Deutsch-Französisches Kamasutra oder Kopfkino am Morgen

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Der @RegSprecher, Steffen Seibert, beweist Humor und schreibt via Twitter:

Kanzlerin + Präs. #Sarkozy haben i. d. Nacht nach 7 Std. Beratungen gemeinsame dt.-frz. Position zu neuem Programm f. #Griechenland gefunden

Allerdings will keiner Wissen, wer von beiden nun oben oder unten gelegen hat. Einzelheiten wollte Seibert auch nicht preisgeben. Nur soviel, EZB-Chef Jean-Claude Trichet und EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy seien mit ins Boot geholt oder, wenn man so will, zur nächtlichen Stellungssuche hinzugezogen worden. Soviel Kopfkino hält ja keiner aus. Bis heute Abend werden wir uns aber gedulden müssen. Erst dann soll beim Gipfeltreffen über das neue deutsch-französische Kamasutra gesprochen werden.

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Merkel ohne Sehnsucht

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“Ich bin mal liberal, mal christlich-sozial, mal konservativ.”

So hat sich Angela Merkel selbst beschrieben, als sie einmal bei Anne Will nach ihrer politischen Handschrift gefragt wurde. Diese offen zur Schau getragene Beliebigkeit ist nichts im Vergleich zu ihrer nicht vorhandenen Haltung in der Eurofrage. Im Vorfeld des morgigen Krisengipfels, es dürfte inzwischen der Tausendste zum Thema sein, dämpft Merkel die Erwartungen wie folgt:

Nach einem Jahr Debatten über Griechenland gebe es „eine große Sehnsucht“ nach einem „großen abschließenden, einem einzigen großen Schritt – am besten spektakulär“, sagte Merkel. Diesen werde es aber nicht geben. Es gehe nun darum, „einen kontrollierten und beherrschten Prozess aufeinander folgender Schritte und Maßnahmen zu erzeugen“.

Quelle: AFP

Was will sie erzeugen? Ist das noch die Politik der kleinen Schritte, die bedeutungsschwanger auf die Schrödersche Politik der ruhigen Hand folgte? Große Schritte sind nicht ihr Ding, denn dafür müsste sie auch das Ziel klar vor Augen haben. Da ihre Strategie aber eher mit dem Satz beschrieben werden kann, mir nach, ich folge euch (Volker Pispers), hängt ihr Weg ganz entschieden davon ab, wohin sich die Masse, die des Aussitzens überdrüssig geworden ist, bewegt. Und die ist gar nicht so homogen, wie Merkel sich das wünscht.

Gerade mit Blick auf Griechenland stapeln sich inzwischen die Vorschläge zur Lösung der Finanzkrise und gelaufen wird in alle Richtungen. Von der sanften Umschuldung durch freiwilligen Anleihetausch über einen Rückkauf der Anleihen finanziert aus Mitteln des Rettungsfonds über einen Haircut also generellen Schuldenerlass bis hin zum Ausschluss Griechenlands aus der Eurozone wird breit diskutiert. Auch Eurobonds sind noch im Gespräch. Da fällt es der Kanzlerin eben schwer, die alternativlose Lösung herauszuarbeiten, die ihr so sehr beliebt. Sie wolle mit Blick auf die oben genannten Vorschläge nicht nachgeben und das Problem von der Wurzel her behandeln.

Nun sprechen alle wieder davon, dass Merkel ihren Kurs beibehielte. Ja welchen bloß? Nachdem sie sich kurz mit dem amerikanischen Präsidenten am Telefon kurzschloss, trifft sie sich nun mit dem französischen Staatschef Sarkozy, um den Gipfel vorzubereiten, wie es aus Regierungskreisen nebulös hieß. Dabei soll die Marschroute festgelegt werden. Was könnte man dazu benötigen? Einen Zirkel vielleicht, mit dem Angela Merkel den Bewegungskreis aufzeichnen kann?

Auf jeden Fall wird es wieder viel zu Trinken geben. Es könnte ja auch sein, dass man den Sarkozy wie damals in Heiligendamm abfüllt und vor die Presse stellt, damit es etwas unterhaltsamer wird, optional böte sich natürlich auch ein Haircut bei einem der Teilnehmer an. Auf eine Wurzelbehandlung à la Merkel kann hingegen verzichtet werden.

Eine Merkel ohne Sehnsucht ist schon gut, aber eine Sehnsucht ohne Merkel wäre noch viel besser…

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Eine Zwangsneurose: Die neue SPD-Troika

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Jetzt ist die SPD-Troika in neuer Besetzung zurück. Der Dicke und die Stones wollen für den Euro mit Merkel kuscheln. Im Hamburger Abendblatt kann man nachlesen, warum:

Gabriel erklärte, es seien europaweit Entscheidungen notwendig, die bei vielen Menschen zu Zorn und Verärgerung führten, weil sie finanzielle Beiträge für andere Staaten leisten müssten. Die SPD biete dafür ausdrücklich ihre Zusammenarbeit an. Die Sozialdemokraten seien bereit, „auch diese schwierigen Entscheidungen in der Öffentlichkeit zu vertreten“.

Das kann die SPD wirklich gut. Wenn Entscheidungen notwendig werden, mit denen man den Menschen und der bereits davongelaufenen Wählerklientel noch einmal gehörig vor das Schienbein treten kann, ist die SPD ausdrücklich dabei. Da treten die Agenda-Versager, vom Wiederholungszwang getrieben, noch einmal geschlossen an.

Besonders Steinbrück, den Josef Ackermann vor gut drei Jahren mit dem HRE-Deal lässig über den Tisch zog, tut so, als hätte er in der Finanzkrise etwas ganz großes mit dem Satz geleistet, die Spareinlagen der Deutschen seien sicher.

Hätte Europa zu Beginn der Euro-Krise so reagiert wie 2008, als Merkel und er in der Weltfinanzkrise mit der Garantie der Spareinlagen kamen, dann wären die Kalamitäten in Europa jetzt nicht so groß.

Über Norbert Blüm lacht man heute, über Steinbrück nicht. Dabei gebe es im Gegensatz zu Blüm durchaus Grund dazu. Denn mit was will denn Starökonom Steinbrück, der aktuell nicht mehr Finanzminister ist und das heilige Ziel eines ausgeglichenen Haushalts verfolgen darf, eine Garantie der Spareinlagen sicherstellen? Das ginge doch nur, wenn sich der Staat im Garantiefall um genau die Summe neu verschuldet, die der Höhe der zu sichernden privaten Einlagen entspricht. Das hieße dann aber…

“Guthaben minus Schuld = Null. Das ist der Wert der Garantie, volkswirtschaftlich.”

Quelle: Egon W. Kreutzer

Es ist völlig wurscht, ob man für Spareinlagen garantiert oder nicht. Es hätte nichts an der Kalamität in Europa geändert. Die Dimension der Finanzkrise ist doch nicht bloß auf eine fehlende Garantie zurückzuführen. Natürlich hat die zögerliche Haltung Merkels zu Beginn der Griechenlandmisere, als sie Hilfen erst kategorisch ausschloss, um sie dann doch noch zu beschließen, als es immer teurer wurde, dazu beigetragen, die Spekulation um eine Staatspleite an der Europeripherie weiter anzuheizen, doch hätten beispielsweise gemeinsame Eurobonds nur die Spekulation verhindert, nicht aber die Ursachen der Krise bekämpft.

Zum Thema der auseinanderklaffenden Leistungsbilanzen hat die neue Troika nun aber keine Meinung geäußert. Wie es gelingen kann, Überschüsse in den Bilanzen auf der einen Seite, nämlich der Deutschen, und Defizite in den Bilanzen der anderen Staaten, die einen Mittelmeerstrand haben, abzubauen, hört man nichts. Stattdessen folgt die derzeit beliebte Parole nach einem Schuldenschnitt. Und da wartet Finanzgenie Steinbrück mit einem Masterplan auf, der wie folgt beschrieben wird…

Die Bundesregierung müsse sich auf europäischer Ebene für einen Schuldenschnitt einsetzen, mit dem die griechischen Verbindlichkeiten um 40 bis 50 Prozent reduziert werden. Damit Banken nicht in den Strudel dieser hohen Abschreibungen gerissen werden, sollte eine Rekapitalisierung der öffentlichen Banken möglich sein.

Wie sich nun eine Rekapitalisierung öffentlicher Banken, die natürlich auch nur durch neuerliche öffentliche Verschuldung erreicht werden könnte mit einer Garantie auf alle privaten Spareinlagen und vor allem auch mit seiner Schuldenbremse deckt, bleibt wohl Steinbrücks Geheimnis. Es sieht wohl so aus, als wolle Steinbrück mit dem mutwilligen Herbeiführen eines Schuldnerausfalls mal austesten, ob seine und Merkels abgegebene Spareinlagen-Garantie auch funktioniert, obwohl er genau wissen müsste, dass eine erneute Rettung der Banken, die diesmal griechische Staatsanleihen abschreiben müssten, gerade jene privaten Guthaben auffrisst, die er ursprünglich schützen wollte.

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Bonitätswirrwarr

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Bei der ganzen Diskussion um Ratings und Ratingagenturen, um Staatsanleihen und Staatsschulden, um Zinsen und Risikoaufschläge vergisst man nur allzu oft den Blick für die realen Zusammenhänge. Wenn Sätze fallen, wie…

“Können sich Präsident Obama und die Republikaner nicht bald auf eine Erhöhung der Schuldengrenze einigen, droht gewaltiges Ungemach an den Märkten. Noch bleibt Zeit, den Sturz über die Klippen zu vermeiden.

Noch bleibt Zeit, den Sturz über die Klippen zu vermeiden. Aber insgesamt ist das Bild trübe: Die Europäer arbeiten sich im zweiten Jahr an der Staatsschuldenkrise ab, die Amerikaner, von politischen Interessen und ideologischen Positionen getrieben, steuern hart darauf zu.”

Quelle: FAZ

Grundsätzlich wird einfach nicht verstanden, worum es geht. Wenn Ratingagenturen und die Chinesen den USA mit einer Herabstufung der Bonitätsnote drohen, hat das rein gar nichts zu bedeuten. Warum sollte es auch? Allein schon der Widerspruch, dass die Bestnote erhalten bliebe, wenn die USA ihre Verschuldung erhöhen, zeigt wie absurd das ganze Ratinggetue in Wirklichkeit ist.

Wenn die USA im August zahlungsunfähig werden sollten, droht eben kein Ungemach an den Märkten – ich komme gleich darauf zu sprechen, warum das so ist – sondern ein Ungemach für die Amerikaner im Staatsdienst, in der Verwaltung, die darauf angewiesen sind, dass Washington ihre Löhne zahlt. In einzelnen Bundesstaaten ist dieses Ungemach schon Realität.

Komischerweise scheinen sich Bonitätsexperten hierzulande aber gar nicht dafür zu interessieren. Sie glauben, die Frage erörtern zu müssen, ob es die Amerikaner schaffen, die Finanzmärkte zu beruhigen oder nicht. Die Ratingagenturen drohen schon seit einigen Monaten mit einer Herabstufung der US-Bonität. Die nennen diese Vorstufe „review for possible downgrade“. An dieser Stelle dürfen sie ruhig mit dem Kopf schütteln. Doch, oh Schreck, was passiert denn nun? Steigen die Risikoaufschläge für zehnjährige Bonds, weil Gläubiger fürchten müssen, dass ihre Investments in Gefahr geraten?

Nein, ein Blick auf die Treasury Rates zeigt das genaue Gegenteil.

10 jährige US-Anleihen 2011

Quelle: US-Finanzministerium

Im Langzeittrend sinken die Renditen, egal wie hoch die Verschuldung auch steigt. Scheinbar vertrauen die Marktteilnehmer uneingeschränkt der Bonität der USA. In der öffentlichen Diskussion wird dieser Widerspruch aber gar nicht thematisiert. Es wird sogar darüber hinweggeschrieben, dass die Amerikaner ihr Defizit erhöhen sollen, um das Toprating zu behalten, während die europäischen Schwachländer Sparauflagen akzeptieren müssen.

Kurzum: Sowohl die Erhöhung wie auch die Reduzierung des Defizits ist für Ratingagenturen ein Kriterium für Bonität.

Während man das Zinsniveau für griechische Anleihen – es liegt im Augenblick jenseits der 20 Prozentmarke – als richtigen Preis für das Anlagerisiko bewertet, tut sich bei den Amerikanern diesbezüglich nichts und keiner stört sich daran. Wer nun aber die fiktive Ratingwelt verlässt, dem wird auch sehr schnell klar, warum das so ist. Zum einen werden die Amerikaner ihren Gläubigern die geliehenen Dollars zu jeder Zeit zurückzahlen können, weil es ihre Währung ist und kein anderer außer sie selber darüber bestimmen können. Zum anderen haben es die Bewohner des Mondes oder eines anderen beliebigen Himmelskörpers noch nicht geschafft, Anleihen auszugeben, in die Gläubiger dieser Welt investieren könnten.

Es stellt sich einmal mehr die Frage, welche Alternative das Kapital denn hätte, wenn die Bonität von Staaten durch Analystenspinner in Ratingagenturen in Zweifel gezogen würde. Das Kapital selber weiß, und das sieht man mit Blick auf die USA, dass das Ratingspiel auf Dauer nicht aufgehen kann. Da hilft auch der Glaube an Staatspleiten nicht. Staaten sind immer die besseren Schuldner. Erstens, weil sie keines natürlichen Todes sterben, in der Regel also ewig leben und Zinsen zahlen können und zweitens, weil sie das unverschämte Recht besitzen, ihre Einnahmen per Gesetz selbst festzulegen. Kein Unternehmen und kein Mensch kann das.

Nur warum funktioniert der Spuk in Europa? Weil Europa schwach ist. Seit zwei Jahren sehen wir eine spektakuläre Wende nach der anderen. Mal ist man für Hilfen, dann wieder dagegen. Mal ist man für Sanktionen, dann wieder dagegen. Mal ist man für gemeinsame Bonds, dann wieder dagegen oder auf einmal für einen Schuldenschnitt. Nur zwei Dinge bleiben konstant und das ist zum einen der feste Glaube daran, das Vertrauen der Finanzmärkte zurückgewinnen zu müssen und zum anderen die Bereitschaft, unkoordiniert und unüberlegt Geld für den Erhalt dieses Glaubens zu bezahlen. Wenn die eingeschlagene Politik scheitert, wie an dem ersten Sparprogramm für Griechenland zu sehen war, wird sich das nicht eingestanden, sondern die Erhöhung der Dosis für die richtige Therapie gehalten.

Europa krankt an der inneren Uneinheitlichkeit. Georg Schramm hat das in seiner Rolle als Oberstleutnant Sanftleben einmal treffend erklärt:

“Für einen Entlastungsangriff bei Abnutzungskrieg fehlt uns das Waffenarsenal und die Munition und die geeigneten technischen Mittel. Wir haben aufgerüstet im militärischen Bereich, intelligente Wirkmittel gibt’s bei der Artillerie, in der Finanzwaffentechnik leider nicht. Unsere Kommandeure sind verzweifelt, jede Woche wird eine Verteidigungslinie nach der anderen geräumt, rein defensive Strategie, muss man sagen und wenn man alles zusammenfasst, es wird so kommen, dass wir keine Chance haben. Der Gegner beherrscht das Schlachtfeld. Er hat das Gesetz des Handelns. Unsere Finanzkommandeure agieren nicht mehr, sie reagieren nur noch.”

Quelle: Georg Schramm, in: Neues aus der Anstalt, 11.05.2010

Amerika hingegen stürzt nicht von der Klippe, wie oben behauptet wird. Warum auch. Es gibt keinen objektiven Grund dafür. Vorhin hat das amerikanische Schatzamt eine 30-jährige Anleihe im Wert von 13 Mrd. US-Dollar mit einer Rendite von knapp über 4 Prozent erfolgreich am Kapitalmarkt platziert (Quellen: TreasuryDirect und Finanznachrichten). Was ist nun mit den Zweifeln an der Bonität?

Es kann keine geben, sofern die Hoheit über die eigene Währung besteht und auch genutzt wird. Hätte Europa von Anfang an mit der Ausgabe eigener Anleihen auf die Angriffe des Finanzmarktes reagiert, bestünden gar keine Ziele mehr, auf die sich die Akteure hätten einschießen können. So aber werden die Einzelstaaten der Union nacheinander an die Wand gefahren und gegeneinander ausgespielt. Und die deutschen Finanzgenies feiern sich auch noch dafür, die Bonitätsunterschiede innerhalb der Eurozone für ein gutes Zinsgeschäft mit der eigenen Währung nutzen zu können.

So leiht sich der Bund für einen Zinssatz von etwa 2 Prozent Geld in der eigenen Währung bei den Banken – die sich das Geld, das ihnen nachweislich nicht gehört, bei der Zentralbank noch günstiger besorgen können – und verleiht es wiederum für 5 Prozent an Griechenland weiter, denen die Währung aber auch gehört. Anschließend stellt sich der Bundesfinanzminister hin und zieht die Kreditwürdigkeit Griechenlands in Zweifel, sagt also, dass das Zinsgeschäft nicht aufgehen kann, weil weiterhin ein Zahlungsausfall droht. Wer hat nun gewonnen?

Die, denen die Währung gehört oder die, die sie sich nur günstig bei der Zentralbank ausgeliehen haben und davon profitieren, dass Deutschland so ein guter Schuldner ist und brav auch dann noch Steuergelder für die Zinsen aus den zusätzlichen Schulden in seiner Währung an die Banken zahlt, wenn Griechenland als vermeintlich schlechter Schuldner bereits ausgefallen ist?

Denken sie mal darüber nach, wenn der Gürtel schon wieder drückt.

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Eurokrise: Wenn Journalisten nicht verstehen, worum es geht

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Im Deutschlandradio gab es heute ein Interview mit dem Grünen-Politiker Sven Giegold über die Eurokrise und seine Vorstellung von einer echten Wirtschaftsunion. Der Moderator Dirk Müller, nicht zu verwechseln mit „Dirk of the DAX“, hat einfach nicht begriffen, worum es Giegold eigentlich ging und was die Ursachen der Krise sind. Prinzipiell ist aggressives Nachfragen gut und erwünscht, allerdings wirkt es in diesem Fall so, als würde der Moderator die Haltung der gängigen Irrlehre unbedingt verteidigen wollen. Deshalb gebe ich hier die Fragen des Moderators wieder und streife nur am Rande die Antworten Giegolds:

Müller: “Herr Giegold, da kann einem ja Angst und Bange werden. Dann haben wir demnächst einen portugiesischen Finanzminister und einen italienischen Wirtschaftsminister. Dann können wir in Deutschland auch gleich einpacken.” 

Was will Müller damit zum Ausdruck bringen? Jetzt haben wir mit Schäuble einen Finanzminister, der nachweislich in die Spendenaffäre der Union verwickelt war und mit Philipp Rösler einen Wirtschaftsminister, der das nur ist, um seine Position als FDP-Vorsitzender zu festigen, ansonsten qualifiziert ihn nichts. Mit diesem armseligen Personal können wir doch heute schon einpacken.

Herr Müller hätte zum Beispiel ein Interview mit Wolfgang Schäuble, das sein Sender ebenfalls heute geführt hat, noch einmal nachlesen können und sich folgende Falschaussage des Finanzministers etwas genauer ansehen sollen:

Schäuble: “Die Euro-Zone ist in einer schwierigen Situation, weil die zu hohen Schulden in einigen Mitgliedsländern das Vertrauen in die Euro-Zone als ganzes gefährden, und deswegen müssen wir gemeinsam handeln und deswegen müssen die Ursachen dieser Vertrauenskrise beseitigt werden. Das sind die zu hohen Defizite in einzelnen Mitgliedsländern.”

Die Ursachen sind eben nicht die zu hohen Defizite. Sie sind bloß Symptome. Die Ursachen sind die fortwährenden Handelsungleichgewichte innerhalb des Währungsraums, die zu beseitigen vor allem eine Aufgabe der Deutschen sein müsste, die mit ihren Exportüberschüssen die anderen Volkswirtschaften erst dazu zwingen, sich permanent zu verschulden. Der Zusammenhang, ohne Verschuldung, kein Exportüberschuss, wird einfach nicht verstanden. Auch von Moderator Dirk Müller nicht, der Sven Giegold in ätzender Weise Vorhaltungen macht, statt kompetente Fragen zu stellen.

Müller: “Herr Giegold, das wird in Deutschland aber nicht so gut ankommen, denn die Deutschen haben alles einigermaßen im Griff. Wir setzen das in Anführungszeichen: Auch wir haben unsere Schuldenkrise, unsere Schuldenprobleme, im Vergleich zu vielen anderen ist das aber politisch produktiv und zu lösen, wie es im Moment der Fall scheint. Die europäischen Interessen lagen, auch die europäischen Auffassungen in der Finanz- und Wirtschaftspolitik gehen doch so weit auseinander, dass Ihr Vorschlag – das sagen die Kritiker – sehr naiv klingt.”[…]

“Haben Sie schon mit den Vorstandschefs von BMW und Daimler gesprochen, dass die Produkte zu gut sind, weil sie dann Exportüberschüsse erzielen?”

Zunächst einmal hat es überhaupt nichts damit zu tun, dass deutsche Produkte zu gut für die Welt sind. Das ist ein beliebtes Argument der Exportfetischisten, um einer unangenehmen Diskussion über Lohnentwicklung und Kostensenkungen aus dem Weg zu gehen. Mal abgesehen von der dramatisch auseinanderklaffenden Lohnstückkostenentwicklung innerhalb der EU, erklärt die Beliebtheit deutscher Produkte im Ausland eben nicht, warum die deutschen Verbraucher eine so krasse Kaufzurückhaltung üben. Sven Giegold weißt darauf hin, dass die deutsche Kaufkraft gestärkt werden müsse, damit andere Volkswirtschaften davon profitieren können, so wie Deutschland umgekehrt davon profitiert hat, dass sich die Schwachländer den Konsum deutscher Waren und Dienstleistungen auf Kredit geleistet haben.

Sven Giegold weist ebenfalls darauf hin, dass ein Kreditgeschäft immer zwei Parteien braucht, Schuldner und Gläubiger. Die Rolle der Gläubiger wird aber immer vernachlässigt. Dabei finanzieren die Exportüberschüsse, für die die deutschen Arbeitnehmer den Gürtel haben enger schnallen müssen, Stichwort Wettbewerbsfähigkeit, den Konsum der Defizitländer. Das heißt, während deutsche Arbeitnehmer auf ihren Anteil am Gewinn durch Lohnmoderation verzichten mussten, wurden erst die Mittel frei für den kreditfinanzierten Konsum der Defizitländer.

Am Ende haben die deutschen Arbeitnehmer dann umsonst verzichtet, weil die Forderungen nicht mehr bedient werden können. Aber selbst das kapiert Moderator Dirk Müller nicht, wenn er einen rigorosen Schuldenschnitt fordert und meint, damit das Fass ohne Boden irgendwie abdichten zu können.

Müller: “Herr Giegold, wir haben vor einigen Monaten bereits begonnen mit der Euro-Krise. Im Grunde ist das ja schon seit über einem Jahr so. Da haben wir begonnen mit Irland, dann kam Portugal dazu, kommt Griechenland dazu. Dann hat man irgendwann gesagt, wir müssen das jetzt machen, wir brauchen den Rettungsschirm, 750 Milliarden Euro, gestern tauchten andere Zahlen auf, bis 1,5 Billionen wurde da gefordert, offenbar von Seiten der Europäischen Zentralbank. Es ist ein Fass ohne Boden, so stellt sich das im Moment dar, und es gibt offenbar keine politische Lösung. Wann wird ein klarer Schnitt gemacht?”[…]

“Entschuldigung, wenn ich Sie unterbreche. Wie oft sollen wir das denn machen? Wir können das doch nicht demnächst für 15 Länder machen. Wir haben das schon für drei getan.”

Dem Moderator Müller wird angesichts der Zahlen und der Horrorvorstellung einer Transferunion ganz schwindelig, und er übersieht dabei das eigene Wohnzimmer. Wie viel hat denn wohl die deutsche Einheit gekostet, die ähnlich katastrophal gemacht wurde wie die europäische Währungsunion? Der teuerste Sonderfonds, umgangssprachlich Sondervermögen oder Schattenhaushalt genannt, war der zur deutschen Einheit mit umgerechnet über 82 Mrd. Euro. Insgesamt flossen seit der Einigung etwa 1,2 Billionen Euro aus Gesamtdeutschland, den Soli zahlen auch die Ossis, in den Osten.

Wer innerhalb eines Währungsraums unterschiedlich entwickelte Volkswirtschaften zusammenfasst, bekommt immer eine Transferunion, weil die schwächere Wirtschaft keine eigene Währung mehr hat, die sie abwerten könnte, um den Wettbewerbsvorteil der anderen auszugleichen. Wer also eine Währungsunion begründet, muss auch eine Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik betreiben, die der Union als Ganzes und nicht nur den wirtschaftlichen Partikularinteressen des einzelnen Teilstaats nützt. Praktisch hieße das, dass sich die Union einem gemeinsamen Inflationsziel verpflichtet und dass die Zentralbank nicht nur auf eine Abweichung von dieser Marke nach oben sondern auch nach unten reagiert.

Denn während die Südländer das gemeinsame Inflationsziel deutlich überschritten haben, hat es Deutschland bis zum Ausbruch der Krise permanent unterschritten. Wenn die Zentralbank nun im Falle einer geringfügig höheren Inflationsrate aus Gründen der Preisstabilität ständig eingreift und mit Anhebung der Zinsen die Konjunktur bremst, vor allem in Ländern wie Deutschland, die ohnehin eine niedrige Teuerungsrate aufweisen, dann müsste sie gleichfalls beschäftigungspolitisch aktiv werden, wenn das Inflationsziel unterschritten wird. Konkret hätte die EZB viel früher die Ungleichgewichte innerhalb des Währungsraums erkennen und entsprechend handeln müssen. Auf die schwache Entwicklung der deutschen Lohnstückkosten (Arbeitskosten korrigiert um Produktivitätszuwächse) hätte frühzeitig reagiert werden müssen.

Quelle: Hans Böckler Stiftung 

Diese Entwicklung ist ein ungerechtfertigter Wettbewerbsvorteil für Deutschland, den man sinnvoller Weise nur dann wieder ausgleichen kann, wenn die deutschen Löhne mittelfristig stärker steigen und die der Schwachländer deutlich schwächer. An dieser Stelle muss noch einmal betont werden, dass dieser Anpassungsvorgang zwischen Ländern mit unterschiedlicher Währung ständig passiert und zwar durch Auf- oder Abwertung der jeweiligen Zahlungseinheit, ablesbar am Wechselkurs. Diesen gibt es innerhalb eines Währungsraums wie der Eurozone aber nicht, weshalb die Anpassung über die Entwicklung der Löhne erfolgt. Der Vorgang ist aber derselbe, weil letztlich in dem einen wie in dem anderen Fall die Kaufkraft entweder stärker oder schwächer wird.

Es ist also völlig deplatziert, wenn so getan wird, als würde man den Deutschen etwas wegnehmen wollen. Besonders albern wird es aber, wenn von den Schuldnerländern eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit gefordert wird, man aber gleichzeitig daran festhält von seiner eigenen Position nichts abgeben zu wollen. Da irrt letztlich auch Sven Giegold:

Giegold: “Das Problem ist nicht, dass die Produkte zu gut sind, sondern das Problem ist, dass die Menschen nicht mehr die Erträge dafür bekommen. Das heißt, es geht nicht, dass ist ein völlig falscher Diskurs zu behaupten, wir müssten weniger wettbewerbsfähig werden. Im Gegenteil: es ist gut, dass Deutschland wettbewerbsfähig ist. Was aber nicht gut ist, ist, dass die Arbeitnehmer in Deutschland 25 Prozent inzwischen im Niedriglohnsektor arbeiten. Würden die ordentlich bezahlt, hätten wir einen gesetzlichen Mindestlohn und würden in die Bildung investieren. Dann würden wir auch wieder mehr importieren und die anderen Länder würden nicht darunter leiden, dass wir gut sind, sondern hätten eben auch was davon.”

Das ist ein Widerspruch. Wenn wir mehr importieren, verlieren wir automatisch Wettbewerbsanteile, es sei denn, wir steigern die Ausfuhren um die Zunahme der Einfuhren. Dann wäre aber nichts gewonnen, sondern das Problem von Überschüssen und Defiziten besteht fort.

In der jetzigen Situation muss Deutschland eine Zeit lang selber Defizite in der Handelsbilanz zulassen, damit die Schuldnerstaaten durch eigene Überschüsse aus der wirtschaftlichen Krise hinauswachsen können. Das bedarf der Steuerung und vor allem der Vernunft. Letztlich ist es die Frage, wem wir mehr vertrauen. Den Finanzmärkten, die ein Land nach dem anderen gegen die Wand spielen oder dem Staat, der zwar von unfähigem Personal gesteuert wird, über das man aber als Souverän wenigstens noch ein Stück weit selbst entscheiden kann.

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Das Statistische Bundesamt zum Handelssaldo mit Griechenland

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In einer aktuellen Meldung des statistischen Bundesamts heißt es:

Ausfuhren nach Griechenland im Jahr 2010 weiterhin rückläufig

Im Jahr 2010 wurden Waren im Wert von rund 5,9 Milliarden Euro von Deutschland nach Griechenland ausgeführt. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, sind damit die deutschen Exporte nach Griechenland gegenüber 2009 deutlich zurückgegangen (– 10,2%), während gleichzeitig die Ausfuhren in die EU insgesamt um 15,5% gestiegen sind.

Die Einfuhren aus Griechenland haben sich im Jahr 2010 hingegen deutlich erholt und lagen mit rund 2,0 Milliarden Euro um 13,4% über den Vorjahresimporten.

Deutschland hat in den letzten Jahren jeweils sehr viel mehr Waren nach Griechenland ausgeführt als von dort bezogen – der Handelsbilanzsaldo fiel somit durchweg positiv aus. Im Jahr 2010 belief er sich auf rund 4,0 Milliarden Euro.

Quelle: destatis

Ich würde dazu sagen, für Griechenland fiel der Handelsbilanzsaldo somit durchweg negativ aus!

Im Ergebnis haben die Griechen ihr Leistungsbilanzdefizit behalten, während die Deutschen, trotz des Rückgangs der Ausfuhren ihren Überschuss behaupten und sogar weiter ausbauen konnten, weil andere Handelspartner mehr deutschen Waren abgenommen haben als zuvor. Was ist daran nun toll? Mit Blick auf die europäische Finanzkrise heißt das doch, dass sich an den bestehenden Ungleichgewichten nichts geändert hat.

Während Deutschland weiter Exporterfolge feiert – und die Statistiker feiern, wie es scheint, erleichtert mit – laufen bei den europäischen Partnern weiter Defizite auf, die unterm Strich die Krise weiter verschärfen. Auf Dauer wird sich Deutschland auf Transferzahlungen in Milliardenhöhe einstellen müssen, wenn es die anderen Volkswirtschaften, die mit dem Euro die gleiche Währung nutzen, daran hindert, sich zu entwickeln. Wenn Deutschland nicht bereit ist, etwas von seinen Marktanteilen abzugeben, wird die Eurozone nur mit Hilfe von Transferleistungen deutscher Steuerzahler weiterexistieren können.

Die Forderungen, die der Gläubiger Deutschland gegen Griechenland und all jene Euro-Staaten mit einem Mittelmeerstrand angehäuft hat und immer noch anhäuft, und für die die deutschen Arbeitnehmer den Gürtel stets enger schnallen mussten, erweisen sich gerade mit Blick auf Griechenland als halt- und wertlos. Von einer guten Wettbewerbsposition können sich die deutschen Arbeitnehmer nichts kaufen. Das geht nur mit höheren Einkommen. Die werden aber weiterhin verweigert.

So ist es dann auch kein Wunder, wenn Bundesfinanzministerium und Wirtschaftsfachleute bereits eine Abkühlung der Konjunktur registrieren.

Die aktuellen Konjunkturdaten zeigen einen verhaltenen Start der deutschen Wirtschaft in das 2. Quartal. Damit setzt sich der Aufschwung mit geringerem Wachstumstempo als zu Jahresbeginn fort.

Quelle: BMF

Erstmals seit 2009 verlangsamt sich in vielen Ländern der Euro-Zone das Wachstum – und zwar deutlich. An Warnsignalen für eine bedrohliche Entwicklung mangelt es nicht. Doch die Notenbank schläft.

Quelle: FTD

Die deutsche XXL-Lokomotive fährt eben nicht von allein oder mit deutschem Wein aus der Pfalz, sondern nur so lange, wie die anderen sich verschulden und die Kohle zum Verheizen liefern.

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Nachtrag zum Sterbezwang für Griechenland

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Zunächst einmal möchte ich auf Jens Bergers Beitrag Staatsfinanzierung als Subvention des Finanzsektors auf den NachDenkSeiten hinweisen. Darin zeigt er anhand der Unterschiede zwischen Zentralbankleitzins und Marktzins die glänzenden Verdienstmöglichkeiten von privaten Banken und deren Eigentümern. Der Niedergang Griechenlands sei ein prächtiges Geschäft für die privat organisierte Finanzmarktbranche.

Für die Banken ist dies nicht nur ein relativ sicheres, sondern vor allem sehr lukratives Geschäft. Das Geld für die Staatsanleihen leihen sie sich bei der EZB zum Leitzins von 1,25%. Die gekauften Anleihen können sie dann bei der EZB als Sicherheit hinterlegen, um sich für andere Finanzmarktgeschäfte frisches Geld zum Leitzins zu leihen. Ohne nennenswerte Eigenleistung kassieren die Banken bei diesem Geschäft somit die Differenz zwischen dem Leitzins und dem Nominalzins der Staatsanleihe.

Das ist die Geschichte mit dem Dieb, der vor dem Haus, in das er eingebrochen ist, einen Stand aufbaut und ganz legal die gestohlenen Gegenstände an den Eigentümer verkauft. Die Tatsache, dass der Staat sich noch immer über die Finanzmärkte refinanziert, anstatt sich das Geld, das schließlich ihm gehört (auf den Banknoten war noch nie das Konterfei von Josef Ackermann zu sehen) bei seiner Zentralbank selbst zu besorgen, ist ein systemisches Problem, das die Frage aufwirft, ob eine Volkswirtschaft überhaupt einen privaten Bankensektor braucht.

Die Frage steht deshalb auf der Tagesordnung, weil die Banken ihre Aufgabe, ein Diener der Wirtschaft zu sein nicht erfüllen, sondern dem Zwang des freien Marktes unterliegen, sogar in den größten Finanzkrisen sich ausschließlich den Bedürfnissen ihrer Eigentümer zuzuwenden, die traumhafte Renditen für ihre Anteilsscheine einfordern. Dafür braucht es kriminelle Energie und die nötige Größe, um über die demokratisch gewählten Abgeordneten des Souveräns verfügen zu können.

Interessant ist natürlich der Gedanke, dass der Finanzmarkt im Grunde genommen auch nur eine Privatisierung einer an sich öffentlichen Aufgabe darstellt, durch die vor allem einige Wenige ständig profitieren und die große Mehrheit immer weiter verliert.

Man kann diesen Zustand vielleicht mit der Privatisierung der Altersvorsorge vergleichen. Die gesetzliche Rentenversicherung ist unter dem Dach der Sozialversicherung organisiert und beinhaltet ein Umlagesystem, das, wenn man alle versicherungsfremden Leistungen abzieht, zu jedem Zeitpunkt funktioniert. Es werden Beiträge eingenommen und Renten ausgezahlt. Der ganze Vorgang kostet den Versicherten gerade einmal 0,5 Prozent seines Beitrags.

Nun wurde durch eine Reihe von Lügen behauptet, die gesetzliche Rente sei unsicher und müsse durch private Altersvorsorgeprodukte zum Teil ersetzt werden. Nur hat sich am Vorgang selbst überhaupt nichts geändert. Es gibt Menschen, die Beiträge einzahlen und Menschen, die eine Rente erhalten. Das verfügbare Geld wird also genauso umgelegt wie in der gesetzlichen Rentenversicherung. Es gibt nur einen Unterschied. Für die privaten Finanzdienstleister ist dieses Geschäft mit umgeleiteten Beiträgen eine – wie hatte sich Carsten Maschmeyer so schön ausgedrückt? – Ölquelle, die man nur anbohren müsse.

Der Grund sind die Provisionen und Kosten, die für solch ein privates Produkt vom Versicherten bezahlt werden müssen. Für den nunmehr Kunden bedeutet das im Klartext, dass er statt die 0,5 Prozent, die ihm die gesetzliche Rentenversicherung von seinem Beitrag zur Deckung ihrer Verwaltungskosten abzweigt, bei der privaten Assekuranz einen deutlich höheren Anteil zu tragen hat. Wenn man die Riesterförderung herausrechnet, die ja letztlich vom Steuerzahler aufgebracht werden muss, belaufen sich die Kosten privater Versicherer zwischen 10 und 40 Prozent des Beitrags. Den günstigsten Anbieter finden sie dann unter großem Tamtam bei der Stiftung Warentest und ihrem Ableger Finanztest.

Leider vergessen die Warentester und Verteidiger des Wettbewerbs immer wieder, darauf hinzuweisen und aufzuführen, dass die gesetzliche Rentenversicherung als günstigster Anbieter von allen, die sicherste Rendite verspricht, weil sie weder in riskante Aktien und Fonds noch in bisher als sicher geltende Anlagen wie Staatsanleihen investiert, sondern einfach immer nur umlegt, was an Beiträgen hereinkommt, die wiederum durch das Wachstum des Volkseinkommens (BIP) und der Beschäftigungssituation insgesamt bestimmt werden.

Wächst die Volkswirtschaft, wachsen auch die Renten. Die Altersbezüge können aber nie über das Maß hinaussteigen, das private Finanzdienstleister vorgaukeln müssen, um die Rentenlücken wieder auffüllen zu können, die eine auf bewusste Zerstörung der Sozialsysteme ausgerichtete Politik mit mutwillig herbeigeführten Rentenkürzungen erst gerissen hat.

Banken können mit ihren Erträgen nun auch nicht einfach so über das Maß hinaussteigen, als es das Wachstum des Volkseinkommens zulässt. Wer das Gegenteil behauptet und in unverschämter Weise Traumrenditen von beispielsweise 25 Prozent für seine Eigentümer verspricht und tatsächlich auch erreicht, agiert kriminell. Nicht ohne Grund sitzt die Deutsche Bank in den USA, ihrem Hauptspielfeld, was Investmentbanking angeht, auf der Anklagebank. Warum nicht hier?

Genauso wenig wie man Banken braucht, die riskante Spekulationsgeschäfte betreiben und absichern, braucht man auch nicht deren Vertrauen, das die politischen Hampelmänner und Frauen, nachdem sie so viele Milliarden Euros zur Rettung der Finanzinstitute verschleudert haben, wieder zurückgewinnen wollen, damit sich Staaten wie Griechenland am Finanzmarkt, den es eben nicht braucht, wieder selbst refinanzieren können.

Gestern hatte ich mit Blick auf Schäubles Forderung nach freiwilliger Beteiligung der Gläubiger und deren Antwort, die Freiwilligkeit nur gegen Staatsgarantien eintauschen zu wollen, gefragt, ob die Aufführung zur Verdummung der Massen eigentlich noch lächerlicher werden könne. Und sie kann.

Angesichts des Misserfolgs von Sparpaket Nummer 1 und in gleichzeitiger Erwartung von Sparpaket Nummer 2, dessen Umsetzung nach dem gestrigen Vertrauensbeweis für Ministerpräsident Papandreou wahrscheinlicher geworden ist, schlagen nun dieselben EU-Finanzfachleute plus EU-Kommissionspräsident Barroso vor, der griechischen Wirtschaft mit einer Art Konjunkturprogramm unter die Arme zu greifen. Also absurder geht es ja nun wirklich nicht mehr. Erst macht man die Wirtschaft durch ein Sparprogramm kaputt, dann lässt man ein zweites vorbereiten und gleichzeitig verkündet man, die kaputte Wirtschaft mit EU-Geldern stützen zu wollen. An eine Milliarde hatte Barroso da übrigens gedacht.

Man muss sich das aber mal vorstellen. Die Rettung der Banken und eines kriminellen Systems, in dem einige wenige profitieren, das von falschen Preisen, Zinsen und noch falscheren Ratings bestimmt wird, in dem die Spekulation sämtliche Märkte erfasst zu haben scheint und gigantische Summen aus der realen Wirtschaft gepresst werden, sei es durch das Bezahlen von falschen Preisen oder durch das Begleichen der unvermeidlichen Verluste, diese Rettung der Interessen Weniger hat Vorrang vor einer Volkswirtschaft, in der Millionen von Menschen leben.

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Sterbezwang für Griechenland

Geschrieben von:

Heute früh twitterte ich nach Aufnahme der ersten Nachrichten des Tages:

Erpressung: Milliardenhilfen für Griechenland gibt’s nur dann, wenn das Land Selbstmord begeht. Seltsame Hilfe. Sterbehilfe?

Quelle: Twitter

Nun muss ich mich korrigieren. Es ist ja keine Sterbehilfe, sondern ein Sterbezwang, dem das griechische Parlament ab Mitternacht zustimmen wird, sofern es Ministerpräsident Papandreou das Vertrauen ausspricht.

Quelle: Klaus Stuttmann

Mich wundert nur, dass niemand offen von Erpressung spricht. Die EU-Finanzminister haben das neuerliche Rettungspaket explizit an den Erfolg der Vertrauensfrage geknüpft und klargestellt, dass die Überweisung der dringend benötigten Finanzhilfen vom Ausgang der Abstimmung über den Kurs Papandreous direkt abhinge. Die Abgeordneten haben jetzt also die Wahl zwischen einem schnellen Tod, der ihre Souveränität ein Stück weit rettet und einem langsamen Ableben durch die Auslieferung des Landes an jene Gestalten, vor allem in Deutschland, die sich dadurch mehr Zeit erhoffen, in der sie von ihrem Versagen ablenken können.

Im Prinzip könnten die deutschen Polithasardeure ihre Milliarden auch direkt an Ackermann und Co überweisen, anstatt sie als Rettungshilfen getarnt zunächst nach Griechenland zu transferieren, damit dort im korrekten Buchverfahren die Forderungen der deutschen Gläubiger bedient werden können. Man kann das auch politische Geldwäsche nennen.

Okay, inzwischen wissen wir, dass ein Großteil der privaten Gläubiger, dank EZB-Aufkauf, ihre Anleihen losgeworden sind. Doch am Ende macht es keinen Unterschied, ob der Steuerzahler für die Abschreibungen der Bank oder deren Bad Bank eintritt. Beide sind aus Regierungssicht systemrelevant und letztere sogar mit ihren ausgelagerten Giftpapieren defacto im Staatsbesitz, durch Steinbrücks letztes großes Krisengesetz als noch größerer Möchtegernkrisenmanager aller Zeiten.

Sein Nachfolger Schäuble setzt nun auf Freiwilligkeit privater Gläubiger. Als wäre dieser Vorstoß nicht schon albern genug und Ausdruck offensichtlicher Rat- und Planlosigkeit, fordern nun auch noch ebendiese privaten Gläubiger Staatsgarantien für das Risiko ihrer Freiwilligkeit. Kann diese Aufführung zur Verdummung der Massen eigentlich noch lächerlicher werden?

In dieser Welt scheinen nur wenige den Durchblick und einen kühlen Kopf zu bewahren. Heiner Flassbeck ist einer von ihnen.

“Ein Land kann durchaus 150 Prozent Staatsverschuldung im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt haben, das ja das laufende Einkommen ist. Aber die Griechen brauchen niedrige Zinsen, die unter der Wachstumsrate der nächsten Jahre liegen. Dafür brauchen sie aber Wachstum und keine Schrumpfung. Sie zum Senken der Löhne zu zwingen, führt in die Katastrophe, wirtschaftlich und politisch.”

Quelle: Salzburger Nachrichten

Statt die Anleihen privater Gläubiger einfach nur aufzukaufen und diese von ihrem Risiko zu befreien, hätte die EZB neue Anleihen der Griechen zu einem deutlich niedrigeren Zinssatz kaufen können (Eurobonds). Stattdessen lässt man den Gerüchten freien Lauf und akzeptiert völlig irrsinnige Preise für Zinsen auf neue Bonds, die kein Land je bezahlen könnte. Hauptsache das Dogma, der Markt hat recht, bleibt gewahrt. Ausgerechnet sein Vertrauen wollen die ansonsten so streng daherkommenden Haushälter zurückgewinnen und geben großzügig Milliarde um Milliarde, anstatt die Spekulationen auf den versagenden Finanzmärkten endlich aktiv zu unterbinden.

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Ahnungslose Finanzpolitiker: Ein Beispiel für die gefährliche Dogmengläubigkeit in Zeiten der Finanzkrise

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Griechenland steht am Abgrund. Was soll die Politik tun? Wenn man sich anschaut, was in den letzten Tagen alles passiert ist, könnte man vor Wut in den Sack hauen. Ein Krisengipfel ohne Ergebnis, Ratingagenturen mit Buchstabensuppe und eine offensichtlich geistig abgerüstete Elite im Staatspleitenfieber, die sich bereitwillig auf dem Altar der internationalen Finanzmärkte opfern will, weil sie glaubt, dann genau das Vertrauen jener Märkte zurückgewinnen zu können, die den ganzen Schlamassel im freien, durch Steuergelder abgesicherten, spekulativen Spiel der Kräfte erst angerichtet haben.

WARUM ZUM KUCKUCK?

Der Staat ist nicht mehr Herr im eigenen Haus und so treten dann auch Politiker auf, die, anstatt dafür zu sorgen, dass der Einbrecher gefasst wird und hinter Gitter wandert, ihm lieber dabei zusehen, wie er das gesamte Haus ausräumt und anschließend gegen eine Gebühr die zeitlich befristete Rückgabe der geklauten Gegenstände an den Besitzer geschäftlich legal betreiben darf.

Nichts anderes geschieht im Moment. Der Finanzmarkt, also private Geschäftsbanken, Hedgefonds, Spekulanten usw., im folgenden Diebe genannt, füllen ihre Kassen mit billigem Geld, das sie von den Notenbanken der Staaten erhalten. Damit sollen sie eigentlich Kredite an die Wirtschaft vergeben und die Konjunktur ankurbeln. Doch die Diebe denken nicht daran, in die Wirtschaft zu investieren, sondern nehmen das Geld und verleihen es gegen eine entsprechende Gebühr – deren Höhe sie selber festlegen und von der jeder glaubt, sie sei seriös, weil sie am Markt gebildet wurde – an genau jene Staaten zurück, von denen sie es erhalten haben. Dann spekulieren sie gegen diese Staaten und ziehen deren Kreditwürdigkeit in Zweifel. 

Ein tolles Geschäftsmodell, weil es satte Gewinne verspricht und keinen der gewählten Staatenlenker stört. Für sie zählt nur das Dogma vom Markt, von der Unantastbarkeit der Forderungen und von der Unabhängigkeit der Zentralbanken. Sie tun alles, um die Gewinne der Investoren abzusichern, und sie tun nichts gegen die reale Zerstörung von Volkswirtschaften und ganzen Gesellschaften.

Die Staaten ordnen sich dank unfähiger Politiker und peinliche Banker im öffentlichen Dienstverhältnis wie Jens Weidmann den Geschäftsbanken bloß unter, anstatt diese von ihrer einst politisch organisierten privilegierten Stellung innerhalb der Finanzarchitektur endlich zu entbinden. Wenn private Banken, große Fonds und Spekulanten bloß Spiele betreiben, anstatt ihrer dienenden Funktion der Volkswirtschaft gegenüber nachzukommen, ist das durch nichts zu rechtfertigen. Besonders dann nicht, wenn die Staaten selber für die Verluste in diesem Spiel bereitwillig einstehen und ihre volkswirtschaftliche Entwicklung nachhaltig gefährden. An dieser Stelle versagt die Politik vor einem ressourcenverschwendenden System, in dem kriminelle Energie belohnt wird, die nötig ist, um hohe Eigenkapitalrenditen zu erzielen.

Die Politik will aber nicht wahrhaben, dass sie noch immer einer Marktgläubigkeit folgt, deren scheinbare Gesetzmäßigkeiten von den Profiteuren der Finanzkrise selbst bestimmt und verbreitet werden.

Das eigentliche Geschäft der Banken kann der Staat auch selber machen. Das setzt aber voraus, dass zum Beispiel die Unabhängigkeit der Zentralbanken nicht als Naturgesetz betrachtet wird. Besonders die EZB ist von der Konstruktion her nur darauf bedacht, die Stabilität des Geldes zu überwachen, nicht aber Beschäftigung und Wachstum innerhalb des Wirtschaftsraums. Sie hat demzufolge einen falschen Auftrag, der korrigiert werden muss, weil sie nur etwas vom Bremsen verstehen will, nicht aber von der Beschleunigung. Würde sie davon etwas verstehen wollen, wären die Ungleichgewichte innerhalb der Eurozone ein größeres Thema und die verordnete Sparpolitik der wiederauferstandenen Brüning’schen Deflationspolitiker wäre wahrscheinlich als großer und gefährlicher Blödsinn längst enttarnt.

Stattdessen wird das Versagen geleugnet und einer Erhöhung der Giftdosis das Wort geredet. Erkenntnisgewinn gleich null. Und hier das angekündigte Beispiel mit der ahnungslosen stelv. finanzpolitischen Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion Ingrid Arndt-Brauer:    

Zagatta: Jetzt drohen Rating-Agenturen, die ja eine gewaltige Macht haben, jetzt schon damit, eine Beteiligung privater Gläubiger wie einen Zahlungsausfall zu werten. Kann man das dann ernsthaft erwarten, denn das könnte ja auch zur Katastrophe führen?

Arndt-Brauer: Also ich bin von Rating-Agenturen mehrmals enttäuscht worden. Die haben uns im Finanzausschuss, kurz bevor die Finanzkrise ausbrach, überhaupt keine Hinweise auf die Finanzkrise dargelegt. Also ich bin immer der Meinung, man sollte die Macht von Rating-Agenturen dadurch brechen, dass man ihr was entgegensetzt. Also wenn man sagt, die EU steht zu Griechenland und die EU hilft Griechenland, dann müsste das eigentlich für die Märkte überzeugender sein, als wenn eine Rating-Agentur irgendwelche Buchstaben in die Welt posaunt. Und ich würde gerne ein starkes Europa, ein vereintes Europa im Ziel, Griechenland zu helfen, diesen Rating-Agenturen entgegensetzen.

Zagatta: Jetzt sagt aber selbst der Bundesbankpräsident Weidmann heute, dass die EZB, also die Europäische Zentralbank, keine weiteren Risiken eingehen darf, also griechische Staatsanleihen aufkauft, oder die Laufzeit verändert. Wenn das der Kurs ist, was kann man dann von privaten Banken noch erwarten?

Arndt-Brauer: Ja, ich bin weit davon entfernt, zu versuchen, Einfluss auf die EZB zu nehmen. Das ist eine unabhängige Institution, genau wie unsere Bundesbank auch, die müssen ihre Politik machen, wir machen unsere Politik. Und ich denke, wir haben die Möglichkeit, politisch zu entscheiden, ob wir Griechenland helfen, wie wir Griechenland helfen, welche Bedingungen wir setzen für Griechenland, und ob es Griechenland wirklich schafft, auch Kredite wieder zurückzuzahlen. Das liegt auch an der Inlandsnachfrage, das liegt an anderen Bedingungen, die man Griechenland auferlegt. Ich denke schon, dass die Privatbanken oder die Privatgläubiger – es sind ja auch Versicherungen dabei – ihre Entscheidung unabhängig von der EZB machen, wenn sie wissen, es steht Geld als Bürgschaft von Steuerzahlern zur Verfügung.

Zagatta: Aber damit übernimmt ja wieder der Steuerzahler das Risiko, nicht die Banken?

Arndt-Brauer: Es ist nicht mein Wunschdenken, dass der Steuerzahler das Risiko übernimmt, aber ich befürchte, dass er das teilweise machen muss. Ich wünsche mir natürlich, dass die Banken beteiligt sind, aber wie gesagt kann ich als Politiker nicht die EZB zwingen. Man kann appellieren, man kann sagen, Leute, IWF, EZB und der Steuerzahler sollten sich das Risiko teilen, aber wie gesagt, das sind teilweise doch sehr unabhängige Institutionen, die man da nicht verpflichten kann, wo man nur appellieren kann.

Quelle: dradio

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Interview mit Angela Merkel und überraschende Eingeständnisse

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In ihrer allwöchentlichen Videobotschaft, von der wohl sonst kaum jemand Notiz nimmt, hat Kanzlerin Angela Merkel überraschende Eingeständnisse formuliert, um nicht zu sagen treffende Zustandsbeschreibungen zum angeblich so boomenden Arbeitsmarkt vorgenommen sowie die fatalen Auswirkungen der deutschen Exportorientierung innerhalb des Euroraums beschrieben. Nur, sie erkennt darin keinen Missstand, sondern eine Bestätigung ihrer bisherigen Politik.

“Es ist nicht generell schlecht, wenn gut ausgebildete junge Menschen auch mal ein Jahr oder zwei im Ausland sind, aber schön wäre natürlich, sie kommen wieder. Und da, muss ich sagen, ist die junge Generation heute schon oft sehr schwierigen Bedingungen ausgesetzt. Oft gibt es erst mal nur Praktika, anschießend gibt es sehr befristete Arbeitsverträge. Wer langfristig sein Fachpersonal wirklich halten möchte, der muss auch bereit sein, jungen Menschen eine gute Perspektive zu geben. Das heißt, sie ordentlich zu bezahlen, aber eben auch nicht immer wieder befristete Arbeitsverträge anzubieten. Und wir sind sehr aufmerksam als Regierung, wenn wir fragen: Haben wir genug Fachkräfte? Aber wir als Regierung sagen auch: Geht erst einmal mit den eigenen Fachkräften wirklich gut um. Es darf nicht sein, dass wir uns Fachkräfte von außen holen, nur um das Lohnniveau zu drücken, sondern wer gute Fachkräfte haben will, muss auch gut bezahlen.”

Quelle: Bundeskanzlerin

Das ganze Interview ist seltsam. Auch, weil die Fragenvorleserin nicht auf das reagiert, was als Antwort erwidert wird. Anstatt nachzuhaken und die Kanzlerin zu fragen, wie prekäre und schlecht bezahlte Beschäftigungsverhältnisse zum vorher geäußerten Jubel über eine niedrige Arbeitslosigkeit und über eine deutsche Vorbildfunktion passen, geht’s mit einem anderen Thema weiter. Sie hätte auch nach der noch immer fehlenden gesetzlichen Lohnuntergrenze fragen können und danach, ob die Regierung nun endlich die Einführung eines Mindestlohns in Angriff nehme, damit das Gerede über ein gutes Umgehen mit Fachkräften nicht bloß ein unverbindlicher Spruch bleibt, über den die Arbeitgeber allenfalls müde lächeln, während sie die Lohnsubvention durch das Hartz-IV-System weiter kassieren und damit Steuergelder veruntreut werden.

Zur Eurokrise sagt Merkel dann:

“Viele wissen ja: Wenn sich bei uns die Wirtschaft gut entwickelt, hat das auch positive Auswirkungen auf andere Länder. Aber natürlich erwartet man von uns auch Solidarität. Wir sagen, auf der einen Seite müssen die Länder, die hoch verschuldet sind, ihren Beitrag leisten – müssen sich anstrengen, Strukturreformen machen. Aber auf der anderen Seite ist der Euro zum Beispiel ja auch etwas, was uns in Deutschland sehr zugutekommt. Wir haben über 60 Prozent unseres Exports nur in dem europäischen Bereich. Das heißt, wenn es allen Europäern gut geht, geht es auch der deutschen Exportwirtschaft gut. Und wir haben durch den Euro nicht die sogenannten Transaktionskosten, dass wir immer wieder Kosten durch eine andere Währung haben, sondern durch die gemeinsame Währung, durch den gemeinsamen Binnenmarkt kann Deutschland viel leichter exportieren. Und deshalb ist es richtig und gut, dass wir uns auch für den Euro als eine starke Währung einsetzen.”

Auch hier hakt die Fragerin nicht nach. Wenn es richtig ist, dass Deutschland durch die gemeinsame Währung und den gemeinsamen Binnenmarkt viel leichter exportieren kann, wieso sollte die Bundesregierung dann ein Interesse daran haben, dass die Griechen und andere Defizitländer das auch können? Wenn das nämlich so wäre, müsste Deutschland zwangsläufig von seiner Exportstärke etwas abgeben und dann wäre der Außenhandel schwieriger. Wäre das dann gut oder schlecht für Deutschland?

Man könnte Merkels Antwort auch als Reaktion auf Gregor Gysi verstehen, der die Regierung im Bundestag dazu aufforderte, deutlicher zu werden.

“Was Sie sagen, wirkt altruistisch, als ob es Ihnen immer nur darum ginge, wie viel Geld man für Griechenland ausgibt. Seien Sie von der Regierung doch einmal ehrlich und sagen Sie: Es geht letztlich um Deutschland, und zwar aus folgendem Grund: Den Euro brauchen wir dringender als Griechenland. Wir sind doch die Exportnation. Wir sind Vizeweltmeister beim Export, gleich hinter China. Stellen Sie sich einmal vor, Griechenland, Spanien, Portugal und Irland hätten eigene Währungen. Dann würden sie sie abwerten, bis wir so gut wie nichts mehr dort verkaufen könnten. Also: Wenn Sie den Euro retten, retten Sie die deutsche Exportwirtschaft. Sagen Sie das doch einmal in dieser Klarheit, damit die Bürgerinnen und Bürger Bescheid wissen!“

Quelle: Linksfraktion

Am Ende wird es bei Frau Bundeskanzlerin dann noch einmal lustig:

“Aber wir dürfen nichts tun, was den Aufschwung weltweit insgesamt in Gefahr bringt und dann auch in Deutschland wieder in Gefahr bringen würde. Wir haben ja gesehen: Der Bankrott von Lehman Brothers hat bei uns dazu geführt, dass wir im Jahr 2009 einen Wirtschaftseinbruch von fast fünf Prozent hatten. So etwas gab es Jahrzehnte lang nicht, und so etwas muss unbedingt wieder verhindert werden.”

Wie will sie denn das verhindern, hätte eine Nachfrage der Historikerin lauten können, die die Fragen stellte? Lehman Brothers war ja keine deutsche Bank. Mal abgesehen davon, dass die Ursachen des Wirtschaftseinbruchs keinesfalls an der Pleite einer Bank festgemacht werden können, bedeutet die Position Merkels doch im Umkehrschluss, dass Deutschland in Zukunft auch Einfluss auf Institutionen haben muss, die nicht auf dem eigenen Hoheitsgebiet liegen. Weil Deutschland so abhängig von der weltwirtschaftlichen Entwicklung ist – warum eigentlich – müssen andere Volkswirtschaften ihre “Hausaufgaben” machen, selbstverständlich von der Bundesregierung überwacht, damit es in Deutschland nicht wieder zu einem Einbruch der Wirtschaft kommt. Denn, so die Logik der Kanzlerin, geht es der deutschen Wirtschaft gut, geht es auch allen anderen gut (s.o.).

Das erste griechische Rettungspaket nach Vorgaben der Bundesregierung ist bekanntlich gescheitert. Die Wettbewerbsfähigkeit Griechenlands wurde nicht erhöht, die Schulden nicht abgebaut. Es wurde in die Krise hineingespart. Weitere Milliardenhilfen wurden nötig. Für Deutschland hatte Frau Merkel diese Brüning’sche Sparpolitik zunächst abgelehnt und stattdessen Konjunkturprogramme auf den Weg gebracht, bis sie und ihre Regierung glaubten, die Krise überwunden zu haben. Für die Griechen gilt nicht einmal dieser Ansatz. Merkel behauptet trotz gegenteiliger Überzeugung, dass sich die Griechen aus der Wirtschaftskrise heraussparen könnten. Da hätte die Historikerin spätestens aus Fachinteresse nachhaken müssen.

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