
Der zu groß geratene Zukurzgekommene hat direkt vor seiner ersten Sommerpressekonferenz noch schnell ein paar Afghanen abschieben lassen, um vielleicht nicht so ausführlich über eine gescheiterte Richterwahl und die dazugehörige Koalitionskrise reden zu müssen. Das hat leider nicht geklappt.
Im Mai begann eine Serie haltloser Ultimaten durch die Koalition der Willigen. Sie forderten von Russland eine sofortige Waffenruhe über 30 Tage ohne Vorbedingungen und drohten bei Nichterfüllung eine rasche Verschärfung der Sanktionen sowie weitere Waffenlieferungen an die Ukraine an. Nach etwas mehr als zwei Monaten ist nun klar: Europa liefert das Geld, die USA die Waffen und die Ukraine weiter die Leichen. Außerdem ist gerade ein 18. Sanktionspaket beschlossen worden, um den wirtschaftlichen Schaden für die EU noch weiter zu vergrößern. Wozu gibt es schließlich Feiertage und allerhand soziales Gedöns, das man im Gegenzug einfach nur zu streichen braucht?
Und weil es außen- wie innenpolitisch so super läuft, beides gehört dem Kanzler folgend ja untrennbar zusammen, lässt der zu groß geratene Zukurzgekommene direkt vor seiner ersten Sommerpressekonferenz noch schnell ein paar Afghanen abschieben, um vielleicht nicht so ausführlich über eine gescheiterte Richterwahl und die dazugehörige Koalitionskrise reden zu müssen. Doch die hat es in sich.
Gerade eben haben sich der Ex-Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt und der Springer-Journalist Robin Alexander in der Zeit über die gescheiterten Regierungsversuche der Parteien unterhalten, die sie als zur Mitte zugehörig betrachten. Darin wird sehr deutlich, dass sowohl die Ampel, wie auch die jetzige Koalition als Bündnisse nicht sonderlich gut funktionieren. Das Gerede darüber, wie es doch gelingen könnte, ja sogar müsse, um die Demokratie als Ganzes zu retten, kommt intellektuell nicht sonderlich weit, dafür ist es unterhaltsam.
Fangen wir doch einmal damit an, was die Demokratie ausmacht. Wahlen. Die haben in diesem Frühjahr stattgefunden und ein, wie man immer so schön sagt, schwieriges Ergebnis gebracht. Union und AfD, also das rechte Lager mit ähnlichen politischen Ansichten, kommt auf 360 Sitze (über 57 Prozent). Bündnisse gehen nach bisheriger Überzeugung aber nur in der Mitte und die ist geschrumpft. Union und SPD als so gesehen alternativlose Partner kommen auf 328 Sitze (52 Prozent). „Links ist vorbei. Es gibt keine linke Mehrheit und keine linke Politik mehr in Deutschland“, tönte es vom Wahlkämpfer Merz am Abend vor der Wahl. Er sollte recht behalten, schlägt die andere Mehrheit aber nach der Wahl aus, um eine der besten Bundesregierungen der letzten Jahrzehnte [sic!] zu bilden, die allerdings nach einem bayerischen Provinzpolitiker mit ebenfalls großem Ego über den Sommer eine Abkühlung brauche, damit man im Herbst neu starten könne.
Merz inszeniert sich gern als großer Staatsmann mit flüssigen Reden auf Deutsch und auf Englisch (fließend) und mit der Betonung auf Führungsverantwortung. Auf den Zustand seiner Koalition angesprochen, kommt er über schmallippige Bemerkungen nicht hinaus. Als wirklicher Regierungszwerg lernt er wohl gerade erst noch dazu. Die Regierungskrise wird vermutlich durch einen Rückzug der Kandidatin für das Bundesverfassungsgericht vorerst gelöst. Am Konstruktionsfehler der Koalition ändert das aber nichts. Große Teile der Union sind jetzt noch mehr der Überzeugung, die Wahl gewonnen und linke Mehrheiten abgelöst zu haben, obwohl sie konkret mit der SPD regieren und nicht mit der AfD. Der Kanzler toleriert das sogar, indem er seinen Abgeordneten mit dem Verweis auf ihr Gewissen weitgehenden Entscheidungsspielraum zugesteht, obwohl die Grundlage des Regierungshandelns aller Mitte-Bündnisse immer das gemeinsame Abstimmungsverhalten war. Auch dieser Koalitionsvertrag sieht das vor.
„Im Deutschen Bundestag und in allen von ihm beschickten Gremien stimmen die Koalitionsfraktionen einheitlich ab. Das gilt auch für Fragen, die nicht Gegenstand der vereinbarten Politik sind. Wechselnde Mehrheiten sind ausgeschlossen.“
Die Ampel scheiterte an den Staatsfinanzen, die KleiKo, die früher GroKo hieß, wird daran scheitern, dass sie zu Kompromissen in ihrem selbstgesteckten Umfeld, das sie die politische Mitte nennt, nicht mehr fähig ist.
Bildnachweis: Screenshot aus Bundespressekonferenz 18. Juli 2025.
JULI
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.