Wirtschaftsdaten: Es ist einfach zu heiß für einige

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Gestern konnte ich mich leider nicht zu den gerade wieder gefeierten Aufschwungsdaten der Statistiker aus Wiesbaden äußern. Bei dem schönen Wetter und nach dem enttäuschenden WM-Halbfinale mussten wir mal raus. Lustig dabei war, dass uns der Weg ausgerechnet nach Hannover in den Stadtpark führte, in dem regelmäßig das berühmte „NP-Rendevouz“ stattfindet. Ein Familienfest, welches von der Neuen Presse Hannover ausgerichtet wird und über das die Lokalredakteure dann seitenlang recht günstig berichten können.

Aber lassen wir das. Jetzt geht es um die Wirtschaft. Haben sie gestern auch die Jubelschreie vernommen, wonach die deutschen Exporte so stark gestiegen seien wie seit zehn Jahren nicht mehr. Wow, habe ich da gedacht. Wenn man dann nur noch dazu gesagt hätte, dass die deutschen Exporte im gleichen Zeitraum des letzten Jahres so stark eingebrochen waren, wie seit Jahrzehnten nicht mehr, hätte das eine runde Sache werden können. Aber so bleibt die Leistung zahlreicher Medien in Bezug auf die Einordnung des Exportanstiegs im Mai 2010 einmal mehr hinter der Bedeutung des Begriffs Qualitätsjournalismuns meilenweit zurück.

Im Februar 2010 meldete das statistische Bundesamt „Ausfuhr im Jahr 2009 insgesamt um 18,4% niedriger als 2008“ (siehe destatis). Im Text hieß es dann.

Die deutschen Ausfuhren waren damit im Jahr 2009 um 18,4% und die Einfuhren um 17,2% niedriger als im Jahr 2008. Sowohl einfuhr- als auch ausfuhrseitig war das der höchste Rückgang eines Jahresergebnisses der Außenhandelsstatistik seit 1950.

Gestern dann folgende Meldung (siehe destatis).

Die deutschen Ausfuhren waren damit im Mai 2010 um 28,8% und die Einfuhren um 34,3% höher als im Mai 2009. Ausfuhrseitig war das der höchste Anstieg eines Monats gegenüber dem Vorjahresmonat seit Mai 2000 (+ 30,7%), einfuhrseitig seit Januar 1989 (+ 38,9%).

Daraufhin drehte die halbe Medienmeute durch, vor allem die Börsen-Honks und Honkinen, die aus den Zahlen eine Bestätigung des wirtschaftlichen Aufschwungs herauslasen und eine freudige und rosige Zukunft vorhersagten. Schließlich durchbrach auch der DAX die „psychologisch“ wichtige Marke von 6000 Punkten und das sei ein gutes Zeichen, so die als seriöse Menschen verkleideten Kirmes-Wahrsager. Wenn sie an solchen Unfug glauben wollen, bitteschön. Aber es gibt auch harte Fakten, die man dringend zur Kenntnis nehmen sollte. Es hätte zum Beispiel schon ausgereicht die Überschriften der destatis-Meldungen von heute und von vor einem Jahr zu vergleichen, um klarer zu sehen.

Pressemitteilung Nr.237 vom 08.07.2010
Deutsche Ausfuhren im Mai 2010: + 28,8% zum Mai 2009

Pressemitteilung Nr.255 vom 09.07.2009
Deutsche Ausfuhren im Mai 2009: – 24,5% zum Mai 2008
Quelle: NachDenkSeiten

Dennoch wurde auch etwas Wahres gesagt. Nämlich, dass die Weltwirtschaft stärker wachse als die europäische und insbesondere die deutsche Wirtschaft. Der deutsche Außenhandel profitiere somit von der guten weltwirtschaftlichen Entwicklung. Das ist in der Tat mal etwas neues in deutschen Medien. Denn bisher wurden Aufschwünge stets als Beleg für eine richtige Politik gedeutet, während man bei Abschwüngen automatisch auf weltwirtschaftliche Einflüsse verwies.

Mit dem Krisenverlauf und seit der intensiven Diskussion um Handelsbilanzdefizite bzw. -überschüsse ist immerhin klar geworden, dass sich die deutsche Wirtschaft in einer existenziellen Abhängigkeit zur weltwirtschaftlichen Entwicklung befindet. Dann hätte man aber ganz klar sagen und schreiben müssen, dass der Anstieg der deutschen Ausfuhren im Mai nur möglich war, weil in anderen Volkswirtschaften noch immer schuldenfinanzierte Konjunkturprogramme laufen. Nur zur Erinnerung, die Bundesregierung will mit ihrem Sparpaket bereits jetzt den Ausstieg aus den eigenen Programmen umsetzen und empfielt ferner, dass die europäischen Partner es ihr gleichtun. Dabei hat Deutschland mit seinen vergleichsweise mickrigen Konjunkturmaßnahmen überhaupt noch keinen bedeutenden Beitrag zur Stabilisierung der Weltwirtschaft geleistet. Das zeigt letztlich auch die Handelsbilanz. Der Exportüberschuss betrug im Mai schon wieder fast 10 Mrd. Euro.

D.h. der Export nimmt nach wie vor einen hohen Anteil am BIP ein, während der private Konsum stetig abnimmt und damit als Stabilisator bei weiteren Einbrüchen immer noch ausfällt. Man stelle sich nur einen weiteren weltweiten Nachfrageeinbruch vor. Deutschland würde es wieder am härtesten treffen und Schäuble, Merkel und Co. müssten ein neues Rekorddefizit verkünden und verwalten. Sparabsicht und Sparerfolg würden dann wieder ziemlich weit auseinander liegen. Aber das erkennen deutsche Journalisen nicht. Sie glauben, dass bereits die Sparabsicht zum Sparerfolg führen würde. Dabei ist das Gegenteil richtig.

Aber zurück zu den Fakten. Vielleicht helfen ein paar Grafiken. Ein wichtiger Konjunkturindikator sind die Auftragseingänge in den Unternehmen, hier im verarbeitenden Gewerbe. An diesem Kurvenverlauf können sie die Lage von vor und nach dem Crash 2009 sehr schön sehen und vergleichen. Nach einer leichten Erholung, nach dem dramatischen Einbruch im letzten Jahr, befinden sich die Auftragseingänge noch lange nicht auf dem Vorkrisenniveau. Es ist soger wieder ein Rückgang zu verzeichnen.

Auftragseingänge_KURVE

Das bedeutet, dass die Kapazitäten in der deutschen Wirtschaft weiterhin nicht ausgelastet sind. Hier findet also kein phantastisches Wachstum statt, sondern lediglich ein Aufholprozess, dessen Ursache in dem tiefen Absturz vom letzten Jahr zu finden ist.

Auftragseingänge_NEU

Der Rückgang der Auftragseingänge im Mai kommt bei der überwiegend positiven Beurteilung der wirtschaftlichen Lage überhaupt nicht vor. Dabei sollte man die Frage nach der Unterauslastung stellen, von der schließlich auch die Belastung der öffentlichen Hand durch Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit abhängt. Warum? Es wird schlicht weniger produziert. Auch das kann man grafisch darstellen bzw. auf der Seite des statistischen Bundesamts abrufen.

Verarbeitendes Gewerbe

Wenn mit der gleichen Kapazität, den gleichen Maschinen und dem gleichen Personal insgesamt weniger produziert wird, rechnet sich das für den Unternehmer nicht. Er wird Personal abbauen oder gegen billigere Lösungen (Kurzarbeiter, Leiharbeiter, Teilzeit, Befristungen) austauschen. Er wird auch nicht mehr investieren, weil er ja genug Kapazitäten hat, um entsprechende Auftragsspitzen bewältigen zu können. Auch das zeigen die Daten zu den Ausrüstungsinvestitionen ganz klar.

Ausrüstungsinvestitionen

Und all das deutet eben nicht auf einen Aufschwung hin, sondern eher auf einen vorübergehenden Aufholprozess im Zuge des tiefen Einbruchs. Heute werden auch wieder alle Inflationswarner Lügen gestraft. Die Verbraucherpreise bleiben nämlich im Keller. Die Teuerungsrate legt nur leicht um 0,9 Prozent gegenüber dem letzten Jahr zu (siehe destatis). D.h. die Zeichen stehen weiterhin auf Deflation. Und das ist auch klar, wenn man sich die oben angeführten Konjunkturindikatoren vor Augen hält sowie die Absicht der Bundesregierung und anderer Regierungen, radikal in ihren Haushalten sparen zu wollen. Das führt eben nicht zu einer höheren Nachfrage und folglich auch nicht zu mehr Konsum, der durch ein Vorhalten von großen wirtschaftlichen Kapazitäten befriedigt werden müsste.

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"Jobwunder" – Es geht aufwärts am Arbeitsmarkt

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Die Stimmung am Arbeitsmarkt ist positiv. Die Arbeitsministerin und Beinahe-Bundespräsidentin Ursula von der Leyen meinte gar, es bewege sich etwas. Neue Jobs entstehen. Wie dieser hier zum Beispiel bei einem christlichen Arbeitgeber, der als Einstellungsvoraussetzung die offizielle Herdenzugehörigkeit verlangt. Nur wer Mitglied einer christlichen Kirche ist und entsprechend seine Steuern zahlt, darf es wagen, sich auf dieses lukrative Angebot zu bewerben. Gesucht wird immerhin ein leitender Angestellter, der Verantwortung übernehmen und den Gesellschaftern, also wahrscheinlich Gott und seinen Engeln, nach weltlichen Maßstäben Bericht erstatten kann…

Quelle: Jobbörse der Bundesagentur für Arbeit

Überblick über das Stellenangebot

Referenznummer:
10000-1055143107-S

Titel des Stellenangebots: Minijob (Geschäftsführer/in)

Stellenangebotsart: Geringfügige Beschäftigung/ Mini-Job als Fachkraft (nicht sozialversicherungspflichtig)

Arbeitgeber: Diakonie Sozialstation

Branche: Ambulante soziale Dienste, Betriebsgröße: zwischen 6 und 50
Stellenbeschreibung

Bei der gGmbH der Diakonie-Sozialstationen für die Region Heilbronn ist für die spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV) die neu geschaffene Stelle einer/eines

Geschäftsführerin / Geschäftsführers

zum nächst möglichen Zeitpunkt zu besetzen.

Die dienstliche Inanspruchnahme beträgt ca. 15% (400-Euro-Kraft).

Der/die Geschäftsführer/in erledigt die Geschäfte nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften sowie der Bestimmungen des Gesellschaftervertrages und der Geschäftsordnung. Er berichtet der Gesellschafterversammlung sowie weiterer entsprechender Gremien über alle wichtigen Angelegenheiten.

Zu den Aufgaben gehören insbesondere:

  • Verantwortung der laufenden Maßnahmen der Gesellschaft sowie die wirtschaftliche Sicherung
  • Leistungsabrechnung mit den Kassen und weiteren Stellen
  • Erschließung von weiteren Finanzierungsquellen (Spenden, Zuschüsse)
  • Abrechnung mit den Kooperationspartnern
  • Personalverantwortung für alle die Gesellschaft betreffenden Personalangelegenheiten
  • Sicherstellung der Mitarbeiterverwaltung
  • Öffentlichkeitsarbeit sowie Kontaktpflege mit weiteren Leistungserbringern

Wir erwarten

  • Fundierte betriebswirtschaftliche Kenntnisse
  • Wirtschaftliches Denken und Handeln
  • Zielorientierte Leitung eines interdisziplinären Teams
  • Kontaktfreude, Kommunikationsfähigkeit sowie Fähigkeit zum integrativen Handeln
  • Führungskompetenz
  • Souveränität in Auftreten und Handeln
  • Mitglied in einer christlichen Kirche (ACK)

Die Vergütung erfolgt nach AVR/TVöD in Entgeltgruppe 10 mit Zusatzversorgung.

Selbst wenn ich jetzt sagen würde, dass weiterhin Vollzeitstellen in Teilzeitstellen umgebaut werden, könnte ich nicht die Unverschämtheit zum Ausdruck bringen, die sich hinter diesem Stellenangebot verbirgt. Was soll man dazu noch sagen?

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Leerverkäufe: Was ist eigentlich mit ungedeckt gemeint?

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Seit heute Nacht 0 Uhr sind ja bekanntlich sog. ungedeckte Leerverkäufe in Deutschland erneut verboten (auch und vor allem mit Zustimmung der FDP :>>) und ganz explizit auch solche, die sich auf europäische Staatsanleihen beziehen bzw. auf daran geknüpfte CDS (Kreditausfallversicherungen). Und prompt, man möchte sagen, wie von Geisterhand, fallen die Preise für Versicherungen gegen Zahlungsausfälle von EU-Staaten wie Griechenland, Großbritannien, Italien, Irland, Portugal und Deutschland. D.h. ein Teil der Zockerei lohnt sich offenbar nicht mehr.

Doch warum nur ungedeckte Leerverkäufe? Wie sieht denn ein gedeckter und damit legaler Leerverkauf aus? Das erklärt Egon W. Kreutzer sehr schön:

„Wenn der Spekulant jedoch einen anderen Marktteilnehmer findet, der ihm die Papiere, die er verkaufen will, leihweise gegen Zins zur Verfügung stellt (selbst wenn der sie gar nicht hat, aber verspricht, sie zum Termin zu beschaffen), dann ist aus dem „ungedeckten Leerverkauf“ ein „gedeckter Leerverkauf“ geworden – und der darf weiterhin sein.“

Also klingt das Ganze irgendwie nur halbherzig. Trotzdem stöhnt die Börse bereits und der Widerstand formiert sich gegen ein mögliches Verbot aller Leerverkäufe und weiterer Finanzmarktregeln. Interessant dabei ist die Tatsache, dass die BaFin neben den „Short Sales“ auf Staatsanleihen und CDS auch ungedeckte Leerverkäufe von Aktien der zehn größten deutschen Finanzdiensleister, also Allianz, Commerzbank, Deutsche Bank, Münchener Rück, Deutsche Börse, Deutsche Postbank, Hannover Rück, Aareal Bank, Generali Deutschland und MLP, verboten hat. Heißt das etwa, dass die Bundesregierung eine neue Banken- und Versicherungskrise befürchtet?

Ich glaube ja, sie rechnet ganz fest damit. Man kann das nur nicht so offen sagen – in Aufschwungzeiten. :>> Erst müssen die Sparprogramme noch umgesetzt werden. Und dafür braucht’s eine gesunde Volksgemeinschaft, deren Zusammenhalt sich gerade unter der Bedingung eines radikalen Sparprogramms zeigen müsse, wie Bundeskanzlerin Merkel in München auf dem Kirchentag mahnend zu Protokoll gab.

Bloß nicht über wirtschaftspolitische Zusammengänge reden, lautet das Gebot der Stunde. Dann müsste man sich nämlich eingestehen, dass das auf Pump leben nur möglich sein kann, wenn man kein eigenens Geld besitzt. Deutschland müsste dann aber zugeben, durch die eigene Sparwut und Lohnzurückhaltung der letzten Jahre, die europäische Südschiene in enorme Leistungsbilanzdefizite getrieben zu haben, die die gemeinsam benutzte Währung zu verschleiern half. Denn was sollten diese Länder auch auf den Märkten verkaufen, um Geld zu verdienen, wenn Deutschland als größte europäische Volkswirtschaft sehr viel weninger Waren von seinen EU-Partnern einführt als es in die EU ausführt?

Und diese deutsche Sparwut, die nun überall in Europa umgesetzt werden soll, ist und bleibt das realwirtschaftliche Problem, um das auch die Spekulanten wissen. Leerverkäufe verbieten und Steuern auf Finanztransaktionen einführen, ist das eine, das andere aber, das viel wichtigere, ist eine vernünftige Makropolitik, die unabhängig von den Interessen der Finanzindustrie und einzelner großer Exportunternehmen zur Anwendung kommen muss. Denn…

„Ob Sie es glauben oder nicht, die größte Volkswirtschaft Europas muss lernen, mit der Tatsache zu leben, dass in einer Marktwirtschaft die Produktion und das Einkommen daraus für die Menschen da ist und nicht umgekehrt!“

Quelle: Offener Brief von Heiner Flassbeck an Rudolf Hickel, Genf, 17.5.2010

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Und plötzlich reden alle über die Finanzmarkttransaktionssteuer

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Eben hörte ich im Radio die Moderatorin sagen, dass mit dem Begriff „Finanzmarkttransaktionssteuer“ ein neues Wortungetüm in den alltäglichen Sprachgebrauch Einzug hielte. So als ob nun etwas völlig Neues auf uns zukäme. Da kann man sich doch nur an den Kopf fassen. Seit Jahren wird diese Steuer, die auch als Börsenumsatzsteuer oder Tobin-Steuer bekannt ist, vor allem von den linken Schmuddelkindern gefordert. Niemand wollte damit etwas zu tun haben. Bis zum Sonntag lehnte die Bundesregierung diese Transaktionssteuer mit deutlichen Worten ab. Das FDP-Bambi Christian Lindner ließ sich sogar zu der Bemerkung hinreißen, die Forderung nach ihrer Einführung sei „eine reine Blendgranate“. Jetzt sind sie alle wieder anderer Meinung.

Man hat sich dazu entschlossen, eine solche Steuer einführen zu wollen, genauer gesagt, die Einführung zu prüfen. Europa will es nämlich so. Der Druck auf Deutschland nahm diesbezüglich enorm zu. Tja, welche Sprachkompetenz besitzt dann eigentlich unsere Kanzlerin, die bisher immer behauptete, dass eine solche Steuer realitätsfremd und international nicht durchsetzbar sei? Verstehen sich die Damen und Herren Politiker in Brüssel etwa nicht? Das wäre doch naheliegend, schließlich verstehen wir unsere Kanzlerin auch nicht, wenn sie ihre interpretationsoffenen Sprechblasen nach dem Anarcho-Motto absondert: „Mir nach, ich folge euch!“ (siehe Volker Pispers auf wdr2)

Die Kanzlerin legt sich selten fest. Doch bei der Transaktionssteuer tat sie es, weil Ackermann es so wollte. Dafür sollte die von den Banken in unverschämter Weise selbst favorisierte Bankenabgabe als harte Maßnahme gegen zockende Kreditinstitute verkauft werden. Ein Reinfall, wie sich nun herausstellt. Ich fürchte die Transaktionssteuer bleibt auch nur eine aufgeblasene PR-Nummer, die im Zuge der Verabschiedung des milliardenschweren Eurozonen-Rettungs-Pakets ins Spiel gebracht wird. Finanzminister Schäuble hat am Rande des gestrigen Ministertreffens in Brüssel auch schon seine Bedenken angemeldet, dass sich eine solche Steuer wohl kaum weltweit umsetzen ließe. Tja und wenn es doch möglich gewesen wäre, würde ich Schäuble den Mond als Begründung empfehlen. Dort kann man sie nämlich auf gar keinen Fall umsetzen…

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Jeder redet übers Sparen…

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…und keiner über vernünftige Wirtschaftspolitik. Da darf der fiese Suppen-Koch aus Hessen mit Radikalforderungen mehr als durchschaubar vorlegen, damit sich der Rest der politischen Nichtskönner daran jetzt wochenlang abarbeiten kann. Und keiner redet über vernünftige Wirtschaftspolitik. Vorhin hörte ich einen Kommentar im Radio, dass es ja die Schuldenbremse gäbe, die man einhalten müsse. Allein deshalb sei der Bund verpflichtet, ab 2011 Einsparungen in zweistelliger Milliardenhöhe pro Jahr vorzunehmen. Kaum zu schaffen, hieß es im Kommentar. Warum schafft man diesen Unsinn dann nicht einfach wieder ab, wenn ein Scheitern absehbar ist? Nein, kommt überhaupt nicht in die Tüte. An der Richtigkeit einer Schuldenbremse darf nicht gezweifelt werden.

Stattdessen könne man doch angeblich so unsinnige Subventionen wie die Steuerfreiheit auf Feiertags- und Nachtzuschläge streichen. Dann kämen schon einmal die ersten 10 Mrd. Euro für die Schuldenbremse zusammen. So ein ökonomischer Unfug. Wenn der Staat diese Steuerbegünstigung abschafft, schafft er gleichzeitig 10 Mrd. Euro bisher verfügbares Einkommen ab. Dieses, dann nicht mehr zur Verfügung stehende Einkommen, kann auch nicht mehr ausgegeben werden und einen Beitrag in Form privaten Konsums zum Wirtschaftswachstum leisten. Ferner wird Arbeit an Sonn- und Feiertagen unattraktiv, was ein Absinken der Produktivität zur Folge haben wird. Dies wiederum hat unmittelbar Auswirkungen auf das Bruttoinlandsprodukt. D.h., wenn der Staat eine angeblich so unsinnige Steuerbefreiung auf Sonn- und Feiertagsarbeit einfach so abschafft, spart er keine 10 Mrd. Euro, sondern zahlt ordentlich drauf. Seine Schulden werden mindestens um die angeblich eingesparten 10 Mrd. wachsen und wegen des einsetzenden Produktivitätsverlusts wahrscheinlich noch darüber hinaus.

Nur verstehen wird das dann wieder keiner und die Volldeppen der FDP, wie deren Haushaltsexperte Otto Fricke, sorry beim Wort Experte muss ich wieder lachen, wird dann wieder vortragen, wenn er bis dahin noch was zu sagen haben wird, dass die Ausgabenseite unser Problem sei. Ich will gar nicht weiter über Steuererhöhungen reden und die Notwendigkeit, Besserverdienende, Reiche und Vermögende sowie Unternehmen und Banken wieder verstärkt zur Kasse zu bitten, anstatt sie mit wirklichen Steuergeschenken permanent zu beglücken. Was mich stört, ist diese Selbstverständlichkeit mit der die Einhaltung der absurden Schuldenbremse propagiert wird. Nur weil sie es durch die große Verbrecherkoalition ins Grundgesetz geschafft hat, heißt es noch lange nicht, dass es richtig ist, dass sich der Staat der eigenen Handlungsfähigkeit beraubt, weil er es im Grunde wie absurderweise zulässt, durch die nunmehr einsetzende regelrechte Sparwut nicht weniger, sondern mehr Schulden zu machen. Denn bei der radikalen Kürzung öffentlicher Ausgaben und ein weiteres Absenken der Staatsquote, gibt es nichts mehr, das für einen konjunkturellen Aufschwung sorgen könnte.

Unverschämt fand ich auch, wie sich darüber aufgeregt wurde, dass der Suppen-Koch bei der Bildung sparen möchte. So als ob das nicht schon seit Jahren der Fall wäre. Trotz der Sonntagsreden zum Thema Bildung, fährt Deutschland seine Bildungsausgaben Jahr für Jahr zurück. Zwar hatte die Bundesregierung angekündigt, die Ausgaben für Bildung schrittweise auf 10 Prozent des BIP im Jahre 2015 anheben zu wollen, die Realität sieht aber so aus, dass vor allem neu gerechnet wurde. So zählen neuerdings auch Versorgungsbezüge für die Lehrer-Beamten und die Kosten für Liegenschaften von Schulen und Universitäten in Staatsbesitz zu den Bildungsausgaben. So hat es die Bundesregierung geschafft die Bildungsausgaben auf dem Papier zu erhöhen, ohne frisches Geld anfassen zu müssen. Toll oder?

Das Gerede über kommende Sparabsichten können sie getrost unter der Überschrift gesteuerte Ablenkung verbuchen. Die Mehrwertsteuer wurde vom Suppen-Koch ja auch wieder ins Gespräch gebracht. Da kackt einer einen ganz großen Haufen und die Fliegen kreisen darum, während der Rest des Landes und ganz Europa am Gestank des deutschen Scheißhaufens allmählich zu Grunde geht.

PS: Jetzt muss ich noch etwas zu vernünftiger Wirtschaftspolitik sagen oder? Ich zitiere mal den ehemaligen Chef der SPD und der Partei die Linke Oskar Lafontaine. Im Interview mit der Frankfurter Rundschau sagt er:

„Wir hätten mehr davon, wenn unsere politischen Gegner zugeben würden, dass all diese Vorschläge: Keynesianismus, Europäische Wirtschaftsregierung, Finanzmarktregulierung, von der Börsenumsatzsteuer bis zum Verbot des Handels mit Giftpapieren, die jetzt in aller Munde sind, lange Zeit allein von der Linken gegen heftige Widerstände vertreten wurden. Gerade wegen dieser Vorschläge sagten die Neoliberalen: Die Linke versteht nichts von Wirtschaft.“

Die Linke versteht vielleicht auch nichts von Wirtschaft, warum sollte man sich da mit den Deppen aus Union, FDP, SPD und Grünen drüber streiten, Oskar Lafontaine aber versteht etwas davon. Er ist nachweislich kein Wendehals, sondern stets seiner politischen Grundkonzeption treu geblieben. Man hätte auf ihn hören sollen. Denn die Pointe sieht am Ende so aus:

„Wir fordern aber als Antwort auf die Finanzkrise die Vergesellschaftung der Banken, und das wird dann als kommunistisch denunziert. Wer das so kritisiert, übersieht, dass Frau Merkel ja ebenfalls Banken verstaatlicht hat. Man könnte das ironisch auch so kommentieren: Sie ist nach dieser Lesart dann nicht nur in der FDJ gewesen, sondern heute noch eine Kommunistin. Und vergessen Sie nicht: Sie war ja am Anfang der Opel-Krise auch für eine Staatsbeteiligung, während die Linke für die Beteiligung der Belegschaft eingetreten ist. Wir wollten nämlich keinen VEB Opel, sie und einige Ministerpräsidenten schon eher. So viel zu diesen Wortklaubereien.“

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Die Rechnung mit Griechenland

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Die Zusage der Eurogruppe, Griechenland sofort 30 Mrd. Euro zur Verfügung zu stellen, hat ja weit und breit für gute Stimmung gesorgt. Vor allem an den Finanzmärkten. Von einem guten Geschäft faselt ja nicht nur Sven Böll vom Spiegel, sondern auch die Börsenhonks und Börsentussen, die uns täglich mit Kurven und Charts erklären wollen, wie sich die Wirklichkeit entwickelt. Einen dreijähjrigen Kredit über 30 Mrd. Euro an die Griechen zu geben und dafür fünf Prozent Zinsen zu erhalten, während man selbst frisches Geld für rund 3 Prozent leihen kann, sei doch super. Da besteht ja eine Gewinnmarge, so der Tenor.

Doch was bringt dieses Supergeschäft eigentlich nüchtern betrachtet? Können die Griechen ihre Probleme damit etwa lösen? Keiner fragt danach. Dabei kann man sich das doch ausrechnen. Das griechische Sparprogramm, das von Frau Merkel und der EU als große Leistung und Kraftanstrengung gelobt wurde, hat ja einen Umfang von 4,8 Mrd. Euro. Nun sollen die Griechen aber, falls sie auf das sog. Hilfspaket der Eurogruppe zurückgreifen, fünf Prozent Zinsen pro Jahr auf eine Kreditsumme in Höhe von 30 Mrd. Euro zahlen. Das sind dann pro Jahr 1,5 Mrd. Euro, die über den laufenden Schuldendienst beglichen werden müssen. In drei Jahren also zusammen 4,5 Mrd. Euro, die zusätzlich im Haushalt eingeplant werden müssen. Für wen sparen die Griechen dann eigentlich?

Mit anderen Worten: Frau Merkel, die EU und die depperten Börsianer haben überhaupt kein Interesse an der Stabilität Griechenlands oder des Euros, sondern sind lediglich darum bemüht, die Renditen der Kapitalanleger zu sichern. Ohne die konkrete Hilfszusage der Eurogruppe hätte Griechenland die im Mai fälligen Alt-Verbindlichkeiten nicht ablösen können und den Staatsbankrott verkünden müssen. Die Gläubiger, also vor allem deutsche und französische Banken hätten hohe Abschreibungen vornehmen und deren Anleger herbe Verluste hinnehmen müssen. Aber mit der gestern rasch erklärten Hilfszusage ist nun klar, dass alte und neue Gläubiger noch einmal richtig abkassieren dürfen, bevor die gesamte Eurogruppe zusammenbricht. Das wird nämlich passieren, wenn tatsächlich dieser Schwachsinnskurs beibehalten wird.

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Commerzbank: Bund zweifelt an Rückzahlung von Milliardenhilfen

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Spielt es eigentlich noch eine Rolle, was in den Banken mit unserem Geld passiert? Spielt es eigentlich noch eine Rolle, wie dumm und einfältig sich Journalisten verhalten haben, als der Staat mit Steuergeld marode Banken rettete. Die Commerzbank wurde vom Bund zum Beipiel mit 18,2 Mrd. Euro gerettet. Das war das Sechsfache des damaligen Börsenwertes. Begnügt hat sich der Bund mit 25 Prozent plus einer Aktie und einem selbstauferlegten Maulkorb. Stille Einlage nannte man das und die Journaille freute sich seinerzeit über das Vorgehen des Staates. Man glaubte, dass die Banken, wie der Fall Schweden in den 90ern zeigte, die großzügigen Geldleistungen des Staates mit ordentlichen Zinsen vergelten würden. Wie schrieb Claudia Brebach von der Neuen Presse Hannover am 10.11.2008?

„Der Fall Commerzbank hat Bankern aber wohl auch klar gemacht, dass es kaum weh tut, zum Staat zu gehen. Die Konditionen des Bundes bei der Not-Kreditvergabe sind moderat, er mischt sich nicht einmal ins Kerngeschäft ein, sondern begnügt sich mit einem guten, von den Banken bezahlbaren Zinsertrag. Eigentlich müsste es geradezu einen Run auf Staatskredite geben.“

Ein Kommentar, der mich noch heute tierisch aufregt. Damals habe ich mit der Journalistin korrespondiert und ihr klarzumachen versucht, dass sie sich im Irrtum befindet und einen schweren Fehler begeht, wenn sie so unkritisch berichtet. Das alles hat sie nicht interessiert und argumentiert, dass nichts darauf hindeute, dass der Steuerzahler da irgendetwas finanziert und nichts zurückbekäme (siehe hier und hier im Blog).

Inzwischen schreiben wir das Jahr 2010 und Frau Brebach wird sich kaum noch an den Briefwechsel erinnern. Ich hätte es auch dabei belassen, wenn nicht nach der Commerzbank selbst im Jahr 2009, nun auch der Bund in Gestalt seiner Soffin-Kontrolleure eingesteht, dass es von der Commerzbank auf Jahre hinaus keine Zinszahlungen geben werde und es wohmöglich besser wäre, auf einen Teil des investierten Geldes, also den 18,2 Mrd. Euro, gleich ganz zu verzichten.

Quelle: MMnews

Im Soffin mehren sich sogar die Stimmen, die von Teilverlusten der Staatshilfe ausgehen. „Ob das Geld jemals ganz zurückgezahlt werden kann, da bin ich skeptisch“, sagt ein Teilnehmer der Runde. Es sei vielleicht sogar sinnvoll, einen Teil des Geldes abzuschreiben.

„Der Bund muss kühl durchrechnen, ob es nicht sinnvoller ist, auf einen Teil des Geldes zu verzichten“, sagte ein weiterer der WirtschaftsWoche. Dahinter steckt die Erwartung, dass sich die Anteile an der Commerzbank nicht verkaufen lassen, solange die Bank keine Dividenden zahlen kann.

Eine schöne Bescherung. Bitte sagen sie es auch anderen weiter, wie das mit dem Steuergeld für systemische Banken konkret funktioniert. Da fließt nichts zurück. Die beteiligten Parteien setzen wohl auf die Vergesslichkeit in der Bevölkerung.

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TV-Tipp: Neues aus der Anstalt – Folge 31

Geschrieben von:

Am kommenden Dienstag um 22:15 Uhr ist es wieder so weit. Die Anstalt öffnet im ZDF ihre Pforten. Wie immer „Live“ und direkt nach dem heute-journal.

Quelle: ZDF

Zu einem satirisch-therapeutischen Kurzaufenthalt schauen am 26. Januar 2010 in der Anstalt vorbei: Horst Evers, Django Asül und Bülent Ceylan.

Die Anstalt startet also am Jahrestag der Gründung der Deutschen Terminbörse (DTB) vor zwanzig Jahren. Das könnte man ja auch zum Thema machen. Inzwischen gibt es die DTB ja nicht mehr, sondern firmiert unter dem Namen EUREX. Die European Exchange (EUREX) ist eine der weltweit größten Terminbörsen für Finanzderivate (also Futures und Optionen) mit 2,165 Milliarden Kontrakten allein im Jahr 2008.

Man könnte ja z.B. der Frage nachgehen, warum es der Politik so schwer fällt, auf diese Kontrakte, die Jahr für Jahr enorm gestiegen sind, eine kleine Steuerabgabe einzufordern. Eigentlich müsste das Entsetzen groß sein, dass es nicht so ist.

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Einige Grafiken zur Verdeutlichung der Wirtschaftslage

Geschrieben von:

Auf der Seite des Statistischen Bundesamtes findet man einige Grafiken, die etwas deutlicher die tatsächliche wirtschaftliche Lage vor Augen führen. Vor allem der durch die Finanzkrise ausgelöste tiefe Entwicklungseinbruch zeigt, dass die zuletzt gefeierten positiven Zahlen aus der Wirtschaft in einem anderen Licht erscheinen. Vor diesem Hintergrund verbietet es sich eigentlich wie Bundeswirtschaftsminister Brüderle davon zu sprechen, dass sich die deutsche Wirtschaft deutlich erhole. Das tut sie nicht.

Anhand der beiden folgenden Grafiken können sie nachvollziehen, wie sich die Auftragseingänge im verarbeitenden Gewerbe und der Produktionsindex bis einschließlich November 2009 entwickelt haben. Die jeweiligen Werte für das Jahr 2005 gelten dabei als 100 Prozent. Seit dem dramtischen Einbruch zur Jahreswende 2008/2009 kann man durchaus eine leichte Wachstumstendenz erkennen. Die ist aber aufgrund der Absturztiefe und den ergriffenen konjunkturellen Maßnahmen weltweit nur logisch. Deutschland profitiert von Konjunkturprogrammen. Das ist unbestritten. Deutschland selbst, tut aber viel zu wenig, um erstens aus dem eigenen Tal herauszukommen und zweitens der Welt zu helfen, damit auch andere Volkswirtschaften die Wirtschaftskrise schneller überwinden können.

Wenn sie mal frei von statistischer Genauigkeit die Tendenz der beiden Grafiken nur in Gedanken verlängern, werden sie feststellen, dass es doch mindestens bis 2015 dauert, bis wir wieder das Spitzenniveau aus den Jahren 2007/2008 erreicht haben. Vorausgesetzt das Tempo der wirtschaftlichen Entwicklung bleibt auf dem Brüderleschen „Erholungsniveau“. Wollen wir etwa so lange Kurzarbeitergeld zahlen, für die Beschäftigten, die angesichts der Entwicklung noch immer betriebswirtschaftlich überflüssig sind? Ohne weitere massive Konjunkturmaßnahmen, die die Bundesregierung ja ablehnt und stattdessen bereits eine Ausstiegsstrategie verfolgt, bleiben sie auch überflüssig. So sieht die bittere Realität aus.

Auftragseingang_destatis November 2009

Produktionsindex für das Produzierende Gewerbe (November 2009)

Sehr interessant ist auch der Preismonitor des Statistischen Bundesamtes, aus dem sie die Preisentwicklung für häufig gekaufte Produkte ablesen können. Besonders auffallend sind die Energiepreise. Trotz Krise steigt zum Beispiel der Preis für leichtes Heizöl im Jahr 2009 wieder an.

Preisabstand in Prozent gegenüber dem Jahr 2005

Extra leichtes Heizöl
Preisentwicklung bei leichtem Heizöl

Nahezu unbeeindruckt von Krise und der Preisentwicklung an der Strombörse steigt der Preis für Strom kontinuierlich an. Das ist auch total verrückt. Zu Weihnachten gab es in Deutschland zuviel Strom, weil viel Wind und unflexible Großkraftwerke für ein Überangebot sorgten (siehe taz).

Nie zuvor in Deutschland war Strom im Großhandel so billig wie am zweiten Weihnachtstag: Wer sich für diesen Tag über die Leipziger Strombörse EEX Energie beschaffte, bekam sogar noch Geld oben drauf. Denn im Tagesmittel lag der Preis am Spotmarkt bei minus 3,6 Cent je Kilowattstunde.

Geben die Versorger ihnen Geld zurück oder senken die Preise, wie es nach der Privatisierung dieses Wirtschaftsbereichs immer wieder versprochen wurde?

Strom
Preisentwicklung bei Strom

Und ganz frech die Teuerung bei den Tageszeitungen. Die müssten eigentlich angesichts der schwindenden Qualität in den Blättern billiger werden. Ich wäre aber dringend dafür, dass die Qualität verbessert wird, indem wieder mehr Mitarbeiter beschäftigt und Unabhängigkeit gefördert wird. Dann ist auch der Preis gerechtfertigt.

Tageszeitungen
Preisentwicklung bei Tageszeitungen

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Spekulation mit Rohstoffen ist Gift für die Konjunktur

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Sie haben es vielleicht schon gemerkt. An den Tankstellen steigen die Preise wieder, obwohl die Ferien mittlerweile vorbei sind. Einen nachvollziehbaren Grund gibt es dafür nicht. Dennoch werden Konzerne sicherlich einen Sack Reis irgendwo auf der Welt finden, den sie umstoßen können, um zu behaupten, dass dadurch die Preise naturgemäß steigen müssten. Das ist alles quatsch. Noch immer haben wir Krise. Also einen Zustand, in dem deutlich weniger Nachfrage an Waren besteht. Die aktuellen volkswirtschaftlichen Daten haben das noch einmal deutlich gezeigt. Demzufolge besteht auch weniger reale Nachfrage nach realen Rohstoffen, aus denen man Waren produzieren könnte. Und dennoch ziehen die Preise für Rohstoffe an.

Öl kostet inzwischen mehr als 80 US-Dollar je Barrel (159 Liter), nachdem es sich in Folge der Weltwirtschaftskrise Anfang 2009 innerhalb weniger Monate von fast 150 auf gut 30 Dollar verbilligt hatte. Einer Studie des Internationalen Währungsfonds (IWF) zufolge legten zwischen Februar und November 2009 die Preise für Rohstoffe um 40 Prozent zu. Der IWF spricht im Zusammenhang mit diesem Index von einem sehr ungewöhnlichen Anstieg, da in vergleichbaren Phasen früherer Krisen die Preiserholung im Schnitt nur bei fünf Prozent lag.. In zahlreichen Indizes und bei einzelnen Rohstoffen wurden in den zurückliegenden Monaten sogar historisch einmalige Preisexplosionen festgestellt. Der bekannte Standard-&-Poors-GSCI-Rohstoffindex, der 20 sehr verschiedene Güter wie Getreide, Gold, Öl oder Kakao und Aluminium bewertet, legte 2009 beispielsweise um mehr als 50 Prozent zu – der stärkste Kursanstieg seit dessen Einführung 1970. Rekorde können inzwischen auch die Notierungen für Zucker und Kakao verbuchen, die sich auf dem höchsten Niveau seit gut drei Jahrzehnten bewegen.

Quelle: junge Welt

Dass die Preise für Rohstoffe rasant ansteigen, liegt also nicht an einer stärker werdenden realwirtschaftlichen Warennachfrage, sondern daran, dass auf den Finanzmärkten munter weitergezockt werden darf. Mit der Erfahrung, dass ein Crash und die damit verbundenen hohen Verluste durch Staaten und deren Steuerzahler aufgefangen und beglichen werden, ohne dass die Branche Konsequenzen zu fürchten bräuchte, steigt auch das Risikoverhalten auf dem Börsenparkett.

Doch wenn die Preise für Rohstoffe steigen, werden auch Waren zwangsläufig teurer. In einer noch nicht überstandenen Wirtschaftskrise wird somit eine konjunkturelle Erholung bereits von vornherein verhindert, da die ohnehin schwache Kaufkraft für Güter des Grundbedarfs vollständig eingesetzt werden muss. Wo sollen also zusätzliche Mittel für eine konjunkturbeflügelnde Nachfrage herkommen? Aus Steuersenkungen wie die FDP meint? Aus Steuersenkungen, die die kritische Finanzlage von Bund und vor allem Kommunen noch weiter verschärfen würde und die zwangsläufig zu geringeren öffentlichen Leistungen, höheren Gebühren und damit zu einer höheren Belastung vor allem jener führt, die ihr gesamtes Einkommen verbrauchen müssen, um zu leben?

Bundeswirtschaftsminister Brüderle schaute ja gestern wieder besonders tief ins Glas und sagte, dass die Bürger mehr Geld in der Tasche bräuchten, um die Konjunktur durch mehr Konsum anzukurbeln. Mehr Geld heißt natürlich übersetzt mehr Netto vom Brutto durch Verzicht auf das „Geschenk der Bürger an den Staat“ mit Namen Steuerabgaben, um mal bei der Worthampelei des durchgeknallten Parteichefs Westerwelle zu bleiben. Mehr Geld durch höhere Bruttolöhne und vor allem Mindestlöhne, die erstens eine relative Einkommenssicherheit bedeuten und zweitens eine breite Verbesserung der Kaufkraft, die dann auch in mehr Konsum umgesetzt werden könnte, schließen der Fachidiot Brüderle wie auch sein weggetretener Parteichef kategorisch aus. Und Schlecker spendet wahrscheinlich noch Beifall, während die Bundesregierung untersuchen will, ob ein Gesetz, das zum Missbrauch bei der Zeitarbeit einlädt, weil es die Politik genau so wollte, missbräuchlich ausgenutzt werde. Das ist doch verrückt.

Übrigens meint der Brüderle angesichts der heute veröffentlichten Zahlen zum Bruttoinlandsprodukt 2009 (ich habe darüber in meinem letzten Beitrag berichtet) doch tatsächlich, dass sich die deutsche Wirtschaft deutlich erholt habe. Quelle: Blöd-Zeitung

Na wenn das so ist, sollte ich vielleicht auch mal zum Glas greifen und einen Artikel übers Schönsaufen verfassen. :roll:

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