Kräftige Bremsspuren beim europäischen Konsum

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Diese Woche meldete das statistische Bundesamt freudig einen Anstieg der Umsätze im Einzelhandel für den Monat März. Folglich war gleich wieder von einer Frühjahrsstimmung die Rede, die sich die Verbraucher selbst durch die hohen Spritpreise nicht verderben lassen wollten. Bei der Einordnung des mickrigen Anstiegs tun sich die Redakteure allerdings schwer. Die einen schreiben von einer deutlichen Zunahme und die anderen von einem leichten Umsatzplus, das hinter den Erwartungen zurückgeblieben sei.

Besser als diese Kaffeesatzleserei um ein reales Plus von 0,8 Prozent im Vergleich zum Februar ist der europäische Vergleich. Denn inzwischen hat es die sparwütige deutsche Regierung mit ihren strengen Vorgaben wie Einkommenskürzungen, Fiskalpakt und Schuldenbremse geschafft, die meisten europäischen Staaten beim Konsum auf das erbärmliche deutsche Niveau herunterzuziehen. Allein in Frankreich herrscht noch so etwas wie eine Kauflaune, die auch von den Menschen durch reales Geldausgeben untermauert wird. Es fragt sich nur, wie lange noch.

 

Quelle: Querschuesse

Dem möglichen Gewinner der Präsidentschaftswahl in Frankreich Francois Hollande bläst schon ein eisiger Austeritätswind ins Gesicht. Offen ausgesprochene Warnungen von den erklärten Schuldenbremsern sind nicht zu überhören. Auch wenn sich neoliberale Sprechblasenautomaten wie Bundeskanzlerin Angela Merkel bereits verstärkt auf Hollande einzustellen versuchen, indem sie immer häufiger davon faseln, neben der Sparerei das Wachstum nicht aus den Augen verlieren zu wollen, so halten sie doch im Kern an ihrem Kürzungskurs fest. Bei Merkel heißt das ja seit neuestem “Wachstum durch Strukturreformen”, was in Wirklichkeit nichts anderes als die Einhaltung von Fiskalpakt und Schuldenbremse bedeutet.

Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) hatte aber ebenfalls in dieser Woche in einer Studie genau das Gegenteil herausgefunden und gesagt, dass Wachstum durch Strukturreformen nicht festzustellen und die bisher angewandte Sparstrategie kontraproduktiv und wenig durchdacht gewesen sei.

„Die Strategie des Sparens und Regulierens sollte zu mehr Wachstum führen, was jedoch nicht geschieht“, sagte der ILO-Direktor für internationale Arbeitsmarktstudien und Hauptautor des Berichts, Raymond Torres, in Genf. Die Spar-Strategie sei damit „kontraproduktiv“ gewesen. Torres bescheinigte den EU-Staaten, „wenig durchdachte“ Sparprogramme aufgelegt zu haben. Als Beispiel nannte er Spanien, wo das Haushaltsdefizit trotz drastischer Einsparungen nur von gut neun Prozent im Jahr 2010 auf 8,5 Prozent 2011 gesunken sei.

Quelle: Stern Online

Lohnsteigerungen sind im rechten Maß mal wieder voll OK

Nun stellt sich aber auch die Frage, wer in Zukunft die Maden aus Germany kaufen soll. Die Deutschen selber? Bundesfinanzminister Schäuble meint ja. Er findet Lohnsteigerungen voll OK.

Deutschland habe seine Hausaufgaben gemacht und könne sich höhere Tarifabschlüsse besser leisten als andere Staaten. „Wir haben viele Jahre der Reformen hinter uns“, fügte er hinzu.

Deutschland kommt nach Schäubles Worten mit höheren Lohnabschlüssen auch Forderungen anderer Länder nach. Deren Vorwurf: Deutschland wirtschafte durch seine Exportstärke auf Kosten der anderen Länder und mache zu wenig für die Stärkung der Inlandsnachfrage – und damit für Absatzchancen anderer Staaten.

Die Lohnsteigerungen trügen daher auch zum Abbau von Ungleichgewichten innerhalb Europas bei, ergänzte Schäuble. Zugleich warnte er jedoch vor Übertreibungen. „Das rechte Maß müssen wir wahren.“

Zu der Einsicht, dass die Ungleichgewichte in Europa etwas mit der deutschen Lohnpolitik der letzten Jahre zu tun haben, gesellt sich dennoch der seit jeher ins Feld geführte Leitspruch vom Maßhalten. Dabei ist ein Gleichgewicht nur durch die Umkehr des Ungleichgewichts auf mittelfristige Sicht herstellbar. Deutschland dürfte also nicht Maßhalten, sondern müsste bei den Lohnabschlüssen übertreiben und selbst Defizite hinnehmen, um die Verzerrungen beim europäischen Binnenhandel auflösen zu können.

Das zeigt im Prinzip ganz klar, dass die deutsche Regierung in Sachen Volkswirtschaft nicht etwa völlig doof agiert, sondern knallhart kalkuliert, um die eigenen Wettbewerbsvorteile im Interesse der Exportindustrie ja nicht aus der Hand geben zu müssen. Den deutschen Monetaristen sind die Zusammenhänge durchaus bewusst, sie wissen also, dass die Überschüsse der Bundesrepublik die Defizite der Südeuropäer provoziert haben. Nur ändern wollen sie daran nichts. Vor einiger Zeit hatte sich die Bundesregierung noch erfolgreich dagegen gewehrt, für seine permanenten Außenhandelsüberschüsse als Störer des europäischen Gleichgewichts zur Rechenschaft gezogen zu werden. Auf der anderen Seite dürfen aber Defizitsünder mit der vollen Härte der europäischen Fiskalpaktierer rechnen.

Von Tarifabschlüssen profitieren immer weniger

Wenn sich die Tarifparteien in Deutschland nun irgendwo in der Mitte treffen und einen Abschluss auf die Reihe kriegen, kommt vielleicht wie beim öffentlichen Dienst ein Ergebnis für die Beschäftigten heraus, welches die erlittenen Einkommensverluste der letzten Jahre, in denen auch immer Lohnzurückhaltung gepredigt wurde, kaum auszugleichen vermag. Gewonnen hätte man damit aber nichts und gar ein Beitrag zum Abbau der Handelsungleichgewichte geleistet auch nicht. Zudem profitieren immer weniger Menschen von Tarifverträgen.

Die meisten Arbeitnehmer sind in Unternehmen beschäftigt, die für den Binnenmarkt produzieren oder Dienstleistungen anbieten. Vergleichsweise gute und hohe Löhne werden dort aber nicht gezahlt, sondern vor allem in den exportabhängigen Branchen, die ihrerseits immer stärker auf das tolle Modell Leiharbeit setzen wollen. Gerade für Exportunternehmen im verarbeitenden Gewerbe hat sich die Leiharbeit im großen Krisenjahr 2009 mehr als gelohnt. Nie war es einfacher und bequemer, Beschäftigte bei einem Einbruch der weltweiten Nachfrage loszuwerden.

Außerdem half die großzügige Kurzarbeiterregelung der Bundesregierung (6 Mrd. Euro Kosten für die Bundesagentur in 2009) ebenfalls den Unternehmen. Denn die rund 1,1 Millionen Kurzarbeiter mussten auf gut 3 Mrd. Euro Gehalt verzichten. Es ist kaum anzunehmen, dass diese Einbußen aus vergangenen Jahren, in denen Deutschland laut Schäuble so gut durch die Krise gekommen sei, weil es seine Hausaufgaben ordentlich gemacht habe, nun durch die Gewerkschaften wieder herausgehandelt werden.

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Wirtschaftsinstitute mit Schwankungsbreite im Aufwind

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Heute machte die frohe Botschaft die Runde, wonach die deutsche Wirtschaft vor einer Boomphase stehen soll, weil die führenden Wirtschaftsinstitute im Frühjahrsgutachten ihre falschen Prognosen aus dem Herbstgutachten mal wieder korrigiert haben. Dafür, dass die Voraussagen nie zutreffen oder wie dieses Mal gleich Schwankungsbreiten von 0,5 bis 3,5 Prozent eingeräumt werden, sind die Schlagzeilen deutlich.

Mehr Jobs, höhere Löhne, kerngesunde Firmen: Deutschland trotzt der Schuldenkrise und bleibt Wirtschafts-Supermacht in Europa, heißt es. Für Europa sei Deutschland ein “Glücksfall”, weil es die Eurozone stütze. Dabei halten es die “Experten” selbst für sehr wahrscheinlich, dass Deutschland in den nächsten Jahren seinen Wettbewerbsvorsprung massiv ausbauen wird. Das halte ich auch für möglich, nur wie kann dann ein enormer Wettbewerbsvorsprung ein Glücksfall für den Rest der Eurozone sein? Die müssen doch logischerweise den Wettbewerbsnachteil haben.

Um das zu begreifen, muss man kein Wirtschaftsexperte sein, die offensichtlich mit einer hohen Schwankungsbreite im Hirn durch die Gegend laufen und die Widersprüchlichkeit ihrer Analysen gleich in die Überschrift packen.

Deutsche Konjunktur im Aufwind – Europäische Schuldenkrise schwelt weiter

Quelle: Frankfurter Rundschau

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Im asiatischen Windschatten

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Kurz vor und kurz nach Ostern trumpfte das statistische Bundesamt mit Meldungen auf, wonach die deutschen Exporte trotz Eurokrise auf Rekordkurs gestiegen seien. Grund sei die starke Nachfrage aus Asien und da insbesondere China. Es scheine so, als würde ausgerechnet das Reich der Mitte für die unter verschärfter Austeritätspolitik leidenden europäischen Handelspartner in die Bresche springen. Die deutsche Wirtschaft wachse nun im asiatischen Windschatten mit, meint der Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel und Dienstleistungen (BGA), Anton Börner.

Dabei ist dieser Windschatten gar nicht so groß oder von Dauer wie es den Anschein hat. Denn mit einem Anteil von knapp 6 Prozent an den deutschen Exporten hat China nicht wirklich jene ersetzende Zugkraft, die hier unterstellt wird. Über 60 Prozent der Ausfuhren gehen nach wie vor in die EU und die Eurozone (etwa 40 Prozent), die aber vom Spardiktat und der drohenden Schuldenbremse gezwungen wird, auf Waren Made in Germany zu verzichten.

Wenn nun aber ein Anstieg der Ausfuhren gerade in die Staaten der Eurozone freudestrahlend vermeldet wird, müssten die Fiskalpaktierer doch eigentlich Alarm schlagen, da der Überschuss des einen, nämlich unserer, ganz automatisch zu einer Erhöhung des Defizits auf Seiten derer führen muss, die bereits als Defizitsünder abgestempelt sind und harte Strafen zu befürchten haben. Stattdessen zeigt die Lobby der vermeintlichen Wirtschaftsexperten hämisch mit dem Finger auf jene, die immer wieder vor einem Absturz der deutschen Wirtschaft warnen. 

Dass die vermeldeten Exportzahlen als Ausweis einer guten Konjunktur nichts taugen, beweisen wesentlich aussagekräftigere Zahlen aus der Wirtschaft. Denn weder aus der Industrieproduktion noch beim Auftragseingang waren zuletzt Impulse für die Konjunktur feststellbar, von den Einzelhandelsumsätzen einmal ganz zu schweigen. Die volkswirtschaftlichen Indikatoren zeigen somit nach unten und belegen keinesfalls einen neuerlich bevorstehenden Boom, der aus Fernost getragen wird.

Denn sollte sich Chinas Handelsbilanz – derzeit macht es ja noch Überschüsse – dauerhaft umkehren, bleibt den Chinesen die Möglichkeit durch Abwertung des Yuan am Wechselkurs zu drehen und Importe zu verteuern, was verlorene Wettbewerbsanteile zurückbrächte. Das können die Euroländer bekanntlich nicht. Wer also auf der einen Seite einen knallharten Austeritätskurs verschreibt und damit die Wirtschaft seiner wichtigsten Handelspartner an die Wand fährt und auf der anderen Seite darauf vertraut, dass die übrige Welt Defizite hinnimmt, um die Überschüsse der deutschen Wirtschaft zu finanzieren, muss schon über reichlich viel Naivität verfügen.

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Von wegen volkswirtschaftlich vernünftig

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In den Medien wird der Tarifabschluss im öffentlichen Dienst als “hoch” bezeichnet und vor allem die Folgen für die klammen Kommunen beleuchtet. Auch wird behauptet, dass das Verhandlungsergebnis in erfreulicher Art und Weise zeige, dass die Arbeitgeber des Umdenkens fähig wären, weil höhere Löhne aus volkswirtschaftlicher Sicht auch für sie einen Sinn ergeben würden. Dabei ist diese Schlussfolgerung aus dem Verhandlungsergebnis keinesfalls herleitbar.

Zunächst einmal sollten die Berichterstatter endlich zur Kenntnis nehmen, dass die Löhne nicht um 6,3 Prozent oder in mehreren Schritten bis dahin angehoben werden, sondern ganz konkret um lediglich 3,5 Prozent rückwirkend für das Jahr 2012. Im Jahr 2013 erfolgen weitere zaghafte Anpassungen, die man auch als neuerlichen Lohnbetrug bezeichnen könnte. Ab Januar 2013 werden die Einkommen um magere 1,4 Prozent und im August 2013 um weitere sehr magere 1,4 Prozent angehoben.

Das Ergebnis, und das sollte man auch erwähnen, ist mit knapper Mehrheit und viel Bauchschmerzen durch die Tarifkommission von ver.di akzeptiert worden. Wer da wie und warum gerade so abgestimmt hat, soll an dieser Stelle mangels Informationen nicht weiter erörtert werden.

Sicherlich wird für das Jahr 2012 eine Steigerung der Gehälter knapp oberhalb der sogenannten Lohnregel (Inflationsziel der Zentralbank (2 %) plus Produktivitätszuwachs) erreicht werden. Allerdings in diesem Zusammenhang von volkswirtschaftlicher Vernunft zu sprechen, ist weit übertrieben. Die Arbeitgeber haben es nämlich geschafft, die schlechte Bezahlung in den untersten Lohngruppen aufrecht zu erhalten. Von 8,57 Euro steigt der Stundenlohn im Jahr 2012 um 30 Cent auf 8,87. Der Gewerkschaft ver.di folgend, hätte es mit der sozialen Komponente (mindestens 200 Euro mehr) einen Stundenlohn von mindestens 9,76 geben sollen – also einen Bruttolohn von gerade mal 1.561 Euro.

Auch das wäre, meiner Einschätzung nach, noch viel zu wenig gewesen, wenn man berücksichtigt, dass die amtliche Niedriglohnschwelle in Westdeutschland bei einem Einkommen von 1.890 Euro für eine Vollzeitstelle liegt. Inzwischen arbeiten rund 23 Prozent oder über 2,5 Millionen Vollzeitbeschäftigte für ein Gehalt, das unterhalb dieser Schwelle liegt.

Quelle: Böckler Boxen

Dabei stagnieren die Löhne bzw. findet ein realer Einkommens- und Kaufkraftverlust seit dem Jahr 2000 statt. Das hat ver.di selbst einmal grafisch herausgearbeitet.

Löhne und Gewinne

Aufgrund dieser Entwicklung ging die Gewerkschaft offensiv aber dennoch verhalten in ihren Forderungen in die Tarifauseinandersetzung. Das mag jetzt der ein oder andere nicht glauben, aber auch eine Erfüllung der ursprünglichen ver.di Forderung hätte volkswirtschaftlich gesehen kaum zu einer Anpassung, der zuvor erlittenen Verluste geführt. Wer nur auf die Zahlen schaut und meint, dass 6,5 Prozent für deutsche Verhältnisse viel zu hoch sein müssen, weil man an Abschlüsse weit darunter gewöhnt ist, zeigt nur, dass er von Volkswirtschaft und vor allem von den Ursachen und der Dimension der europäischen Krise nichts verstanden hat.

Den Arbeitgebern volkswirtschaftliche Vernunft zu attestieren, ist nämlich gerade mit Blick auf Europa und seine Währungskrise schlichtweg dumm. Würden die öffentlichen Arbeitgeber volkswirtschaftlich vernünftig handeln, müssten sie nämlich viel höhere Lohnabschlüsse zulassen und zwar weit über den Forderungen der Gewerkschaften. Denn ohne eine deutliche Zunahme der Lohnstückkosten in Deutschland kann der Süden Europas einschließlich Frankreichs nie und nimmer an Wettbewerbsfähigkeit hinzugewinnen.

Wenn man aber den Euro und die friedliche Union als Ganzes erhalten will, führt kein Weg an der Beseitigung der außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte und einer Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit, der mit Auslandsschulden belasteten Länder vorbei. Da eine Minderung des Ungleichgewichts über Wechselkurssysteme nicht möglich ist, muss diese über die Löhne und Lohnpolitik (Mindestlohn) geschehen. Um hierbei zum Erfolg zu gelangen, muss der jahrelange Verstoß gegen das gemeinsame Inflationsziel der Europäischen Zentralbank (2 Prozent) im Prinzip umgekehrt werden.

Gerade Deutschland muss als Überschusssünder (nur möglich durch permanentes Unterschreiten des Inflationsziels) dafür Sorge tragen, dass seine Lohnstückkosten in den kommenden Jahren stärker steigen als die in den südeuropäischen Ländern. Deutschland muss klar nach oben vom Inflationsziel abweichen, während die Defizitländer knapp darunter bleiben müssen, um eine Deflation zu verhindern. Deutschland muss also selbst Defizite hinnehmen, um wirklich einen Beitrag zur Lösung der Eurokrise leisten zu können. Doch diese einzig vernünftige Strategie wird nicht einmal zu denken gewagt, weil in der Diskussion die Defizite der anderen nicht in Verbindung mit unseren Überschüssen gebracht werden dürfen.

Selbst der Bundesbankpräsident Jens Weidmann rühmt sich des jahrelang betriebenen Verstoßes gegen das Inflationsziel, wirbt weiterhin für Preisstabilität und geißelt Lohnerhöhungen als per se inflationstreibend. Das Spiel mit den Inflationsängsten der Deutschen ist ein bewährtes Rezept, um sie zu disziplinieren, und sie auf den neoliberalen Irrweg, der fälschlicherweise als Kurs bezeichnet wird, weiter einzuschwören. Unter dieser haltlosen Drohung werden ein weiter vor sich hin wuchernder Niedriglohnsektor sowie eine galoppierende Zunahme von Billionenvermögen auf den Konten weniger toleriert, wohingegen das in die Irre geleitete Auge empört auf die im Vergleich dazu schleichend steigende öffentliche Verschuldung starrt.   

Diejenigen, die finanziell etwas zur Begleichung der privaten Wettschulden, die nun bewusst zu Staatsschulden gemacht worden sind, beitragen könnten, dürfen ihr Vermögen unbesehen und ungeprüft behalten. Eine Abgabe ist nicht nötig. Stattdessen jammern die öffentlichen Arbeitgeber über eine Unfinanzierbarkeit des vorliegenden Tarifabschlusses, nehmen es aber kommentarlos hin, dass niedrige Löhne weiterhin durch öffentliche Gelder aus dem Hartz-System aufgestockt werden müssen, über das der strafrechtlich verurteilte Namensgeber nun sieben Jahre nach dessen Einführung behauptet, einmal sehr viel höhere Eckregelsätze ausgerechnet zu haben.

Hier treffen sich dann auch eine seriös vorgeführte Wirtschafts-, Sozial- und Arbeitsmarktpolitik mit der nicht mehr zu übersehenden kriminellen Energie, die offensichtlich aufgebracht werden muss, um bestimmte Partikularinteressen gegenüber dem Gemeinwohl und den Belangen der Mehrheit der Bevölkerung durchsetzen zu können. Mit volkswirtschaftlicher Vernunft hat das aber nichts zu tun.  

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Konsumflaute hält an

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Den Medien sind die abermals gefallenen Einzelhandelsumsätze natürlich keine Meldung wert. Warum auch? Hat man doch vor ein paar Tagen noch den ifo-Geschäftsklimaindex verbreitet, der erneut eine gute Stimmung signalisierte, oder anhand des Konsumklimaindexes der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) eine Fortsetzung des Konsumbooms prognostiziert. Nun fallen die Zahlen der Statistiker aus Wiesbaden mal wieder ernüchternd aus, auch wenn sie es in der Überschrift nicht zugeben wollen.

Einzelhandelsumsatz im Februar 2012 real um 1,7 % gestiegen

Doch bereits im zweiten Satz folgt die Einschränkung. “Allerdings hatte der Februar 2012 mit 25 Verkaufstagen einen Verkaufstag mehr als der Februar 2011.” Ja richtig, 2012 ist ein Schaltjahr und das hilft natürlich auch den Umsätzen im Einzelhandel. Nur lässt sich nicht verbergen, dass die Konsumflaute auf lange Sicht gesehen weiter zunimmt und die Umsätze deutlich unter dem Niveau früherer Jahre liegen.

Zu den schwachen Zahlen sagt der Bundeswirtschaftsminister dann auch lieber nichts. Hat er sich doch erst gestern wieder aus dem Fenster gelehnt und behauptet, der Arbeitsmarkt sei eine verlässliche Stütze binnenwirtschaftlicher Entwicklung. Nun scheint sich diese gar nicht so gut zu entwickeln wie vermutet. Heißt das jetzt etwa im Umkehrschluss, dass die angeblich so mutigen Reformen auf dem Arbeitsmarkt vielleicht mutig – ich würde ja sagen, völlig bescheuert – aber im Ergebnis doch nutzlos waren? 

Einzelhandel bis Februar 2012

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Berufsunfähig: Versicherungen zahlen nicht

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Am Dienstag berichtete die ZDF-Sendung Frontal21 über einen Fall, bei dem ein Arbeitnehmer berufsunfähig wurde und auf Leistungen aus seiner privaten Berufsunfähigkeitsversicherung hoffte. Das Problem dabei. Die Versicherungsgesellschaften beauftragen eigene Gutachter, um festzustellen, ob tatsächlich eine Berufsunfähigkeit des Antragsstellers vorliegt. Das Ergebnis dieser Gutachten ist inzwischen vorhersehbar und fällt sehr häufig nicht zu Gunsten der Betroffenen aus.

Dann braucht der Versicherte viel Geduld, Geld und einen Anwalt, der die Ansprüche vor Gericht einklagt. Die Assekuranzen lassen es in der Regel auf einen oder mehrere Prozesse ankommen. Jahrelange Rechtsstreitigkeiten, die sich ein Versicherungskonzern locker leisten und aussitzen kann, sind die Folge. Für die Betroffenen hingegen kommt zu der lebenserschwerenden Berufsunfähigkeit eine kräfteraubende Auseinandersetzung um legitime Ansprüche hinzu, für die man zuvor artig und in gutem Glauben seine Beiträge gezahlt hat.

Der Frontal-Bericht kommt zu dem Ergebnis, dass gerade bei der privaten Berufsunfähigkeitsversicherung durch die Anbieter ein systematischer Regulierungsmissbrauch betrieben würde.

“In Deutschland wird jeder Fünfte erwerbsunfähig. Bei denen mit einer Berufsunfähigkeitsversicherung erhält aber nur jeder 400. tatsächlich Leistungen. Versicherer zahlen selten, verdienen so viel Geld mit der Berufsunfähigkeit.”

Quelle: Frontal21

Darüber hinaus geben die Versicherer über das Geschäft mit der Berufsunfähigkeit keinerlei Auskünfte, was den Verdacht nahe lege, so ein Versicherungsexperte, dass mit den Verträgen sehr viel mehr Geld verdient werde, als man nach außen hin bereit ist offenzulegen.

Der Fachanwalt für Versicherungsrecht Jürgen Hennemann sagt:

“Es ist allgemein bekannt, dass die Berufsunfähigkeitsversicherung zu den Cash-Cows innerhalb der Assekuranz zählt. Dies liegt zum einen an der selektiven Risikoauswahl, dem erhöhten Prämienniveau und nicht zuletzt der Tatsache, dass die Versicherer in der Berufsunfähigkeitsversicherung beinhart regulieren.”

Die Versicherer selber reden sich mit der “zynischen” Antwort heraus, nur Risiken abzusichern, deren Eintritt hinreichend ungewiss sei. Das hat der Gesetzgeber so sicher nicht gewollt. Wie bei der Riester-Rente folgte der Rückzug des Staates aus der Versorgung von Menschen, die berufsunfähig werden, aber auch vollkommen bewusst, um der privaten Versicherungswirtschaft ein lukratives Geschäftsfeld zu eröffnen.

Fachanwalt Hennemann:

“Die von der Versicherungswirtschaft seit Jahrzehnten intensivst bespendete Politik schaut sich dieses Treiben der Versicherer auch im Bereich der Berufsunfähigkeitsversicherung seit Jahrzehnten praktisch tatenlos an.”

Leider kommt der Beitrag am Ende nur zu dem Ergebnis, dass der offensichtlich nicht funktionierende Markt im Versicherungswesen besser reguliert werden müsse, anstatt zu fordern, dieses miese Geschäft mit der Absicherung von Lebensrisiken zu beenden. Die soziale Sicherheit ist eine Aufgabe des Staates, die er im Rahmen der Daseinsvorsorge und der gesetzlichen Sozialversicherung sehr viel billiger als die großen Konzerne betreiben kann.

Doch wer kennt sie nicht, die netten Versicherungsvertreter der einschlägigen Gesellschaften oder die Finanzoptimierer von AWD und MLP. Trotz der aufgedeckten Machenschaften von Maschmeyer und Co. gilt das Geschäft mit der privaten Rente oder Berufsunfähigkeit – bald auch Pflege – immer noch als wichtige Ergänzung im sozialen Vorsorgesystem. Unter dem Stichwort Eigenverantwortung wird unentwegt Werbung für die private Versicherungswirtschaft gemacht, während die gesetzliche Sozialversicherung erst schlecht geredet und anschließend durch politische Entscheidungen in ihrer Leistungsfähigkeit immer mehr beschnitten wird. 

Ebenfalls am Dienstag fand ich im Wirtschaftsteil meiner Tageszeitung einen Bericht über die Zurückhaltung der Kunden bei der privaten Altersvorsorge. Unter der Überschrift “Konsum gewinnt gegen Altersvorsorge – Finanzberater MLP spürt Zurückhaltung der Kunden / Dennoch Sonderdividende im Gespräch” wurde der Leser wie folgt informiert:

“Seit Jahren hofft […] MLP auf eine Belebung seiner Geschäfte mit der Altersvorsorge. Doch weder die Rentenkürzung, die durch die Rente mit 67 droht, noch die gute Konjunktur bringen die Geschäfte auf Trab.

Ganz unverhohlen wird die politisch vorangetriebene Rentenkürzung als das bezeichnet, was sie ist. Ein Geschäft für die private Versicherungswirtschaft, sonst nichts. Leider, so der Bericht weiter, sei aber ein Großteil der zurückliegenden Lohnsteigerungen im vergangenen Jahr in andere “Kanäle” abgeflossen.

“Unser größter Wettbewerber ist und bleibt der Konsum.”

Dabei soll doch gerade der Konsum künftig dafür sorgen, dass die Wirtschaft weiter wächst und somit auch die Rendite der privaten Altersvorsoge finanziert. Die langfristige Entwicklung der Anlagen ist für die an den Beiträgen interessierten Konzerne aber nicht von Belang. Denn die Gebühren werden stets vorher fällig und von den Beiträgen der Versicherten abgezogen, bevor der Rest am Kapitalmarkt seine letzte Ruhestätte findet. Deshalb dürfen auch die Gelder aus Versicherungsbeiträgen und Steuersubventionen wie der Riester-Förderung oder einer Förderung für die Berufsunfähigkeitsversicherung nur in die Kanäle der privaten Versicherungswirtschaft fließen. Aber nicht um die Menschen gegen ein Risiko abzusichern, sondern um damit ein Milliardengeschäft zu machen.

Den Schaden haben am Ende andere.

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Oh Schreck: Griechenland hat keine Verwaltung mehr

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Das Geheule der deutschen Wirtschaft und der Presse über die plötzlich entdeckten Defizite in der griechischen Verwaltung ist skandalös und zynisch zugleich. Keine Woche ist es her, da haben alle noch auf die Durchsetzung des Sparpaketes bestanden, in dem klar vorgesehen ist, 15.000 Staatsangestellte sofort zu entlassen. Bis 2015 soll die Zahl der Entlassungen im öffentlichen Dienst auf 150.000 steigen.

Heute Morgen beklagte sich BDI-Präsident Keitel im Deutschlandfunk über mangelnde Verwaltungsstrukturen. Deutsche Unternehmen würden gern in Griechenland investieren, fänden aber mit Blick auf Steuerverwaltung und Katasterwesen kein funktionstüchtiges Staatswesen mehr vor. Deutsche Unternehmer bräuchten aber Planungssicherheit und verlässliche Rahmenbedingungen, so Keitel weiter.

Zum bisherigen Rettungsverfahren sagte der BDI-Präsident aber, dass die Voraussetzungen für eine Sanierung geschaffen worden sein. Da fragt man sich doch entsetzt, wer hier wen für dumm verkaufen will. Von außen müsse sichergestellt werden, dass Griechenland die versprochenen Anstrengungen auch tatsächlich unternehme. Die ganze Hilfe nütze dann ja nichts, hält der BDI-Präsident fest.

Und da hat er Recht, denn die 130 Mrd. Euro nützen den Griechen und ihrer Wirtschaft auch nichts, weil sie ohne Umweg zur Schuldentilgung eingesetzt werden müssen. Dafür soll zudem ein Sperrkonto sorgen, auf dessen Einrichtung bei den Verhandlungen vor allem der deutsche Finanzminister bestanden hat.

Um eine funktionierende Verwaltung wiederherstellen zu können, die nach Keitels Aussage auch in der Vergangenheit schon nicht bestanden habe,

“Nur das ganze ist unter der Staatsverkrustung irgendwo aus unserem Blick verschwunden.”  

braucht es Personal, dass sich durch die vielen Aktenberge wühlt und für die sprichwörtliche Ordnung sorgt, auf die vor allem die Deutschen so erpicht sind. Das ändert nur nichts an der Tatsache, dass mit den Sparpaketen das Gegenteil bewirkt wird. Dennoch versuchen Schäuble und Co. der deutschen Öffentlichkeit weiszumachen, dass diese Maßnahmen notwendig seien, um die beliebten Strukturreformen durchführen zu können.

Absurderweise wurde vor dem Bekanntwerden der Missstände, die angeblich unter einer “Staatsverkrustung” verborgen lagen, immer behauptet, die griechische Staatsverwaltung sei viel zu überdimensioniert. In feinstem neoliberalen Neusprech sollte der Eindruck vermittelt werden, der öffentliche Dienst in Griechenland stünde beispielhaft für ein Leben über den Verhältnissen. Nun stellt Keitel selbstkritisch fest, dass man die Begebenheiten in Griechenland wohl eher als charmantes Mittelmeerproblem betrachtet habe. Dennoch bleibt er dabei, dass sich ein Land keine Verwaltung leisten könne, die sich nur mit sich selbst beschäftige.

Das ist auch richtig. Allerdings bedarf es mit Sicherheit einer Verwaltung, in der auch Menschen beschäftigt sind.

EDIT: Das Interview kann hier nachgelesen werden:
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/1683495/

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Schäuble holt zum nächsten Schlag aus

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Derzeit ist die Öffentlichkeit total gebannt vom neuerlich stattfindenden Geschacher um den Posten des obersten und an sich bedeutungslosen Grußonkels der Republik. Abseits davon hat Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble angekündigt, schon 2014 – also zwei Jahre früher als geplant – die Schuldenbremse einhalten zu wollen. Dafür plant er ein weiteres Sparpaket in Höhe von etwa zehn Milliarden Euro aufzulegen, das im Kampf gegen das eigene Volk als weiterer Schlag verstanden werden muss.

Vor zwei Jahren nannte Georg Schramm das erste Sparpaket der Bundesregierung eine Kriegserklärung an die absolute Mehrheit des Volkes, das gar kein Vermögen hat, das man in Sicherheit bringen könnte.

Und so ist es auch jetzt wieder. Schäuble weiß, dass die Wirtschaft an Fahrt verliert. Europa versinkt in der nächsten Rezession und Deutschland wird das hart zu spüren bekommen. Noch glauben viele das Märchen vom nie endenden Aufschwung und einem robusten Arbeitsmarkt, der vor allem dafür sorge, dass der private Konsum gestärkt werde, auf den die konjunkturelle Entwicklung letztlich angewiesen sei. Allein die offensichtlich mit Absicht nicht erkannte Realität straft diese Darstellung Lügen.

Geplant sind vor allem Kürzungen im Bereich der Sozialversicherung. So sollen die Bundeszuschüsse zur Kranken- und Rentenversicherung um Milliardenbeträge gekürzt werden. Bei der Arbeitslosenversicherung sind noch einmal Einsparungen von mehreren hundert Millionen Euro vorgesehen.

Das einst mit viel Getöse eingeführte Elterngeld soll nun gedeckelt werden. Offensichtlich ist auch bei der Regierung die Botschaft angekommen, dass von der Sozialleistung vor allem gutverdienende Eltern profitieren. Gerade bei der Gruppe der Besserverdienenden ist somit ein Mitnahmeeffekt feststellbar, während Geringverdiener oder Eltern mit gar keinem Einkommen nach Abschaffung des Erziehungsgeldes mit deutlich weniger oder gar keinem Elterngeld (Hartz-IV-Empfängern wurde die Leistung zum 1. Januar 2011 komplett gestrichen) auskommen müssen.

Bei der Kürzung von Bundeszuschüssen zu den Sozialversicherungen spielt Schäuble das bekannte neoliberale Spiel der systematisch betriebenen Verarmung des Staates. Dabei werden zunächst mit diversen “Reformen” die Arbeitnehmer/Versicherten durch Aufkündigung der paritätischen Finanzierung sowie durch eine Übertragung von Leistungen auf die Versicherungsgemeinschaft, für deren Finanzierung eigentlich die Allgemeinheit, also alle Steuerzahler, zuständig sind, einseitig belastet. Danach schießt der Staat Steuermittel zu, um die entstandene Finanzierungslücke auszugleichen. Im Anschluss werden diese Mittel nun mit Verweis auf eine angeblich gute Konjunktur sowie die schlechte Kassenlage und die Schuldenbremse wieder eingespart.

So bekommt niemand mit, dass die Mehrheit der Bevölkerung schlichtweg um Leistungen betrogen wird. Gleichzeitig gelingt es dem Bundesfinanzminister, in der Öffentlichkeit als erfolgreich agierender Politiker dazustehen, dem die Haushaltskonsolidierung nach so vielen Jahren der gescheiterten Versuche nun endlich zu gelingen scheint. 

“Nicht aus Notwendigkeit solle der Staat machtloser und ärmer werden, sondern aus Prinzip.”  (zit. nach Barbara Supp, via NachDenkSeiten)

Nach dem volkswirtschaftlichen Sinn eines ausgeglichenen Haushalts fragt indes niemand mehr. Ihn zu erzielen, gehört aber für viele in diesem Land zu einem unumstößlichen Anspruch, kurzum zu einem Dogma, dem mit Argumenten kaum beizukommen ist.    

“Der gute deutsche Haushaltspolitiker sorgt für die Zukunft vor, indem er spart und den Gürtel enger schnallt, wenn es einmal schlecht läuft. Er wird unterstützt von vielen, die fest daran glauben, dass buchstäblich jeder seine Ausgaben und Einnahmen ausbalancieren muss. Das ist aber sogar im Lichte der herrschenden ökonomischen Lehre falsch. Wenn in einer Wirtschaft investiert werden soll – und in welcher sollte nicht investiert werden?-, würde selbst diese Lehre sagen, man müsse unbalanciert vorgehen, einer müsse also sparen, sprich weniger ausgeben als einnehmen, und ein anderer müsse sich verschulden, um zu investieren.

Suggeriert man den Bürgern jedoch, dass sie zwar sparen dürfen, die anderen aber gleichwohl ihre Einnahmen und Ausgaben ausgleichen sollen, dann ist dies gefährlicher Unsinn, weil man damit ein Rezept verordnet, das zwingend darauf hinausläuft, dass die Wirtschaft in einer schweren Rezession und einer immerwährenden Schrumpfung versinkt.”

Quelle: Heiner Flassbeck, Zehn Mythen der Krise, S.20

Menschen, die es dennoch versuchen und der herrschenden Lehrmeinung widersprechen, werden bezichtigt, einer Sinnestäuschung zu unterliegen, schreibt Jens Berger in seinem ersten Buch “Stresstest Deutschland”. Positionen, die nicht im Einklang mit der vorherrschenden Meinung stünden, würden von den Medien lieber “links liegengelassen” oder ausgeblendet, sagt er. Dabei ist klar:

“Wann immer über die angeblich horrende Staatsverschuldung palavert wird, sollte man im Hinterkopf behalten, dass Deutschland nahezu schuldenfrei wäre, wenn die Regierungen Kohl, Schröder und Merkel die Staatseinnahmenquote nach der Wiedervereinigung nicht durch teilweise groteske Steuersenkungen für Unternehmen und Besserverdienende gesenkt hätten.” (S.14)

Der Verlauf der Krise zeige aber noch etwas anderes. Dringend benötigte Konjunkturprogramme könnte Deutschland im Augenblick so günstig finanzieren wie nie. Zwar sei der Schuldenstand absolut und auch real gestiegen, die Zinslast während der Finanzkrise aber erheblich gesunken.

“Die populäre Behauptung, nach der Deutschland aufgrund der Schuldenproblematik keinen Spielraum hätte, um haushaltspolitisch gegen die massiven Folgen der Finanzkrise anzugehen, ist bei näherer Betrachtung nicht haltbar. Doch statt mit Hilfe antizyklischer Finanz- und Wirtschaftspolitik die Krisenfolgen einzudämmen, die Binnennachfrage zu stärken und damit als stärkste Europäische Volkswirtschaft die dringend benötigte Rolle einer Wachstumslokomotive zu übernehmen, verfolgt die deutsche Regierung eine prozyklische Sparpolitik und nutzt ihren gewonnenen Einfluss darüber hinaus auch noch dazu, ihre neoliberale Schockstrategie auf die gesamte Eurozone auszudehnen. Deutschland nutzt die Gunst der Stunde, um ganz Europa auf den neoliberalen Kurs deutscher Machart zu zwingen.” (S.218)

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Röslers kurzes Statement zum Rückgang des BIP

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Die deutsche Wirtschaft schrumpft und Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler reagiert gelassen. Das Ergebnis des 4. Quartals entspreche den Erwartungen (Stichwort Wachstumsdelle), verkündet er kurz und knapp auf der Internetseite seines Ministeriums (BMWi).

“Die Entwicklung der Wirtschaftsleistung im 4. Quartal 2011 entspricht unseren Erwartungen. Bei der Vorstellung der Jahresprojektion habe ich betont, dass nach dem hervorragenden Wachstum der vergangenen zwei Jahre zunehmende Risiken aus dem weltwirtschaftlichen und insbesondere dem europäischen Umfeld die deutsche Wirtschaft vorübergehend beeinträchtigen können. (Stichwort: Wachstumsdelle, Anm. at) Im Jahresverlauf findet die deutsche Wirtschaft wieder zu einem höheren Wachstum zurück. Darauf deutet auch die Stabilisierung aktueller Konjunkturindikatoren hin. Daher muss die Wirtschaftspolitik das Wachstumspotential stärken und verstetigen.”

Dieses Statement ist durchweg enttäuschend. Rainer Brüderle hätte wenigstens einen blumigen Horizont gezeichnet und die Beeinträchtigung auf der Überholspur zur Vollbeschäftigung durch den unerwarteten Wintereinbruch erklärt. So aber hinterlässt Rösler nur noch offene Fragen. Denn wenn zunehmende Risiken insbesondere aus dem Euroraum die Performance der deutschen Wirtschaft lediglich vorübergehend beeinträchtigen sollen, was heißt das für die Zukunft?

Deutschland ist darauf angewiesen, dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit seiner europäischen Nachbarn einen positiven Verlauf nimmt. Wie aber soll das angesichts des Fiskalpaktes und in Kenntnis der dramatischen Lage in Griechenland und den Ländern, die einen Mittelmeerstrand haben, mittelfristig funktionieren? Woher werden die ihr Wachstum nehmen, von dem Deutschland als Exportnation offenbar erneut profitieren will, wenn es ihnen aber verboten ist, die deutschen Exportüberschüsse weiter wie bisher mit Schulden und eigenen Leistungsbilanzdefiziten zu finanzieren?

Rösler kann darauf keine Antwort geben, weil er das Spardiktat, eine europäische Schuldenbremse, die Insolvenz von Staaten sowie deren Austritt aus der Eurozone für im Zweifel richtig hält. All diese Maßnahmen stehen nun aber im krassen Widerspruch zu den Interessen einer nach wie vor angestrebten Exportwirtschaft, die immer davon abhängig ist, dass andere sie mit Krediten finanzieren. Ein Austritt der Schuldnerländer aus der Währungsgemeinschaft würde gar über Nacht zum Verlust deutscher Exportmärkte führen, erklärt Heiner Flassbeck in der Sendung plusminus:

„Sie werden neue Währungen einführen und diese Währungen werden sie gegenüber dem Euro abwerten und die deutschen Exportmärkte sind über Nacht verloren. Dann muss man sich vorstellen, dass in Baden Württemberg über Nacht die Hälfte aller Arbeitsplätze praktisch gefährdet sind und gestrichen werden müssen. Das ist ein absolutes Katastrophenszenario, das niemand für vernünftig halten kann.“

Quelle: plusminus

Baden-Württemberg ist oder war übrigens mal eine Hochburg der FDP. Wachstumspotenziale stärken und verstetigen kann selbst aus der dogmatischen Haltung eines Exportfetischisten heraus nicht heißen, andere kaputtzusparen. Aus reinem Selbsterhaltungstrieb müsste Rösler im Namen der deutschen Wirtschaft ein Konjunkturprogramm für Südeuropa fordern, um die so wichtigen Exportmärkte für die Heimatfront zu retten. Aber selbst zu diesem konservativsten aller logischen Denkfortschritte sind die selbsternannten Wirtschaftsexperten aus der Koalition der stabilen Verhältnisse zu dumm.

Und so hält der Rösler lieber die Klappe und verweist stattdessen in seiner Not auf die bekannten Stimmungsbarometer der Gurus aus den Häusern ifo, GfK und ZEW, die mit ihren kruden Prognosen noch nie einen Treffer in der Realität landen konnten.  

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Deutsche Wirtschaft schrumpft in Q4/2011

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Nun ist es amtlich. Im vierten Quartal 2011 schrumpfte auch die deutsche Wirtschaft um 0,2 Prozent. Das teilte das statistische Bundesamt am Mittwoch mit. Aufgrund der im gleichen Zeitraum festgestellten schwachen Umsätze im Einzelhandel sowie der sich mit brutaler Gewalt niederschlagenden europäischen Sparorgie, die im wesentlichen von Deutschland aus bestimmt wird, war ein Rückgang des Bruttoinlandsprodukt bereits frühzeitig erkennbar.

“Diese Daten sind wie erwartet, der leicht nachlassende Export (Außenhandelsbeitrag) schlägt negativ durch, auf der Verwendungsseite des BIPs, ebenso wie der schwache private Konsum. Damit reflektiert sich in den deutschen Daten, dass schiefe einseitig exportorientiert aufgestellte Wirtschaftsmodell, welches sich bei weltweit nachlassender wirtschaftlicher Aktivität auf Grund der Exportlastigkeit als störanfällig erweist.”

Quelle: Querschuesse

Kein BIP-Orakel dafür Börsenindikator

In Anbetracht der schlechten Nachrichten von heute, wurde gestern noch schnell der ZEW-Index durch alle Medien gepaukt. Er misst angeblich auch die Stimmung in der deutschen Wirtschaft und habe seit dem Frühjahr 2011 den höchsten Stand erreicht, erklärte den ganzen Tag über das Börsenteam der ARD. Interessant ist nun, dass diese Variante akademischer Kaffeesatzleserei in einem Anflug von journalistischem Können vom an sich überflüssigen Börsenpersonal der ARD der BIP-Entwicklung grafisch gegenübergestellt wurde.   

ZEW-Index_BIP

Ohne Zweifel kann man sehen, dass dieser Index keinerlei Aussagekraft besitzt, was die tatsächliche volkswirtschaftliche Entwicklung anbetrifft. Das erkennen auch die Journalisten auf dem Frankfurter Parkett. Bravo. Allerdings stellt diese Berufsgruppe ihre branchenspezifische Blödheit erneut mit der Feststellung unter Beweis, dass dieser Index die Entwicklung des Dax immer ziemlich genau vorwegnehme und daher die Schlussfolgerung berechtigt sei, dass es der deutschen Wirtschaft (abgeleitet von der Entwicklung des Börsenleitindexes) auch wieder besser gehen könnte.  

ZEW-Index_DAX

Man muss sich das wirklich mal klarmachen. Da stellen sich gut ausgebildete und mit GEZ-Geldern finanzierte Fachjournalisten hin und beschreiben eine simple Wechselwirkung zwischen der Verkündigung irgendeines Kaffeesatzes und dem Verhalten von Anlegern an der Börse als relevanten Indikator. Dass der Dax immer in die Richtung ausschlägt, in der sich diverse Stimmungsbarometer kurz zuvor bewegen, weil das Geschehen an den Handelsplätzen ganz konkret vom Herdenverhalten bestimmt wird und nicht von der Fähigkeit des Einzelnen Anlegers, wirtschaftliche Zusammenhänge zu analysieren und zu bewerten, dürfte doch nach den Erfahrungen der Finanzkrise nun endlich verstanden worden sein.

Finanzmärkte sind ineffizient und folgen bloß Gerüchten

Gerüchte bestimmen den Kursverlauf und nicht volkswirtschaftliche Daten. An der Börse kommt es nur darauf an, zum richtigen Zeitpunkt in eine sich aufpumpende Blase ein- und wieder auszusteigen, bevor sie platzt. Das nennt man Spekulation und hat ebenfalls keinen Bezug zur Realwirtschaft. Dennoch werden immens viele Ressourcen verschwendet, um das Treiben an den Finanzplätzen der Welt zu fördern. Auf einen Gewinn für die Realwirtschaft wartet man allerdings vergebens, weil Innovationen sich nicht auf die Verbesserung von Produktionsverfahren beziehen, die einen gesunden volkswirtschaftlichen Wettbewerb ermöglichen könnten, sondern darauf komplexe Finanzprodukte zu entwickeln, die für eine bestimmte Zeit keiner verstehen soll, aber über die Glaubhaftmachung, sie seien wertvoll, im Handel dennoch Provisionen abwerfen, solange man nicht der letzte Käufer ist.      

Doch gerade Analysten und die, die über den Blödsinn an der Börse berichten und so tun, als könnten sie etwas beitragen, um die Lebensrealität der Menschen zu erklären, flüchten von einer lächerlichen Begründung zur nächsten, um die Widersprüchlichkeit zwischen Kursverlauf und volkswirtschaftlicher Entwicklung zu vermitteln.      

Im Krisenjahr 2009 hat der weltweite Nachfragerückgang zum Beispiel nicht dazu geführt, dass die Anleger an den Börsen aus dem Risiko gegangen sind. Das genaue Gegenteil war der Fall. Im März 2009 stiegen plötzlich die Aktienkurse und vor allem der Preis für Öl und andere Rohstoffe wieder an, obwohl sich die Weltwirtschaft auf dem Weg in eine Rezession befand. Der Tiefpunkt der Krise war zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht erreicht und die Öllager nachweislich voll. Damals hieß es von den Analysten, dass die Märkte den Aufschwung vorwegnehmen würden, weil Frühindikatoren nach oben gezeigt hätten. Trotz Einbruch der Weltwirtschaft verdoppelte sich der Ölpreis damals in relativ kurzer Zeit. Hatte denn diese Entwicklung etwas mit Nachfrage oder einer Wachstumsdynamik zu tun?

Wohl kaum. Die Finanzmärkte sowie das Börsenteam der ARD sind hochgradig ineffizient. Das Herdenverhalten ist genau das Gegenteil von einem rationalen Marktverhalten, sagt der Ökonom Heiner Flassbeck. In Wirklichkeit haben wir es mit einem permanenten Marktversagen zu tun. Denn nur so lassen sich die Kursgewinne, die fälschlicherweise mit einem Zugewinn an materiellen Werten verwechselt werden, überhaupt erst erklären.

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