Hartz IV: Merkel greift ein

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Nun hat sich auch die Kanzlerin in den Streit um Hartz-IV eingeschaltet und angekündigt, sich dem gemeinschaftlichen Kacken hinter verschlossen Türen des Vermittlungsausschusses anzuschließen. Auf dieser Unisex-Toilette der selbsternannten Zukunfts-Gestalter hocken Politik-Gestalten beider Geschlechter und der fünf Yes-we-Hartz!-Parteien schon seit der Weihnachtszeit, um darüber zu beraten, wie übelriechend der Furz von Frau von der Leyen, genannt Hartz-IV-Reform, denn nun werden soll. Das Problem an Fürzen ist aber, dass sie so schwer zu greifen sind. Vielleicht will deshalb die Kanzlerin dazustoßen, weil sie als gelernte Naturwissenschaftlerin genau weiß, wie man stinkende Gase in eine gemeinsame Lösung verwandelt.

Das hat den Vorteil, dass sie das Endergebnis als Betroffener Sozialleistungsempfänger zwar nicht mehr riechen müssen, aber dennoch saufen sollen, sofern sie an einem Überleben interessiert sind. Ich darf noch einmal an den wahrscheinlich schon vergessenen Referentenentwurf aus dem Sozialministerium erinnern und die darin aufgestellte völlig bizarre „Alkohol raus und Wasser rein“-Berechnung von scheinbar völlig verblödeten Mathematikern, die man früher auf den Schulhof für so einen Streberschwachsinn wahrscheinlich ordentlich verprügelt hätte.

“Ausgaben für Nahrung und alkoholfreie Getränke gehören zum unverzichtbaren Grundbedarf und damit zum physischen Existenzminimum. Deshalb werden die von den Referenzhaushalten hierfür durchschnittlich getätigten monatlichen Verbrauchsausgaben – wie bereits in der entsprechenden Sonderauswertung 2003 – in voller Höhe (100,0%) als regelbedarfsrelevant berücksichtigt. Insgesamt ergeben sich für das Jahr 2008 in Abteilung 01 regelbedarfsrelevante Verbrauchsausgaben in Höhe von 128,46 Euro, einschließlich des eingerechneten Betrags für die Substitution der durch den Konsum von alkoholischen Getränken konsumierten Flüssigkeitsmenge durch alkoholfreie Getränke. In der Sonderauswertung EVS 2003 waren in Abteilung 02 alkoholische Getränke zu 100 % regelsatzrelevant. Alkohol stellt allerdings ein gesundheitsgefährdendes Genussgift dar und gehört als legale Droge nicht zu dem das Existenzminimum abdeckenden Grundbedarf. Daher wird Alkoholkonsum nicht mehr als regelbedarfsrelevant berücksichtigt. Wird auf Alkohol verzichtet, muss die damit verbundene Flüssigkeitsmenge allerdings zumindest zum Teil durch alkoholfreie Getränke ersetzt werden. Daher wird statt der Ausgaben für Alkohol in Abteilung 01 ein zusätzlicher Betrag für alkoholfreie Getränke anerkannt.

Dieser Betrag berechnet sich folgendermaßen:

Nach der Sonderauswertung wurden für Einpersonenhaushalte der Referenzgruppe im Jahr 2008 durchschnittliche Verbrauchsausgaben von 8,11 € für alkoholische Getränke ermittelt. Davon entfielen – nach dem Wägungsschema des allgemeinen Preisindex – rechnerisch 11,35 % für Spirituosen, die nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht dem Zweck der Flüssigkeitsaufnahme dienen. Es verbleiben dann von den 8,11 € noch 7,19 € für alkoholische Getränke, die durch alkoholfreie Getränke zu substituieren sind.

Es gibt für die Umrechnungen des Preises alkoholischer in alkoholfreie Flüssigkeitsmengen keine Vorgaben, so dass hier eine Plausibilitätsrechnung erforderlich ist. Für 7,19 € lassen sich etwa 12 Liter preiswertes Bier kaufen. Im Durchschnitt sind Bier oder gar Wein deutlich teurer, so dass sich ein deutlich niedrigeres Volumen an zu substituierender Flüssigkeit ergeben würde. Ausgehend von 12 Litern Flüssigkeitsbedarf ergibt sich das maximal durch alkoholfreie Getränke zu substituierende Flüssigkeitsvolumen. Da die Flüssigkeitsmenge mit einem preisgünstigen Getränk berechnet wurde, ist es angemessen, auch die alkoholfreien Getränke mit dem niedrigpreisigem Mineralwasser anzusetzen. Für die anzusetzenden 12 Liter Mineralwasser wurde ein Betrag von 2,99 € eingesetzt, für den Supermärkte flächendeckend eine entsprechende Menge Mineralwasser anbieten. Legt man die Preise der preisgünstigen Discounter für 1,5 Liter Mineralwasserflaschen zugrunde, ergibt sich für 12 Liter Mineralwasser sogar nur ein Preis von 1,52 €. Bei den als regelbedarfsrelevant berücksichtigten 2,99 € ist also bei preisbewusstem Einkauf durchaus Spielraum für Saft oder andere alkoholfreie Getränke. Diese 2,99 Euro werden bei Abteilung 01 zusätzlich berücksichtigt.”

Quelle: BMAS oder hier im Blog

Sie müssen sich jetzt einmal vorstellen, wie lange schon über eine Erhöhung der Regelsätze gestritten wird. Also das Urteil des Bundesverfassungsgerichts wurde vor ziemlich genau einem Jahr gefällt. Immerhin seit dem Spätherbst wissen wir schon, was bei der Neuberechnung herausgekommen ist und seit Weihnachten ist der Gesetzgebungsprozess vorerst gestoppt, weil die Opposition ein wenig Demokratie spielen will.

Sie können mich ja für verrückt halten, aber im Prinzip hätte sich doch keiner darüber beschweren dürfen, wenn man die Regierung wegen Verschleppung eines verfassungswidrigen Zustands aus dem Amt gejagt hätte. Das ist natürlich nicht passiert, weil der Verfassungsschutz mit der Beobachtung der Linkspartei bereits ausgelastet ist.

Eine Entscheidung über das Existenzminimum ist politisch verdammt schwer. Das müssen sie einfach verstehen. Bei etwa 6,5 Millionen Beziehern von Hartz IV oder Sozialgeld muss genau gerechnet werden. Wenn alle gleichermaßen in den Genuß einer Erhöhung von fünf Euro kämen, würde dass den Steuerzahler fast 400 Mio. Euro kosten. Und wenn sich die SPD mit ihren elf Euro durchsetzen könnte, würde das die Staatskasse im schlimmsten Fall um die 860 Mio. Euro kosten. Das sind natürlich Größenordnungen, bei denen die Parlamentarier ganz genau hinschauen und prüfen wollen.

Schließlich ist „Hartz-IV“ keine bad bank, wie die HRE, der man relativ rasch mit hohen Milliardenbeträgen aushilft, sobald ein verstörter Bankenchef aus München öffentlich darüber klagt, dass sein Goldesel unter der Last des vielschichtigen Toilettenpapiers mit einstigem Toprating zusammengebrochen ist. Da wird nicht groß beraten oder getagt, sondern einfach demokratisch und überparteilich abgenickt.

Karikatur: Klaus Stuttmann
Quelle: Klaus Stuttmann

Mein Tipp: Das Thema Hartz-IV taugt bestimmt noch für den Wahlkampf. Ich könnte mir vorstellen, dass alle beteiligten Hartz-Parteien ein Interesse daran haben, das Thema so lange wie möglich für ihre Zwecke ausschlachten zu können.

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Ergänzung zur deutschen Haltung in der Ägypten-Frage

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Am Wochenende fand in München die jährlich stattfindende Sicherheitskonferenz statt. Und natürlich ging es auch um Ägypten. Kanzlerin Merkel erneuerte noch einmal ihr Verständnis von Demokratie:

Kanzlerin Angela Merkel dringt bei der Sicherheitskonferenz in München auf kluge, nachhaltige Reformen in Ägypten – und warnt vor zu schnellen Neuwahlen. Dabei zieht sie Parallelen zum Umbruch des Jahres 1989 in Europa.

Den Blödsinn mit der Wende 1989 lassen wir mal außen vor, es scheint, als könne sie nicht ohne ihre nicht einmal rührselig anmutende Story vom Mauerfall auskommen. Die Geschichte mit den klugen und nachhaltigen Reformen können sie auch vergessen, wenn sie sich vergegenwärtigen, was Merkel derzeit für Europa und deutsche Sozialleistungsempfänger plant. Die einen hat sie zur Chefsache erklärt und beabsichtigt die Zustimmung der SPD zum von der Leyenschen Hartz-IV-Gaunerstück durch finanzielle Zuwendungen an Länder und Kommunen zu erpressen und Europa soll deutscher werden. Irgendwo, und zwar hier, habe ich den durchaus zutreffenden Vergleich gelesen:

Am deutschen Wesen soll die Welt genesen! Früher kamen sie mit Panzern, heute rollt Merkel über den Kontinent.

Dass Merkel den ganzen Kontinent ganz „demokratisch“ unter deutsch-französische Wirtschaftskontrolle bringen will, ist ein Aspekt, auf den ich vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt noch näher eingehen werde. Aber zunächst einmal gilt es, die jüngere scheindemokratische Vergangenheit aufzuarbeiten, an der unsere Regierungschefin in aktiver Bundeskanzlerin-Rolle beteiligt war.

So hat nämlich das Verwaltungsgerichts (VG) Schwerin entschieden, dass das Verbot des Sternmarsches gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm im Jahr 2007 rechtswidrig war.

Wir sehen uns in unserer Auffassung bestätigt, dass mit dem Verbot unzulässig in das Grundrecht der Meinungs- und Demonstrationsfreiheit eingegriffen wurde. Demonstrationsfreiheit ist ein wesentlicher Bestandteil von Demokratie – wo sie eingeschränkt wird, ist die Demokratie selbst eingeschränkt. Leider neigen die Regierenden nicht nur in arabischen Ländern dazu, sich protestierende Menschen vom Hals halten zu wollen.

Quelle: attac

An dieser Stelle lohnt es sich, noch einmal auf den heuchlerischen Appell der Bundeskanzlerin hinzuweisen, den sie an die ägyptische Regierung richtete.

„Wir beobachten mit größter Sorge, dass sich die Lage in Ägypten verschlechtert. Es muss den Ägyptern frei stehen, ihr Recht auf Versammlungsfreiheit auszuüben. Die Sicherheitskräfte müssen sie dabei schützen.“

Quelle: Bundesregierung

Damals beim G8-Gipfel mit Sicherheitszaun und agriffslustigen Polizeikräften galt das jedenfalls nicht wie ein Gericht nun bestätigte.

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Maschmeyer fühlt sich schon seit Monaten verfolgt

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Das hat er zumindest in der Süddeutschen und wahrscheinlich auf Anraten seines neuen PR-Beraters Klaus-Peter Schmidt-Deguelle planmäßig aufgesagt.

„Meiner Familie, meinen Freunden und mir wurde monatelang aufgelauert und nachgestellt.“

Ach so? Dumm nur, dass er der Bild-Zeitung kürzlich noch sagte, dass er von den angeblichen Vorwürfen, die in der ARD-Doku über den Drückerkönig Carsten Maschmeyer zum Ausdruck kamen, erst aus der Programmzeitschrift erfahren habe.

er BILD-Zeitung vom 13. Januar 2011 stellt Carsten Maschmeyer die Recherche von Panorama in Frage. Er behauptet, er habe „von den angeblichen Vorwürfen erst aus der Programmzeitschrift erfahren“.

Quelle: ARD-Panorama

Ja wie denn jetzt, Herr Maschmeyer? Können sie sich mal entscheiden? Wenn der vermeintliche Stalker Lütgert vom NDR ihnen und ihrer Familie ständig aufgelauert hat, wie können sie dann von den Vorwürfen gegen sie erst aus der Programmzeitschrift erfahren haben? Ich denke, sie sind einfach schlecht beraten.

Interessant ist natürlich auch die Begründung Maschmeyers, mit der er die Werbekampagne für Gerhard Schröder erklärt.

„Diese Aktion ist spontan entstanden. Ich wollte nicht, dass Oskar Lafontaine Kanzler wird. Also musste Schröder die Landtagswahl gewinnen.“

Bleibt die Frage, warum Herr Maschmeyer denn einen Kanzler Lafontaine unbedingt verhindern wollte. Vielleicht weil die Geschäfte dann nicht so gut gelaufen wären. Immerhin wollte Lafontaine nicht etwa ein bedeutungsloses Segelschulschiff mit Namen Gorch Fock, sondern ganz konkret den Finanzmarkt an die Kette legen, weshalb man ihn auch als gefährlichsten Mann Europas diffamierte. Heute und hunderte Millarden Rettungsgelder vom Steuerzahler an die gecrashten Banken und wankenden Staaten später, wäre man ihm vielleicht dankbar gewesen, wenn Lafontaine die von Schröder durchgeboxte Deregulierung der Finanzmärkte verhindert hätte.

Herr Maschmeyer kann es drehen, wenden und verschleiern wie er will, er ist und bleibt ein Profiteur dieser Deregulierung und der kriminellen Energie, die nötig war, um ein gigantisches Spekulationsgeschäft eine Zeit lang am Laufen zu halten. Damit konnte Maschmeyer werben und Anleger in die Falle locken.

Nun will er eine Stiftung gründen und zum Samarither werden. Ich kann gar nicht beschreiben, wie übel mir wird, wenn ich so einen Schwachsinn lese.

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TV-Tipp: Volker Pispers "…bis neulich 2010"

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Kleinkunst auf 3sat. Heute Abend mit Volker Pispers‘ Dauerprogramm „…bis neulich“. Die Aufzeichnung aus dem Pantheon-Theater in Bonn aus dem letzten Jahr läuft zur besten Sendezeit um 20:15 Uhr.

Unverblümt, krass und direkt pendelt er zwischen bitterböse und charmant-witzig, wenn er die Absurditäten der Welt zu Ende denkt. Seine Verarbeitung von Zitaten, seine gewagten Rechenoperationen und seine Zukunftsszenarien versöhnen das Publikum durch ein befreiendes Lachen mit seiner eigenen gefühlten Wirklichkeit. Er spiegelt dabei immer auch den Zustand der Republik wider: Das Immerneue im Ewiggleichen. Denn während uns der Medienzirkus mit seinen Sprechblasenjongleuren vorgaukelt, dass ständig etwas passiert, tut sich bei den grundlegenden Problemen so gut wie nichts.

Quelle: 3sat

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Demokratie in Ägypten unerwünscht

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Wenn man die deutschen Medien so verfolgt, dann überwiegt doch Skepsis beim Blick auf Ägypten. Ein „demokratischer Frühling“ sei eher nicht zu erwarten, heißt es immer wieder. Vielmehr sorgt sich die hiesige Meinungsführerschaft um die Stabilität in der Region. Wie gut das Ägypten ein vornehmlich islamisch geprägtes Land ist. Da fällt einem das Fürchten vor religiösen Hardlinern, die die Macht einfach so ergreifen könnten, natürlich nicht so schwer. Dabei wollen die Muslimbrüder, die aus Sicht des Westens als radikale Gesinnungsgruppe für den Job in Frage kämen, gar nicht so fundamentalistisch und agressiv sein, wie sie der Westen gerne sehen würde. Nö, die Brüder haben erklärt, sich nach einem Sturz Mubaraks und möglichen Neuwahlen nicht an einer Regierung beteiligen zu wollen und auch sonst zeigt man aus der Richtung kein sonderliches Interesse an den Vorgängen. Man könnte fast meinen, die Muslimbrüder seien Angestellte der ARD-Aktuell-Redaktion.

Den Muslimbrüdern soll es wirtschaftlich auch besser gehen als dem Rest der Bevölkerung, insofern sieht man wohl keinen Handlungsbedarf, nun auf einmal das Klischee von religiös verirrten Fanatikern und wohmöglich noch wild umher bombenden Terroristen zu erfüllen. All das ignoriert aber natürlich unser journalistisches Panikorchester, das bereits eine bizarre Melodie vor sich hinspielt. Wer gestern das heute journal im ZDF verfolgt hat, wird vielleicht den Kommentar vom Chefredakteur Das glaubt uns doch kein Mensch Peter Frey gehört und gesehen haben. Er, selber christlicher Fundamentalist, weil Mitglied im ZK der deutschen Katholiken, phantasiert in seinem Redebeitrag von einem anderen Iran, in dem der Koran zur Staatsräson werden könnte. Das würde die Stabilität in der Region gefährden, so Peterchens Befürchtung. Dabei sorgt sich Frey besonders um die Stabilität der Schifffahrtswege und des Energienachschubs.

Deshalb kann er der „Steinewerfer-Revolution“ auch nicht sonderlich viel abgewinnen und bezweifelt zum Ende hin, dass eine schnelle Demokratie zu haben sei. Er fordert dann auch, Realitäten zu erkennen und Ägypten vorm Bürgerkrieg zu retten, indem man den Übergang organisiert (man erfährt allerdings nicht wer das sein oder machen soll, vielleicht zu Guttenberg?). Da werden sich die Ägypter aber bedanken, wenn nicht sie, sondern der scheinbar aufgeklärte und säkularisierte Westen darüber entscheidet, wer an Suez-Kanal und Nil die Stabilität bestimmen darf.

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In der Mediathek des ZDF finden sie die komplette Sendung des heute journals vom 3. Februar. Die Mediathek ist einfach spitze, das muss man sagen. Die einzelnen Themen der Sendung können nämlich bequem per Mausklick aufgerufen werden. So können sie zum schlechten Kommentar von Frey ganz einfach hin navigieren und müssen nicht umständlich den Schieberegler bedienen und selbst suchen.

http://www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/video/1250354/ZDF-heute-journal-vom-03.-Februar-2011#/beitrag/video/1250354/ZDF-heute-journal-vom-03.-Februar-2011

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Mappus‘ Geschäftsidee

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Vor einigen Tagen habe ich darüber berichtet, wie Herr Mappus mit dem EnBW-Deal in die Liga der großen Finanzjongleure aufsteigen will.

Innenminister de Maizière fährt die Polizeipräsenz in der Öffentlichkeit nach mehr als zwei Monaten wieder zurück (Quelle: SpOn). Ich frage mich warum? In Baden-Württemberg läuft nämlich ein Verrückter herum, der als Ministerpräsident Anleihen im Gesamtwert von über 4,5 Mrd. Euro platziert hat, um für 4,7 Mrd. Euro beim Stromkonzern EnBW einzusteigen. Der erstaunten Öffentlichkeit rechnet der Mann, der sich Mappus nennt, vor, dass die Zinsen für die Anleihen niedriger seien, als die Rendite, die der Stromkonzern abwerfen soll (Quelle: FTD).

Falls der zweite Teil der Rechnung nicht aufgehen sollte, hat sich der schlaue Ministerpräsident vorgenommen, so zu handeln, wie es schlaue, die deutsche Rechtslage ausnutzende, Hedgefonds auch machen.

Nun hat der Ministerpräsident, der auch auf eine Wiederwahl im März hoffen kann, das Personal vorgestellt, welches er als Miteigentümer von EnBW in den Aufsichtsrat entsenden will. Dabei betonte Mappus zugleich, dass die Landesregierung nicht beabsichtige, in die Geschäftspolitik eingreifen zu wollen.

Zudem hat Mappus drei externe Vertreter nominiert: Den Chef des Mannheimer Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Franz, den Chef von Südwestmetall und ProMinent Dosiertechnik in Heidelberg, Rainer Dulger, sowie Hubert Lienhard vom Heidenheimer Anlagenbauer Voith. Mappus erklärte: „Die Berufung der Persönlichkeiten aus der freien Wirtschaft unterstreicht, dass sich die Landesregierung nicht in das operative Geschäft der EnBW einmischen will. Der Kauf der EnBW-Anteile ist vor allem eine standortpolitische Entscheidung.“

Quelle: Stimme

Man kennt das ja von den Banken. Auch da gab und gibt die Politik viel Geld, hält sich aus der Geschäftspolitik aber einfach heraus. Warum nur? Und was soll der Hinweis auf Standortpolitik? Befürchtet Mappus etwa ein Abwandern des Stromkonzerns oder gar ein Land ohne Strom?

Für mich klingt die Geschäftsidee von Mappus wie ein Programm zur Umverteilung von Steuergeldern. An dem Rückkauf der EnBW-Anteile verdienen schon mal Anwälte, Beratungsunternehmen und Banken. An einer neuerlichen Privatisierung, wie von der FDP gefordert, dann wohl auch. Da sich das Land aus dem operativen Geschäft heraushalten will, ist auch klar, dass die Preistreiberei weitergehen wird, während die Kosten für Modernisierung u.ä. vom neuen Miteigentümer, dem Land, zum Großteil übernommen werden müssen. So einen schlauen Ministerpräsidenten, der nicht nur die Interessen der Bürger im Blick hat, wählt man natürlich gern wieder ins Amt. Das kann ich schon verstehen.

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Die Sprüche der geistigen Elite

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Kein Mensch hat sich letztes Jahr für Westerwelles Satz über Hosni Mubarak interessiert, den er als „einen Mann von großer Weisheit“, der die Zukunft fest im Blick habe, bezeichnet hatte. Warum nicht? Weil niemand den Vize-Kanz-Nicht als Außenminister ernst nimmt? Das ist eine Erklärung. Die andere ist wohl die, dass wir tatsächlich dem Märchen von der endlosen Stabilität im Urlaubsland Glauben schenkten. Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass unser politisches Führungspersonal vollkommen verblödet ist.

Westerwelles aufgeschriebenes PR-Gelaber von gestern ist aber nichts im Vergleich zu dem, was Josef Ackermann, der in diesem Land die Richtlinienkompetenz innehat, heute verkündete.

Die Deutsche Bank will in den nächsten Jahren Rekordgewinne erzielen. Für 2011 plant Vorstandschef Ackermann ein Vorsteuerergebnis von zehn Milliarden Euro. Dies entspreche dem „new normal“ in der Bankenbranche.

„2010 haben wir gesät, 2011 soll ein Jahr der Ernte werden.“

Quelle: Tagesspiegel

In der Bankenbranche ist alles „new normal“, was für eine Dreistigkeit. Leider könne Ackermann die versprochenen 25 Prozent Eigenkapitalrendite für dieses Jahr nicht zusagen, aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben.

Von dem Ziel einer Eigenkapitalrendite von 25 Prozent vor Steuern hat sich Ackermann aber vorerst verabschiedet. „Angesichts der hohen Kapitalanforderungen ist das aktuell nicht realistisch“, sagte er. Erst in einigen Jahren sei das wieder erreichbar. Bei einem Vorsteuergewinn von vier Milliarden Euro schrumpfte die Rendite im Jahr 2010 auf nur noch 9,5 Prozent. Die Dividende soll mit 0,75 Euro aber stabil bleiben.

Und weitere Mitarbeiter dürfen sich auf ihre Entlassung vorbereiten, damit die Zahlen wieder stimmen. Eine neue Runde „Entlassungsproduktivität“ steht an, aber das ist im Prinzip nur eine Nebensächlichkeit. Die Arroganz der Finanzelite ist schlimmer als je zuvor und die Politik schaut derweil teilnahmslos zu oder bejubelt einen angeblichen Aufschwung, den es gar nicht gibt.

Rainer Brüderle bezeichnet inzwischen die Bemühungen der Europäischen Union um eine Lösung der Finanzkrise auch schon als planwirtschaftliches Denken, nur weil vorgeschlagen wurde, gegen anhaltende Leistungsbilanzüberschüsse vorzugehen. Brüderle scheint immer noch erklären zu können, dass es anhaltende Überschüsse auch ohne Defizite geben könne.

Ich glaube, nie war eine politische Führung so schlecht wie heute.

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Nicht zu fassen! Die GfK darf schon wieder positive Konsumstimmung verbreiten

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Es ist noch keine Woche vergangen, als durch das statistische Bundesamt bekannt wurde, dass das Weihnachtsgeschäft und das gesamte letzte Jahr im Einzelhandel eine einzige Katastrophe war – keinen hat es interessiert – und heute darf die Gesellschaft für Konsumforschung schon wieder positive Konsumstimmung verbreiten. Deutschland sei im Höhenflug steht in der Überschrift zum Ausblick der GfK für das Jahr 2011 und die Medien berichten schon wieder unkritisch über die Konsumlüge, die sie als solche natürlich nicht erkennen wollen.

Die Deutschen finden immer mehr Gefallen am Geldausgeben.

Quelle: Reuters

Worauf begründet sich diese Aussage? Natürlich auf den absolut zuverlässigen Prognosen der GfK, die stets weit von dem entfernt sind, was tatsächlich durch reale Umsätze gemessen wird. Die Anschaffungsneigung befinde sich erneut auf Rekordniveau, heißt es. Doch was bedeutet das? Rein gar nichts. Angesichts der Tatsache, dass die Kauflaune ungebrochen hoch sei, die Umsätze im Einzelhandel aber stetig zurückgehen, müsste sich die GfK und vor allem die Medien doch einmal fragen, ob die Methode noch angebracht und das Ergebnis überhaupt aussagefähig ist. Besonders seltsam finde ich diesen Absatz in der Pressemitteilung der GfK:

Vom „Konsum-Muffel“ zum „Konsum-Optimisten“

Der europäische Vergleich zeigt deutlich, dass Deutschland derzeit eine Sonderstellung einnimmt. Der Aufschwung beflügelt nicht nur die Unternehmen, auch die Stimmung der Verbraucher hat sich nachhaltig gebessert. Galten die Deutschen früher als Angstsparer und äußerst preissensible Konsumenten, so achten sie heute immer stärker auf Qualität und geben ihr Geld gerne aus.

Im europäischen Vergleich zeigt sich vor allem, dass sich ganz Europa in einem Abwärtsstrudel befindet. Deutschland nimmt keine Sonderstellung ein, allenfalls bei der offiziellen Leugnung einer sehr deutlichen Kaufzurückhaltung. Im aktuellen Eurostat-Bericht findet sich demnach auch kein Vermerk über eine deutsche Sonderrolle. Dafür einmal mehr eine ziemlich eindeutige Tabelle:

Einzelhandel_2010

Wie sie dort sehen können, steht bei Deutschland über das gesamte Jahr 2010 ein Wert unter 100 Prozent. Als Basis fungieren die Umsätze aus dem Jahr 2005! D.h, dass der deutsche Einzelhandel zu keinem Zeitpunkt eine Konsumparty erlebt haben kann. Im Gegenteil, wir liegen noch weit unter dem Niveau von 2005. Wenn es also eine deutsche Sonderrolle gäbe, wie es die GfK behauptet, dann besteht die zweifelsohne aus einer nach wie vor schwachen Binnennachfrage.

Es ist auch überhaupt nicht nachvollziehbar, woher die GfK und die berichtenden Medien die Gewissheit nehmen, dass im Jahr 2011 der private Konsum gerade in Deutschland an Fahrt gewinnen soll. Interessant ist dabei die Begründung, warum man das in anderen Ländern gerade nicht erwartet. Im Reuters-Bericht heißt es zusammenfassend:

Innerhalb Europas geht es den Deutschen der GfK zufolge derzeit sehr gut. Die Franzosen befürchteten, dass ihr Lebensstandard abnehmen werde. Auch die Italiener schränkten ihren Konsum ein. In Großbritannien bremse das scharfe Sparpaket der Regierung die Konsumausgaben, in Spanien die Immobilienkrise und die hohe Arbeitslosigkeit. Am stärksten seien aber die Griechen und Rumänen von der Krise getroffen worden. Ihnen stünden nun höhere Steuern und ein schwächerer Sozialstaat ins Haus.

So als ob es das 80 Mrd. Sparpaket der deutschen Bundesregierung nicht geben würde. Unsere Regierung streicht genau wie alle anderen vor allem im öffentlichen und sozialen Bereich. Bei allen anderen führt das, wie oben zu lesen ist, zu einem Konsumverzicht, nur bei uns Deutschen nicht. Sehr seltsam. Wahrscheinlich werden die Deutschen den Kosum jetzt richtig anfeuern, nachdem sich das schwarz-gelbe Pannenkabinett auf eine Erhöhung der Werbungskostenpauschale rückwirkend zum 1. Januar geeinigt hat. Bei einigen Steuerzahlern soll sich diese schwere politische Totgeburt mit zwei bis drei Euro bemerkbar machen. Wie gut, dass der Beitrag zur Krankenversicherung nur um 0,6 Prozentpunkte (etwa 10-20 Euro pro Monat mehr) gestiegen ist, da wirkt die Ersparnis aus der großen Steuervereinfachung, auf der sich vor allem die FDP besonders viel einbildet, etwas dämpfend auf den Netto-Verlust.

Es ist einfach nicht zu fassen!

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Die Bundesregierung sorgt sich um die Lage in Ägypten

Geschrieben von:

Die Bundeskanzlerin hat zusammen mit anderen europäischen Regierungschefs einen gemeinsamen Appell an die Adresse der ägyptischen Führung gerichtet. Darin heißt es:

„Wir beobachten mit größter Sorge, dass sich die Lage in Ägypten verschlechtert. Es muss den Ägyptern frei stehen, ihr Recht auf Versammlungsfreiheit auszuüben. Die Sicherheitskräfte müssen sie dabei schützen.

Quelle: Bundesregierung

Dabei hieß es zum Thema Demonstrationsfreiheit vom Regierungsmitglied Thomas de Maizière (CDU) kürzlich noch:

„Wenn tausende 13-jährige Schüler von ihren begüterten Eltern Krankschreibungen kriegen, um zu demonstrieren, dann ist das ein Missbrauch des Demonstrationsrechts.“

Quelle: Tagesspiegel

Aber das war ja bekanntlich ein anderer Film. Oder doch nicht? Albrecht Müller zieht auf den NachDenkSeiten einen brisanten Vergleich. „In der Dimension verschieden, in den Methoden auffallend ähnlich: Mubarak und Mappus“

Die Parallelen sind größer, als manche bei uns denken und verlautbaren. Anders als in den Klageliedern über den Mangel an Demokratie in Ägypten und dem spiegelbildlichen Schulterklopfen, was für tolle Demokraten wir hier sind, sieht die Realität aus: Wo wird denn hierzulande noch ernsthaft Rücksicht genommen auf den Willen des Volkes? Die Mehrheit möchte einen Mindestlohn. Die Mehrheit ist gegen die Rente mit 67. Die Mehrheit hätte es verdient, dass die Löhne steigen und nicht nur die Gewinner und die Vermögenseinkommen. Die Mehrheit möchte gerne, dass unsere Jugend sichere Arbeitsplätze und eine gute Ausbildung bekommt. Und dennoch setzen die Eliten seit über 20 Jahren auf eine Wirtschaftsentwicklung unter unseren Kapazitäten und auf eine Reservearmee an Arbeitslosen.

Nach dem Willen der Mehrheit geht es hierzulande über weite Strecken nicht. Noch schlimmer: die Meinungsführer in Politik, Wirtschaft, Medien und Wissenschaft loben jene politisch Verantwortlichen, die Entscheidung gegen den Willen der Mehrheit durchsetzen, als besonders tugendhaft. Müntefering wurde für sein Lebenswerk, die Erhöhung des Renteneintrittsalters gelobt, Schröder für die Agenda 2010, Angela Merkel für ihr stures Pochen auf Exportüberschüsse, Clement für seine Weichenstellungen zu Gunsten von Leiharbeit und anderen prekären Arbeitsverhältnissen; Steinbrück und Schäuble für ihre Sparmaßnahmen zulasten der Menschen, die auf öffentliche Güter angewiesen sind.

Die Mehrheit der Medien hat kräftig applaudiert. Deshalb ist ihre Forderung nach mehr Demokratie in der arabischen Welt ziemlich hohl. Sie wäre glaubwürdig, wenn die Medien endlich auch in Deutschland entdecken würden, dass nicht nur die Bedürfnisse der Oberschicht und einer viel beschworenen angeblichen Mittelschicht von politischem Interesse sind.

Das ist harter Tobak, allerdings muss man sich auch klarmachen, weshalb die Menschen in Ägypten, Tunesien und demnächst auch in anderen Staaten auf die Straße gehen. Sie haben ihre Regierungen einfach satt, die nicht nur demokratische Verhältnisse unterdrücken, sondern auch Gewalt gegen die eigene Bevölkerung ausüben bzw. gegen den Willen des Volkes handeln und eine Verbesserung der Lebensbedingungen systematisch verhindern. So abwegig ist der Vergleich von Müller also nicht.

Allerdings weiß ich auch nicht genug über die Proteste im nahen Osten oder genauer in Nord-Afrika. Ich fühle mich da schlecht informiert. Schlecht zu informieren, wurde kürzlich auch den öffentliche rechtlichen Medien vorgeworfen. Nun wehrt sich der Chefredakteur von ARD-Aktuell Kai Gniffke. Im Interview mit Deutschlandradio Kultur stellt er klar:

Kai Gniffke, der Chefredakteur von ARD-aktuell, hat eingeräumt, dass die Frage der Menschenrechte in der Ägypten-Berichterstattung in der Vergangenheit zu kurz gekommen ist. In den letzten zehn, 20 Jahren sei die Tatsache nicht hinreichend gewürdigt worden, dass in Ägypten Ausnahmerecht herrsche, sagte er.

Wenn Mubarak auf Staatsbesuch in Deutschland gewesen sei oder deutsche Politiker in Ägypten, sei das Thema Menschenrechte von den Medien nicht angesprochen worden, kritisierte der ARD-Journalist: „Und im Nachhinein finde ich, dieser Reflex, den wir sonst bei China, bei Iran etwa haben, der hätte uns auch da gut zu Gesicht gestanden.“

Zu dem Vorwurf, die ARD berichte nicht genug in Sondersendungen über die Ereignisse in Ägypten, sagte Gniffke, er könne keine großen Lücken in der Berichterstattung erkennen. Schließlich sei die ARD kein Nachrichtenkanal, sondern ein Vollprogramm. „Sollten sich die Ereignisse weiter zuspitzen – klar wird man noch zusätzliche Ausgaben ins Programm nehmen, aber gestern, fand ich, sahen wir ehrlich gesagt, ganz gut aus.“

Über diesen journalistischen Tiefflieger könnte ich mich kaputtlachen. Hoppla, in Ägypten herrscht ja schon seit 20 Jahren Ausnahmezustand. Entschuldigung, dass haben wir leider übersehen. Was für ein Armutszeugnis. Noch schlimmer finde ich allerdings, dass Gniffke von einem „Reflex“ spricht, den Journalisten wie er sonst bei China und Iran problemlos zuließen. Das sagt viel über die geistige Haltung und Arbeitsauffassung eines Herrn Gniffke. Statt Recherche und Analyse braucht’s also mehr Reflexe. Ich denke nicht!

Ich erinnere nur an Gniffkes Kommentar in den Tagesthemen zum Thema Thüringen-Wahl im Oktober 2009. Da ist mir dieser öffentlich-rechtliche Totalausfall das erste Mal unangenehm aufgefallen. Damals hat Christoph Matschie eine mögliche und von den Thüringern gewählte linke Mehrheit im Landtag verhindert, weil er keinen linken Ministerpräsidenten wählen wollte. Stattdessen ist er lieber als Juniorpartner in eine sog. große Koalition (Die SPD ist nur drittstärkste Kraft geworden) eingetreten. Gniffke verteidigte die Entscheidung Matschies, in dem er seinem „Reflex“ gegen die Linkspartei freien Lauf ließ.

Thema war die SPD und im Einzelnen das Verhalten von Christoph Matschie in Thüringen, welches der Chefredakteur verteidigte. Matschie hätte recht mit seiner Entscheidung, nicht den einfacheren Weg zu rot-rot zu gehen. Matschie tue es für das Land, weil nicht die SPD ihr Verhältnis zur Linkspartei, sondern umgekehrt die Linke ihr Verhältnis zur SPD ändern müsse. Und jetzt kommt’s. Die Linke müssse sich entscheiden, ob sie an der Seite einer selbstbewussten SPD verantwortliche Politik machen will oder weiter dem Populismus frönen möchte. Da habe ich das erste Mal gelacht und gleichzeitig mit dem Kopf geschüttelt, da dem Chefredakteur offensichtlich die realen Kräfteverhältnisse in Thüringen aus dem Hirn gefallen sind.

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Frau Merkel hat wieder etwas entschieden und Volker Pispers ist zurück

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Nein, sie hat sich für keine neuen Maßnahmen zur Regulierung der noch immer völlig frei agierenden Finanzmärkte entschieden, sie hat auch keine Entscheidung hinsichtlich einer aktiven Konjunkturpolitik getroffen, um die Wirtschaft sowie die Beschäftigung zu fördern. Sie hat sich auch noch nicht für einen gesetzlichen Mindestlohn oder zumindest für eine Lohnuntergrenze bei der Leiharbeit entschieden, vom Streit um die Hartz-IV-Neuregelung einmal ganz zu schweigen. Mit dem seit sechs Jahren anhaltenden Verfassungsbruch scheint die Kanzlerin gut leben und ruhig schlafen zu können.

Merkel hat eine viel wichtigere Entscheidung getroffen. Sie lehnt eine gesetzlich vorgeschriebene Frauenquote in der deutschen Wirtschaft ab. Na ja, vorerst, wie ihr Seibert rasch noch nachschob. Merkel, ein Schilfrohr in der Brandung, meinte Volker Pispers einmal sehr treffend. Sie lege sich nicht so gern fest, also wie zum Beispiel Obama, der sich wählen ließ, einen Plan mitbrachte und den dann Stück für Stück abarbeitete. Nein, Frau Merkel sei eine Physikerin, die komme mehr von der Heisenbergschen Unschärferelation, auch Unbestimmtheitsrelation genannt.

Nun hat sie das mit der Frauenquote scheinbar klar geregelt. Ein Streit, der in Wahrheit nichts weiter ist, als ein ziemlich durchschaubares Nebelkerzenfeuerwerk zwischen der Unionsbarby Ursula von der Leyen und ihrer unter Mutterschutz stehenden Kabinettskollegin Kristina Schröder, die noch in dieser Legislaturperiode das erste Bundesbaby der Geschichte zur Welt bringen wird. Warum scheinbar? Nun ja, Frau Merkel wolle der Wirtschaft noch einmal eine Chance geben, freiwillig zu Fortschritten zu kommen. Dieser Glaubensgrundansatz gilt übrigens auch für die restliche Regierungsarbeit. Bei der Finanzmarktregulierung, der Wirtschafts- und Gesundheitspolitik oder bei den Löhnen.

Seibert meinte dann auch, die Kanzlerin suche einen „pragmatischen Weg, der aber das Ziel nicht aus den Augen verliert“. In der Tat, so kann man Tatenlosigkeit auch umschreiben.

Und weil Angela Merkel es mit einer Frauenquote besonders ernst meint, hat sie die Personalchefs und Arbeitsdirektoren der 30 Dax Unternehmen zu einem Treffen im März eingeladen. Also nicht, dass sie das jetzt falsch verstehen. Sie hat nicht Josef Ackermann eingeladen, damit der seinen Geburtstag zusammen mit 30 Freunden, die er sich frei hätte aussuchen dürfen, im Kanzleramt feiert. Sie hat die 30 Freunde von Ackermann direkt zum Gespräch eingeladen. Nur damit das klar ist.

Aber mal was anderes, sie werden es nicht glauben, aber gestern war endlich wieder Dienstach. Volker Pispers hat seine Pause beendet und ist zurück im Programm von WDR 2. Diesmal gibt es ein schönes Stück mit dem Titel Demokratie. Hörenswert.

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