Denkpause ohne Folgen

Geschrieben von: am 06. Jul 2023 um 19:56

Das Gebäudeenergiegesetz (GEG) sollte vor der Sommerpause noch unbedingt durchs Parlament, weil am 8. Oktober wichtige Landtagswahlen in Bayern und Hessen sind. Ende der Geschichte. Wäre da nicht ein Eilantrag eines Abgeordneten vor dem Bundesverfassungsgericht, dem stattgegeben wurde und die Regierung kalt erwischte. Nun soll der Bundestag erst nach der Sommerpause im September entscheiden. Die Denkpause will die Ampelkoalition aber nicht nutzen, um das Gesetz zu ändern oder gleich ganz darauf zu verzichten. Das Wählergedächtnis, das nun weniger Zeit zum Vergessen hat, wird es sicherlich zur Kenntnis nehmen.

Die Abgeordneten müssen Informationen nicht nur erlangen, sondern auch verarbeiten können. So ähnlich formulierte es das Bundesverfassungsgericht. Das ist eigentlich eine Binse, doch in diesem konkreten Fall stellen die Karlsruher Richter auch endlich einmal klar, das die ständige Zunahme verkürzter Gesetzgebungsverfahren nicht in Ordnung ist. Wer ständig von der Demokratie schwätzt, sollte die Rechte des Parlaments nicht ebenso regelmäßig mit Füßen treten. Schönen Gruß an den moralisierenden Markus Lanz, der am Dienstag noch die Empörungswelle gegen Hubsi Aiwanger im Fernsehstudio ritt. Am Mittwoch hat dann das Bundesverfassungsgericht aber tatsächlich so etwas wie die Demokratie zurückgeholt.

Das war schon lustig, wie der ZDF-Mann in seiner Sendung „Alle gegen einen“ versuchte, dem Chef der Freien Wähler vorzuwerfen, er hätte mit seinem Demo-Auftritt irgendwie die Demokratie verächtlich gemacht. Dabei will die Ampel Gesetze auf verfassungsrechtlich bedenkliche Art und Weise durch den Bundestag pauken. Da kann man denen in Berlin schon mal sagen, „ihr habt ja wohl den Arsch offen.“ Das ist nur die drastische Kurzform von: „Unter den besonderen Umständen des Einzelfalls überwiegt das Interesse an der Vermeidung einer irreversiblen Verletzung der Beteiligungsrechte des Antragstellers aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG gegenüber dem Eingriff in die Verfahrensautonomie des Deutschen Bundestages, der die Umsetzung des Gesetzgebungsverfahrens lediglich verzögert.“ Da kann sich Markus Lanz ruhig wieder abregen.

Hubert Aiwangers politische Ansichten zeugen inhaltlich von großer Inkompetenz, da hätte man ansetzen können, doch aber nicht, wenn er für sich das Recht in Anspruch nimmt, die Wähler anzusprechen und dort abzuholen, wo er sie vermutet. Meine Güte, wie bescheuert kann man im eingeengten woken Debattenraum noch werden. Andere Beobachter wundern sich derweil zurecht über einen Gesetzentwurf. Sie berichten über die eilig übers Wochenende anberaumte Expertenanhörung.

Die Expertenanhörung zum Gesetz hat die Einsamkeit der Ampel-Regierung illuminiert. Die vielen Köche – Habeck hat vorgekocht, Lindner nachgewürzt und der Kanzler das ganze einmal verwässert – haben den Brei verdorben. Die Experten zeigen sich enttäuscht, empört, entsetzt.

The Pioneer Briefing

Entsetzt ist das richtige Wort. Wie kann man überhaupt ein Gesetz beschließen wollen, bei dem jeder nur mit dem Kopf schüttelt und sich fragt, wo da eigentlich der Beitrag zum Klimaschutz sein soll, wenn selbst das Wirtschaftsministerium nur von einer CO2-Einsparung von 1,4 Prozent unter optimalen Bedingungen ausgeht. Was soll das? Ein schneller Beschluss, um politische Handlungsfähigkeit zu demonstrieren? Das dachte Andreas Scheuer bei seinem Maut-Irrsinn auch. Legendär ist seine Aussage, er habe halt eine andere Rechtsauffassung als die Richter am EuGH. Dank der Gewaltenteilung zählte deren Kompetenz dann aber mehr als die eines aufgeblasenen Ministers mit „kleinem Doktorat“, das nur in Bayern und Berlin etwas gilt. Die Rechtsauffassung Scheuers kostet dann jetzt auch, nur den Andreas Scheuer nichts.

Den Preis für derartige politische Sottisen tragen die Menschen im Lande, denen man nun vorwirft, ihr Wahlrecht zu missbrauchen. Sawsan Chebli, die nach ihrem Ausscheiden aus dem Staatsdienst, nun als Kolumnistin arbeitet, erklärt im Tagesspiegel wörtlich: „Es braucht jetzt harte zivile, politische und staatliche Stoppsignale an jene, die ihr Wahlrecht wissentlich und rücksichtslos zum Schaden ihrer Mitmenschen gebrauchen.“ Eine Denkpause und das Grundgesetz hervorgekramt. Da steht im Artikel 38. „Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt.“ und, „Wahlberechtigt ist, wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat; wählbar ist, wer das Alter erreicht hat, mit dem die Volljährigkeit eintritt.“ Vielleicht hat sie ja auch die SPD-Wähler gemeint. Richtig wäre das dann aber trotzdem nicht.


Bildnachweis: Gerd Altmann auf Pixabay

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Jörg Wiedmann  Juli 7, 2023

    Das Verfassungsgericht ist endlich mal wieder seiner Aufgabe nachgekommen und das war in letzter Zeit nicht unbedingt immer der Fall. Ich denke an das Gesetz zum Klimaschutz wo Deutschland noch ein Restkontingent bis 2050 zugesprochen wurde. Die Berechnung dieses Kontingents war hanebüchen und weit entfernt von jeder Realität. Zudem wird die -nach diesem Urteil- Deutschland verbleibende Restmenge Co2 bis 2050, in China in 6 Monaten ausgestoßen. Lächerlich.
    Überhaupt geht mir dieses Klima, Klima, Klimagedöns inzwischen nur noch auf die Nerven.
    Zumal Anspruch und Wirklichkeit weit auseinander klaffen.
    Wenn es wirklich um die Reduktion der Co2 Emissionen ginge, hätte man die AKW niemals abschalten und durch Kohlekraftwerke einsetzten dürfen. Im Gegenteil man hätte zumindest für die nächsten Jahre neue Brennstäbe bestellen und die Laufzeit verlängern müssen.
    Das Ziel müsste sein die Co2 Emissionen so schnell, so effizient und kostengünstig wie möglich zu senken.
    Da ist das GEG das genaue Gegenteil.
    Aber darum geht es ja auch nicht wirklich.
    Der Multibillionenmarkt Klimaschutz ist eine Goldgrube für Investoren, deren Wünsche es umzusetzen gilt und genau das macht unsere (H)ampelregierung perfekt.
    Das der Bürger darunter leidet ist bedauerlich, spielt aber anscheinend keine Rolle.
    Das Murkan nun gegen den großen Protest der dort ansässigen Bürger, gegen den Umwelt und Naturschutz, gegen jeden Verstand, zum LNG Hafen ausgebaut werden soll ist nur noch Wahnsinn.