Brüderle boykottiert das Sparpaket

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Das Sparpaket der Bundesregierung ist ökonomischer Unsinn. Das ist schon lange klar. Nun möchte man aber meinen, dass die Ressortchefs, die sich jetzt im Sommerloch ganz offen gegen die eigenen Sparvorschläge wenden, etwas mehr Sachverstand erkennen lassen. Dem ist aber nicht so. Ich gebe zu, etwas anderes habe ich persönlich auch nicht erwartet.

WeinWirtschaftsminister Rainer Brüderle zum Beispiel lehnt die Vorgaben für sein Ressort wie folgt ab.

Quelle: Süddeutsche (dpa)

Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle geht auf Distanz zu dem von Finanzminister Wolfgang Schäuble vorgelegten Gesetzentwurf für eine Luftverkehrssteuer. Laut «Rheinische Post» warnt Brüderles Ministerium vor einem Verlustgeschäft. Die Einbußen durch die Steuer könnten doppelt so hoch sein wie die erwarteten Einnahmen. So sei mit einem erheblichen Rückgang der Passagierzahlen zu rechnen. Auch für die Beschäftigung seien «negative Effekte» zu erwarten. Die Abgabe soll dem Bundeshaushalt jährlich eine Milliarde Euro bringen.

Was für ein Blödsinn. Glaubt denn wirklich jemand in dem nur scheinbar hochkompetent besetzten Wirtschaftsministerium, dass ein Preisaufschlag von vielleicht 10 oder 20 Euro auf den Ticketpreis dazu führen wird, dass zahlreiche Passagiere ins Auto oder die Bahn umsteigen werden, um zu ausländischen Flughäfen zu fahren, wo sie dann erst in ein Flugzeug einsteigen, um ihre Geschäftsreise fortzusetzen? Wer das glaubt, der glaubt auch daran, dass nun wegen des Preisunterschieds entlang der deutschen Grenze ganz viele neue Flughäfen eröffnet werden, um den zu erwartenden Strom von Menschen, die 10 oder 20 Euro sparen wollen, abzufangen.

Ein bisschen klingt das wie die Begründung für die Senkung der Mehrwertsteuer für Hotelübernachtungen. Damals wurde von der FDP ja auch behauptet, dass die Menschen eher im Ausland übernachten würden als in deutschen Hotels. Mit anderen Worten, ein Geschäftsreisender, der in Berlin zu tun hätte, würde aus Kostenerwägungen heraus lieber in Amsterdam übernachten, deshalb müsse man die Mehrwertsteuer für Übernachtungen senken, um deutsche Hotels wettbewerbsfähiger zu machen.

Herr Brüderle hat einen Vollschuss. Und die Medien, die diesen Quark wieder als seriösen Einwand des Ministers verkaufen, sollten den Sendebetrieb oder die Produktion endlich einstellen und das machen, was bei diesem Wetter angebracht wäre. Ins Freibad gehen und eine Abkühlung nehmen. Man fasst es ja nicht.

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Wirtschaftsdaten: Es ist einfach zu heiß für einige

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Gestern konnte ich mich leider nicht zu den gerade wieder gefeierten Aufschwungsdaten der Statistiker aus Wiesbaden äußern. Bei dem schönen Wetter und nach dem enttäuschenden WM-Halbfinale mussten wir mal raus. Lustig dabei war, dass uns der Weg ausgerechnet nach Hannover in den Stadtpark führte, in dem regelmäßig das berühmte „NP-Rendevouz“ stattfindet. Ein Familienfest, welches von der Neuen Presse Hannover ausgerichtet wird und über das die Lokalredakteure dann seitenlang recht günstig berichten können.

Aber lassen wir das. Jetzt geht es um die Wirtschaft. Haben sie gestern auch die Jubelschreie vernommen, wonach die deutschen Exporte so stark gestiegen seien wie seit zehn Jahren nicht mehr. Wow, habe ich da gedacht. Wenn man dann nur noch dazu gesagt hätte, dass die deutschen Exporte im gleichen Zeitraum des letzten Jahres so stark eingebrochen waren, wie seit Jahrzehnten nicht mehr, hätte das eine runde Sache werden können. Aber so bleibt die Leistung zahlreicher Medien in Bezug auf die Einordnung des Exportanstiegs im Mai 2010 einmal mehr hinter der Bedeutung des Begriffs Qualitätsjournalismuns meilenweit zurück.

Im Februar 2010 meldete das statistische Bundesamt „Ausfuhr im Jahr 2009 insgesamt um 18,4% niedriger als 2008“ (siehe destatis). Im Text hieß es dann.

Die deutschen Ausfuhren waren damit im Jahr 2009 um 18,4% und die Einfuhren um 17,2% niedriger als im Jahr 2008. Sowohl einfuhr- als auch ausfuhrseitig war das der höchste Rückgang eines Jahresergebnisses der Außenhandelsstatistik seit 1950.

Gestern dann folgende Meldung (siehe destatis).

Die deutschen Ausfuhren waren damit im Mai 2010 um 28,8% und die Einfuhren um 34,3% höher als im Mai 2009. Ausfuhrseitig war das der höchste Anstieg eines Monats gegenüber dem Vorjahresmonat seit Mai 2000 (+ 30,7%), einfuhrseitig seit Januar 1989 (+ 38,9%).

Daraufhin drehte die halbe Medienmeute durch, vor allem die Börsen-Honks und Honkinen, die aus den Zahlen eine Bestätigung des wirtschaftlichen Aufschwungs herauslasen und eine freudige und rosige Zukunft vorhersagten. Schließlich durchbrach auch der DAX die „psychologisch“ wichtige Marke von 6000 Punkten und das sei ein gutes Zeichen, so die als seriöse Menschen verkleideten Kirmes-Wahrsager. Wenn sie an solchen Unfug glauben wollen, bitteschön. Aber es gibt auch harte Fakten, die man dringend zur Kenntnis nehmen sollte. Es hätte zum Beispiel schon ausgereicht die Überschriften der destatis-Meldungen von heute und von vor einem Jahr zu vergleichen, um klarer zu sehen.

Pressemitteilung Nr.237 vom 08.07.2010
Deutsche Ausfuhren im Mai 2010: + 28,8% zum Mai 2009

Pressemitteilung Nr.255 vom 09.07.2009
Deutsche Ausfuhren im Mai 2009: – 24,5% zum Mai 2008
Quelle: NachDenkSeiten

Dennoch wurde auch etwas Wahres gesagt. Nämlich, dass die Weltwirtschaft stärker wachse als die europäische und insbesondere die deutsche Wirtschaft. Der deutsche Außenhandel profitiere somit von der guten weltwirtschaftlichen Entwicklung. Das ist in der Tat mal etwas neues in deutschen Medien. Denn bisher wurden Aufschwünge stets als Beleg für eine richtige Politik gedeutet, während man bei Abschwüngen automatisch auf weltwirtschaftliche Einflüsse verwies.

Mit dem Krisenverlauf und seit der intensiven Diskussion um Handelsbilanzdefizite bzw. -überschüsse ist immerhin klar geworden, dass sich die deutsche Wirtschaft in einer existenziellen Abhängigkeit zur weltwirtschaftlichen Entwicklung befindet. Dann hätte man aber ganz klar sagen und schreiben müssen, dass der Anstieg der deutschen Ausfuhren im Mai nur möglich war, weil in anderen Volkswirtschaften noch immer schuldenfinanzierte Konjunkturprogramme laufen. Nur zur Erinnerung, die Bundesregierung will mit ihrem Sparpaket bereits jetzt den Ausstieg aus den eigenen Programmen umsetzen und empfielt ferner, dass die europäischen Partner es ihr gleichtun. Dabei hat Deutschland mit seinen vergleichsweise mickrigen Konjunkturmaßnahmen überhaupt noch keinen bedeutenden Beitrag zur Stabilisierung der Weltwirtschaft geleistet. Das zeigt letztlich auch die Handelsbilanz. Der Exportüberschuss betrug im Mai schon wieder fast 10 Mrd. Euro.

D.h. der Export nimmt nach wie vor einen hohen Anteil am BIP ein, während der private Konsum stetig abnimmt und damit als Stabilisator bei weiteren Einbrüchen immer noch ausfällt. Man stelle sich nur einen weiteren weltweiten Nachfrageeinbruch vor. Deutschland würde es wieder am härtesten treffen und Schäuble, Merkel und Co. müssten ein neues Rekorddefizit verkünden und verwalten. Sparabsicht und Sparerfolg würden dann wieder ziemlich weit auseinander liegen. Aber das erkennen deutsche Journalisen nicht. Sie glauben, dass bereits die Sparabsicht zum Sparerfolg führen würde. Dabei ist das Gegenteil richtig.

Aber zurück zu den Fakten. Vielleicht helfen ein paar Grafiken. Ein wichtiger Konjunkturindikator sind die Auftragseingänge in den Unternehmen, hier im verarbeitenden Gewerbe. An diesem Kurvenverlauf können sie die Lage von vor und nach dem Crash 2009 sehr schön sehen und vergleichen. Nach einer leichten Erholung, nach dem dramatischen Einbruch im letzten Jahr, befinden sich die Auftragseingänge noch lange nicht auf dem Vorkrisenniveau. Es ist soger wieder ein Rückgang zu verzeichnen.

Auftragseingänge_KURVE

Das bedeutet, dass die Kapazitäten in der deutschen Wirtschaft weiterhin nicht ausgelastet sind. Hier findet also kein phantastisches Wachstum statt, sondern lediglich ein Aufholprozess, dessen Ursache in dem tiefen Absturz vom letzten Jahr zu finden ist.

Auftragseingänge_NEU

Der Rückgang der Auftragseingänge im Mai kommt bei der überwiegend positiven Beurteilung der wirtschaftlichen Lage überhaupt nicht vor. Dabei sollte man die Frage nach der Unterauslastung stellen, von der schließlich auch die Belastung der öffentlichen Hand durch Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit abhängt. Warum? Es wird schlicht weniger produziert. Auch das kann man grafisch darstellen bzw. auf der Seite des statistischen Bundesamts abrufen.

Verarbeitendes Gewerbe

Wenn mit der gleichen Kapazität, den gleichen Maschinen und dem gleichen Personal insgesamt weniger produziert wird, rechnet sich das für den Unternehmer nicht. Er wird Personal abbauen oder gegen billigere Lösungen (Kurzarbeiter, Leiharbeiter, Teilzeit, Befristungen) austauschen. Er wird auch nicht mehr investieren, weil er ja genug Kapazitäten hat, um entsprechende Auftragsspitzen bewältigen zu können. Auch das zeigen die Daten zu den Ausrüstungsinvestitionen ganz klar.

Ausrüstungsinvestitionen

Und all das deutet eben nicht auf einen Aufschwung hin, sondern eher auf einen vorübergehenden Aufholprozess im Zuge des tiefen Einbruchs. Heute werden auch wieder alle Inflationswarner Lügen gestraft. Die Verbraucherpreise bleiben nämlich im Keller. Die Teuerungsrate legt nur leicht um 0,9 Prozent gegenüber dem letzten Jahr zu (siehe destatis). D.h. die Zeichen stehen weiterhin auf Deflation. Und das ist auch klar, wenn man sich die oben angeführten Konjunkturindikatoren vor Augen hält sowie die Absicht der Bundesregierung und anderer Regierungen, radikal in ihren Haushalten sparen zu wollen. Das führt eben nicht zu einer höheren Nachfrage und folglich auch nicht zu mehr Konsum, der durch ein Vorhalten von großen wirtschaftlichen Kapazitäten befriedigt werden müsste.

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GovWild: Eine nützliche Datensammelstelle

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Seit einiger Zeit nehmen die Überwachungstendenzen des Staates zu. In den Augen von Hardlinern wie Schily, Schäuble und nun auch de Maizière sollte der Bürger gläsern sein. Umgekehrt sieht es ganz anders aus. Wenn Politiker offenlegen sollen, in wessen Diensten sie stehen, welchen Nebentätigkeiten sie nachgehen, dominiert ausweichendes Verhalten und Verschleierung. Der Bundesinneminister a.D. Otto Schily weigerte sich ja bis zu seinem Ausscheiden aus dem deutschen Bundestag 2009, der parlamentarischen Offenlegungspflicht seiner Nebeneinkünfte gegenüber dem Bundestagspräsidium nachzukommen. Selber war er aber an Gesetzen maßgeblich beteiligt, die die Aushölung des Datenschutzes, den Ausbau von Überwachungssystemen und die Beschränkung von Freiheitsrechten regelten.

Zum Beispiel ist es auf seine Initiative zurückzuführen, dass in Deutschland ein biometrischer Reisepass eingeführt wurde. Inzwischen ist auch bekannt, dass Schily im Aufsichtsrat der Firma SAFE ID Solutions AG sitzt, die an der Entwicklung solcher Dokumente beteiligt ist und durch Schilys politische Initiative nunmehr einen unternehmerischen Gewinn erzielen konnte.

Solche Verbindungen zwischen Politik und Wirtschaft zeigen meist im Nachhinein die Kurrumpierbarkeit von öffentlichen Amtsträgern. Ziel muss es also sein, bereits frühzeitig Verbindungen zwischen der Wirtschaft, Politikern und Gesetzesinitiativen zu erkennen. Dabei helfen könnte eine neue Suchmaschine im Netz, die am 10 Juli ihren Betrieb aufnehmen will.

Die Macher von GovWild, Studenten der Universität Potsdam, haben dazu ein Analyseverfahren entwickelt, dass unter Einbeziehung frei verfügbarer Daten im Internet, Verbindungen zwischen Politikern und Unternehmen aufpüren kann.

Die Integration von Informationen aus unterschiedlichen Quellen mache es möglich, „ganz neue, vorher unbekannte Details sichtbar“ zu machen. Das von IBM unterstützte Projekt versteht sich als Teil der Initiativen mit dem Schlagwort „Open Government Data“, die öffentliche Daten von Behörden frei verfügbar machen wollen.

„Wir schaffen die Grundlage, um Daten transparenter zu gestalten und interessante Beziehungen zu entdecken“, sagt Lehmann. „Die tatsächliche Entdeckung solcher Beziehungen ist gerne jedem selbst überlassen.“ Ab 10. Juli kann man mit der Webanwendung unter der Adresse govwild.org nach Politikern, Parteien und Unternehmen suchen – für Europa und die USA.

Quelle: n-tv

Das klingt jedenfalls sehr interessant. Im Rahmen dieser Geschichte sollte man auch noch einmal auf die Arbeit von LobbyControl hinweisen, die sich seit einiger Zeit für die Schaffung eines verpflichtenden Lobbyregisters in Berlin stark machen und eine Offenlegung der meist verdeckten Verbindungen zwischen Politik und Wirtschaft fordern.

http://www.lobbycontrol.de/blog/index.php/schwerpunkte/offen-legen/

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"Big Money" greift Spanien an

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Es war abzusehen, dass nach der Konfrontation Merkels mit Amerika über die unsinnige europäische Sparpolitik, die maßgeblich von Deutschland aus betrieben wird, der nächste Schlag des Amerika-Verbündeten „Big Money“ nicht lange auf sich warten lassen würde. Nun überlegt die Ratingagentur Moody’s, die zuvor Griechenland herabgestuft hatte, Spanien ebenfalls den Tripple A Status zu entziehen.

Quelle: Handelsblatt

Eine Senkung des AAA-Ratings sei wegen der sich verschlechternden Wirtschaftsaussichten möglich, teilte die Agentur am Mittwoch mit. Es sei unklar, ob die Regierung ihre Sparziele erreiche.

Diese Begründung wurde auch schon im Fall Griechenland angeführt. Da war man sogar noch konkreter geworden und hat die Auswirkungen des Sparpakets für die Gesamtwirtschaft als „substantiell“ bezeichnet. (siehe hier im Blog). So eine Einschätzung liegt natürlich ganz auf der Linie der Amerikaner, die von den Europäern und vor allem von Deutschland mehr Konsum und Binnennachfrage erwarten, um die Weltwirtschaft insgesamt zu stabilisieren.

Deutschland weigert sich aber. Zuletzt hatte Schäuble den amerikanischen Finanzminister Tim Geithner öffentlich zurückgewiesen, als dieser in Berlin die Bundesregierung davor warnte, die Konjunktur kaputt zu sparen. Daraufhin folgte die Herabstufung Griechenlands durch Moody’s. Am Wochenende endete der G-20-Gipfel in Toronto ergebnislos, auch in der Frage der Wirtschaftspolitik. Deutschland hält an seiner Sparabsicht fest, lautete die Botschaft an die Adresse der Amerikaner, die dringend eine Reduzierung ihres Handelsbilanzdefizits brauchen. Mit dem Exportriesen China hat man diesbezüglich schon eine Übereinkunft getroffen. Nur der andere Exportriese Deutschland will nicht mitspielen und bleibt stur.

Es stellt sich also die Frage, wie man Deutschland treffen könnte. Die Antwort ist relativ einfach. Die EU ist Deutschlands Achillesferse. Die deutsche Wirtschaft profitiert nicht nur vom Euro und der Politik des Niederkonkurierens seiner Partner, die den Euro als Zahlungsmittel ebenfalls nutzen und somit währungspolitisch handlungsunfähig sind, sondern man ist auch anfällig, weil Ausgleichszahlungen vom stärksten Mitglied der Eurozone notwendig werden, wenn die anderen Staaten in Schwierigkeiten geraten.

Der letzte Rettungsschirm mit einem Volumen von 750 Mrd. Euro, der uns ja laut Schäuble nichts kostet, wurde mit dem Versprechen aufgespannt, dass nun das Vertrauen in die Märkte wieder hergestellt werden könne. Sollte es dennoch so sein, dass einige Länder Hilfen in Anspruch nehmen müssen, weil sie ihre finanzielle Lage nicht mehr in den Griff bekommen, hatte Angela Merkel mit harten Sanktionen und Strafen gedroht. Das war natürlich eine Luftnummer und die Amerikaner wissen das. Deutschland muss als Gläubiger immer zahlen, wenn der Schuldner nicht mehr kann oder in Schwierigkeiten gerät. Entweder durch Garantien und neue Kredite oder durch einen Forderungsverzicht. Und soviel Tafelsilber können die Schuldnerländer gar nicht verscherbeln, um die Forderungen deutscher Banken bedienen zu können.

Zu „Big Money“ und der Lage auf den Finanzmärkten noch einmal Georg Schramm als Oberstleutnant Sanftleben.

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Und nun zu Brüderle!

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Heute war der große Tag von Rainer Brüderle. Der Bundeswirtschaftsminister schnappte sich die Zahlen der Forschungsinstitute zur wirtschaftlichen Entwicklung und die jüngsten Arbeitslosenzahlen, um eine Regierungserklärung zum Thema Aufschwung abzugeben. Am Ende könnte man es auf die Botschaft reduzieren, dass angesichts einer positiven wirtschaftlichen Entwicklung, die natürlich den regierenden Parteien zu verdanken sei, es nun an der Zeit sei, Konjunkturprogramme einzustellen und vor allem auch Lohnzurückhaltung zu üben, um einer „schleichenden Griechenlandisierung“ zu entgehen. Deutschland sei wieder da, so Brüderle.

Mal ehrlich, etwas anderes durften wir doch nicht erwarten. Brüderle ignorierte natürlich, dass die kleine konjunkturelle Erholung von etwas über einem Prozent nur ins Verhältnis gesetzt zum letztjährigen Absturz auch wirklich einen Sinn ergäbe. Dies vewrmied der Minister, weil er dann hätte zugeben müssen, dass die leichte Erholung das dicke Minus von über fünf Prozent aus dem Vorjahresquartal noch lange nicht wettgemacht hat. Aber das Brüderle ließ sich auch nicht von anderen aktuellen Daten beeindrucken. Zum Beispiel von den Einzelhandelsumsätzen, die heute durch das statistische Bundesamt für den Monat Mai bekannt gegeben wurden. Ohne Beschönigung heißt es diesmal:

Einzelhandelsumsatz im Mai 2010 real um 2,4% gesunken

Und im Text dann die entscheidende Passage:

Von Januar bis Mai 2010 setzte der deutsche Einzelhandel nominal 0,4% und real 1,3% weniger um als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum.

Es wird also noch weniger umgesetzt bzw. gekauft als zu Beginn des Krisenjahres 2009. Das spricht natürlich total für die Aufschwungsphantasien unseres WeinWirtschaftsministers. Wir leben ja schließlich nicht von unseren Einkommen, sondern vom Export. Und der brummt schon wieder, meint Brüderle. So sieht übrigens die Erfolgskurve des deutschen Exports in Wirklichkeit aus.

Quelle: Joachim Jahnke
Quelle: Infoportal von Joachim Jahnke

Na ja, im Trend geht es aufwärts und nur das zählt für Brüderle. Kleinere Rückschläge auf niedrigem Niveau interessieren ihn nicht, genauso wenig wie die Tatsache, dass ohne den Außenhandelsbeitrag die deutsche Wirtschaftsleistung geschrumpft wäre. Solange sich also andere Länder weiter verschulden und unsere unschlagbar günstigen Produkte kaufen, ist für Brüderle alles im Lot. Wir schimpfen dann halt wieder über die Griechenlandisierung unserer Warenabnehmer, während wir davon profitieren, dass andere sich bei uns verschulden.

Nur kaufen können wir uns dafür nix. Und das soll laut Brüderle auch so bleiben. Keine höheren Löhne und Einkommen fordert der Minister. Wir könnten ja anfangen, die Schuldscheine oder Devisen zu essen, die wir als Gläubiger von unseren Handelspartnern erhalten. Die Umsätze im Lebensmittelhandel gingen deshalb auch folgerichtig um minus 5,3 Prozent im Vergleich zum Mai 2009 zurück. Und wer bereits am Essen spart, wird jetzt sicherlich auch bei anderen Konsumgütern richtig zulangen und sich vielleicht einen HD-Fernseher aufs trockene Brot von vorgestern schmieren.

Aber wir haben ja ein Jobwunder, meint Brüderle. Ein kleines zwar, aber es sei sichtbar. Okay, was unsichtbar ist, ist die Realität der wachsenden Unterbeschäftigung zum Beispiel. Sie legte im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 7,2 Prozent zu. Das ist kein Wunder, sondern logisch bei Gesetzen, die es zulassen, das Menschen aus regulären Vollzeitstellen hinausgedrängt werden können, um sie dann gegen mehrere Minijobber oder Leiharbeiter zu ersetzen. Die Zahl der Langzeitarbeitslosen hat auch wieder zugenommen, um fast 3 Prozent auf rund eine Million. Aber egal. Das will doch keiner hören. Wir haben schließlich Aufschwung. Sie müssen das nur aus der Perspektive eines Kopfstandes betrachten…

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Bundestag: Brüderle will etwas zum Aufschwung sagen

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Nicht die Bundesversammlung morgen ist wichtig, sondern der Tag danach. Denn am Donnerstag, dem 1. Juli, will Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle von der aktuellen vier-Prozent Partei FDP vor das Parlament treten und eine Regierungserklärung abgeben.

Thema:

Aufschwung für Deutschland

Quelle: Deutscher Bundestag

Das kann man doch nicht mehr ernst nehmen… :roll:

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Kurz zu G-20 in Toronto

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Über 700 Millionen Euro hat der G-20-Gipfel in Toronto mit dem netten Fußballnachvormittag von Frau Merkel und Herrn Cameron gekostet. Beschlossen wurde aber wieder nichts. Bereits zum vierten Mal nach Washington 2008 sowie London und Pittsburgh 2009 verschoben die Regierungen der zwanzig wichtigsten Industrie- und Schwellenländer eine dringend nötige Regulierung der durchgeknallten Finanzmärkte. Das ist ein Skandal und lässt die Frage offen, ob diese Regierungen überhaupt noch fähig sind, politische Entscheidungen zum Wohle ihrer Völker zu treffen. Hat das Gesellschaftssystem eigentlich noch Bestand, wenn man ohnmächtig mit ansehen muss, wie „Big Money“, darunter u.a. Banken und BP, wirtschaftliche und ökologische Desaster anrichten können, ohne dass sich daraus für die Verursacher irgendwelche nennenswerten Konsequenzen ergeben würden?

Angesichts dieser berechtigten wie existenziellen Systemfrage wirkt der absurde Streit zwischen Merkel und Obama über den richtigen Weg zum Wachstum wie eine Randnotiz. Immerhin wurde die Kanzlerin von den hiesigen Medien dafür gefeiert, dass sie sich angeblich mit ihrer Sparposition durchgesetzt habe. Das ist schon bemerkenswert. Zum einen, weil die dumme Medienmeute ein Tor bejubelt, das gar nicht gefallen ist und zum anderen, weil sie glaubt, das Deutschland in die richtige Richtung spielt. In Wirklichkeit aber, schießt die Regierung Merkel nur auf ein Tor, nämlich das eigene.

Wer Bock hat, kann die durch und durch belanglose Abschlusserklärung des teuren Gipfel-Treffens hier nachlesen.

The G-20 Toronto Summit Declaration

Jedenfalls findet sich darin nicht nur eine wage Absichtserklärung, die Haushaltsdefizite bis zum Jahr 2013 zu halbieren, sondern auch eine Stelle, die der deutschen Öffentlichkeit mal wieder vorenthalten wurde. Unter Punkt 12 steht:

12. Surplus economies will undertake reforms to reduce their reliance on external demand and focus more on domestic sources of growth.

Mit anderen Worten. Überschussländer sollten/werden ihre Außenhandelsüberschüsse dadurch zurückführen, indem sie sich mehr der Stärkung der eigenen Binnennachfrage widmen. Haben sie dazu in den Medien irgendetwas gelesen? Es ist wie immer. Für jede Position wurde in dem an sich unverbindlichen Papier ein eigener Punkt geschrieben, den man dann zu Hause als persönlichen Erfolg verkaufen kann. Der Rest wird einfach verschwiegen. Es würde ja auch kein normaler Mensch auf die Idee kommen 27 Seiten Nichts durchzulesen. Bevor man Punkt 12 erreicht hätte, wäre man wohl längst gelangweilt eingeschlafen.

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Zur Tarifautonomie

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In der letzten Woche entschied das Bundesarbeitsgericht in Erfurt, dass die quasi zur Rechtsnorm avancierte „Tarifeinheit“ keinem übergeordneten Grundsatz entspräche (siehe BAG). D.h., dass ein angeführter Grundsatz der Tarifeinheit in Wirklichkeit keiner ist und die Koalitionsfreiheit, wie sie das Grundgesetz in Artikel 9 vorschreibe nicht durch so etwas wie eine „Tarifeinheit“ eingeschränkt werden könne. Das haben einige, wiederum „hochintelligente“, Politiker nicht verstanden. Der Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion, Michael Fuchs (CDU) zum Beispiel polterte gleich los und schlug vor, die Verfassung zu ändern. Das hat ja bei den Hartz-IV-Jobcentern auch prima funktioniert.

Der schlaue Fuchs hat dabei nur vergessen, dass Artikel 9 Grundgesetz unabänderbar ist. Genau wie alle anderen Grundrechte, die in den Artikeln 1-19 niedergeschrieben wurden und als Abwehrrechte des Grundrechtsträgers verstanden werden müssen. Das lernt man doch als erstes im Politikuntericht der Sekundarstufe. Na ja, in der Wirtschaft scheint man halt was anderes zu lernen. Das Grundgesetz ist jedenfalls eindeutig. Es schützt die Tarifautonomie und nicht die Tarifeinheit. Insofern war der Spruch der Richter nur konsequent. Vielleicht hätte sich der schlaue Fuchs einmal gefragt, warum es soweit kommen musste. Liegt es daran, dass Arbeitnehmergruppen den Hals nicht voll genug kriegen können oder eine besondere Lust verspüren, die Volkswirtschaft lahm zu legen?

Oder liegt es einfach an der Tatsache, dass die Wirtschaft mit dankbarer Unterstützung der Politik in der Vergangenheit alles daran setzten durfte, die Tarifpartnerschaften zu unterlaufen, indem sie abgeschlossene Tarifverträge zum Beispiel dadurch umgehen konnte, einfach Tochtergesellschaften zu gründen, in die Teile der Belegschaften zu schlechteren Arbeits- und günstigeren Kostenbedingungen ausgelagert werden konnten? Was ist mit dem Outsourcing? Was ist mit Hartz IV und dem Niedriglohnsektor, der direkt auf die Lohnuntergrenze drückt und die Arbeitnehmervertretungen in eine politisch gewollte schwächere Position versetzt? Was ist mit der Tarifflucht der Arbeitgeber? Und was ist mit den illegalen Scheingewerkschaften der Arbeitgeber, die sich ganz bewusst Artikel 9 GG zu eigen machten, um unter dem Deckmantel der Koalitionsfreiheit ihre Interessen durchzusetzen?

Splittergewerkschaften und die Auflösung der bisher gekannten Tariflandschaft werden nicht die Folge eines Richterspruchs sein, sondern die Folge einer durch und durch verfehlten Politik. Das kann man übrigens schon seit einigen Jahren hierzulande beobachten. Die Anzahl der Streiks nahm zu und auch die Organisation von speziellen ökonomisch mächtigen Berufsgruppen zu neuen Gewerkschaften. Das alles hätte nicht sein müssen, wenn die Politik zu der Erkenntnis gekommen wäre, dass schlaue Wirtschaftspolitik nicht der Unternehmerlogik zu folgen habe, sondern einer gesamtwirtschaftlichen Betrachtung. Nun stehen die Deppen da und klagen über die gesamtwirtschaftlichen Folgen, die sich nun ergeben könnten, wenn noch mehr Berufsgruppen auf ihr Grundrecht pochen und sich organisieren, um ihre Interessen durchzusetzen, was ihnen zuletzt unter dem durchaus sinnvollen Ausgleich zwischen Kapital und Arbeit, nämlich der „Tarifeinheit“, verwehrt wurde.

Politisch scheitert es ja schon an der Durchsetzung eines Mindestlohns, der immerhin den Lohndruck nach unten stoppen könnte und die beabsichtigte Sparpolitik tut ihr übriges hinzu. Statt zu jammern und das Zeitalter der Dauerarbeitskämpfe auszurufen, sollten sich alle Gewerkschaften untereinander solidarisieren und die einzig mächtige Waffe gegen diese abgrundtief schlimme Politik in Stellung bringen, die es noch gibt. Den Generalstreik! Auch wenn der juristisch in diesem Land bereits ausgeschlossen wurde (1955), ist er meiner bescheidenen Meinung nach dennoch durch das Grundgesetz gedeckt.

Art. 20, Abs. 4

Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Der „schlaue“ Herr Fuchs von der CDU wollte zumindest den Versuch starten, die verfassungsmäßige Ordnung zu beseitigen und zahlreiche weitere Dampfplauderer wie der allseits berüchtigte Hundt eifern ihm nach. In diesem Zusammenhang ist es eine Schande, dass sich der DGB-Vosritzende Sommer lieber mit dem bellenden Irrlicht der Arbeitgeber aus Baden-Württemberg solidarisiert als mit den Interessen seiner Arbeitnehmer. Aber so waren deutsche Gewerkschaften schon immer. Auch das ist eine bittere Realität.

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Nachtrag zu Merkels Finanzpolitik

Geschrieben von:

Zunächst noch einmal zur FDP. Auch der Karikaturist Klaus Stuttmann hat sich mit dem Wahnsinnsvorschlag der FDP beschäftigt, die Steuern zu Gunsten der eigenen Klientel nun doch wieder senken zu wollen, weil es nach dem Rückgang des Defizits von -80 auf -60 Mrd. Euro angeblich neue Spielräume gäbe. :crazy:

Karikatur von Klaus Stuttmann
Quelle: Klaus Stuttmann

Derweil bleibt Bundeskanzlerin Merkel auf Zerstörungskurs. Die Begründungen, warum man das Sparpaket unbedingt durchziehen müsse, werden dabei immer abenteuerlicher und unverschämter.

Man dürfe nicht vergessen, dass Deutschland in diesem Jahr eine Rekordverschuldung auf sich genommen habe, um die Weltkonjunktur und zu Hause den Konsum zu stimulieren.

Quelle: Spiegel Online

Eine infame Lüge, die mit Gefängnis nicht unter 10 Jahren bestraft werden sollte. Hat die Kanzlerin nicht einen Eid geschworen? Hier begeht sie einen Meineid. Mit Gefängsnis wäre sie noch gut bedient, denn im Mittelalter wurde den Meineid Schwörenden „als Spiegelstrafe die Zunge herausgeschnitten oder die zum Schwören erhobene Hand abgeschlagen.“ (Quelle: wikipedia)

Die deutsche Staatsverschuldung ist mit über 70 Prozent vom BIP zunächst einmal vergleichsweise moderat, wenn man sich anschaut, was in anderen Staaten los ist. Zum Beispiel in Japan mit über 200 Prozent oder in den USA mit über 90 Prozent des BIP. Diese Länder sind auch nicht pleite und haben nach wie vor Zugang zu ausreichend Liquidität. Richtig ist, dass sämtliche Volkswirtschaften in Folge der Finanzkrise ihre Staatsausgaben erhöht und die öffentliche Verschuldung ausgebaut haben. Mit Blick auf Deutschland hat der Anstieg der Verschuldung aber nun rein gar nichts mit einer Stimulierung des Konsums zu tun, sondern in erster Linie mit den Rettungsschirmen für marode Banken und den „systemischen“ Finanzsektor. Der private Konsum hatte auch überhaupt nichts von der großzügigen Senkung der Mehrwertsteuer für Hotelübernachtungen zu Beginn diesen Jahres.

Ich habe ja den Eindruck, als ob Frau Merkel in ihrer argumentativen Not den Spieß einfach umdrehen wolle. Sie weiß genau, dass sie mit ihrer Politik total daneben liegt und behauptet nun einfach, dass die immer stärker werdenden Vorwürfe gegen Deutschland gar nicht stimmen können, weil die Politik der Bundesregierung doch genau zu dem Wachstum führen würde, das sich alle wünschen.

Interessant dabei ist, dass das Verhältnis zu den Amerikanern unter Merkels Basta-Politik zusehends Schaden nimmt. Unter Merkel! Erinnern sie sich noch an die Oppositionsführerin Merkel im Jahr 2003? In der Irak-Frage kroch sie doch damals dem US-Präsidenten Bush tief in den Arsch, um der Öffentlichkeit zu zeigen, dass das freundschaftliche Verhältnis zu den USA durch nichts, selbst nicht durch die Frage ob Krieg oder nicht, in Misskredit gebracht werden dürfe. Und auch die FDP tönte damals, dass das rot-grüne Nein zum Irakkrieg ein außenpolitischer Affront gegenüber den USA sei. Wolfgang Schäuble ließ sich sogar zu der Bemerkung hinreißen, dass der Irakkrieg zwar eine schlechte Lösung sei, eine gedemütigte Weltmacht USA aber die noch schlechtere Lösung wäre.


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Und was sagte Guido Westerwelle im Februar 2003 zum Verhalten der damaligen Bundesregierung?

„Diese Bundesregierung hat das Land wirtschaftlich ruiniert, und jetzt ist sie dabei, Deutschland zu isolieren. Das beste für das Land wären zügige Neuwahlen.“

Quelle: FAZ

Genau das müsste er heute auch sagen… :DD

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Finanzpolitik: Es geht doch noch blöder

Geschrieben von:

Man hätte ja eigentlich darauf wetten können, dass die FDP just nach der Bekanntgabe des zu erwartenden geringeren Defizits im Bundeshaushalt sofort ihren Steuersenkungsschwachsinn wieder hervorkramt. Die liberale Forderung, Steuern in einer Größenordnug von 14 Mrd. Euro zu senken, sei nun wieder möglich, heißt es aus der gelben Ecke. Das muss man sich mal vorstellen. Statt über 80 Mrd. muss der Finanzminister jetzt über 60 Mrd. Euro neue Schulden machen. Was hat sich denn aber im Hinblick auf Steuersenkungen jetzt geändert? Was bei 80 Mrd. offensichtlich falsch war, soll jetzt mit 60 Mrd. Miesen richtig sein? Schließlich gibt es noch immer keine Vorschläge zur Gegenfinanzierung. Es gilt nach wie vor der vorgetragene Aberglaube vom selbsttragenden Aufschwung.

Aber es wird noch besser. Die FDP will nicht nur wieder Steuern senken, sondern gleichzeitig das beschlossene Sparprogramm umsetzen. Ganz nach dem Motto: Wenn schon das Land ruiniert werden soll, dann aber richtig. Doppelt hält schließlich besser. An den letzten Zuckungen der bereits toten FDP sollte man sich nicht abarbeiten. Im Gegenteil, man sollte sie nur machen lassen und das Ziel dauerhaft unter fünf Prozent wird immer realistischer.

Wirklich ärgerlich ist aber das Verhalten der Medien, die den Blödsinn der FDP mit eigenem Blödsinn und Unvermögen kommentieren. Vorhin im Radio wurde der FDP-Vorschlag von einem Redakteur aus der Wirtschaftsredaktion(!) kommentiert. Der meinte, dass das geringere Defizit im Bundeshaushalt zwar positiv sei und Steuersenkungen theoretisch vorstellbar wären, weil wir einen Aufschwung hätten, jedoch könne man nicht wissen, wie lange dieser anhielte. Die gute Konjunkur könne urplötzlich wieder vorbei sein und dann beschlossene Steuersenkungen weitere noch größere Löcher in die öffentlichen Haushalte reißen.

Was soll das für eine Erklärung sein? Mit Ökonomie und okonomischen Sachverstand hat das jedenfalls nichts zu tun. Der Redakteur sollte sich vielleicht zum Hollywood-Reporter oder Kartenleger bei Astro-TV umschulen lassen. Was sind denn die Botschaften? Erstens: Die FDP meint es doch nur gut. Zweitens: Wir haben Aufschwung, alles doch nicht so schlimm. Und Drittens: Die Konjunktur wird von unsichtbaren Kräften beeinflusst, aber auf keinen Fall von aktiver Konjunkturpolitik.

Das ist plumpe Meinungsmache. Eine Strategie! Seit Ausbruch der Krise hören wir, dass die Auswirkungen in Deutschland vergleichsweise glimpflich seien, obwohl alle ökonomischen Kennzahlen das Gegenteil belegen. Der Arbeitsmarkt sei robust, die Kauflaune moderat, die Erwartungen der Unternehmen zuversichtlich. Und nun machen wir auch nur noch 60 Mrd. Euro neue Schulden statt 80 Mrd. Was für ein Erfolg, wird den Leuten suggeriert. Das ist unerträglich. Da stößt sogar Alkohol an die Grenzen seiner Möglichkeiten, würde Pispers sagen.

Zum Glück hatte gestern Paul Krugman mit seinem Interview im Handelsblatt (siehe hier im Blog) die Blutgrätsche ausgepackt und die Aufmerksamkeit des fröhlich dahin spielenden Deutschlands auf sich gelenkt. In den Medien wird Krugman zitiert, aber nicht einfach so. Nein. Plötzlich haben die Journalisten ihre Lust an der Recherche wiederentdeckt und betonen lautstark, dass Krugman ein Berater des amerikanischen Präsidenten sei. Offensichtlich will man damit zum Ausdruck bringen, dass Krugman gar nicht so unabhängig ist und nur die Interessen seiner Regierung vertritt. Dass es gerade andersherum sein könnte, weil Berater ja eigentlich beraten, kommt im Denken unserer Journalisten natürlich nicht vor. Wieso auch, in Deutschland ist das Beratertum ja im höchsten Maße interessengeleitet. Wie gern hätte ich da in der Vergangenheit gehört, dass der allseits als unabhängiger Experte zitierte Michael Hüther vom Institut der deutschen Wirtschaft auch Kurator der Inititiative Neue Soziale Marktwirtschaft ist, er also die Interessen einer einflussreichen Lobbyorganistation der Arbeitgeber nach außen vertritt. Nein, sein Auftreten und seine Aussagen zur Wirtschaft gelten als integer.

Es fragt auch keiner nach den Beratern der Kanzlerin. Otmar Issing darf munter das gescheiterte neoliberale Dogma als Propaganda zur Krisenbewältigung verbreiten. Als Träger des International Price der Friedrich Hayek Stiftung, als Mitglied des Aufsichtsgremiums der deutschen Friedrich August von Hayek Stiftung, als Präsident des „Center for Financial Studies“ an der Universität Frankfurt, „das von der Gesellschaft für Kapitalmarktforschung getragen wird, die aus über 80 Banken, Versicherungen, Beraterfirmen und Wirtschaftsverbänden besteht“ (siehe NachDenkSeiten) und als Berater der Investmentbank Goldman Sachs spielen andere Denkansätze überhaupt keine Rolle. Da frage ich mich, wer hier welche Interessen vertritt. Die Medien schweigen dazu.

Aber bei Krugman, dem böse dazwischengrätschenden Ami ist man plötzlich voll da und kritisiert unisono, auch der Radio-Wirtschaftsredakteur im übrigen, das noch mehr Schuldenmacherei nicht gut sein könne. Sparen sei jetzt der einzig richtige Weg. Alternativlos sozusagen. Hacken zusammenschlagen, äh Augen zu und durch, lautet die Devise. Doch keiner hat den Krugman gelesen, geschweige denn verstanden bzw. den Unterschied zwischen unproduktiven FDP-Steuersenkungsschulden und schuldenfinanzierten Konjunkturmaßnahmen erklärt. Wäre das anders, hätte nämlich auch der Radio-Wirtschaftsredakteur schnell begriffen, dass der Schiedsrichter das von Deutschland unfair gestaltete Spiel längst vorzeitig abgebrochen hatte und Krugmans Grätsche lediglich der verzweifelte Versuch war, einen blinden, tauben und amoklaufenden Spieler zu stoppen, der mit seiner fortwährenden Spielweise das Publikum dazu nötigt, das Stadion auseinanderzunehmen.

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