Und wieder sinkt der Einzelhandelsumsatz, im Oktober 2009 real um 1,7% gegenüber dem Vorjahr

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Vor einer Woche lasen wir auf Welt Online noch die Schlagzeile „Weihnachten kennt keine Krise„, genährt aus den Ergebnissen der GfK-Klimaforscher. Damit sollte der Eindruck vermittelt werden, als brächen mal wieder gute Zeiten für Einzelhändler an. Und wieder nix. Zumindest für den Oktober 2009. Wie das statistische Bundesamt heute mitteilt, gehen die Einzelhandelsumsätze weiter zurück.

Nach vorläufigen Ergebnissen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) lag der Umsatz im deutschen Einzelhandel im Oktober 2009 nominal 2,4% und real 1,7% niedriger als im Oktober 2008. Beide Monate hatten jeweils 26 Verkaufstage.
Im Vergleich zum September 2009 stieg der Umsatz im Oktober 2009 unter Berücksichtigung von Saison- und Kalendereffekten nominal um 0,6% und real um 0,5%.

Es könnte natürlich jetzt wieder sein, dass einige die Steigerung im Vergleich zum Vormonat zum Anlass nehmen, Jubelmeldungen zu verbreiten. Und in der Tat, Focus titelt irreführend „Deutscher Einzelhandelsumsatz steigt im Oktober“ und Welt Online schreibt ebenfalls ihre Kampagne rechtfertigend „Einzelhandel im Oktober mit leichtem Umsatzplus„. Beide Texte weisen aber darauf hin, dass es im Vergleich zum relevanten Vorjahresmonat ein Minus gibt. Hier können sie sehen, wie die Botschaften einfach vertauscht werden.

In diesem Zusammenhang ist ganz wichtig auf die ebenfalls vom statistischen Bundesamt ausgewiesene Jahresentwicklung hinzuweisen. Die ist nämlich weiterhin sehr schlecht.

Von Januar bis Oktober 2009 wurde im deutschen Einzelhandel nominal 2,5% und real 1,8% weniger als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum umgesetzt.

Von einer Erholung des privaten Konsums kann nach wie vor und überhaupt keine Rede sein. Vor allem die anhaltenden Rückgänge beim Einzelhandel mit Lebensmitteln müssen nachdenklich stimmen.

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Rauchverbote in Gaststätten

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Aus aktuellem Anlass weise ich auf einen Bericht des NDR hin, der sich mit dem Rauchverbot in niedersächsischen Gaststätten beschäftigt. Bis zum Ende des Jahres muss die Landesregierung eine Bilanz über die Auswirkungen des „Niedersächsischen Nichtraucherschutzgesetzes“ vorlegen (siehe NDR-Info).

Seit August 2007 gilt in Niedersachsen ein Nichtraucherschutzgesetz, das das Rauchen in Gaststätten, Cafés, Bistros, Eiscafes und Festzelten grundsätzlich untersagt. Das Rauchen ist, sofern gewünscht, nur noch in einem gesondert gekennzeichneten abgeschlossenen Nebenraum erlaubt. In Kneipen, die nicht größer als 75 qm sind und in denen keine Speisen angeboten werden sowie Jugendliche unter 18 Jahren keinen Zutritt haben, darf ebenfalls geraucht werden, sofern ein Schild am Eingang die Kneipe als Rauchergaststätte ausweist.

Im Vorfeld der Regelungen gab es viel Streit und Diskussionen darüber, ob ein Rauchverbot in Gaststätten zu Umsatzeinbußen der Betreiber führen würde. Nun aber geht aus einem internen Bericht des Sozialministeriums hervor, dass keinerlei Umsatzeinbußen erkennbar seien. Im Grunde bestätigt sich also das, was man in anderen Ländern längst studieren konnte. Das Rauchverbot in Gaststätten wird durch die Bevölkerung akzeptiert.

Nun hindert diese Erkenntnis den niedersächsischen Gaststättenverband und die lobbyhörige Schnöseltruppe von der FDP nicht daran, weitere Lockerungen beim Rauchverbot einzufordern. Völlig grundlos und zum Schaden der Mehrheit. Aber so sind sie halt, immer für den eigenen Geldbeutel unterwegs.

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Zum Kurzarbeitergeld

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Seit letzter Woche wissen wir, dass die Betrugsfälle zunehmen (siehe Die Zeit).

Die Zahl der vermuteten Betrugsfälle beim Kurzarbeitergeld steigt weiter an. Anfang dieser Woche registrierte die Bundesagentur für Arbeit (BA) schon 578 Unternehmen, die mutmaßlich zu Unrecht staatliche Unterstützung kassiert haben. Vor ein paar Tagen waren erst knapp 540 Fälle bekannt. Inzwischen könnten nach Angaben der BA bundesweit bis zu 40.000 Beschäftigte in die Betrugsfälle involviert sein. Die mögliche Schadenshöhe lässt sich der Behörde zufolge nicht abschätzen.

Ich würde mir an Stelle der BA auch keine Schätzung trauen. Zumal man dann eine diesmal sehr berechtigte Debatte über Leistungsbetrüger auf der Unternehmensseite führen müsste. Die BA traut sich vielleicht auch deshalb keine Schätzung des Schadens zu, weil Arbeitsminister Jung in der Kurzarbeitergeldlösung seines Vorgängers ein erfolgreiches Arbeitsmarktinstrument sieht. Er will die Regelung nämlich verlängern, die nach gegenwärtigem Stand zum Jahresende ausläuft.

Da merkt man richtig, wie einem die geballte fachliche Kompetenz entgegenschlägt. Man ist entschlossen, der eigenen Ahnungslosigkeit ein aufgesetztes Gesicht zu geben. Vor allem auch vom liberalen Brüderle hört man keine neuen Gedanken. Er trägt die Verlängerung des Kurzarbeiter-Mists einfach mit. Seine Durchhalteparolen klingen wie folgt:

„Gegen diese sinnvolle und befristete Maßnahme sind wir Liberale nicht.“

Der Arbeitsmarkt habe sich erfreulicher entwickelt, „als wir es alle befürchtet hatten. Da war das Kurzarbeitergeld eine sinnvolle Regelung, weil so die Fachkräfte in den Betrieben gehalten werden können. Noch sind wir aber nicht über den Berg, es drohen weitere Firmenpleiten.“
Quelle: Stern

Brüderle und Jung scheinen die Fakten weiterhin ignorieren zu wollen. Die OECD rechnet für 2011 mit 4,3 Millionen Arbeitslosen in Deutschland (9,7 Prozent) und den beiden fällt nix weiter dazu ein, als die Kurzarbeit zu verlängern, bis irgendwann einmal ein Wunder geschieht, auf das beide wohl hoffen. Sollte man sich damit etwa zufrieden geben?

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Die Vorbereitungen zur neuen Kaufrauschkampagne laufen an

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Es wird langsam weihnachtlich, finden jedenfalls die Klimaforscher der GfK und haben mal wieder rumgefragt, wie viel Geld die Deutschen für Geschenke dieses Jahr ausgeben wollen. Also ich kann mich da jetzt noch zurückhalten, aber nicht die Medien, die dringend wieder eine positive Schlagzeile gegen die Krise setzen wollen.

Die Welt am Sonntag titelt mal wieder:

Weihnachten kennt keine Krise

GfK-Umfrage für die „Welt am Sonntag“: Die meisten Deutschen wollen nicht an den Geschenken sparen.

Unter dem Christbaum wird in zwei von drei Haushalten von der Wirtschaftskrise nichts zu spüren sein: Fast 60 Prozent der Deutschen wollen für Weihnachtsgeschenke in diesem Jahr ebenso viel Geld ausgeben wie 2008. Dies ergab eine exklusive Umfrage des Marktforschungsunternehmens GfK für die „Welt am Sonntag“. Sieben Prozent planen sogar, trotz der Krise tiefer in die Tasche zu greifen, während 26 Prozent der Geschenkekäufer diesmal sparen wollen. Insgesamt zeigen sich die Männer spendabler als die Frauen.

Dass zwei Drittel der Befragten trotz der Serie von Negativschlagzeilen aus der Wirtschaft und Sorgen um den Arbeitsplatz zumindest nicht weniger in die Päckchen unterm Weihnachtsbaum investieren wollen, dürfte den krisengeschüttelten Händlern wie Glockengeläut in den Ohren klingen.

Diese Jubelmeldung ist in doppelter Hinsicht schwachsinnig. Erstens kann man auf die Messungen der GfK getrost verzichten, weil die nur Absichten feststellen und keine real verwertbaren Daten messen und zweitens könnte man die Jubelaussage, dass die Menschen mindestens so viel ausgeben wollen, wie letztes Jahr, mal mit den realen Zahlen vom letzten Weihnachtsgeschäft vergleichen.

Das statistische Bundesamt ermittelte für den Dezember 2008 folgende Daten:

Im Dezember 2008 erzielte der Einzelhandel in Deutschland nominal 0,6% mehr und real 0,3% weniger Umsatz als im Dezember 2007.

Insgesamt sanken die Umsätze im Jahr 2008 real um 0,4 Prozent gegenüber 2007. Damals titelte die Welt zum Weihnachtsgeschäft ähnlich euphorisch, Grund war ebenfalls eine wirklichkeitsfremde Klimamessung der GfK:

Die Deutschen sind immun gegen Rezessionsangst

Ich berichtete in diesem Blog letztes Jahr unter anderem hier.

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Der Bildungsstreik und die Kommentierung der Neuen Presse Hannover

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So langsam rückt das Thema Bildungsprotest auch in den Fokus der grünen Bildzeitung. Nachdem sich Politiker auf die Seite der Studierenden geschlagen haben, stellt sich nun auch die Schmierenredaktion der Neuen Presse Hannover verhalten hinter die Protestbewegung, die schon einige Zeit im Gange ist und bisher von den deutschen Medien zum großen Teil ignoriert wurde. Die Kommentierung ist dabei sehr ärgerlich, weil es einmal mehr zeigt, dass die Damen und Herren Redakteure vom Grundploblem nichts verstanden haben.

Am Montag eröffnete Heiko Randermann mit der Botschaft, dass es Zeit für eine Reform-Bilanz sei.

„Es ist Zeit, eine Bilanz der Universitätreformen zu ziehen – und wo nötig nachzubessern. Grundsätzlich war der Schritt zu Bachelor und Master richtig. Deutschlands Universitäten waren in ihrem traditionellen Anspruch, jeden Studenten zu einem Wissenschaftler erziehen zu wollen, weltfremd geworden. Viele Studierende wollten und wollen eine akademische Ausbildung, die sie fit für die Berufswelt macht – den Bachelor. Wer darüber hinaus die wissenschaftliche Arbeit vertiefen wollte, dem sollte der Master offen stehen. So weit die Theorie, die allerdings in der Umsetzung handwerkliche Schwächen aufweist. Hier muss nachgebessert werden, ohne die Universitätsreform in Bausch und Bogen zu verurteilen.“

Heiko Randermann hat nichts verstanden und verdreht die Tatsachen. Die Reform hat nicht etwa stattgefunden, weil Studierende eine akademische Ausbildung wünschten, die sie fit für die Berufswelt macht, sondern es war gerade umgekehrt. Die Wirtschaft ist mit ihrem Sprachrohr Bertelsmann (CHE = Centrum für Hochschulentwicklung) gekommen und hat die Umgestaltung von Sudiengängen nach dem Bachelor/Master-Prinzip eingefordert, damit möglichst viele billige Arbeitskräfte relativ schnell dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Dabei hat man sogar das Bundesbildungsministerium übernommen, dem immer noch die Bildungsverweserin Annette Schavan vorsteht.

In diesem Zusammenhang sollte man noch einmal darauf hinweisen, dass just in dem Moment als man hier die Einführung zahlreicher Bachelor/Master-Studiengänge abfeierte, die Urheber dieses Ausbildungsmodells, die Amerikaner, bereits erkannten, dass Bachelor und Master einen Akademiker nicht wirklich auf das (Arbeits-)Leben vorbereiten würden. Diese Erkenntnis führte aber nicht dazu, den europäischen Hochschulzerstörungsprozess mit dem Namen Bologna aufzuhalten. Im Gegenteil: Zum Turbo-Abi gehört auch ein Turbo-Studium. Bezeichnend ist das von Randermann hingerotzte Gelaber von Weltfremdheit, was die Ausrichtung deutscher Universitäten vor Bologna anbelangt.

Es war gerade diese „Weltfremdheit“, die den deutschen Universitätsstandort qualitativ auszeichnete. Das kann man besonders gut an dem Scheitern der Exzellenzinitiative erkennen. Da hat man ja versucht, sich dem amerikanischen Modell anzupassen und vor allem über die bessere monetäre Ausstattung von einzelnen wenigen Instituten einem kranken Bild von Wettbewerb zu entsprechen. Der Scheiß, dass sich deutsche Universitäten vor allem dem Wettbewerb mit amerikanischen und chinesischen Hochschulen stellen müssten, stand auch in der Neuen Presse. Vor einem Jahr etwa. Damals führte Randermann ein Interview mit dem niedersächsischen Wissenschaftsminister Lutz Stratmann (siehe hier).

Ich habe damals schon darauf hingewiesen, dass das Bestreben nach einer Verbesserung der internationalen Wettbewerbssituation totaler Unsinn sein muss. Denn die Spitzenuniversitäten der Ivy-League, zu der unter anderem Harvard zählt, verfügen über Milliarden-Budgets und Haushalte. Der Sieger der bundesdeutschen Exzellenzinitiative erhält aber gerade einmal 21 Millionen Euro. Mir scheint, dass Bologna-Politiker und Journalisten wie Heiko Randermann sehr weltfremd reden, wenn sie über die Universitätsstrukturen vor Bologna spotten, bei denen es übrigens noch demokratische Mitbestimmung gab, die ja mittlerweile durch unternehmerisches Management ersetzt wird.

Gegen diese radikale Umgestaltung der Hochschullandschaft nach Maßgabe unternehmerischen Denkens richtet sich der Protest. Darauf hätte Herr Randermann mit ein bissel Recherche aber kommen können. Heute lese ich auf Seite eins einen weiteren Kommentar. Diesmal von Nora Lysk. Sie schreibt, dass man raus aus dem Studienkorsett müsse. Sie meint damit aber nicht, eine Beendigung des Bachelor/Master Irrsinns, sondern vielmehr die Flexibilisierung von Studienzeiten.

„Doch so absurd manche studentische Parole ist – wie etwa die Totalabkehr von international vergleichbaren Abschlüssen –, so wenig glaubwürdig sind Versprechungen, die am Ende keiner erfüllen kann. Denn Lehrpläne entrümpeln und das Prüfungsstakkato beenden, das ist Aufgabe der Universitäten. Wenn die die Not ihrer Studenten wirklich ernst nehmen, dann sollten sie auch den Mut aufbringen, endlich flexiblere Studienzeiten zu schaffen. Und den Bachelor mitsamt Studenten aus dem Korsett befreien.“

So ein dummes Zeug. Allein schon die Behauptung, Bachelor und Master seien international vergleichbar ist nicht nur eine Lüge, sondern auch eine Volksverdummung gigantischen Ausmaßes. Denn diese Abschlüsse sind nicht einmal vergleichbar innerhalb der deutschen Kleinstaaterei, die seit der Förderalismusreform Einzug gehalten hat. Gleiches Etikett bedeutet noch lange nicht gleicher Inhalt. Das sollten Frau Lysk und die Schmierenredaktion der Neuen Presse erst einmal zur Kenntnis nehmen, wenn es ihnen tatsächlich Ernst damit ist, eine kritische Bestandsaufnahme in Gestalt einer Reform-Bilanz wagen zu wollen.

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EU-Verpackungsreform: Mogelpackungen, wohin das Auge reicht

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Weniger drin für’s gleiche Geld? Bisher nur ein Gerücht, doch nun gibt es Gewissheit. Die Verbraucherzentrale Hamburg hat eine Liste mit Produkten veröffentlicht, aus der hervorgeht, wie die Hersteller nach der neuen EU-Verordnung zur Freigabe von Verpackungsgrößen und Inhalten ihre Kunden gezielt in die Irre führen und zum Teil satte Preisaufschläge verstecken.

Die Liste gibt es hier:
http://www.vzhh.de/~upload/vz/VZTexte/TexteErnaehrung/ListeverstecktePreiserhoehungen.pdf

Und einen ausführlichen Bericht finden sie hier:
http://www.heise.de/tp/r4/artikel/31/31485/1.html

Die EU-Vorgabe kann man auch als Deregulierungsmaßnahme begreifen. Ich habe noch im Ohr, wie das verteidigt wurde. Es gäbe halt immer mehr Singles, die kleinere Packungsgrößen wünschen. Oder es müsse auch möglich sein, verderbliche Ware in kleineren Packungen anbieten zu können, weil in größeren Mengen die Ware schneller verdirbt, ehe man sie verbrauchen kann. Bla, bla, bla. Es ist immer dieselbe Leier. Man tut so, als sorgten die Kräfte des Marktes für Ausgleich und Selbstregulation. Genau dieses Denken hat auch in die aktuelle Weltwirtschaftskrise geführt.

Es ist eben nicht so, dass die Hersteller vor allem die Bedürfnisse der Verbraucher im Blick hätten, sondern auf breiter Fläche Kasse machen wollen, wenn man sie auch lässt. Wem muss man diesen Zusammenhang mitten in der Krise eigentlich noch erklären? Wenn ich lese, dass Iglo den Fischanteil bei seinem Schlemmer-Filet à la Bordelaise reduziert und dennoch die gleiche Produktmenge zum gleichen Preis anbietet, frage ich mich, was die da für einen billigeren Dreck dazu packen. Die Erklärung ist ja wohl ein Witz.

Zwar sei Rohstoff Fisch, so die Firma, teurer geworden, doch hätten „repräsentative Tests“ ergeben, dass die Verbraucher das Produkt mit weniger Fett, weniger Salz und „knuspriger“ bevorzugen würden.

Lesen sie sich bitte auch die anderen Erklärungen und Begründungen der Hersteller genau durch und dann fragen sie sich doch einmal selbst, welchen Sinn staatliche Verpackungsverordnungen haben könnten. Zugegeben, über einzelne Regelungen kann man immer streiten. Doch war nun eine fast völlige Liberalisierung notwendig?

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Man steht einfach nur fassungslos vor dieser Regierung

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Ich weiß gar nicht mehr, was ich zu diesem Scheiß, den die selbsternannte Volkskanzlerin heute im Bundestag als Regierungserklärung angeboten hat noch schreiben soll. Wenn es nun immer noch jemanden gibt, der nicht merkt, dass diese Regierung und ihre Chefin ahnungslos, konzeptlos und nichtssagend durch die Legislaturperiode stolpern will, dem ist auch nicht mehr zu helfen. Nach der Ansprache heute ist vor allem auch klar, warum die Merkel ihre Regierungserklärung auf den Tag nach dem freudigen Domino-Day legte. Dieses ganze Geschwafel von Freiheit und die mittlerweile schon peinlich wirkende Instrumentalisierung des Mauerfalls treibt einen immer häufiger zur Kotzschüssel, obwohl gar nichts mehr drin ist, im dauerdrehenden Magen.

Ich verstehe auch nicht, wie diese Regierungschefin mit ihrer gequirlten Redescheiße auch noch durchkommt. „Glanzlos wie selten“, kommentiert die FAZ zwar in der Überschrift, doch dann im ersten Absatz mal wieder eine anbiedernde Bewunderung.

„Angela Merkels dramaturgisches Talent beeindruckt. Nur ihr gelingt es, zwischen der (Wieder-)Wahl zur Bundeskanzlerin und der pflichtgemäßen Regierungserklärung sich in Washington von den vereinigten Abgeordneten und Senatoren und in Berlin von den versammelten europäischen Staats- und Regierungschefs feiern zu lassen – und ihren ostdeutschen Landsleuten auch noch das Gefühl zu geben, endlich als die eigentlichen Schöpfer der deutschen Einheit anerkannt zu werden. Nach einem solch virtuosen Zwischenspiel fällt es nicht mehr ins Gewicht, dass das Kanzler-Pflichtprogramm im Bundestag glanzlos wie selten zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik ablief.“

Ich kann es nicht verstehen. Noch schlimmer der Spiegel-Kommentar.

„Angela Merkel demonstriert mit ihrer Regierungserklärung vor allem eines: Entschlossenheit. Sie inszeniert sich als Krisen-Kanzlerin – und macht Anleihen bei Helmut Schmidt. Doch die Macher-Strategie ist in Gefahr.“

Ich kann es nicht verstehen. Auch nicht bei der Zeit.

Merkel gibt die Reformerin light

Angela Merkel bleibt in ihrer Regierungserklärung sehr vage. Und doch könnte sie als schwarz-gelbe Kanzlerin für mehr Veränderung sorgen als viele glauben.“

Ich kann es einfach nicht verstehen. Das waren nur die ersten drei Kommentare, die GoogleNews auf das Stichwort Merkel ausspuckte. Etwas dahinter ein kritischerer Kommentar vom Stern.

Worthülsen en masse

Wie sieht die Politik von Schwarz-Gelb aus? Wer sich von der Regierungserklärung konkrete Antworten erhofft hatte, wurde enttäuscht. Angela Merkel bleibt bei ihrer Vernebelungstaktik.“

Vernebelungstaktik ist genau das richtige Wort. Etwas Greifbares war mal wieder nicht dabei. Eher etwas Verräterisches, wie Oskar Lafontaine erneut scharfsinnig feststellte. Merkel verwendete nämlich die neue NATO-Formulierung vom „Zugriff auf Rohstoffe“, um zu erklären, was sie unter einer Bewältigung der Krise eigentlich versteht.

„Mehr noch: Wir alle müssen verstehen, dass es um weit mehr geht als nur um die Bewältigung der Folgen der Krise in unserer eigenen Volkswirtschaft. Nein, die Karten werden weltweit neu gemischt. Das und nichts anderes ist die Dimension der Krise. Weltweit werden die Karten neu gemischt. Da gibt es eben keine angestammten Marktanteile und Positionen. Wer wird sich den Zugriff auf Rohstoffe und Energiequellen sichern? Wer lockt Investitionen aus anderen Teilen der Welt an? Welches Land wird zum Anziehungspunkt für die klügsten und kreativsten Köpfe?“

Quelle: Vorläufiges Protokoll der 3. Sitzung vom 10. November 2009, Deutscher Bundestag

Das ist schon ein starkes Stück, einen Tag nach der Heuchelei über die Bedeutung einer friedlichen Revolution für die Zukunft. Volker Pispers würde auf Merkel antworten und sagen, dass es der deutschen Regierungschefin offenbar nicht mehr ausreicht, nur die eigenen Rohstoffe und Energiequellen zu sichern, sondern auch jene, die ihr und uns gar nicht gehören. Man könnte Frau Merkel in diesem Punkt auch so verstehen, als wollte sie sagen, dass wir uns künftig auf eine dauerhaft kolonialistisch anmutende Außenpolitik einstellen sollten. Lafontaine warnte in seiner Rede ausdrücklich davor, dass sich Deutschland in solche Kriege zur Sicherung von Rohstoffquellen einspannen lassen könnte.

Bitte die ganze Rede anhören.

Lafontaine bringt mal wieder auf den Punkt, was wirklich geboten wäre. Die Kanzlerin aber begnügt sich mit Allgemeinplätzen, die sie absondern dürfe, während die faktische Kontrolle nach wie vor bei den Akteuren auf den internationalen Finanzmärkten liege, die bestimmen würden, wohin es politisch in diesem Land gehe. Merkel sprach davon, ihre Regierung wolle die Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise überwinden. Lafontaine entgegnet deutlich, dass es nicht um die Bewältigung der Folgen gehen könne, wenn man sich gleichzeitig davor verschließe, den Ursachen der Krise auf den Grund zu gehen und entsprechende Gegenmaßnahmen einzuleiten.

Stattdessen sollten die Bürger ihr Verhältnis zum Staat überdenken. Eine bodenlose Unverschämtheit von einer Frau, die es einen Tag zuvor noch toll und würdig fand, dass Menschen genau das nicht taten und sogar eine allesversperrende Mauer überwanden, um falsche politische Verhältnisse zu beseitigen. Die Bundeskanzlerin sollte nicht anschließend nach dem Anschluss an eventuelle Analysen Konsequenzen aus etwas ziehen, das sie nachweislich selbst mit verursacht hat, sondern konsequenterweise sofort zurücktreten und ihr Schreckenskabinett gleich mitnehmen. Ich kann gar nicht verstehen, warum sich in der Bevölkerung kein Protest regt. Es ist doch aller höchste Zeit.

Écrasez l’infâme!

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Ich will ja die Feierlaune nicht verderben, aber es gibt wichtigere Nachrichten

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Den ganzen Tag wird nun schon vom heiteren Tag des Mauerfalls berichtet, obwohl das Wetter wirklich beschissen ist. Die Volkskanzlerin stand in der Bornholmer Straße ziemlich im Regen. Das konnte man auf mindestens vier Kanälen gut erkennen. Ich habe zum „glücklichsten Tag der jüngeren deutschen Geschichte“ bereits gestern etwas geschrieben. Wenigstens der Bundeshorst erinnerte auch daran, dass der 9. November 1989 mit dem 9. November 1938 untrennbar verbunden ist. Den „Tag der Freude“ wollte er sich aber nicht ausreden lassen und behauptete, die deutsch-deutsche Teilung hätte vor allem deshalb überwunden werden können, „weil wir Deutsche die nötigen Lehren aus unserer Geschichte zwischen 1933 und 1945 gezogen haben.“

Darüber lässt sich streiten. Die Franzosen waren zunächst einmal nicht der Auffassung, als hätten die Deutschen ihre Lehren gezogen und wollten der Wiedervereinigung nicht zustimmen. Erst unter der Bedingung, die Stärke der Bundeswehr auf 370.000 Soldaten zu reduzieren, gab François Mitterrand in den Zwei-plus-Vier-Gesprächen sein Einverständnis. Und Großbritannien gab seine Zustimmung erst, nachdem klar war, dass Deutschland auch die Oder-Neiße-Linie als Ostgrenze anerkennen würde. In Kohls 10-Punkte-Programm war davon nämlich noch keine Rede.

Überhaupt findet am heutigen Tag und im Vorfeld viel Verklärung statt. Vor allem die Konservativen stilisieren einmal mehr ihre zufällige geschichtliche Anwesenheit zu einer heldenhaften Stunde empor, obwohl es gerade die Union und namentlich Franz-Josef Strauß war, die den wirtschaftlichen Niedergang der DDR durch großzügige finanzielle Hilfen verhinderten und das ideologisch immer bekämpfte System in seinem Bestehen somit wissentlich verlängerten. Aber sei es drum. Die Volkskanzlerin griff gleich zu großen Worten und forderte eine neue globale Weltordnung ein, unter der die Nationalstaaten nach und nach aufgehen sollten.

Das würde dem ostdeutschen Mädsche wohl prima in den Kram passen. Denn so müsste sie nicht mehr fürchten, der politischen Unfähigkeit doch noch überführt zu werden, sondern könnte unter dem Verweis auf das globale Ganze gemütlich ihrer Rolle als beliebte Überdeutsche nachgehen, die zwischen den internationalen Regierungspalästen hin und her jettet. Den wahrhaft Mächtigen in diesem Land wäre das sehr angenehm. Die Allianz AG müsste zum Beispiel nicht erklären, warum sie heute für das dritte Quartal einen Überschuss von 1,3 Mrd. Euro ausweist, obwohl wir in einer sehr tiefen Krise stecken.

Lesen sie mal den Eingangssatz des heutigen Berichts dazu im Handelsblatt:

Befreit von der Dresdner Bank zeigt die Allianz operativ Stärke. Im dritten Quartal übertraf Europas größter Versicherungskonzern mit einem Überschuss von 1,3 Mrd. Euro die Erwartungen der meisten Analysten.

Nun raten sie mal, wer die Allianz von der Dresdner Bank befreit hat? Richtig. Sie waren das mit ihrem Geld und Merkel hat für sie stellvertretend ihre Zustimmung erteilt.

Oder haben sie gelesen, dass die Bundesregierung Merkel I bereits im August darüber Bescheid wusste, dass General Motors Opel behalten will, aber heute so tut, als sei sie von der Entscheidung der Amerikaner überrascht worden (siehe The Economist)? Kennen sie auch die spezielle Rolle des feinen Herrn zu Guttenberg, der in seiner Funktion als Bundeswirtschaftsminister dafür sorgte, dass sich General Motors den Deal mit Magna noch einmal durch den Kopf gehen ließ (siehe Spiegel Online)? Und wussten sie, dass immer mehr Experten mit einem rassanten Anstieg der Arbeitslosigkeit rechnen (siehe Handelsblatt)?

Mich würde brennend interessieren, wie die neue Bundesregierung zu diesen aktuellen Fragestellungen Position bezieht. Als ich hörte, dass das neue Wachstumsbeschleunigungsgesetz, welches heute im Kabinett verabschiedet wurde, bereits als Konjunkturprogramm bezeichnet wird, habe ich mir vorgestellt, wie es wäre, wenn man das Bundeskabinett hinter einer Mauer einsperren würde. Verdient hätten es einige ja wohl.

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Zur Steuerschätzung und zur gestörten Wahrnehmung der Medien

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Der Arbeitskreis Steuerschätzung hat seine Prognose bekannt gegeben. Und? Es geistert die Zahl 2,9 Mrd. Euro weniger Einnahmen durch alle Schlagzeilen. Doch da stimmt etwas mit der journalistischen Wahrnehmung nicht. Denn bei den 2,9 Mrd. handelt es sich um den Rückgang zur letzten Steuerschätzung vom Mai diesen Jahres. Für 2010 wird dann auch mit einem Plus von 1,1 Mrd. gerechnet. Also wieder im Vergleich zur Mai-Schätzung. Das ist doch Volksverarsche ersten Ranges, wenn man sich beispielsweise die FAZ anschaut. Warum vergleicht man Steuerschätzung mit Steuerschätzung und nicht Steuerschätzung mit den tatsächlich eingenommenen Steuern des Vorjahres?

Wenn man das nämlich tut, sieht es ziemlich katastrophal aus, auch für 2010. Im Vergleich zum Vorjahr würde der Staat laut aktueller Schätzung 37 Mrd. Euro weniger an Steuern einnehmen und 2010 12,6 Mrd. weniger als 2009. Die Netzeitung berichtet darüber z.B. korrekt. Vielleicht will man ja der neuen Koalition in ihrem Steuersenkungswahn nicht die totale Unsinnigkeit ihrer Vorhaben vor Augen führen oder dem rollenden Schwarzgeld-Schäuble die Unsinnigkeit von beabsichtigten Sparaktionen. Zum begehrten Sparhammer soll die Regierung nämlich zurückkehren, weil das in der Vergangenheit immer so prima geklappt hat. Schließlich hätte Steinbrück beinahe den so lang ersehnten ausgeglichenen Haushalt vorlegen können, ja wenn die blöde Finanzkrise nicht vom Himmel gefallen wäre.

Das Mantra deutscher Journalisten wie Hobbyhaushaltspolitiker lautet: Ausgeglichener Haushalt, koste es, was es wolle. Seit 1991, als das Haushaltsdefizit erstmalig bei drei Prozent des BIP lag, wurde der ausgeglichene Haushalt zur wichtigsten Aufgabe deutscher Finanzminister. Doch was war die Folge? Stagnierende Inlandsnachfrage, steigende Arbeitslosigkeit, höhere Staatsverschuldung und ein Haushaltsdefizit, das sich kaum von jenen drei Prozent des BIP entfernte. Dafür hat man es geschafft die Staatsquote vor Ausbruch der Krise auf einen historischen Tiefstand zu reduzieren. Selbst in kurzen Aufschwungphasen würgte man durch prozyklische Ausgabenpolitik die Konjunktur einfach ab. Jörg Bibow, Ökonomieprofessor am Skidmore College im US-Bundesstaat New York, sagte dazu in der Financial Times Deutschland:

„Das Grundmuster der deutschen Makropolitik ist klar erkennbar: sinnloses Drosseln der heimischen Nachfrage durch Sparmaßnahmen, kombiniert mit der Hoffnung, bei den Exporten schmarotzen zu können.“

Dabei wäre eine Sparpolitik in der jetzigen Lage fatal. Doch die Schuldenbremse wirft ihre Schatten auch schon voraus. Aber wie ich gerade auf NDR 2 höre, glaubt Schäuble an die verabredeten Steuersenkungen, weil die Schätzung mit den 2,9 Mrd. Euro weniger ja nicht so schlimm ausfiel wie erwartet. Da kann man nur mit dem Kopf schütteln. Über NDR 2 meine ich jetzt. Den Schäuble können sie komplett vergessen. Hören sie lieber auf Leute wie den Ökonomen Jörg Bibow, die von der Sache auch was verstehen.

„Offensichtlich war die derzeitige Krise noch nicht schlimm genug, damit Deutschland das Modell des exportorientierten Wachstums einer gründlichen Korrektur unterzieht. Das tatsächliche Problem ist, dass das Land zu einer Politik neigt, die Importe drosselt. Handelsbilanzüberschüsse dienen dabei dem geradezu moralischen Kreuzzug für einen ausgeglichenen Staatshaushalt. Die nächste Gelegenheit, diese dringend nötige öffentliche Debatte zu führen, kommt vielleicht in naher Zukunft. Hoffentlich ist dann eine Bundesregierung im Amt, die nicht auf Kollisionskurs zur europäischen Integration liegt.“

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Die FDP will die Rente mit 60 und die Neue Presse Hannover nutzt das für Propaganda

Geschrieben von:

Ja richtig, die Rente mit 60 ist eine Schnappsidee, weil sich das keiner leisten kann. Schließlich müsse derjenige, der mit 60 in Rente gehen will, nach derzeitiger Lage mit einem Abschlag von rund 25 Prozent rechnen. Das könne man mit Zusatzjobs, wie im FDP-Modell vorgesehen, nicht dauerhaft ausgleichen. Der PR-Agent Christoph Slangen ist also durchaus auf der richtigen Spur, wenn er den FDP-Vorstoß kritisiert. Doch Slangen wäre nicht der, der er ist, wenn er die Gelegenheit verstreichen lassen würde, die bisherige Rentenpolitik und insbes. die Rente mit 67 zu verteidigen.

„Die Senioren von heute leben glücklicherweise länger, was allerdings die Rentenkassen belastet. Dieser Rechnung kann sich niemand entziehen. Die Rente mit 67 war deshalb ein unpopulärer, aber richtiger Schritt. Taugliche Regelungen für flexible Übergänge werden zwar benötigt, aber keine Rente mit 60.“

Wieder einmal lügt Christoph Slangen dreist in seinem Kommentar. Die Rentenkassen werden nicht durch eine höhere Lebenserwartung belastet, sondern durch eine falsche Rentenpolitik. Wer deckelt denn die Beiträge zur Rentenversicherung? Und wer entlässt bestimmte Gruppen aus der solidarischen Gemeinschaft? Wer betreibt denn eine Wirtschaftspolitik, die auf Lohndumping und prekäre Beschäftigungsverhältnisse setzt, so dass die Einnahmen der Sozialversicherungen immer geringer werden? In diesem Zusammenhang gibt es heute zum zweiten Mal in diesem Blatt eine zynische Kommentarbemerkung zu lesen.

„Schmalspurrente plus Zusatzjob könnten vielleicht ausreichen, solange man noch fit ist.“

Die Mehrheit der Bevölkerung lehnt die Rente mit 67 ab. Aus sehr guten Gründen. Und der Wichtigste dabei ist, dass die meisten Menschen in diesem Land längst wissen, dass sie ihre reguläre Arbeit, wenn sie denn noch eine haben, nicht bis zum Renteneintrittsalter verrichten können. Die Statistik belegt das auch. Im Schnitt gehen die Menschen mit 63 Jahren in den Ruhestand.

Durchschnittsalter beim Renteneintritt
Quelle: Böckler-Boxen

Die willkürliche Erhöhung des Renteneintrittsalters war demnach kein richtiger Schritt, wie Slangen mal wieder gegen jedes Gebot der Sachlichkeit behauptet, sondern eine brutale Rentenkürzung, mit dem Ziel, die Menschen in die geldgeilen Hände der Privatvorsorge zu treiben. Doch zurück zum zynischen Satz. Der Zusatzjob ist genau das, was die FDP will. Es soll für die Unternehmen weiterhin möglich sein, ältere Menschen aus dem Arbeitsmarkt legal hinauszudrängen, um sie dann als billige Arbeitskräfte wieder einzustellen, damit sie ihre gekürzte Rente aufpolieren können und müssen. Asoziale Klientelpolitik ist das, nichts anderes.

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