Wer arm ist, stirbt früher

Geschrieben von: am 15. Dez 2011 um 13:51

Die Debatte im Bundestag um die Behauptung der Linken, wonach Geringverdiener eine niedrigere Lebenserwartung hätten, treibt die Regierungsfraktionen auf die Palme. Dabei zitiert die Linke aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Große Anfrage der Abgeordneten Matthias W. Brinkwald, Klaus Ernst, Diana Golze und weiterer Abgeordneter der Fraktion DIE LINKE.

Darin sei dokumentiert, dass gerade geringverdienende Männer in den letzten zehn Jahren immer früher gestorben seien.

Starben solche Rentenbezieher 2001 im Durchschnitt noch mit 77,5 Jahren, lag die Zahl 2010 nur noch bei 75,5 Jahren. Im Osten jedoch ging die Lebenserwartung im gleichen Zeitraum bereits um 3,8 Jahre zurück, also fast vier Jahre. Dort starben Geringverdiener 2001 im Schnitt noch mit 77,9 Jahren, 2010 jedoch bereits mit 74,1 Jahre.     

Quelle: taz

Die Regierung bezichtigt die Linke der Lüge und wirft ihnen vor, eine Falschmeldung in den Medien platziert zu haben. Und jetzt kommt die abenteuerliche Begründung: Die Linke würde Sterbetafeln mit der Lebenserwartung verwechseln.

Die Lebenserwartung steige im Durchschnitt über alle Einkommensgruppen und Altersklassen hinweg. Das würden die Studien und Zahlen des statistischen Bundesamtes und der Deutschen Rentenversicherung eindeutig belegen. Interessant ist nun, dass Fakten mit Erwartungen bekämpft werden. Dass eine nicht unerhebliche Zahl von Männern mit geringem Einkommen tatsächlich früher gestorben ist, als es die Erwartungen vermuten ließen, ignoriert die Koalition und wirft der Linken stattdessen vor, mit sozialistischen Rechenkünsten die Öffentlichkeit zu täuschen.

Dabei erinnere ich mich an Frau von der Leyens aufgedeckte Falschrechnung zu einer angeblich gestiegenen Geburtenrate und die monatlich vorgestellten Arbeitsmarktdaten, die auf einer fingierten Statistik beruhen. Die Koalition ist keineswegs vertrauenswürdig im Umgang mit Zahlen. Doch wie hat Brinkwald von der Linken gerechnet? Nun er hat sich die Statistik im Anhang der umfänglichen Antwort der Bundesregierung genauer angeschaut und aus den unten markierten Werten, die im übrigen von der Rentenversicherung selbst stammen, seine Schlüsse gezogen.

Rentenbezugsdauer

Aus der Tabelle geht hervor, dass es im Jahr 2001 etwa 10.000 Männer gab, deren Altersbezüge weggefallen sind und die von ihrem 65. Lebensjahr an gerechnet für etwa 12,5 Jahre eine durchschnittliche Rente von 683 Euro bezogen haben. Schaut man nun weiter nach rechts, stellt man fest, dass im letzten Jahr über 16.000 Männer gestorben sind, die ab ihrem 65. Lebensjahr eine durchschnittliche Rente von 712 Euro für lediglich 10,5 Jahre bezogen haben.

Um Geringverdiener handelt es sich deshalb, weil die Betroffenen nur zwischen 0,5 bis 0,75 Entgeltpunkte pro Versicherungsjahr erhalten haben. Sie haben also Versicherungsbeiträge unterhalb des Durchschnitts in die Rentenkasse eingezahlt. Im Grunde genommen ist statistisch auch ablesbar, was sich für jeden mit gesundem Menschenverstand auch so erschließt, weite Teile des Bundestages ausgenommen.

Wer nur wenig verdient, muss trotzdem mit den gestiegenen Kosten leben, die ihm die Politik durch die Reformen der letzten Jahre aufgedrückt hat. Da wären beispielsweise eine höhere Mehrwertsteuer, die Praxisgebühr, allgemein höhere Zuzahlungen, aber auch weniger Wohngeld zu nennen. In der Realität können Menschen mit niedrigem Einkommen gar nicht gesund leben, ohne sich massiv zu verschulden.

Sie haben eben nicht die Wahl, wie das der völlig behämmerten FDP immer vorschwebt, zwischen verschiedenen Gesundheitsleistungen frei auszuwählen, sondern sie sind dazu gezwungen, sich auch notwenige Arztbesuche zu sparen. In diesem Zusammenhang ist mir während der heutigen Bundestagsdebatte aufgefallen, dass Johannes Vogel – Jahrgang 1982 – der arbeitsmarktpolitische Sprecher der Liberalen ist. Ja hat der denn überhaupt schon mal gearbeitet? Erster Satz am Rednerpult war dann auch entsprechend von Kompetenz durchdrängt. Er wisse jetzt, warum die DDR untergegangen sei.

Wer mit wenig Geld auskommen muss, frisst auch den billigen Lebensmitteldreck, der ohne Warnampel auf der Verpackung in den Regalen der Einzelhandelsketten herumliegt. Am Ende zeigen dann gerade solche liberalen Irrlichter wie der Vogel mit dem Finger auf die immer fetter werdenden Leute und beschwert sich angeekelt über die angeblich spätrömische Dekadenz von Geringverdienern, denen man doch ansehen könne, dass es ihnen immer noch zu gut geht.

Aus Sicht der großen schwarz-rot-grün-gelben Koalition gibt es natürlich keinen Zusammenhang zwischen der Agendapolitik und der Lebenserwartung. Sie muss einfach steigen, weil sonst die gesamte demografische Ideologie einfach so in sich zusammenbrechen würde. Wobei eigentlich jeder bei klarem Verstand längst durchschaut haben müsste, dass das Demografieargument nur eine nützliche Erfindung der Versicherungslobby war, um die für die Konzerne so lukrative private Vorsorge politisch salonfähig zu machen.

Klar werden die Leute älter und die Geburten gehen zurück. Aber wenn das Alter Kosten verursacht, werden auf der anderen Seite durch weniger Geburten Kosten eingespart. Man muss immer wieder darauf hinweisen, dass bis heute niemand eine Gesamtbetrachtung aller gesellschaftlichen Kosten vornimmt, sondern der Blick immer nur auf einen Teilaspekt reduziert wird.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Teja552  Dezember 15, 2011

    Naja ich will mich nicht gleich wieder aufregen, das Gelaber von den Vogel sagt mir alles…….,DDR und Sozialismus , schon klar da sind die Leute wie die Ratten gestorben, was weiß denn so eine Geige von der DDR.

    Das die Lebenserwartung ärmerer Menschen geringer ist als das jener die in Arbeit sind und sich auch entsprechend ernähren können ist doch wohl klar, man schaue sich mal die wohlgenährten Herren und Damen im Bundestag an…….und schon klar alles was die Linke sagt ist natürlich verkehrt.

  2. Ormuz  Dezember 15, 2011

    was labert der da für einen Dünnschiß ?
    Schon jetzt ist am Gebiss der soziale Status eines Menschen ablesbar – und das ist nur das was man sehen kann – innerlich sieht es oft ebenso desaströs aus – aber nicht weil die Menschen es toll finden krank zu sein, sondern weil sie sich Gesundheit schlicht nicht leisten können.

  3. Anonymous  Dezember 15, 2011

    @Ormuz
    Ich zitiere Sie mal: „…sondern weil sie sich Gesundheit schlicht nicht leisten können….“

    Das glauben Sie doch wohl selber nicht. Wie gesund ein Mensch lebt das hat etwas mit der persönlichen Einstellung zu tun und hängt keinesfalls vom Geldbeutel ab.
    Frische Luft gibt es gratis, Bewegung und Sport sind auch für umsonst zu haben, Obst und Gemüse kann sich jeder Harzi leisten und dem Alkohol, dem fetten Fleisch, MC Donalds etc. kann auch ein armer Schlucker aus dem Weg gehen. Nur leider sind die Geringverdiener logischerweise auch die weniger intelligenten Zeitgenossen und diese raffen es einfach nicht, was man tun muss um seinen Körper (seine Resourcen) gesund zu erhalten. Denn nur ein gesunder Körper ist so leistungsfähig, dass man damit auch höhere Einkommen erzielen kann. Es war schon immer so und und wird auch so bleiben – die Dummen sind nun mal die Armen (natürlich mit einigen Ausnahmen) und die Schlauen werden immer die Reichen sein. Da werden weder die Linken noch die Rechten, Piraten, FDP, CDU, SPD und Grüne etwas ändern können. Das ist ein Gesetz der Natur und völlig unabhängig von Parteien, Gesellschaftsformen, Politik etc.

    Gruß Peganuss

    • Ormuz  Dezember 15, 2011

      ach Du meine Güte, na ein derart naives Welt- und Menschenbild habe ich ja lange nicht gelesen ….

      Obst und Gemüse können sich auch Hartzis leisten ?
      Da fragen Sie mal die, die davon leben müssen, wie oft die sich das leisten können.
      Das ist schlicht unwahr, was sie da behaupten.
      Bei rund 130,- im Monat für ALLE Lebensmittel, also Essen und Getränke – das sind rund 4,- am Tag – kaufen Sie mir mal bitte täglich frisches Obst und Gemüse ein!
      Und erzählen Sie mir bitte nicht, man könne ja auch Wasser aus der Leitung trinken!

      Bei Alkohol und McD gebe ich Ihnen allerdings Recht, da ist es egal wie hoch oder niedrig das Einkommen ist, das zu meiden ist nie eine schlechte Idee.

      Das die Geringverdiener die weniger klugen Zeitgenossen sind ist mit Verlaub eine bösartige Unterstellung und eine Frechheit sondergleichen.
      Ich selbst bin Dipl.Ing. und habe in meiner letzten Position einen Stundenlohn von 6,20 gehabt und Sie dürfen mir getrost glauben, daß das kein anspruchsloser Hilfsarbeiterjob war! Im Gegenteil!

      Und Sie dürfen mir auch weiterhin glauben, daß das durchaus kein Einzelfall ist, ich kenne so einige Akademiker, die zu Löhnen arbeiten, da treibt es einem die Schamesröte ins Gesicht!

      Das Problem ist nicht, daß es keine anspruchsvolle Arbeit gibt, da Problem ist, daß kaum einer bereit ist dafür angemesen zu zahlen.

      Jemandem der wenig verdient zu unterstellen er sei zu dumm oder zu faul oder beides ist ebenso grotesk wie Männern mit Glatze zu unterstellen sie seien Nazis.

      Und ganz augenscheinlich haben Sie auch meinen Kommentar nicht verstanden!

      Nehmen Sie nur das Beispiel Zahnarzt, da müssen auch Hartzis, wie Sie diese Menschen so verächtlich zu nennen pflegen, den vollen Zuzahlungsbetrag leisten – da frage ich Sie: wovon bitte?
      Wer kann sich da eine Krone oder eine Brücke leisten?
      Bei vielen scheitert es schon an den 10,- Eintrittsgebühr – und NEIN eben NICHT weil sie das Geld versoffen hätten, sondern weil es eben drauf geht für die immerfort steigenden Preise für alles und jedes.

      Ich würde Sie sehr bitten noch einmal nachzulesen wie hoch der Regelsatz ist und was davon alles bestritten werden muß – da werden dann auch Sie feststellen, daß es eben keine Frage der Einstellung ist, ob man sich gute Gesundheit bzw deren Erhalt leisten kann oder nicht.

      Wer im Regelsatz nur rund 25,- für Strom zugebilligt bekommt und gar nichts für Gas, beides aber monatlich an die Stadtwerke bezahlen muß, der muß das Mehr an Kosten irgendwo einsparen, wer nur rund 20,- für Mobilität bekommt, für ein Monatsticket aber schon das Doppelte bezahlt, der muß auch diese Mehrkosten irgendwoanders abknapsen uswusf.

      Für Gesundheit ist ein monatlicher Betrag von rund 13,- vorgesehen, davon bezahlen Sie mal die Praxisgebühr und noch die Zuzahlung für Medikamente, den Zahnerstaz oder legen Se sich mal ins Krankenhauus und zahlen davon die täglich anfallenden 10,- Gebühren etc – na – klingelt da was bei Ihnen ????

      • Anonymous  Dezember 15, 2011

        @Ormuz

        Tut mir leid gute Frau, ich kann das Gejammer und Gejaule auf hohem Niveau (was ja für viele Deutsche momentan ja an der Tagesordnung ist) nicht mehr hören. Nur mal grundsätzlich. Ich habe einige Länder der 3. Welt bereist (Equador;Kuba;Südafrika) und dort erlebt, dass man unter primitivsten Bedingungen viel gesünder und glücklicher leben kann als hierzulande.
        Auch behaupte ich nicht, dass die Geringverdiener in der Regel dumm sind. Ich stelle fest, dass umgekehrt geringe Intelligenz dazu führt, dass weniger qualifizierte Jobs angenommen werden müssen und das logischerweise zu einmem geringeren Einkommen führt. Das ist ganz etwas anderes. Daraus resultiert, das Geringverdiener im Durchschnitt weniger intelligent sind als Leute mit höherem Einkommen. (Anders herum würde keine Gesellschaft funktionieren!)
        Trotzdem möchte ich ihren letzten Absatz zum monatlichen Gesundheitsbetrag (der Harz IV – Bezieher) von 13,- EUR noch kommentieren. Das sind im Jahr 156,- EUR. Wie oft geht denn ein gesunder Mensch pro Jahr zum Arzt? Wenn ich die Vorsorgeuntersuchungen mitrechne komme ich auf 3 – 4 Arztbesuche höchstens. Im Krankenhaus war ich bisher zwei Mal in meinem Leben – Geburt und Blinddarm. Zahnersatz ist bei der heutigen Prophylaxe, Zahnpflege und der Kunst der Zahnärzte wenn überhaupt ab 85 Jahren ein Thema.
        Da bleibt von den 156,- EUR sogar noch gut etwas übrig – vorausgesetzt man ist gesund, lebt gesund und jammert nicht sondern nimmt sein Leben selbst in die Hand und macht etwas daraus.

        • Ormuz  Dezember 16, 2011

          Dann tun Sie das jammern sie nicht über die Ansprüche der anderen, nehmen Sie IHR Leben in die Hand und machen Sie was draus. Viel Erfolg dabei.

        • Ormuz  Dezember 16, 2011

          P.S. Nur mal so zu Ihrer Info, es geht Sie zwar grundsätzlich eigentlich nichts an, aber uneigentlich habe ich doch das Bedürfnis Ihnen mitzuteieln, daß auch bei gesunder Lebensweise JEDER – auch Sie – ganz unvorhergesehen krank werden kann.
          Ich selbst musste bereits 2 Mal an der Brust operiert werden – glauben Sie ich habe das bekommen weil ich wunder wie ungesund gelebt habe?
          Nein, ganz sicher nicht – bezahlen musste ich dafür trotzdem und zwar im doppelten Sinn des Wortes und das auch zu einer Zeit als es mir nicht nur gesundheitlich sondern daraus resultierend auch finanziell alles andere als gut ging.
          Und NEIN ich bin nicht bereit zu akzeptieren, daß ich ja noch „Glück“ hatte weil ich nicht in Indien oder Afrika lebe und deswegen überhaupt behandelt werden konnte.
          Sie vergleichen Äpfel mit Birnen! In Afrika ist es auch normal in aus Kuhfladen geformten Hütten zu leben und barfuß zu laufen – hier nicht.
          Unsere Gesellschaft hat selbstverstäöndlich andere Ansprüche, wir haben allerdings auch andere Vorausetzungen, ich bitte Sie das zur Kenntnis zu nehmen.

  4. adtstar  Dezember 16, 2011

    Ich denke, die Positionen sind deutlich geworden und schließe hiermit den Thread.

    Nur eins zum Schluss. Es ist volkswirtschaftlich völlig unsinnig, Menschen arm zu halten und ihnen zu empfehlen, frische Luft zu atmen. Dieses absurde Denken hat ja gerade auch zur Eurokrise beigetragen, in der wir uns gegenwärtig befinden. Wer das immer noch nicht begriffen hat, sollte sich schämen.