"Bekämpfungsminister" zu Guttenberg zur Autogrammstunde in Afghanistan

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Kein Witz. So steht’s bei Spiegel-Online:

Begeisterter Empfang für den neuen Minister

Es war eine kurze Nacht für den neuen Verteidigungsminister gewesen. Bis zum späten Abend musste der Chef der Bundeswehr im nordafghanischen Masar-i-Scharif entweder Autogramme geben oder für die Kameras der Soldaten posieren. Kaum stellte sich der Minister, der einen langen Tag mit politischen Gesprächen in Kabul hatte, an einen Tisch, wurde er schon von den nächsten Soldaten umringt und zu einem neuen Gruppenfoto gebeten.

Der Abend im größten deutschen Lager glich zeitweise dem Auftritt eines Popstars. Gefeiert wurde der neue Minister, der den Soldaten in einer kurzen Rede, die er ohne Manuskript hielt, Mut und Respekt zusprach. „Wir bauen nicht nur Brunnen in Afghanistan“, rief er den Soldaten zu. Das müsse endlich auch in Deutschland ankommen, so Guttenberg. Viel deutlicher konnte man den Bruch mit dem Mantra seines Vorgängers Franz Josef Jung nicht ausdrücken, der den Einsatz stets als Stabilisierungs- und Wiederaufbaumission bezeichnet hatte.

Das war jetzt mal der nette Einstieg. In der Neuen Presse Hannover ist der Ton heute schon etwas heftiger.

Guttenberg an der Front

Im Maßanzug übrigens, wie das Bild unter der Überschrift zeigt.

Guttenberg an der Front

Der begleitende Kommentar von Hardcore Horst Schmuda ist bemerkenswert. Nachdem nun klar ist, dass auch die politische Führung in unserem Land zumindest schon einmal von kriegsähnlichen Zuständen spricht, kann man auch gleich ganz die vorsichtige Fassade fallen lassen und dafür eintreten, dass wir Deutschen wenigstens als militärische Sieger vom Platz gehen.

Kein Witz. Lesen sie den letzten Absatz in Horst Schmudas Kommentar.

„Denn die Sache Afghanistans steht schlecht. Das Debakel um die Präsidentenwahl hat die Hoffnung auf eine parlamentarische Demokratie westlicher Prägung in den Bereich des Irrglaubens verbannt. Man muss die Ziele wohl tiefer hängen, sie mehr militärisch-strategisch definieren, als weiter politischen Idealen nachzuhängen, wenn wenigstens eins gelingen soll: die Taliban nachhaltig auszuschalten.“

Dass der Export von westlicher Demokratie ziemlich anmaßend und arrogant auf die Menschen in Afghanistan wirken könnte, kommt dem journalistischen Hirnzwerg Schmuda wohl nicht in den Sinn. Bemerkenswert aber ist, dass er die Taliban ausschalten will. Das verstehe ich nicht. Warum sind wir doch gleich in Afgahnistan? Doch wegen al-Qaida und dem 11. September, dachte ich? Oder habe ich da was falsch verstanden? Die NATO hat militärisch in Afghanistan interveniert, weil al-Qaida von dort aus die Attentate des 11. September geplant haben sollen oder nicht? Ist ja schon lange her mit dem Kriegsbeginn. Am 7. Oktober 2001 war das. Eine lange Zeit, da kann man schon mal ein bissel tütelich werden, was die Kriegsgründe anbelangt.

Nun gibt’s aber al-Qaida gar nicht mehr in Afghanistan. Die sind längst nach Pakistan ausgewandert. Das hat der Schmuda wohl noch nicht mitbekommen, wie mir scheint. Ist ja auch egal. Hauptsache die militärisch-strategischen Ziele hängen künftig tief genug. Schmudas geistiges Niveau wird aber auch dort nicht heranreichen.

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Eigentlich wollte ich zu dem Thema Robert Enke schweigen

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Aber als ich eben noch lesen musste, dass am Wochenende die geplante Trauerfeier zum Medienevent werden soll, dreht sich mir mal wieder der Magen um. Der Sarg soll mitten im Stadion aufgebahrt werden und das Erste ist live dabei. Kann man nicht einfach mal die Schnauze halten? Bereits gestern lief die Medienaufarbeitung des tragischen Selbstmords von Robert Enke auf Hochtouren. Ein Psychiater mit Professorentitel hüpfte zwischen dem heute-journal im ZDF und der Sendung stern.tv bei RTL hin und her. Die Verantwortlichen von Hannover 96 wurden nicht müde zu betonen, dass Robert Enke ein Doppelleben geführt haben musste, von dem sie nichts ahnen konnten. Heute meldet sich Christoph Daum via Boulevardblatt Kölner Express und behauptet, schon früher von den Depressionen gewusst zu haben.

Der Aufmacher der Donnerstags Ausgabe der Neuen Presse Hannover war in meinen Augen kaum noch zu ertragen. Die Extrabeilage über Enke wurde mit Schlagzeilen und den entsprechenden Seitenangaben angepriesen:

  • Die Qualen des Torwarts (Seite 11)
  • Die Trauer der Witwe (Seite 12)
  • Ein Dorf unter Schock (Seite 13)
  • Die steile Karriere (Seite 14)
  • Schock für die Nationalelf (Seite 15)
  • Das große Enke-Poster (Seite 16)
  • Trauer in der Stadt (Seite 17)

Enke1

Während alle Medien übreinstimmend von 35.000 Menschen berichteten, die an dem Trauerzug durch die Innenstadt von Hannover teilnahmen, schreibt die Neue Presse Hannover von 50.000.

In ihrer Freitagsausgabe wird die Neue Presse Hannover titeln,

„Das Stadion der Trauer“

Der Tod Robert Enkes wird als riesiger Medienevent aufgeblasen und wohlmöglich noch lange die Blätter füllen. Das sollte man kritisieren.

Robert Enke nahm sich am 10.11.2009 das Leben, auf den Gleisen eines Abschnitts, auf dem sich in der Vergangenheit schon viel zu viele tragische Selbstmorde ereigneten, zu denen die Medien stets und richtigerweise schwiegen. Der Fall Robert Enke berührt natürlich ein öffentliches Interesse. Jedoch halte ich die bisher getätigte Berichterstattung für weit überzogen.

R.I.P.

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Der zweite Mauerfall ist vorbei, nun ist wieder Schweinegrippe

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Es ist schon lustig. Haben sie nicht auch die Schweinegrippe am Montag vermisst? Die hatte zu diesem Zeitpunkt Pause, weil es ja zum Massenauflauf in Berlin kommen sollte. Da stört die Schweinegrippe nur. Ich will aber noch einmal zur Kenntnis geben, was unser neuer Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler gestern dem PR-Agenten Christoph Slangen im Interview sagte und via Neue Presse Hannover verbreiten ließ.

„Solange Menschen nicht geimpft sind, gilt es ganz besonders die notwendigen, einfachen Hygienemaßnahmen einzuhalten, mit denen man sich und andere schützen kann: Waschen Sie sich mehrfach täglich die Hände, niesen Sie nur in die Ellenbeuge oder in ein Taschentuch, meiden Sie wenn möglich längere Aufenthalte in größeren Menschenansammlungen.

Da kann man ja nur hoffen, dass am Montag nur Geimpfte in Berlin unterwegs waren. Und wenigstens mit Regenschirm. Ich habe gehört, dass so ein naßkaltes Wetter häufig zu Erkältungen führt. Aber egal. Mal was anderes. Sie haben vielleicht mitbekommen, dass die Fallzahlen von Schweinegrippe-Infektionen rapide ansteigen. Da kann man es schon mit der Angst zu tun bekommen, wenn man nicht weiß, wie das eigentlich konkret festgestellt wird. Bitte fragen sie mal ihren Arzt, wie der herauskriegt, ob ein Patient mit dem neuen Virus infiziert ist oder nicht. Sie werden Erstaunliches zu hören kriegen. Raten sie mal. Genau, es wird geraten, aufgrund der eindeutigen Symptome. Ich darf sie ihnen noch einmal zur Kenntnis geben und zitiere aus einem Informationsblatt, das meine Tochter von ihrer Grundschule kürzlich mit nach Hause bekommen hat.

Wie erkenne ich, ob jemand an der Neuen Influenza erkrankt ist?
Bei der neuen Influenza treten in der Regel folgende Krankheitszeichen gemeinsam auf:

  • plötzlich beginnendes Krankheitsgefühl mit Fieber über 38°C, teilweise mit Schüttelfrost
    und
  • Husten

Zusätzlich kann es auch zu Muskel-, Glieder- und/oder Kopfschmerzen oder Halsschmerzen kommen.

Hilfe. Jetzt bin ich aber irritiert und geschockt. Hatte ich die Schweinegrippe etwa schon früher und immer mal wieder und keiner hat es mir gesagt? Nun ja, die Ärzte könnten natürlich auch einen Bluttest machen, um ganz sicher zu gehen. Aber mal im Ernst, halten sie das für wahrscheinlich bei dem relativ harmlosen Krankheitsverlauf? Da reicht doch die Vermutung. Dazu noch einmal ein Zitat aus dem Infoblatt:

Die Neue Grippe verläuft bisher überwiegend milde und oft nur mit einem Teil der oben beschriebenen typischen Krankheitszeichen.

Oha, ich stelle erstaunt fest, dass ich schon schwerere grippale Infekte hatte, für die die Pharmaindustrie offenbar keinen angsteinflößenden Tiernamen finden konnte. Jedoch bin ich erfreut über die abschließende Bewertung unserer Grundschule mit Stand vom 05.11.2009:

Anhand der Krankheitszeichen eines fieberhaften Atemwegsinfektes kann man nicht immer zweifelsfrei entscheiden, ob es sich um die Neue Grippe handelt oder um eine normale (saisonale) Grippe oder um einen einfachen grippalen Infekt. Dies ist auch nicht zwingend notwendig.

Genau, weil es eben vollkommen wurscht ist.

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Allgemeine Vergesslichkeit: Am 9. November fiel doch nicht nur die Mauer

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Vor gut zwanzig Jahren hatte der Dicke im Bundekanzleramt einen riesen Bammel davor, den 9. November als nationalen Feiertag und Tag der Deutschen Einheit auszurufen. Damals erinnerte man sich noch daran, dass der 9. November, ein wirklich deutscher 9/11 war. Heraus kam dann der 3. Oktober, mit dem keine Sau, außer vielleicht Dr. Wolfgang Opfer-Schäuble, etwas verbindet. Die Verlegenheitslösung 3. Oktober kam nur deshalb zu Stande, weil man sich davor fürchtete, am 9. November nicht nur der friedlichen Revolution feierlich gedenken zu können, sondern auch mit dem Hitler-Ludendorff-Putsch von 1923 und vor allem der Reichspogromnacht von 1938 an die tiefste Schattenseite der deutschen Geschichte miterinnern zu müssen. Die Wahl des 3. Oktobers war aus meiner Sicht ein Akt der Feigheit vor der wahren deutschen Geschichte.

Nun aber, 20 Jahre nach dem „Mauerfall“, scheint die problematische Debatte von damals längst verschwunden zu sein. Seit gut einer Woche hört man nur noch etwas über den 9. November als den Tag der friedlichen Revolution. So als ob die Geschichte erst 1989 begonnen hätte. Den ganzen Sonntag wird von den Vorbereitungen in Berlin zum morgigen Jahrestag berichtet. Dagegen gibt es kein einzigen Hinweis auf die Geschichte des 9. November 1938, als der Mord an den Juden zum läppischen Zeitvertreib einer ganzen Gesellschaft wurde. Dafür erleben wir morgen in Berlin einen heiteren Domino-Day, ganz nach dem Motto, aus unsere Geschichte können andere noch viel lernen.

Besonders widerlich tut sich da die christliche Kirche hervor, die für sich einen Teil der friedlichen Revolution in der DDR beansprucht. In der Wochenendausgabe der Leinezeitung, ein Beiblatt zur Neuen Presse Hannover sowie der Hannoverschen Allgemeinen, lese ich einen Beitrag vom Superintendenten des Kirchenkreises Neustadt-Wunstorf Michael Hagen. Sein Wort zum Sonntag ist mit der Überschrift „Richtige Zeit, um Mauern zu überwinden“ versehen. In dem Text ruft er die konfliktbeladene Welt dazu auf, sich an der gloreichen deutschen Geschichte des 9. November 1989 ein Beispiel zu nehmen.

„Der gewaltfreie Verlauf dieser friedlichen Revolution auf den Straßen und Plätzen der DDR hatte etwas mit der Friedensarbeit der Kirchen zu tun. Sie war eine Wegbereiterin der friedlichen Revolution der Kerzen und Gebete.

Vor dem Hintergrund des Mauerfalls vor 20 Jahren ruft die Ökumenische Friedensdekade in diesem Jahr dazu auf, den Blick auch auf die heute weltweit bestehenden Mauern zu richten. Mauern, deretwegen auch heute Menschen ausgegrenzt und isoliert werden. Da sind zum Beispiel die Mauern zwischen dem besetzten Westjordanland und Israel, zwischen den USA und Mexiko, zwischen Nord- und Südkorea, auf Zypern oder in der Westsahara. Aber auch die unsichtbaren Mauern, Mauern um die Festung Europa, zwischen Arm und Reich und in unseren Köpfen, richten viel Leid an. Doch sie müssen nicht bleiben. Das hat uns die Geschichte des deutschen Mauerfalls gelehrt.

Deutschland als Lehrmeister in Sachen Vorurteilsüberwindung und Integration. Dieses realitätsferne pathetische Gehabe muss man erst einmal verdauen und vielleicht noch einmal daran erinnern, dass erst kürzlich der neue deutsche Rassenbeauftragte Thilo Sarrazin (SPD) von der Bundesbank meinte, dass ein Großteil der arabischen und türkischen Einwanderer weder integrationswillig noch integrationsfähig sei und rund 51 Prozent der Deutschen dieser Aussage in einer emnid-Umfrage auch noch zustimmten.

Am morgigen 9. November täte uns allen eine Erinnerung an den Mechanismus der „pathischen Projektion“ gut, von dem wir wirklich aus gesellschaftlicher Erfahrung wissen, dass die Menschen nur ihr eigenes Spiegelbild wahrnehmen,

„anstatt das Menschliche gerade als das Verschiedene zurückzuspiegeln. Der Mord ist dann der Versuch, den Wahnsinn solcher falschen Wahrnehmung durch größeren Wahnsinn immer wieder in Vernunft zu verstellen: was nicht als Mensch gesehen wurde und doch Mensch ist, wird zum Ding gemacht, damit es durch keine Regung den manischen Blick mehr widerlegen kann.“ (Theodor W. Adorno, Menschen sehen dich an, in: Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschädigten Leben.)

Der Bielefelder Konfliktforscher Professor Wilhelm Heitmeyer hat in seiner Langzeitstudie über die Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit festgestellt, dass durch geschichtslose Kampagnen über Leitkultur, Nationalstolz und falsche identitätsstiftende Happenings, wie den morgigen Mauerfalltag zum Beispiel die Grundsteine gelegt werden für wieder anwachsende Fremdenfeindlichkeit in diesem Land. Das Ganze korreliert dann mit den Abstiegsängsten der Menschen, die ihren Hass und ihre Wut über ihre persönliche wirtschaftliche Situation auf jene Gruppen der Gesellschaft lenken, die außerhalb zu stehen scheinen. Statt die politisch Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen, sie aus ihren Ämtern zu jagen und sie anzuklagen, folgt die befriedigende Verlagerung von Schuld auf die an den Rand gedrängten Minderheiten, die sich nicht weiter wehren können.

Noch einmal Adorno:

„Es gehört zum Mechanismus der Herrschaft, die Erkenntnis des Leidens, das sie produziert, zu verbieten, und ein gerader Weg führt vom Evangelium der Lebensfreude zur Errichtung von Menschenschlachthäusern so weit hinten in Polen, daß jeder der eigenen Volksgenossen sich einreden kann, er höre die Schmerzensschreie nicht. Das ist das Schema der ungestörten Genußfähigkeit.“ (Aufforderung zum Tanz, in: Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschädigten Leben.)

Das freudige Gedenken an den Mauerfall soll nicht etwa verboten werden. Ganz im Gegenteil. Es sollte nur auch dazu führen, zu begreifen, welchen Zweck solche Feierlichkeiten aus der Sicht der Herrschenden erfüllen. Die selbsternannte „Kanzlerin aller Deutschen“ hat ja kein Interesse daran, eine Debatte der Aufarbeitung in Gang zu setzen, die sich mit der Geschichte einer Gesellschaft befasst, die nicht immer friedlich war. Ihr Interesse liegt ja vornehmlich darin, die Folgen der ökonomischen Krise so zu beherrschen, dass ihr Fehlverhalten und dass ihrer Regierungen ungesühnt bleibt. Die Story vom Mädsche aus dem Osten, welches zur Kanzlerin eines vereinigten Deutschlands aufstieg, dient dabei nur als hübscher Rahmen, der sich passgenau um die Chiffre des 9. November 1989 zu legen scheint und den Eindruck einer perfekten Symbiose zu vermitteln sucht, der die Menschen auch künftig vertrauen sollen.

Die weiter zunehmende Spaltung der Gesellschaft aber, die ökonomisch begründet ist, bleibt politisch im Verborgenen. Zur Kompensation der Verwerfungen bedienen sich die Mächtigen völkischer Symbole, die ganz gezielt die Ausgrenzung von Minderheiten in Kauf nehmen und gegen die sich dann der Zorn der ökonomisch vom Abstieg bedrohten entfalten kann. Ein Mechanismus eben, der nicht neu ist und an den man sich an einem 9. November doch erinnern sollte, um zu begreifen, dass es ein Unterschied gibt zwischen dem Gedenken der schuldig Gewordenen und ihrer Nachkommen sowie der Opfer und ihrer Nachkommen. An die Adresse des oben zitierten Superindendenten gerichtet, sollte man an dieser Stelle an den Aufruf des Arbeitskreises „Israel und Kirche” der Evangelischen Kirche Hessen Nassau aus dem Jahre 2005 erinnern, in dem ein offizieller kirchlicher Gedenktag am 9. November gefordert wurde.

Der 9. November ist durch keinen anderen Gedenktag zu ersetzen. Am 27. Januar, dem staatlichen Gedenktag, wird aller Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft gedacht.

Das Gedenken der schuldig Gewordenen und ihrer Nachkommen unterscheidet sich vom Gedenken der Opfer und ihrer Nachkommen. Es muss Gewissen treffendes Gedenken sein, sonst droht die Gefahr, der eigenen Geschichte auszuweichen, indem man sich unberechtigt auf die Seite der Opfer stellt.

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Die FDP will die Rente mit 60 und die Neue Presse Hannover nutzt das für Propaganda

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Ja richtig, die Rente mit 60 ist eine Schnappsidee, weil sich das keiner leisten kann. Schließlich müsse derjenige, der mit 60 in Rente gehen will, nach derzeitiger Lage mit einem Abschlag von rund 25 Prozent rechnen. Das könne man mit Zusatzjobs, wie im FDP-Modell vorgesehen, nicht dauerhaft ausgleichen. Der PR-Agent Christoph Slangen ist also durchaus auf der richtigen Spur, wenn er den FDP-Vorstoß kritisiert. Doch Slangen wäre nicht der, der er ist, wenn er die Gelegenheit verstreichen lassen würde, die bisherige Rentenpolitik und insbes. die Rente mit 67 zu verteidigen.

„Die Senioren von heute leben glücklicherweise länger, was allerdings die Rentenkassen belastet. Dieser Rechnung kann sich niemand entziehen. Die Rente mit 67 war deshalb ein unpopulärer, aber richtiger Schritt. Taugliche Regelungen für flexible Übergänge werden zwar benötigt, aber keine Rente mit 60.“

Wieder einmal lügt Christoph Slangen dreist in seinem Kommentar. Die Rentenkassen werden nicht durch eine höhere Lebenserwartung belastet, sondern durch eine falsche Rentenpolitik. Wer deckelt denn die Beiträge zur Rentenversicherung? Und wer entlässt bestimmte Gruppen aus der solidarischen Gemeinschaft? Wer betreibt denn eine Wirtschaftspolitik, die auf Lohndumping und prekäre Beschäftigungsverhältnisse setzt, so dass die Einnahmen der Sozialversicherungen immer geringer werden? In diesem Zusammenhang gibt es heute zum zweiten Mal in diesem Blatt eine zynische Kommentarbemerkung zu lesen.

„Schmalspurrente plus Zusatzjob könnten vielleicht ausreichen, solange man noch fit ist.“

Die Mehrheit der Bevölkerung lehnt die Rente mit 67 ab. Aus sehr guten Gründen. Und der Wichtigste dabei ist, dass die meisten Menschen in diesem Land längst wissen, dass sie ihre reguläre Arbeit, wenn sie denn noch eine haben, nicht bis zum Renteneintrittsalter verrichten können. Die Statistik belegt das auch. Im Schnitt gehen die Menschen mit 63 Jahren in den Ruhestand.

Durchschnittsalter beim Renteneintritt
Quelle: Böckler-Boxen

Die willkürliche Erhöhung des Renteneintrittsalters war demnach kein richtiger Schritt, wie Slangen mal wieder gegen jedes Gebot der Sachlichkeit behauptet, sondern eine brutale Rentenkürzung, mit dem Ziel, die Menschen in die geldgeilen Hände der Privatvorsorge zu treiben. Doch zurück zum zynischen Satz. Der Zusatzjob ist genau das, was die FDP will. Es soll für die Unternehmen weiterhin möglich sein, ältere Menschen aus dem Arbeitsmarkt legal hinauszudrängen, um sie dann als billige Arbeitskräfte wieder einzustellen, damit sie ihre gekürzte Rente aufpolieren können und müssen. Asoziale Klientelpolitik ist das, nichts anderes.

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Die Chefsache Opel ist ja mal gründlich in die Hose gegangen

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Eigentlich fast wie auf Bestellung kommt die Nachricht von GM, dass Opel nun doch nicht verkauft werden soll. Ein Jahr nach dem vollmundigen Bekenntnis der Kanzlerin, Opel helfen zu wollen, steht sie und die Bundesregierung nun vor einem Scherbenhaufen. Erst die monatelange Verzögerungstaktik, um dann im Wahlkampf mit dem Thema ordentlich punkten zu können. Dann ein zu Guttenberg als Wirtschaftsminister, der beinahe zurück getreten wäre, weil er die Opel-Rettung nie wollte, sondern schon immer ein Fan der geordneten Insolvenz war, deren angeblich heilsame Wirkung für einen Neuanfang gerade am Beispiel Quelle sehr schön studiert werden kann.

Vergessen war auch schon wieder, dass die Einigung zwischen der Bundesregierung und GM vom Juni 2009 auf der Grundlage eines Memorandum of Understanding fußte, zu deutsch, einer Absichtserklärung. Für beide Seiten war somit ein toller Kompromiss zu Stande gekommen. Merkel und Steinmeier konnten im Wahlkampf die angebliche „Opel-Rettung“ auf ihre jeweiligen Fahnen schreiben. Und GM hatte es auch nach der Insolvenz in der Hand, wie mit Opel verfahren werden könne. Nun kommt es für die Opel-Beschäftigten knüppeldick. Der Autobauer GM, der sich in den USA gesund insolvenziert hat, plant nun ein radikales Steichkonzert. Rund 10.000 Stellen sollen wegfallen und Claudia Brebach kommentiert das heute in der Neuen Presse Hannover dann so…

GM bleibt die bessere Wahl

GM bleibt die bessere Wahl. Denn es hilft niemandem, allein nach dem Prinzip Hoffnung auf eine wackelige Zukunft mit Magna zu setzen. GM bietet nach seiner Insolvenz neue Stärke, hat finanzielle Potenz und mit Fritz Henderson einen Chef, der Opel wohl kaum niederwirtschaften will. Auch markttechnisch ist GM die bessere Wahl – weil die Amerikaner erfahrene Autobauer sind.

Die Opelaner müssen ihren Wert als Technologieschmiede jetzt selbstbewusst gegenüber der neuen alten Mutter vertreten. Trotzige Empörung ist da wenig zielführend.

Man kann sich ja darüber streiten, welche Lösung nun tatsächlich besser sei, doch eines sollte man sich verkneifen. Eine arrogante Bemerkung an die Adresse der Opelaner zu richten, die nicht erst seit einem Jahr immer wieder um ihre Jobs bangen müssen. Den Beschäftigten eine trotzige Empörung vorzuwerfen, wie Claudia Brebach das in ihrem letzten Satz macht, ist nicht nur zynisch, sondern auch ziemlich dumm. Denn Frau Brebach erkennt mal wieder nicht, wie mitten in der Krise international gepokert und erpresst wird. Das konnte sie schon bei den Banken nicht durchschauen und bei Opel nun noch weniger.

Der nach einer Riesenpleite in den Augen von Brebach immer noch erfahrene Autobauer GM sitzt nun am längeren Hebel. In Europa werden Regierungen und Opelstandorte nun erpressbar. Hinter Brebachs Aufforderung an die deutschen Opelaner den „Wert als Technologieschmiede“ herauszustreichen, steckt nicht weniger, als das immer gleiche anbiedernde Motiv, welches sich aus einer abartigen Vorstellung von Wirtschaft speist. Es geht nämlich gar nicht um irgendwelche Qualitäten, das ist Volksverdummung, sondern um Lohnverzicht und Zumutungen, die die Opelaner akzeptieren sollten, statt trotzig Empörung zu schieben. Nichts anderes meint Frau Brebach. Sie hätte ja auch zum Protest aufrufen können, angesichts des quälend langen Martyriums, das die Beschäftigten von Opel seit wenigstens einem Jahr zu ertragen haben. Der Frau Brebach scheint das aber völlig egal zu sein.

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Zu Guttenbergs angebliche Kehrtwende

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Bereits gestern hatte ich über das Bild-Zeitungs-Interview von zu Guttenberg berichtet. Und natürlich ist es so gekommen, dass die Neue Presse Hannover den Bild-Müll einfach übernimmt. Von „Kurskorrektur“ ist die Rede und davon, dass zu Guttenberg vom Krieg spräche. Ganz toll ist natürlich die Überschrift des Kommentars zum Thema „zu Guttenberg“ und nicht etwa zu Afghanistan, von „NP-Hardcore-Horst“ Horst Schmuda:

„Entschlossene Kehrtwende des Neuen“

„Nun haben wir einen Neuen, und dessen bekannte, lobenswerte Neigung, die Dinge deutlicher beim Namen zu nennen, hat in die regierungsamtliche Abwehrfront – um Himmels willen, redet nicht von Krieg – eine ziemliche Bresche geschlagen.

Zwar nähert sich auch zu Guttenberg nur scheibchenweise der Wahrheit, für die Soldaten sei es Krieg, aber er trifft damit das Herz der Truppe, weil es als Einleitung für den Kurswechsel in der Beurteilung des Einsatzes gelten kann.“

Zwei aufeinander folgende sich widersprechende Sätze, die einmal mehr zeigen, wie in diesem Land Meinungsmache betrieben wird. Wie kann man von Entschlossenheit eines Ministers faseln, wenn dieser sich nur scheibchenweise der Wahrheit nähert? Und nähert er sich überhaupt der Wahrheit? Zu Guttenberg spricht doch gar nicht vom Krieg, sondern von kriegsähnlichen Zuständen in Teilen Afghanistans. Sicher, im Begleittext aus dem PR-Büro Slangen & Herholz wird das zwar erwähnt, dennoch ist von Abrgrenzung zum Amtsvorgänger Jung die Rede. Dabei sagt zu Guttenberg nichts anderes. Die Bundeswehr führt keinen Krieg, sondern die Taliban. So hat das Jung auch immer gesagt. Es gibt also keine Kehrtwende, sondern vielmehr eine entschlossene Fortführung der Manipulationshaltung zu Guttenbergs.

Ob als Wirtschaftsminister oder neuerdings als „BE-kämpfungsminister“. Er bleibt der Liebling der Medien – egal wie seine Bilanz auch aussehen mag. Er hat Opel und Quelle überlebt, da werden ihm ein paar tote Soldaten mehr sicher auch nichts anhaben können. Denn laut Schmuda trifft zu Guttenberg das Herz der Truppe. So stirbt es sich sicherlich leichter. Einfach widerlich.

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Merkels Rede vor dem Kongress

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Wie ich gerade meiner Tageszeitung, der Neuen Presse Hannover, entnehme, sei der Auftritt der Bundeskanzlerin vor dem Kongress ganz gut gelaufen. Udo Harms hält aber in seinem heutigen Leitkommentar auf Seite 1 scheinbar kritisch fest:

„Merkel ist den komplizierten Fragen lieber aus dem Weg gegangen. Mehr Hilfe für die USA in Afghanistan? Im Anti-Terror-Kampf? Der Druck der Amerikaner auf Deutschland ist gewachsen, seit mit Obama ein Friedensnobelpreisträger regiert, der Unterstützung für seine Visionen fordern kann.“

So wie immer, nüchtern und ausweichend sei die Kanzlerin gewesen. Doch so ganz ausweichend schien sie dann doch nicht gewesen zu sein, wie die Presse uns Glauben machen will. Wolfgang Lieb von den NachDenkSeiten hat sich die Rede der Kanzlerin genauer angeschaut und kommt zu dem Ergebnis, dass sie ausgerechnet zur militärischen Ausrichtung der nun sicheren Reformvertrags-EU konkreter Stellung bezog als zu Hause.

Merkel gibt ein uneingeschränktes Bekenntnis zur NATO ab, ohne ein Wort darüber zu sagen, wie die Weiterentwicklung des Sicherheitskonzeptes dieses Militärbündnisses aussehen soll. Sie gibt eine Blankovollmacht, dass Europa sich militärisch noch stärker engagieren wird. Es ist schon bemerkenswert, dass sie ein heikles Thema, das im Rahmen der Diskussion über den EU-Verfassungsvertrag stets verschwiegen wurde, nun gerade im Ausland anspricht: nämlich dass dieser Vertrag militärische Kampfeinsätze zum integralen Bestandteil künftiger europäischer Außenpolitik macht (Art. 42 EUV). Merkel sagte unverblümt: „Wir Europäer können dazu (zur NATO) in Zukunft sogar noch mehr beitragen. Denn wir Europäer sind in diesen Wochen im Begriff, unserer Europäischen Union eine neue vertragliche Grundlage zu geben.“

Beim Thema Iran griff Merkel sogar zu unsinnigen Drohgebärden, obwohl sich doch nun endlich eine fruchtbare Dialogbereitschaft auch von Seiten Irans abzuzeichnen begann, die gerade von Deutschland unter Merkel 1.0 auch immer wieder eingefordert wurde. Nun also andere, schärfere Töne. Das hätte man schon mal ansprechen können in der Berichterstattung. Für die Neue Presse berichtete, na sie dürfen raten, richtig, das PR-Büro Slangen und Herholz. Andreas Herholz war mit in Washington und fand nichts Wichtigeres als die rührselige „American Dream-Story“ eines ostdeutschen Mädchens, das nach dem Mauerfall zur Kanzlerin aller Deutschen aufstieg, wiederzukäuen. Okay, ihr Image als Klimaretterin musste auch wieder aufgewärmt werden.

Hier noch mal das Foto mit Merkel vor den Gletschern Grönlands im Jahr 2007, damit wir das vor lauter Krieg und Krise auch ja nicht wieder vergessen.

Die Klimakanzlerin auf Grönland 2007

Jedenfalls dürfen wir auf die erste Regierungserklärung von Merkel am kommenden Dienstag gespannt sein. Ob es da dann auch so viel Freiheitsgebrabbel ohne den Begriff „Soziale Marktwirtschaft“ zu benutzen geben wird oder ein klares Bekenntnis zur neuen Militärmacht Europa?

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Die Umsätze im Einzelhandel sinken auch im September 2009 deutlich um real 3,9%

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Von Januar bis September 2009 wurde im deutschen Einzelhandel nominal 2,6% und real 2,2% weniger als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum umgesetzt.

Quelle: destatis

Die Binnennachfrage geht immer weiter zurück. Dramatisch könnte man sagen. Doch das sehen nicht alle so. Die GfK zum Beispiel. Am Montag kommt sie für den September zu folgendem Ergebnis:

Konsumklima erhält nur leichten Dämpfer

Das Konsumklima hat im Herbst einen leichten Dämpfer erhalten. Sowohl die Einkommenserwartung als auch die Anschaffungsneigung müssen Einbußen hinnehmen. Die Konjunkturerwartung dagegen kann ihren Aufwärtstrend auch im Oktober fortsetzen.

Im Zuge sinkender Einkommenserwartungen muss auch die Anschaffungsneigung Einbußen hinnehmen. Ein Grund dafür ist sicher auch die Ende September ausgelaufene Abwrackprämie

Der von mir unterstrichene Satz lässt ja beinahe auf wissenschaftliches Fachwissen schließen. Doch gemach, gemach. Alles nur ein leichter Dämpfer. Die Neue Presse Hannover druckte am Dienstag, 27.10.2009 dazu folgenden Kasten ab.

Konsumklima_NP_27.10.2009

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Zu den Arbeitslosenzahlen

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Zum vierten Mal in Folge sinkt die offizielle Zahl der Erwerbslosen, obwohl die Wirtschaft am Boden liegt. Und wieder lauten die Schlagzeilen „Überraschende Entwicklung“ oder „Goldener Oktober am Jobmarkt (NP von heute)“ garniert mit der beliebten Floskel,

„Der deutsche Arbeitsmarkt zeigt sich einen weiteren Monat in Folge robuster als noch zu Jahresanfang erwartet worden war.“ (Zitat aus heutigen NP-Kommentar von Anja Schmiedeke)

Toll. Trotz des klaren Widerspruchs von Zahlen und Wirklichkeit spricht man davon, dass sich der Arbeitsmarkt krisenfest behaupte. Wieso kommt eigentlich keiner auf das Näherliegende? Den offensichtlichen Beschiss. Die Bundesagentur für Arbeit sowie das Arbeitsministerium dürfen weiter froh die Leute belügen.

Im Oktober 2009 wurden von der Statistik der BA insgesamt 3,229 Millionen Arbeitslose registriert, 232.000 bzw. 7,7% mehr als im Oktober 2008. Von diesen 3,229 Millionen Arbeitslosen waren 1,074 Millionen (33,3%) im Rechtskreis SGB III und 2,155 Millionen (66,7%) im Rechtskreis SGB II (Hartz IV) registriert. Als Arbeitsuchende waren im Oktober 2009 insgesamt 5,940 Millionen Frauen und Männer registriert, 524.000 (9,7%) mehr als im Oktober 2008.

Quelle: Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe e.V.

Insgesamt hatten im Oktober 2009 5,867 Millionen erwerbsfähige Menschen Anspruch auf Leistungen nach SGB II und SGB III. Und! Was viel wichtiger ist, rund 1,4 Millionen Menschen sind derzeit in Kurzarbeit. Sollte man die nicht in die Rechnung miteinbeziehen? Das Kurzarbeitergeld kann ja nicht ewig weiterlaufen. In diesem Zusammenhang ist die erste Aussage vom neuen Arbeitsminister Franz Josef Jung schlicht falsch.

„Die gewaltigen staatlichen Investitionen haben die richtigen Anreize gesetzt, die Konjunkturpakete haben gewirkt.“

Nicht die viel zu klein bemessenen Konjunkturpakete wirken hier auf die Arbeitslosenzahlen, sondern die statistischen Tricksereien. Denn wenn man sich die Zahlen genauer anschaut, wird man feststellen, dass nur noch knapp 55 Prozent aller Arbeitslosengeld I + II Bezieher auch als arbeitslos gezählt und in der Statistik ausgewiesen werden. Da kann man doch nicht von Robustheit und richtigen Anreizen faseln, sondern muss eigentlich zu der Erkenntnis gelangen, dass bisher viel zu wenig für die Stabilisierung von Beschäftigung getan wurde.

Doch die Lösung kann auch nicht heißen, immer mehr Kurzarbeitergeld auszuzahlen. Das ist doch bekloppt. Dadurch etsteht doch keinerelei Nachfrageimpuls. Und allein auf die sich erholende US-Wirtschaft zu setzen, ist naiv. Die überwinden die Rezession übrigens deswegen so schnell, weil sie massive Konjunkturhilfen auf den Weg gebracht haben. Nur bleibt es doch nach wie vor fraglich, ob die Amerikaner jenen Schulden finanzierten Konsummotor wieder anschmeißen werden, von dem die deutsche Exportwirtschaft ja so prächtig gelebt hat. Das wird nicht passieren. Die Lage auf dem amerikanischen Arbeitsmarkt ist weiterhin angespannt und die Schulden in den Privathaushalten noch lange nicht abgetragen. Noch ist die Kreditkartenblase nicht geplatzt. Aus diesem Grund wird die amerikanische Wirtschaft als weltwirtschaftliches Zugpferd, auf das schon wieder einige „Experten“ und Journalisten wie Anja Schmiedeke von der NP setzen, mit Sicherheit ausfallen.

„Allerdings gibt es auch Hoffnung. Dort, wo die Krise ihren Anfang nahm, in den USA, ist sie auch schon wieder vorüber. Das Ende der US-Rezession wird die Weltwirtschaft ankurbeln helfen. Die Trendwende wird auch bei uns ankommen – doch wann, ist ungewiss. Für die Arbeitnehmer wie für die Steuereinnahmen des Bundes wäre ein schnelles Ende der Krise ein Segen.“

Gerade der letzte Satz drückt einmal mehr das verinnerlichte Prinzip Hoffnung aus, weil zu mehr einfach der Sachverstand fehlt und der Wille, alternative Konzepte auch nur zur Kenntnis zu nehmen. Wie wurden die Linken im Wahlkampf beschimpft. Die würden das Blaue vom Himmel versprechen, seien unseriös und wage. Gestern nun durfte ich bei Maybritt Illner erleben, wie der FDP-Fan Helmut Markwort vom Focus zum Fahren auf Sicht und Hoffen der neuen Bundesregierung stand. Frau Merkel müsse es doch wenigstens versuchen mit den Steuersenkungen. Was solle sie sonst auch tun? Wir hätten nun halt mal diese vielen Schulden wegen der Krise.

Tjo, das klingt ja nun nicht sehr kompetent und überzeugend. Mit anderen Worten, die haben keine Ahnung, was sie tun sollen. Okay, die alten Rezepte taugen nicht viel, das hat die Realität bewiesen, aber weinigstens versuchen müsse man doch irgend was. Da kann man nur mit dem Kopf schütteln. Hätte die Bundesregierung gleich zu Beginn der Krise mehrere Milliarden in die Hand genommen und ein kreditfinanziertes Wachstumsprogramm im Bereich Infrastruktur, Bildung und Umweltschutz aufgelegt von mindestens einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts pro Jahr, was für Deutschland 25 bis 30 Milliarden bedeutet hätte, dann müsste man jetzt nicht sinnlos Geld für Kurzarbeit, die Verwaltung von Arbeitslosigkeit, die Sozialkassen und für unsinnige Steuersenkungen herausschmeißen. Dieses Geld kommt nie wieder zurück.

In einem Konjunkturprogramm wäre es tatsächlich an den Staat zurückgeflossen, weil Beschäftigung und Binnennachfrage stabilisiert worden wären. So aber hofft und zittert man sich von einem Monat zum nächsten. Westerwelles Aufgabe in Brüssel hätte sein können, für einen EU-weiten Konsens zu sorgen, um mit einer abgestimmten makroökonomischen Wirtschaftspolitik gemeinsam gegen die Weltwirtschaftskrise vorzugehen. Doch was qualifizierte diesen Schaumschläger doch gleich?

„Mehr Netto vom Brutto!, Deutschland braucht ein niedriges, einfaches und gerechtes Steuersystem!, Versprochen – gehalten!“

Damit kann er bestimmt in Europa punkten.

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