] MLP auf eine Belebung seiner Geschäfte mit der Altersvorsorge. Doch weder die Rentenkürzung, die durch die Rente mit 67 droht, noch die gute Konjunktur bringen die Geschäfte auf Trab.

Ganz unverhohlen wird die politisch vorangetriebene Rentenkürzung als das bezeichnet, was sie ist. Ein Geschäft für die private Versicherungswirtschaft, sonst nichts. Leider, so der Bericht weiter, sei aber ein Großteil der zurückliegenden Lohnsteigerungen im vergangenen Jahr in andere “Kanäle” abgeflossen.

“Unser größter Wettbewerber ist und bleibt der Konsum.”

Dabei soll doch gerade der Konsum künftig dafür sorgen, dass die Wirtschaft weiter wächst und somit auch die Rendite der privaten Altersvorsoge finanziert. Die langfristige Entwicklung der Anlagen ist für die an den Beiträgen interessierten Konzerne aber nicht von Belang. Denn die Gebühren werden stets vorher fällig und von den Beiträgen der Versicherten abgezogen, bevor der Rest am Kapitalmarkt seine letzte Ruhestätte findet. Deshalb dürfen auch die Gelder aus Versicherungsbeiträgen und Steuersubventionen wie der Riester-Förderung oder einer Förderung für die Berufsunfähigkeitsversicherung nur in die Kanäle der privaten Versicherungswirtschaft fließen. Aber nicht um die Menschen gegen ein Risiko abzusichern, sondern um damit ein Milliardengeschäft zu machen.

Den Schaden haben am Ende andere.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Einhard  Februar 23, 2012

    Normalsterbliche können das wenige Geld halt nur einmal ausgeben…

  2. der-olli  Februar 23, 2012

    Konsum ist absolut schädlich für die Wirtschaft! Nicht nur in Griechenland auch und gerade hier!

  3. Det70  Februar 24, 2012

    Gut das ich als junger Mensch eine solche Versicherung nicht abgeschlossen habe. Mir kamen derzeit schon Bedenken, die sich jetzt nach 20 Jahren ernsthaft bestätigen.

    Die Gutgläubigkeit gegenüber den Versicherern kann gar nicht schnell genug bröckeln. Der Sumpf muss dringend trocken gelegt werden, am besten durch Liebesentzug.

    Also checkt eure Policen und fragt euch… brauche ich so etwas wirklich, wie hoch stehen die Chancen auch etwas erstattet zu bekommen?

    • adtstar  Februar 24, 2012

      Leider ist eine Berufsunfähigkeitsversicherung tatsächlich notwendig, weil der Staat sich komplett aus der Geschichte zurückgezogen hat. Meines Wissens gibt es nur noch eine arg zusammengestrichene Erwerbsminderungsrente, die sich überdies daran orientiert, ob ein Mensch überhaupt noch arbeiten kann (dabei ist egal was und wo) und wie lang am Tag.

      Selbst Frontal21 gibt Tipps, auf was man beim Abschluss eines Vertrages achten sollte. Da liegt das Problem. Es besteht einfach kein Bewusstsein mehr darüber, dass diese Form der Absicherung nicht in die Hände der Versicherungskonzerne gehört. Dabei könnte man mit einer betriebswirtschaftlichen Gegenüberstellung der Kosten deutlich machen, dass der Staat zu jedem Zeitpunkt in der Lage ist, die günstigere und nach den Erfahrungen der Finanzkrise auch stabilere Versicherung anzubieten.

  4. ursus  Februar 24, 2012

    Alles gute Vorschläge, aber man muss das Übelan der Wurzel packen. Weg mit den Neofaschisten, die unser Land zerstören und die Sozialsystem anschaffen.

  5. janz  Februar 24, 2012

    Leute,ist doch ganz einfach.Keinen Vertag mehr abschliessen,denn die Vericherungskonzerne stecken mit den Grossbanken unter einer Decke,und bescheissen uns genauso!

  6. Habnix  Februar 24, 2012

    Eine Versicherung die nicht zahlt ist keine Versicherung also habe ich nur das nötigste an Versicherungen.Verlass dich auf andere und du bist verlassen.

    Wenn alles doch so ist wie es ist,dann haben doch die große Pleite.

    Ob Staatlich oder Privat trotz all dem Geld ist kein Versicherung da.Es ist nichts mehr da!

    Keine Rentenversicherung!Mit 67 dann brauchst du auch keine also auch gestohlen.

    Der erste Arzt Besuch im Quartal 10€ oder vielleicht dem nächst bei jedem Arztbesuch 5€.

    Kaum Arbeitslosengeld und wenn dann mit sehr viel Hürden also bitte mal aufwachen!

    Was ist mit der Pflegeversicherung bis ich davon einen Cent sehe bin ich längst zu staub verfallen.

    Mein Gott sie haben uns betrogen einschließlich der Bildung.

    Versuchen wir es ganz bescheiden mit Selbstversorgung.

    http://www.ginsterburg.de/t72f4-Die-wahre-Revolution-ist-die-Selbstversorgung.html