Eigentlich wollte ich zu dem Thema Robert Enke schweigen

Geschrieben von: am 12. Nov 2009 um 21:26

Aber als ich eben noch lesen musste, dass am Wochenende die geplante Trauerfeier zum Medienevent werden soll, dreht sich mir mal wieder der Magen um. Der Sarg soll mitten im Stadion aufgebahrt werden und das Erste ist live dabei. Kann man nicht einfach mal die Schnauze halten? Bereits gestern lief die Medienaufarbeitung des tragischen Selbstmords von Robert Enke auf Hochtouren. Ein Psychiater mit Professorentitel hüpfte zwischen dem heute-journal im ZDF und der Sendung stern.tv bei RTL hin und her. Die Verantwortlichen von Hannover 96 wurden nicht müde zu betonen, dass Robert Enke ein Doppelleben geführt haben musste, von dem sie nichts ahnen konnten. Heute meldet sich Christoph Daum via Boulevardblatt Kölner Express und behauptet, schon früher von den Depressionen gewusst zu haben.

Der Aufmacher der Donnerstags Ausgabe der Neuen Presse Hannover war in meinen Augen kaum noch zu ertragen. Die Extrabeilage über Enke wurde mit Schlagzeilen und den entsprechenden Seitenangaben angepriesen:

  • Die Qualen des Torwarts (Seite 11)
  • Die Trauer der Witwe (Seite 12)
  • Ein Dorf unter Schock (Seite 13)
  • Die steile Karriere (Seite 14)
  • Schock für die Nationalelf (Seite 15)
  • Das große Enke-Poster (Seite 16)
  • Trauer in der Stadt (Seite 17)

Enke1

Während alle Medien übreinstimmend von 35.000 Menschen berichteten, die an dem Trauerzug durch die Innenstadt von Hannover teilnahmen, schreibt die Neue Presse Hannover von 50.000.

In ihrer Freitagsausgabe wird die Neue Presse Hannover titeln,

„Das Stadion der Trauer“

Der Tod Robert Enkes wird als riesiger Medienevent aufgeblasen und wohlmöglich noch lange die Blätter füllen. Das sollte man kritisieren.

Robert Enke nahm sich am 10.11.2009 das Leben, auf den Gleisen eines Abschnitts, auf dem sich in der Vergangenheit schon viel zu viele tragische Selbstmorde ereigneten, zu denen die Medien stets und richtigerweise schwiegen. Der Fall Robert Enke berührt natürlich ein öffentliches Interesse. Jedoch halte ich die bisher getätigte Berichterstattung für weit überzogen.

R.I.P.

4

Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
  Verwandte Beiträge

Kommentare

  1. Einhard  November 12, 2009

    Tote soll man ruhen lassen, allerhöchstens die Gelegenheit nutzen, die Sinne für die Gefahren und Gründe von Depressionen zu schärfen

  2. Careca  November 13, 2009

    Das Erste glänzte frei dem Motto: „Hallo, Sie heulen gerade Rotz und Wasser. Können Sie unseren Zuschauern mal erklären, wie sie sich fühlen?“ Da war es eine Tat der eigenen Zivilcourage als jene ARD-Reporterin in der Hannoveraner Kirche ihren Live-Intervieweinsatz mit den Worten „Das geht so nicht“ abbrach. Der Und Tod als Ereignis des Boulevards, R.I.P. .

  3. Rudolf99  November 15, 2009

    Tja, die Hetzte der Paparazzi und Society-Sendungen wird weiter gehen (auch auf den öffentlich rechtlichen Sendern). Muss sie ja auch, wir haben in Deutschland ja keine dringenderen Probleme als uns darüber zu empören, dass Oliver Kahn eine neue hat, wissbegierg die neusten Bilder von Oskar Lafontaine mit seinen Kindern wahrzunehmen, oder einfach nur die ungeschminkte(SKANDAL!) Angelina Jolie beim Brötchen holen zu sehen.

    Wundert man sich wirklich, dass man bei einigen Bild-Schlagzeilen, die z.T den eigenen Ruf erheblich ramponieren wenn nicht sogar für immer schädigen, in eine Depression verfallen kann, oder sonstige Schäden bekommt?
    Sebastian Deisler hat damals einen anderen Weg gewählt, einfacher haben es ihn die Medien nicht gemacht – war halt keine so schöne Schlagzeile.

  4. Hen Hermanns  November 17, 2009

    Ruckzuck, heute ist erst Dienstag: und schon haben wir drei weitere Selbstmorde mittels Eisenbahn und drei weitere geschädigte Lockführer. In Dresden,Wächtersbach und Leichlingen. Kein Thema mehr, liebe Medien? Habt ihr ja auch nichts mit zu tun, gell? Doch jetzt lieber wieder die Schweinegrippe, ja?