Wie sich Union und SPD auf die AfD zubewegen

Geschrieben von: am 19. Mrz 2018 um 8:01

aitoff / Pixabay

Damit es nicht gleich einen Krach zum Start der Großen Koalition gibt, stellte die SPD-Bundestagsfraktion auf Betreiben von Andrea Nahles hin, letzte Woche einen Gesetzentwurf zurück, der die Streichung des Paragrafen 219a (Werbe- und Informationsverbot für Abtreibungen) vorsieht (siehe hier im Blog). Im Bundestag hätte es vermutlich eine Mehrheit für den Antrag der Sozialdemokraten gegeben, allerdings gegen die Stimmen der Union.

Als Grund für die kurzfristige Zurückstellung des Gesetzentwurfes behauptete Andrea Nahles, dass sich die Union auf die SPD zubewegt habe. In Wirklichkeit schreiten Union und SPD aber Seit an Seit: Und zwar stramm in Richtung AfD.

In der Bild am Sonntag ließ sich Jens Spahn zum Thema Abtreibungen mit folgenden Worten zitieren: „Mich wundern die Maßstäbe: Wenn es um das Leben von Tieren geht, da sind einige, die jetzt für Abtreibungen werben wollen, kompromisslos.“ Da bewegt sich einer zumindest verbal konfrontativ auf die Sozialdemokraten zu. Aber deren Gegenreaktion bleibt weitestgehend aus. Mit eher harmlosen Worten schreibt Ralf Stegner auf Twitter, dass die SPD einen Rechtsruck schon nicht dulden werde.

Im Übrigen begrüßt Stegner die Äußerungen Spahns, weil sie die Unterschiedlichkeit der „Volksparteien“ belegen würden, was wiederum ganz im Sinne der SPD wäre. Spahn hatte auch eine Debatte um Hartz IV angestoßen sowie vorgeschlagen, dass Pflegekräfte künftig auch Ärzteaufgaben übernehmen könnten, vermutlich weil sie noch so viele Kapazitäten frei haben. Die neue Justizministerin Katarina Barley (SPD) ist dagegen noch zahmer und appelliert als Regierungsmitglied an eine Art Gemeinschaftssinn innerhalb der Großen Koalition.

Ohne Obergrenze

Neben Gesundheitsminister Spahn machte auch Horstminister Heimat Seehofer mit einem Masterplan für schnellere Abschiebungen in den vergangenen Tagen auf sich aufmerksam. Der Plan sieht aber zunächst rund 100 neue Stellen in der Abteilung „Heimatbezogene Innenpolitik“ vor. Eine Obergrenze gibt es bei Seehofers Personalpolitik offenbar nicht. Der nach Berlin abgeschobene Bayer legte aber auch fest, was alles zu und was nicht zu Deutschland gehöre. Außerdem forderte der neue Innenminister eine Ausweitung von Grenzkontrollen.

Die erste Woche GroKo hat damit also schon für ordentlich Krach bzw. einen Holperstart gesorgt, heißt es in den Medien. Doch soviel Dissens gibt es eigentlich gar nicht. Die SPD will nicht nur verteidigen, sondern mitmachen. Die Islam-Debatte bringe zwar niemanden weiter, wird Andrea Nahles in der Rhein-Neckar-Zeitung zitiert. Gleichzeitig nimmt sie Seehofer aber in Schutz, der sicherlich nicht an einer Spaltung der Gesellschaft arbeite, weil er doch auch den Koalitionsvertrag unterzeichnet hat.

Im Übrigen müsse auch die SPD mehr über das Flüchtlingsthema diskutieren, um es den „Rechtspopulisten“ nicht zu einfach zu machen. Gemeint ist wohl eher eine Vereinfachung für die SPD, auf die sich die Union verlassen könne, so Nahles weiter. Die wirklich wichtigen Themen, wie eine Debatte um den Fetisch schwarze Null bleibt dagegen aus. Aus Nahles‘ Sicht bestehe kein Grund, diese in Frage zu stellen. Auch sie sieht damit nicht, welch katastrophalen Schaden die anhaltend hohen deutschen Exportüberschüsse in Europa und der Welt bereits angerichtet haben.

Nein, dann lieber einen kollektiven Schwenk nach rechts. Das muss diese Erneuerung sein, von der alle reden.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Hartmut Schwarz  März 19, 2018

    …nah dann mal Weiterso.
    An der Macht bedeutet vorallem, an der Schaltstellen zu manipulieren. Also da wo der Wechselschalter sitzt. 0/I
    Eines scheint nicht mehr übersehebar, der Rechtsrucc.
    Hat ihn doch selber Merkel angekündigt. Nicht direkt, aber diffuse :
    Mit dem Satz des Zurückdrängens der AFD
    Als naiver Zuhörer könnte ich denken, sie meine damit die Positionen det AFD zubesetzten.
    So wie es Merkel bereits bei den Grünen, der SPD…mit egoistischem Erfolg vorgemacht hat.
    Das ist auch ein Aspekt für den Stillstand in diesem Land.
    Oligarchische Themenbesetzung.
    – Dann steht ja dem Weiterso im Verharren der Macht nichts mehr im Weg ?!

  2. Hartmut Schwarz  März 19, 2018

    …alles was Arbeit schafft, ist ein Impuls für die Wirtschaft….frei nach Georg Schramm…
    persönlich würde mich konkret interessieren, wie sich Jens Spahn zur Zweiklassengrippeimpfung verhalten wird…. ?
    Konkret :
    Wird er diesem Unfug, der Zweiklassenmedezingesellschaft ein Ende bereiten ?
    An solchenTaten sollten wir ihn messen, nicht am Geschäft eines eines Politikers, dem Geschwätz.
    Denn da könnte ich mir leicht vorstellen, dass die Gesetztlichen Krankenkassen, die Kassen des Kleinen Mannes also, eine größere Summe unserer Beiträge umverteilen müssen.
    Denn Geringerer Grippeimpfungsschutz mit nur dem Inhalt eines 3-Fachgrippeimpfungswirkstoffes, spart vermutlich kurzzeitig bei einem, mehr oder weniger, Grippepimpfungslazebo… ?
    Aber dieses “ Sozialgeld “ dient lediglich der Weiterleitung. Das wird Begehrlichkeiten wecken ?
    Dazu passt der Artikel im Schwäbischen Taagblatt.
    https://www.tagblatt.de/

  3. Lutz Hausstein  März 20, 2018

    Thema Jens Spahn. Er ist wohl das Paradebeispiel für Egozentrik. Es ist wohl alles andere als weit hergeholt, wenn ich fest davon überzeugt bin, dass er, wenn er nicht selbst homosexuell wäre, einer der glühendsten Gegner der Home-Ehe gewesen wäre. Alles immer nur, was ihm selbst nützt und in seinem ganz persönlichen Interesse ist. Ich-Bezogenheit in ihrer ausgeprägesten Erscheinungsform. Das exakte Gegenteil von dem, wie ein Volksvertreter sein sollte.