Hartz IV Regelleistungen: Haben sie den Spruch der Verfassungsrichter kapiert?

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Ich jedenfalls nicht. Die Richter sagen einerseits, dass die Abweichung des Gesetzgebers von der an sich nicht zu beanstandenden Berechnungsmethode gegen Art. 1 in Verbindung mit Art. 20 Grundgesetz verstoße. Andererseits halten sie die Höhe der Regelsätze, die nun nach dem Spruch der Richter theoretisch auch niedriger liegen können, sofern die künftige Berechnung transparent und realitätsnah erfolge, nicht für einen Verstoß gegen die Menschenwürde (Leistungen seien nicht „evident unzureichend“). Wenn also in diesem Land Löhne und Gehälter sinken und der Ausbau des Niedriglohnsektors weiter voranschreitet, somit auch die Referenzgrößen für die Berechnung der Regelsätze nach unten fallen, dann wäre nach Auffassung der Richter die folglich zu ermittelnde niedrigere Regelsatzhöhe kein Verstoß gegen Art. 1 Grundgesetz. Das kapiere ich einfach nicht.

Als Betroffener haben sie also ein Recht auf eine faire Berechnung, weil eine sachlich unbegründete Abweichung von dieser gegen ihre Menschenwürde verstößt, aber sie haben kein Recht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum. Das stellen die Richter doch klar heraus?

Dem Gesetzgeber stünde bei der Sicherstellung des Existenzminimums ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Ob das nun Geld- oder Sachleistungen seien, ist den Verfassungsrichtern salopp formuliert egal. Da bleibt der schwarze Gerichtspräsident Hans-Jürgen Papier seiner Linie treu. Er selbst hält ja nicht viel vom Sozialstaat, wie er das in einem Interview mit der FAZ einmal unterstrich:

Ein Rückbau ist nicht verboten

„Die Grundlagen unserer Verfassung basieren auf dem Prinzip der Eigenverantwortung“ und „das Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes belässt dem Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum.“

Mir kommt das gesamte Urteil so vor, als wolle das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber nur mitteilen, dass sie sich beim Rückbau des Sozialstaats bitteschön nicht so dämlich anstellen sollen. Deshalb gibt es auch keine Pflicht zur rückwirkenden Neufestsetzung von Regelleistungen für jene Betroffene, gegen deren Menschenwürde verstoßen wurde, sondern eine Gnadenfrist für den Gesetzgeber, den aus meiner Sicht höchstrichterlich tolerierten Verstoß gegen die Menschenwürde nunmehr mit dem Grundgesetz in Einklang zu bringen. Bis dahin darf der festgestellte Verstoß gegen das Grundgesetz und gegen die Menschenwürde mit Billigung des Bundesverfassungsgerichts fortgeführt werden. Die Logik erschließt sich mir nicht.

Wolfgang Lieb von den NachDenkSeiten sieht das ähnlich und stellt nach seiner wie immer sehr lesenswerten Analyse des Urteils abschließend fest:

Jubel ist fehl am Platze

Wie selbst Betroffene und Sozialverbände dieses Urteil als einen Erfolg für die Armen feiern können und warum gerade noch die mitverantwortliche Ministerin von der Leyen von einem „Sieg für die Bildung von Kindern“ reden können, verstehe ich nicht. Ich erkenne in dem Urteil nicht viele Ansatzpunkte dafür, wie sich dadurch die Situation der Armen im Lande verbessern würde.

Außer dass das Berechnungsverfahren für die Hartz-IV-Regelsätze nachgebessert werden muss, ist kaum etwas gewonnen.
Ja, die besonderen Belastungen müssen berücksichtigt werden und der Aufwand für die Schulbildung der Kinder muss nachvollziehbar berechnet werden. Daraus könnte sich aber bestenfalls die Hoffnung auf eine Erhöhung des Sozialgeldes für Kinder speisen. Doch selbst diese Erwartung dürfte sich nicht kampflos erfüllen lassen.

Und was nützt die schönste verfassungsrechtliche Begründung eines individuellen Grundrechts auf ein menschenwürdiges Existenzminimum, wenn weiter Geringverdiener gegen Hartz-IV-Empfänger aufgehetzt werden und die sog. Leistungsträger Hilfsbedürftige als Schmarotzer abstempeln?

Immerhin müsste die Tatsache, dass nach dem Urteil gegen die Jobcenter nun auch noch die Bemessung der Regelsätze für verfassungswidrig erklärt worden ist, die Politik mit der Nase darauf stoßen, dass die Hartz-Gesetze insgesamt das Grundgesetz strapazieren und endlich eine grundlegende Korrektur erforderlich wäre. Eine Korrektur nämlich, die die Menschenwürde und das Sozialstaatsgebot endlich zu einem konkreten Rechtsanspruch erheben würde, wie das etwa im schwedischen Wohlfahrtsstaatsmodell der Fall ist.“

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Das Urteil im Wortlaut finden sie hier:
http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/ls20100209_1bvl000109.html

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An Herrn Westerwelle: Was passiert wenn man wie vernagelt Steuern senkt

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Am Beispiel Griechenlands kann man sehr schön studieren, wohin der praktizierte neoliberale Steuersenkungsfetischismus führt. Direkt in den Staatsbankrott und den Verlust an Souveränität. Ich fürchte, dass Griechenland zu einem explodierenden Pulverfass mitten in der EU werden könnte, sollte die bekloppte Führung in Brüssel mit Frau Merkel eingeschlossen darauf bestehen, den harten Sparkurs dort tatsächlich durchziehen zu wollen.

Thomas Fricke von der Financial Times Deutschland erklärt anhand ökonomischer Fakten mal wieder sehr deutlich und einleuchtend, dass nicht übertriebene und vor den EU-Offiziellen verheimlichte Ausgabenexzesse die griechischen Staatsfinanzen ruinierte, sondern die praktische Umsetzung neoliberaler Ausgaben- und Abgabensenkungspolitik. Griechenland ist damit ein Beispiel, von dem ein Herr Westerwelle lernen könnte, wie man es nicht machen sollte.

„Relativ klar ist, dass Griechenland seit Jahren vergleichsweise hohe Staatsdefizite einfährt. Und die gängige Erklärung für Millionen Sirtaki- und Suvlaki-Spezialisten rund um den Globus ist: der Grieche kennt halt nichts vom Sparen, kann sich nicht beschränken und gibt einfach immer mehr Geld aus. Klar, so kennen wir den.

Kleiner Haken: Nach gängigen OECD-Statistiken kann man den Griechen nach Auffliegen diverser Tricks vorwerfen, dass sie über Jahre hinweg – wenn auch nicht desaströs, so doch relativ – hohe Staatsdefizite haben. Nur lag das nach den selben Statistiken gar nicht daran, dass die Staatsausgaben stetig übermäßig gewachsen sind. Im Gegenteil: die griechische Staatsquote ist seit 1992 nicht mehr gestiegen, zwischen 2000 und Ausbruch der globalen Finanzkrise fiel sie sogar um mehrere Prozentpunkte von rund 46 auf 43 Prozent des BIP.

Mehr noch: die griechische Staatsausgabenquote lag seit 1991 Jahr für Jahr immer unter der deutschen (zur Wiederholung: unter, nicht über). Das hat sich erst mit der Finanzkrise geändert.

Der Grund für die hohen Staatsdefizite ist demnach eher: die Griechen zahlen für ihre (international relativ gängige) Staatsquote relativ wenig Steuern und Abgaben. Diese Quote wurde in den vergangenen Jahren sogar unter 40 Prozent gedrückt. Sie merken etwas? Ja. Damit haben die Griechen etwas gemacht, was die EU-Kommission über Jahre hinweg gepredigt und als Wundermittel im Namen der Lissabon-Agenda verkauft hat.

So wie es übrigens Hans Eichel und Gerhard Schröder auch ganz eifrig getan haben, als sie die Steuern Anfang der 2000er-Jahre so kräftig senkten, dass die Staatsdefizite hochschnellten, obwohl zeitgleich die Staatsausgabenquote tendenziell sank. Eine Aktion, die nach Lesart von Eichel-Nachfolger Steinbrück zur Konsequenz führte, dass man – via Mehrwertsteuer – nur wieder eine breitere Steuerbasis schaffen müsse.

Und was hat das mit Guido Westerwelle zu tun? Tja, der hat irgendwie gerade dasselbe vor. Die Steuern um (fast) jeden Preis senken. Willkommen bei den Griechen.“

Griechenland ist also schon längst da, wo Westerwelle mit Deutschland hin will. Nur hat das unser erster Leistungsträgerrepräsentant im Außwärtigem Dienst auch kapiert? Der sagte nämlich anlässlich seines Besuches in Athen am Dienstag:

„Ich bin zuversichtlich und davon überzeugt, dass dieses Konsolidierungs-, dieses Reform-, dieses Wachstumsprogramm eine Chance verdient hat und wirken wird. Es ist auch ein Grund, warum ich hier bin: Wir stehen solidarisch an der Seite Griechenlands.“

Quelle: Deutsche Welle

Da sollen sie sich jetzt was aussuchen. Nur ist das Programm weder ein Konsolidierungs-, ein Reform-, noch ein Wachstumsprogramm, sondern ein radikales Kürzungsprogramm, bei dem die EU billigend in Kauf nimmt, dass die griechische Bevölkerung in eine Notlage gerät. Dementsprechend entschlossen ist auch der Ton aus Brüssel:

Die Einrichtung eines Sonderbeauftragten zur Überwachung eines Mitgliedslands wäre beispiellos in der EU. Klinz sagte weiter, „könnte die griechische Regierung beraten, konkrete Sparmaßnahmen vorschlagen und zugleich als möglicher Blitzableiter für unpopuläre Maßnahmen dienen“. Das Land stehe vor schmerzhaften Reformen, die Politiker würden daher unter erheblichen Druck geraten. „Der Hohe Beauftragte kann als unabhängige Instanz helfen, die notwendigen Maßnahmen mit aller Härte durchzusetzen“, sagte Klinz, ein Parteifreund des neuen EU-Währungskommissars Olli Rehn ist.

Quelle: Welt

Sollten wir dann nicht zusätzlich und rein präventiv über ein Bundeswehr-Mandat nachdenken?

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Heute schon vom ifo-Index manipulieren lassen?

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Die Medien offensichtlich schon. Der ifo-Geschäftsklimaindex soll eine positive Stimmung anzeigen, was allgemein hin als Zeichen gedeutet wird, dass sich die Wirtschaft erhole. Einige Nachrichtensprecher (DLF) konstruieren aus dieser Faktenlage sogar den unwahren Satz, dass sich die Erholung der Wirtschaft fortsetze. Das ist sachlich einfach falsch. Das statistische Bundesamt geht davon aus, dass das Bruttoinlandsprodukt im vierten Quartal 2009 stagnierte. Sie können das selbst an der Prognose des ifo-Instituts bzw. des Gemeinschaftsgutachtens vom 15.10.2009 nachvollziehen.

reales Bruttoinlandsprodukt
Quelle: ifo-Institut

So wird sich das auch in etwa darstellen, wenn das statistische Bundesamt seine Zahlen für das vierte Quartal 2009 bekannt geben wird. Was nach Erholung aussieht, muss aber nicht zwangsläufig auch etwas mit Erholung zu tun haben. Nach dem katastrophalen Einbruch im Winterhalbjahr 2008/2009 ist es nur allzu logisch, dass diesem Absturz ein Aufschwung folgt. Nach der Räumung der Lager folgt eben immer das erneute Bestücken derselben, was sich als statistischer Effekt wiederspiegelt. Doch was die ifo-Klimaforscher nun wieder als Zeichen für wirtschaftliche Erholung deuten, könnte in Wahrheit das Vorspiel zum zweiten Absturz sein. Volkswirte nennen das „Double Dip“. Die Tendenz des natürwüchsigen Up & Down Prinzips in der wirtschaftlichen Entwicklung wird nicht mehr positiv sondern nach unten gerichtet verlaufen. So was nennt man dann auch nicht mehr Rezession, sondern Depression. Und auch das gab es schon mal.

Lucas Zeise von der FTD schreibt in seiner Kolumne dazu:

„Es treten die Blut-Schweiß-und-Tränen-Redner und -Kommissare an. Sie werden zu erklären versuchen, warum das Volk nun die Rechnung bezahlen soll und gerade deshalb die nächsten Depressionsphasen erdulden muss. Und auch wenn das Volk nicht hören will, wird es dennoch zahlen müssen. In Griechenland ist es schon so weit. Dort beginnt der mit einem sozialdemokratisch-volksfreundlichen Programm erst kürzlich gewählte Ministerpräsident Giorgos Papandreou, die Ansprüche des Finanzmarkts und der großen EU-Staaten gegen seine Bevölkerung durchzusetzen. Das ist kein schöner Anblick.“

Quelle: FTD

In Deutschland aber, gehen allen Tatsachen zum Trotz positive Stimmungsmache und die Gürtel-enger-Schnallen-Rhetorik Hand in Hand.

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Westerwelle kurz zitiert

Geschrieben von:

Gerade habe ich in den Tagesthemen von Westerwelles Aussteigerprogramm für Taliban-Mitläufer gehört. Dieser Personenkreis sei aus einer wirtschaftlichen Notlage heraus in die Arme der Taliban getrieben worden. Wenn man nun Geld in die Hand nehme, um diesen Menschen und ihren Familien eine Perspektive zu geben, dann sei das ein Beitrag zur Wiedereingliederung in die Gesellschaft, so Westerwelle zur Bild am Sonntag, dem Bericht aus Berlin und wer es sonst noch hören wollte.

„Darum wird es in London auch einen völlig neuen Ansatz zur Wiedereingliederung von Aufständischen in die Gesellschaft geben“

Quelle: Spiegel

Das sagt gerade derjenige, der in Deutschland Mindestlöhne aus ideologischer Dauerverblendung ablehnt und darüber hinaus plant, das größte Sozialleistungskürzungsprogramm der Geschichte zu verabschieden. Schließlich gebe es kein Recht auf staatlich bezahlte Faulheit, so Westerwelle bei jeder größeren Veranstaltung. Jetzt wissen wir auch, wie er das gemeint hat. Die Menschen müssen erst in eine wirtschaftliche Notlage geraten, die sie veranlasst, militant zu werden, damit ihnen ein staatlich gefördertes Wiedereingliederungsprogramm eine neue, friedliche Perspektive verschafft.

Na, haben sie ihre Mistgabel noch? Die könnte sich als nachhaltige Zukunftsperspektive entpuppen. Spaß beiseite, der Westerwelle wird immer bekloppter. Und sowas nennt sich Außemminister, Parteichef, Liberaler, Anwalt, Leistungsträger. Mir ist einfach nur schlecht…

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Zur Hartz IV-Debatte

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Man hält es ja kaum noch aus, was zu diesem Thema zur Zeit gesagt wird. Ich will jetzt gar nicht weiter auf die neuerlich ausgebrochene Sozialschmarotzerkampagne eingehen und schon gar nicht kommentieren, was der hessische Küchenchef an vergifteten Kochrezepten in die Republik hinausposaunt. Das wird in anderen Blogs schon sehr ausführlich und kritisch getan. Mich interessieren vor allem die kleineren Dinge, die von der Ausstrahlung solcher Hetztiraden beeinflusst werden und so wiederum zur Änderung der Wahrnehmung beitragen. Zum Beispiel wie Journalisten fragen.

Bei der Internetrecherche bin ich dabei mal wieder auf Christoph Slangen vom Berliner PR-Büro Slangen & Herholz gestoßen. Der hat vergangene Woche ein Interview mit Heinrich Alt, ein Vorstand der Arbeitsagentur, geführt. Den Text finden sie z.B. im Onlineangebot der Nordswest Zeitung. Wahrscheinlich wurde das von Slangen geführte Interview auch in zahlreichen anderen regionalen Tageszeitungen abgedruckt. Thema war, Diskussion um Hartz IV. Und eine Frage von Slangen lautete:

Werden Langzeitarbeitslose in staatlichen Arbeitsprogrammen nicht zwangsläufig zur Konkurrenz für die Privatwirtschaft?

An dieser Frage können sie nicht nur die Blödheit des Journalisten erkennen, sondern auch die Wirkung der jahrelang betriebenen Hetz-Propaganda gegen Hartz IV-Empfänger, für die Roland Koch als aktuelles Beispiel Pate steht. Allein auf die Idee zu kommen, staatliche Arbeitsprogramme, und wir reden hier ja von Zwangsdiensten ohne richtige Vergütung, als Konkurrenz für die Privatwirtschaft zu sehen, zeigt auf welch tiefen, menschenverachtenden Niveau die Diskussion bereits angekommen ist.

Was will denn Slangen eigentlich mit seiner Frage zum Ausdruck bringen? Das die Löhne in der privaten Wirtschaft leider noch nicht so niedrig sind, um mit dem öffentlichen Zwangsdienst in einem Zustand mithalten zu können, den Slangen noch als „Wettbewerb“ versteht? Oder will uns Slangen mit seiner Frage mitteilen, dass es genügend Arbeit gibt, die aber nicht von der Privatwirtschaft erledigt werden kann, weil sich niemand findet, der zu den angebotenen Bedingungen die Arbeit erledigt? Die Frage ist doch auch völliger quatsch. Sie lässt es nämlich als völlig legitim erscheinen, dass der Staat als Arbeitgeber zu noch mieseren Bedingungen Menschen beschäftigen kann, als die Privatwirtschaft es ohnehin schon macht. Sie zielt zudem auch an der Realität vorbei. Das können sie an der Antwort von Herrn Alt sehr schön sehen.

„Wir haben einen Katalog an Arbeitsfeldern, von denen wir sagen, dass sie dort keine Konkurrenz zur Privatwirtschaft darstellen. Wir dürfen nicht mit unserer Arbeitsmarktpolitik dazu beitragen, dass wir Beschäftigung am ersten Arbeitsmarkt verdrängen. Dazu stimmen wir uns regelmäßig mit den Gewerkschaften und Arbeitgebern ab.“

Mit anderen Worten, es geht um öffentliche Interessen. Staatliche Arbeitsprogramme treten also nicht vornehmlich mit der Privatwirtschaft in Konkurrenz, sondern mit dem öffentlichen Dienst. Und das passt wiederum zu der Spardebatte, die angesichts gigantischer Haushaltslöcher in den öffentlichen Kassen zur Zeit tobt. Der Abbau von öffentlicher Beschäftigung geht ja nicht einher mit dem Abbau von öffentlichem Interesse. Entweder privatisiert man dann öffentliche Aufgaben, um die Arbeit, die immer noch erledigt werden muss, auch zu verrichten, oder man denkt, wie der hessische Suppenkoch, gleich über Zwangsarbeitsdienste nach, um schließlich Kosten zu sparen und vom eigenen Versagen in der Wirtschafts- und Sozialpolitik abzulenken.

Aber darauf kommt so ein Journalist wie Christoph Slangen scheinbar nicht. Selbst wenn er mit der Nase drauf gestoßen wird, wie eine Antwort des Herrn Alt deutlich zeigt. Auf die Frage, ob das „Konzept Arbeitspflicht“ (in diesem Zusammenhang hätte ich gern von Herrn Slangen erfahren wollen, worin Begriff und Vorstellung dieser Konzeption eigentlich liegen) überhaupt umsetzbar sei, antwortet Alt:

„Das bedeutet, ich muss dann auch entsprechende Angebote vorhalten und die dürfen reguläre Beschäftigung nicht ersetzen. Dass es in diesem Umfang überhaupt zusätzliche Beschäftigung gibt, halte ich für unwahrscheinlich.

Das hält aber Suppenköche und andere Hetzer sowie Journalisten nicht davon ab, auch weiterhin so zu tun, als gäbe es genug Beschäftigung, vor denen sich Hartz IV-Empfänger drücken würden.

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Die erste Lüge des Jahres: "Sie werden entlastet"

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Die Sache mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz ist schon absurd genug. Doch was da alles als Entlastung verkauft wird, obwohl es sich um eine Belastung handelt, beschreibt Egon W. Kreutzer auf seiner Seite sehr schön:

Es wird behauptet, die Bürger würden mit Wirkung zum 1. Januar 2010 entlastet, weil die Bundesanstalt für Arbeit nun nicht mehr mit einem Darlehen versorgt wird, sondern durch einen Zuschuss des Bundes. Ebenfalls entlastend wirke der Zuschuss des Bundes zur gesetzlichen Krankenversicherung. Und als Krönung das grandiose Wachstumsbeschleunigungsgesetz mit seinen Entlastungen im Umfang von 20 Mrd. Euro.

Das ist der Versuch einer Volksverdummung auf erbärmlich niedrigem geistigen Niveau. Denn sämtliche Kosten, die durch Zuschüsse an die Sozialsysteme oder aber durch den freiwilligen Verzicht auf Steuereinnahmen entstehen, fallen der Allgemeinheit zur Last. Wem denn auch sonst? Guido Westerwelle oder Ronald Pofalla, dem Goldesel im Büro des Finanzministers? Egon W. Kreutzer schreibt:

Entlastung gibt es nur, wenn Ausgaben gesenkt werden, ohne dass dafür sinnvolle Leistungen gekürzt werden müssen.

Und da liegt im Grunde die geistig politische Wende des Tigerentenclubs begraben. Sie besteht darin, den Menschen nicht oder möglichst lange nicht zu sagen, wo man Kürzungen vornehmen will, um die Geschenke, äh Entlastungen, zu finanzieren. Dazu der feste aber irrige Glaube, dass die beschlossenen Entlastungen irgendeine Wirkung entfalten würden, die auf wundersame Weise zu mehr Steuereinnahmen führen, bevor die Frage nach der Finanzierung des sich bereits jetzt gnadenlos auftuenden Defizits in den öffentlichen Haushalten beantwortet ist.

Haben sie heute auch die FDP-Fraktionschefin im deutschen Bundestag Birgit Homburger gehört, wie sie sagte, dass Steuersenkungen auch nach der bevorstehenden Steuerschätzung konsequent angegangen würden, weil bei der Aushandelung des Koalitionsvertrages seriös gerechnet worden sei? Man habe schließlich nur das beschlossen, was auch finanzierbar sei. Ja, im ernst? Man würde zu gern wissen, wie das alles finanziert wird, während der Koalitionspartner eher einen klaren Finanzierungsvorbehalt aus dem Koalitionsvertrag herauslesen will. Die Ankündigung Homburgers, nach der Steuerschätzung und der Wahl in NRW noch eine Schippe drauflegen zu wollen, müssen sie als Drohung verstehen.

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Attac-Aktion "Stoppt die Krisenköche! Vermögen umverteilen!"

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Attac-Deutschland wird in diesem Jahr zehn Jahre alt. Aber anstatt zu feiern, plant das Netzwerk neue Protestaktionen, die ich sehr unterstützenswert finde.

Quelle: Attac-Deutschland

„Wir werden 2010 erleben, wie die Umverteilung zu Lasten der Ärmsten voranschreitet. Politik und Wirtschaft werden von ‚Sachzwängen der Krise‘ sprechen, um von der Begünstigung ihrer Klientel abzulenken“, sagte Alexis Passadakis vom bundesweiten Attac -Koordinierungskreis. Zu erwarten seien eine steigende Arbeitslosigkeit und ein weiterer massiver Abbau der sozialen Sicherungssysteme. „Die Löcher, die die Koalition mit Steuergeschenken für Wohlhabende in die öffentlichen Haushalte reißt, will die FDP nun von Arbeitslosen und weniger wohlhabenden Familien stopfen lassen. International treibt die Bundesregierung eine Handelspolitik voran, die Hunger und Arbeitslosigkeit exportiert. Ohne Druck von unten werden sich diese Krisenköche nicht stoppen lassen.“

So soll es vom 9. bis zum 11. April in in der Berliner Volksbühne ein Bankentribunal geben, dass zum ersten Mal die Verantwortlichen wenigstens symbolisch einmal anklagt.

Ziel des Verfahrens ist es, die Finanzkrise und Bankenrettung kritisch zu durchleuchten und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. „Dieser Prozess ist überfällig. Weil Politik und Justiz ihn nicht anstrengen wollen oder können, nehmen wir das in die Hand“, sagte Jutta Sundermann vom bundesweiten Attac-Koordinierungskreis.

Ferner sind begleitende Protestaktionen zum Thema Kinderarmut mit Hinblick auf das in diesem Monat zu erwartende Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Höhe der Hartz-IV-Leistungen für Kinder geplant und das Thema Public Private Partnerships (PPP) steht ganz oben auf der Agenda.

„Mit aggressivem Lobbying umwerben Investoren und Berater vor allem Kommunalpolitiker und überreden sie, noch mehr Tafelsilber zu verscherbeln – mit verheerenden Folgen für viele Gemeinden, die so in die Schuldenfalle getrieben werden“, sagte Jutta Sundermann. Unterstützt werden die Privatisierer von der Bundesregierung. So hat die vom Finanzministerium 2008 gegründete „Partnerschaften Deutschland Gesellschaft“ (PDG) den Auftrag, den PPP-Anteil an den Investitionen der öffentlichen Hand bundesweit um 15 Prozent steigern.

Man muss sich das mal vorstellen. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund hat heute eindringlich davor gewarnt, die Steuersenkungspläne der schwarz-gelben Chaostruppe umzusetzen. Verbandspräsident Christian Schramm sagte, dass sich für das Jahr 2010 ein Defizit zwölf Milliarden Euro auftun werde:

„Die Städte und Gemeinden werden gezwungen, die Leistungen für die Bürger weiter einzuschränken, die Investitionen zurückzufahren und die Verschuldung zu erhöhen“

Quelle: N24

Mit anderen Worten, die Gebühren werden mit Sicherheit steigen und Leistungen weiter sinken, weil die Gemeinden Pleite sind. Und dennoch soll nach dem Willen unserer korrupten Politiker die Privatisierungsorgien fortgteführt werden, obwohl die Erfahrung aus der Finanzkrise eindeutig gezeigt hat, dass solche Projekte vor allem die öffentliche Hand ärmer machen. Gerade die Kommunen haben das im vergangenen Jahr schmerzlich erfahren müssen. Insofern ist es dringend geboten, das Thema Öffentlich Private Partnerschaften wieder in den Fokus einer kritischen Diskussion über den Zustand dieses Land zu ziehen.

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Die FDP-Schnöseltruppe ist für Steuererhöhungen, nicht dagegen!

Geschrieben von:

Es geistert ja eine große Streichliste aus dem Bundesfinanzministerium durch die Öffentlichkeit, in der es um den „Subventionsabbau“ geht und der Haushaltsexperte der FDP, Otto Fricke, findet das toll. Beim Abbau von Steuersubventionen dürfe es keine Denkverbote geben, meint der oberste Kassenschnösel der FDP und will uns wohl für dumm verkaufen.

Fricke reagierte auf eine Studie für das Finanzministerium, in der unter anderem gefordert wird, die Zuschläge für Nacht- und Feiertagsarbeit künftig nicht mehr steuerfrei zu stellen und die Umsatzsteuerermäßigung für Theaterkarten zu streichen. Insgesamt sollen Vergünstigungen im Umfang von 4,8 Milliarden Euro abgeschafft werden.

Quelle: ad-hoc-news

Die Abschaffung dieser Subventionen heißt doch nichts anderes, als für Steuererhöhungen zu sein!

BITTE SCHREIBEN SIE DAS AUCH ÜBERALL SO HIN: DIE FDP IST FÜR STEUERERHÖHUNGEN UND BRICHT DAMIT IHR HEILIGES WAHVERSPRECHEN!

Und im Übrigen: Wieso bezeichnet man die Absenkung des Mehrwertsteuersatzes für Hotelübernachtungen als Steuersenkung und nicht wie oben auch als Steuersubvention? Wieso bezeichnet man die Absenkung von Einkommensteuersätzen, wie die FDP das unbedingt durchsetzen will, und die Erhöhung von Kinderfreibeträgen, die Senkung von Unternehmens- und Kapitalertragssteuern dann nicht folgerichtig auch als Steuersubventionen?

Egon W. Kreutzer schreibt in seinem Blog sehr treffend:

„Wenn das Kindergeld der Normalverdiener durch die Streichung der Steuerfreiheit der Zuschläge ausgeglichen ist, wenn also den Begünstigten das aus der einen Tasche wieder weggenommen wird, was in die andere hineingesteckt wird (ich glaube, das nennt man einen Taschenspielertrick) – bleiben die Vergünstigungen für Unternehmen, Erben und Hoteliers übrig. Ein bisschen guter Wille zum Subventionsabbau bei der Kapitalertragssteuer – und der gleiche Taschenspielertrick würde das komplette Wachstumsbeschleunigungsgesetz innerhalb der gleichen Hose gegenfinanzieren.“

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Staatssekretäre: Die FDP bricht weiteres Wahlversprechen

Geschrieben von:

Ich zitiere zunächst mal aus einer Haushaltsrede von Jürgen Koppelin (FDP) vor dem Deutschen Bundestag aus dem Jahr 2008.
Quelle: Seite von Jürgen Koppelin

„Wie wollen Sie eigentlich dem deutschen Steuerzahler erklären, dass der neue Vizekanzler Steinmeier nun plötzlich einen zusätzlichen Staatssekretär bekommt? Der neue Staatssekretär, so heißt es, soll den Bundesaußenminister innenpolitisch beraten. Es ist schon sehr merkwürdig, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass ein deutscher Außenminister durch einen zusätzlichen Staatssekretär innenpolitisch beraten werden muss. Weder Hans-Dietrich Genscher noch Klaus Kinkel, auch nicht Joseph Fischer, brauchten einen solchen Staatssekretär.“

Bis zur Regierungsübernahme haben die Liberalen seit 1995 jedes Jahr ein 400 Seiten dickes Sparbuch der Regierung zu den Haushaltsberatungen vorgelegt, in dem man nachlesen könne, wie leicht sich im Bundesetat 10 Mrd. Euro einsparen ließen. Der Haushalt des Auswärtigen Amtes umfasst ein Volumen von 2,8 Milliarden Euro. Die FDP forderte stets, dort Einsparungen in Höhe von rund 24 Millionen Euro vorzunehmen. Eben unter anderem einen Staatssekretär, wie Herr Koppelin oben ja deutlich ausführt.

Nun aber sieht die ganze Angelegenheit anders aus. Herr Westerwelle ist nun selbst Außenminister und scheint sich nicht mehr daran erinnern zu wollen, was er und seine Partei einst einforderten.

„Wir halten nach der Wahl, was wir vor der Wahl versprochen haben!!!“

Das schrie der herrisch teutonisch-arrogant auftretende Rechtspopulist bei jeder Gelegenheit in die Mikrofone. Nun aber macht Westerwelle aus seinem bisherigen Büroleiter Martin Biesel einen Staatssekretär, der überhaupt nix mit dem Auswärtigen Amt zu tun haben soll, sondern eine Art persönlicher Adjutant ist, der die anderen FDP-Minister im Auftrag ihres Chefs koordinieren soll. Ein Staatssekretär für Innenpolitik im Auswärtigen Amt. Tolle Sparpolitik.
Quelle: Spiegel-Online

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Zur Steuerschätzung und zur gestörten Wahrnehmung der Medien

Geschrieben von:

Der Arbeitskreis Steuerschätzung hat seine Prognose bekannt gegeben. Und? Es geistert die Zahl 2,9 Mrd. Euro weniger Einnahmen durch alle Schlagzeilen. Doch da stimmt etwas mit der journalistischen Wahrnehmung nicht. Denn bei den 2,9 Mrd. handelt es sich um den Rückgang zur letzten Steuerschätzung vom Mai diesen Jahres. Für 2010 wird dann auch mit einem Plus von 1,1 Mrd. gerechnet. Also wieder im Vergleich zur Mai-Schätzung. Das ist doch Volksverarsche ersten Ranges, wenn man sich beispielsweise die FAZ anschaut. Warum vergleicht man Steuerschätzung mit Steuerschätzung und nicht Steuerschätzung mit den tatsächlich eingenommenen Steuern des Vorjahres?

Wenn man das nämlich tut, sieht es ziemlich katastrophal aus, auch für 2010. Im Vergleich zum Vorjahr würde der Staat laut aktueller Schätzung 37 Mrd. Euro weniger an Steuern einnehmen und 2010 12,6 Mrd. weniger als 2009. Die Netzeitung berichtet darüber z.B. korrekt. Vielleicht will man ja der neuen Koalition in ihrem Steuersenkungswahn nicht die totale Unsinnigkeit ihrer Vorhaben vor Augen führen oder dem rollenden Schwarzgeld-Schäuble die Unsinnigkeit von beabsichtigten Sparaktionen. Zum begehrten Sparhammer soll die Regierung nämlich zurückkehren, weil das in der Vergangenheit immer so prima geklappt hat. Schließlich hätte Steinbrück beinahe den so lang ersehnten ausgeglichenen Haushalt vorlegen können, ja wenn die blöde Finanzkrise nicht vom Himmel gefallen wäre.

Das Mantra deutscher Journalisten wie Hobbyhaushaltspolitiker lautet: Ausgeglichener Haushalt, koste es, was es wolle. Seit 1991, als das Haushaltsdefizit erstmalig bei drei Prozent des BIP lag, wurde der ausgeglichene Haushalt zur wichtigsten Aufgabe deutscher Finanzminister. Doch was war die Folge? Stagnierende Inlandsnachfrage, steigende Arbeitslosigkeit, höhere Staatsverschuldung und ein Haushaltsdefizit, das sich kaum von jenen drei Prozent des BIP entfernte. Dafür hat man es geschafft die Staatsquote vor Ausbruch der Krise auf einen historischen Tiefstand zu reduzieren. Selbst in kurzen Aufschwungphasen würgte man durch prozyklische Ausgabenpolitik die Konjunktur einfach ab. Jörg Bibow, Ökonomieprofessor am Skidmore College im US-Bundesstaat New York, sagte dazu in der Financial Times Deutschland:

„Das Grundmuster der deutschen Makropolitik ist klar erkennbar: sinnloses Drosseln der heimischen Nachfrage durch Sparmaßnahmen, kombiniert mit der Hoffnung, bei den Exporten schmarotzen zu können.“

Dabei wäre eine Sparpolitik in der jetzigen Lage fatal. Doch die Schuldenbremse wirft ihre Schatten auch schon voraus. Aber wie ich gerade auf NDR 2 höre, glaubt Schäuble an die verabredeten Steuersenkungen, weil die Schätzung mit den 2,9 Mrd. Euro weniger ja nicht so schlimm ausfiel wie erwartet. Da kann man nur mit dem Kopf schütteln. Über NDR 2 meine ich jetzt. Den Schäuble können sie komplett vergessen. Hören sie lieber auf Leute wie den Ökonomen Jörg Bibow, die von der Sache auch was verstehen.

„Offensichtlich war die derzeitige Krise noch nicht schlimm genug, damit Deutschland das Modell des exportorientierten Wachstums einer gründlichen Korrektur unterzieht. Das tatsächliche Problem ist, dass das Land zu einer Politik neigt, die Importe drosselt. Handelsbilanzüberschüsse dienen dabei dem geradezu moralischen Kreuzzug für einen ausgeglichenen Staatshaushalt. Die nächste Gelegenheit, diese dringend nötige öffentliche Debatte zu führen, kommt vielleicht in naher Zukunft. Hoffentlich ist dann eine Bundesregierung im Amt, die nicht auf Kollisionskurs zur europäischen Integration liegt.“

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