Steuerschätzer rechnen mit Plus, unterm Strich steht aber immer noch ein Minus

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Können sie sich noch an die letzte Steuerschätzung erinnern? Das war im November 2010. Damals haben die Experten die Erwartung formuliert, dass der Staat mit deutlich höheren Einnahmen rechnen könne. Vor allem der damals noch Ein-Themen-Partei FDP hat das gefallen. Die Liberalen glaubten, ihr Steuersenkungswahlversprechen doch noch umsetzen zu können. Bekanntlich kam es dann zu Steuervereinfachungen, mit denen sich die liberalen Fachmänner für Luftbuchungen ohne Bodenhaftungsrückkehrversicherung (Zitat: Volker Pispers) brüsteten.

Stolz verkündete man, mit der Erhöhung der Werbungskostenpauschale auch etwas für kleinere und mittlere Einkommen getan zu haben. Dabei kostet die Erhöhung der Pauschale den Staat gerade einmal 330 Millionen Euro im Jahr. Die Beschäftigten dürfen sich demnach auf etwa ein bis zwei Euro Steuerersparnis freuen. Die Hoteliers waren da zuvor deutlich besser weggekommen. Rund eine Milliarde Euro pro Jahr verschenkte die schwarz-gelbe Bundesregierung mit der Senkung der Mehrwertsteuer auf Hotelübernachtungen. Eine weitere Reform der Unternehmenssteuern schlug mit rund 2,5 Milliarden Euro zu Buche.

Das alles wird natürlich durch die freudige Botschaft der Steuerschätzer gedeckt, dem Fiskus stünden künftig höhere Einnahmen zur Verfügung. Im Jahr 2010 schlossen Städte und Kommunen ihre Bilanzen gerade wegen des unerwarteten Steuersegens mit einem Rekorddefizit von 10 Mrd. Euro ab. Da fragt man sich doch glatt, was von höheren Erwartungen zu halten ist, die den katastrophalen Ist-Zustand regelmäßig ausblenden.

Volker Pispers hat das einmal so formuliert:

„D.h., in einer Situation, in der der Staat auf jeden Fall deutlich weniger einnehmen wird, als er ausgibt, wollen sie mögliche Mehreinnahmen für noch höhere Ausgaben nutzen, wohl um das Einnahmen-Ausgaben Abstandsgebot nicht zu verletzen.“

Der Staat gibt deutlich mehr Geld für Bankenrettung aus, als er zur Verfügung hat. Im letzten Jahr betrug die Nettoneuverschuldung 304,4 Mrd. Euro. Davon entfielen allein 232,2 Milliarden Euro, also über 76 Prozent der Neuverschuldung, auf Maßnahmen zur Stabilisierung maroder Finanzinstitute. Sicher ist, dass noch mehr Geld zur Rettung des Finanzkasinos locker gemacht werden muss. Der dauerhafte Eurokrisenmechanismus ist, wie zu erwarten war, bereits jetzt schon am Ende seiner Kräfte angelangt.

Wenn man die Berichterstattung über den Einbruch der griechischen Wirtschaft und den damit verbundenen Vertrauensentzug durch die Märkte so verfolgt, kann man wirklich den Eindruck gewinnen, als hätten Journalisten und verantwortliche Politiker das Märchen vom Spardiktat geglaubt. So als ob sich der Spruch Solidarität nur gegen Solidität tatsächlich verwirklichen ließe. Es war von Anfang an klar, dass mit dem Kürzen von Löhnen, Renten und Sozialleistungen bei gleichzeitiger Erhöhung der Konsumsteuern, die Nachfrage ein- und die Wirtschaft zusammenbrechen würde und damit auch die Einnahmen des Staates.

Das sich Dummstellen der Kanzlerin in dieser Frage haben alle kritiklos zur Kenntnis genommen, weil sie es gut fanden, dass den angeblich so faulen Griechen mal so richtig in den Arsch getreten wurde. Jetzt wird es für die Deutschen wieder teurer. Das war absehbar. Von den Griechen hätte man lernen können, es bei den Portugiesen besser zu machen. Aber nein, auch da wird erst der Fuß ausgefahren. Am Ende wird es noch teurer. Garantiert. So etwas kann man als realistische Erwartung durchaus formulieren. Es wird nur nicht getan.

Stattdessen blickt man auf die Steuerschätzer, die für dieses Jahr neuen Geldsegen voraussehen und somit eine weitere Debatte über Steuersenkungen in Gang setzen werden. Im Grunde genommen kann man es wieder nicht erwarten, die erwarteten Mehreinnahmen, ganz unabhängig davon, ob sie denn auch tatsächlich eintreten, gleich wieder auszugeben.

Geschätzte Steuermehreinnahmen haben eben eine höhere Glaubwürdigkeit als das sicher vorhersagbare Zusammenbrechen ganzer Volkswirtschaften infolge nach wie vor ungezügelt agierender Finanzmärkte, die ihre Verluste durch staatliche Rettungsschirme dauerhaft absichern durften. Wetten, dass es am Ende wieder heißt, die Katastrophe sei völlig unerwartet, wie ein Spring-ins-Feld-Teufel, über uns gekommen?

Was schätzen sie?

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Die Herde folgt nur der Herde und sonst nichts

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Die Rally an den Rohstoffmärkten scheint ein Ende gefunden zu haben. Der Ölpreis sackt nun schon den zweiten Tag infolge ab und auch bei Edelmetallen geht es abwärts. Die Herde flüchtet mal wieder genauso kollektiv wie sie mitten in der Krise eingestiegen war. Toll ist mal wieder die Begründung der verdutzten Analysten:

Zum einen fürchten die Anleger eine weitere Straffung der Geldpolitik im wichtigen Verbraucherland China und damit einen Nachfragerückgang. Zum anderen schüren die zuletzt schwachen US-Konjunkturindikatoren die Angst vor einer weiter nachlassenden Wachstumsdynamik in den Vereinigten Staaten, aber auch in Europa.

Zudem nähmen die Investoren nach der langen Rohstoffhausse Gewinne mit, sagten Analysten. Die Stimmung habe gedreht, die Investoren verkauften zunehmend risikoreiche Vermögenswerte. Dies zeige sich auch daran, dass neben Rohstoffen auch Aktien abgestoßen würden.

Quelle: FTD

Die Stimmung habe gedreht. Genau das ist es. Alles andere ist quatsch und soll nur Wissenheit an einer Stelle vortäuschen, wo in Wirklichkeit nur Ahnungslosigkeit und Dummheit vorhanden sind. Börsenanalysten sind so überflüssig wie Sandkästen in der Sahara.

Ein weltweiter Nachfragerückgang hat im Krisenjahr 2009 auch nicht dazu geführt, dass die Anleger weiter aus dem Risiko gegangen sind. Das genaue Gegenteil war der Fall. Im März 2009 stiegen plötzlich die Aktienkurse und vor allem der Preis für Öl und andere Rohstoffe wieder. Der Tiefpunkt der Krise war zu diesem Zeitpunkt aber noch gar nicht erreicht und die Öllager waren voll.

Damals hieß es von den Analysten, dass die Märkte den Aufschwung vorwegnehmen würden, weil Frühindikatoren nach oben gezeigt hätten. Brüderle hätte es wahrscheinlich auch nicht anders formuliert, aber mit der Realität haben solche Glaskugelbotschaften rein gar nichts zu tun. Trotz Einbruch der Weltwirtschaft verdoppelte sich der Ölpreis damals in relativ kurzer Zeit. Hatte denn diese Entwicklung etwas mit Nachfrage oder einer Wachstumsdynamik zu tun?

Nun soll ausgerechnet eine Straffung der Geldpolitik in China den Absturz der Kurse erklären. Warum nicht die chinesische Immobilienblase? Oder das europäische Selbstzerstörungsprogramm, das gerade auch auf Portugal ausgeweitet wurde?

Konsequenterweise müssten die Analysten doch sagen, dass die Märkte einen neuerlichen Einbruch der Realwirtschaft vorwegnehmen würden. Wie passt das dann aber mit den Erwartungen derselben Leuchten zusammen, die immer noch von moderaten Wachstumsraten für dieses und die kommenden Jahre ausgehen? 

Sie sehen schon, dass hier Nachrichten produziert werden, die dem Reich der Fantasie entsprungen sind. Dabei gehe es immer nur um die Frage, rein ins Risiko oder raus, schreibt der Ökonom Heiner Flassbeck in seinem Buch “Die Marktwirtschaft des 21. Jahrhunderts. Der einzelne Anleger oder Spekulant läuft immer der gesamten Herde hinterher, ganz unabhängig von wirtschaftlichen Rahmendaten und Fakten.

Es kommt nur darauf an, irgend eine Geschichte glaubhaft zu verkaufen, zum Beispiel das ein Staat pleite gehen oder eine Ressource knapp werden könnte und schon läuft das widerliche Spiel, in dem es keine Regeln gibt und eine Menge Menschen real betroffen sind, weil sie sich plötzlich keine Lebensmittel mehr leisten können. Dieser Mechanismus und seine Verbreitung durch vollkommen behämmerte Börsenanalysten muss endlich beendet werden.

Die Rohstoffpreise sind schlichtweg falsch, weil der Markt ohne Regeln versagt.

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E.ON-Chef Johannes Teyssen bleibt auf Atomkurs

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Die Haltung an sich ist nichts Neues. Er möchte die deutschen Atomkraftwerke halt gerne länger laufen lassen, weil das aus seiner Sicht besser für die Verbraucher sei. Denn Herr Teyssen hält es für…

„…extrem problematisch, wenn Deutschland fehlenden Strom einfach aus dem Ausland importiere. Dann würden faktisch Braunkohlekraftwerke aus Tschechien den deutschen Strom liefern.“

Quelle: RP-Online

Falsch, wenn Deutschland Strom aus dem Ausland importieren müsste, dann würde das vor allem an den Kassen von E.ON und den anderen Mitgliedern des deutschen Stromkartells vorbeigehen. Es kann ja nicht sein, dass der deutsche Michel seine Gebühren für Strom an einen anderen Stromlieferanten als E.ON, RWE, EnBW oder Vattenfall überweist. Für Deutschlands größtes Energieunternehmen wäre das natürlich ein Schreckensszenario.

Die Nachteile, die Teyssen befürchtet, haben vor allem etwas mit den Bilanzen von E.ON zu tun und nicht mit der Tatsache, dass der importierte Strom aus nicht erneuerbaren Energiequellen käme. Außerdem mutet es schon recht albern an, wenn geldgeile Energiemultis so tun, als würde ihnen die Art der Energiegewinnung etwas bedeuten. Im Augenblick baut E.ON in Tschechien an einem neuen Kohlekraftwerk mit. Der Konzern liefert dabei die Kraftwerkstechnik. Daran kann und will sich Herr Teyssen wahrscheinlich nicht mehr erinnern.

Der Energiekonzern Eon will in Tschechien in den kommenden Jahren eine eigene Stromproduktion aufbauen. Die Düsseldorfer planen mit dem Bergbauunternehmen Czech Coal die Gründung eines Joint Ventures zum Bau und Betrieb eines Kohlekraftwerks nahe der nordtschechischen Stadt Most.

Die Region sei für Eon von großer strategischer Bedeutung, daher sei der Konzern auch offen für weitere Projekte, sagte eine Sprecherin am Donnerstag. Die Anlage mit zwei 600-Megawatt-Blöcken solle 2013 in Betrieb gehen, fügte sie hinzu. Eon übernehme den Bau des Kraftwerks, während Czech Coal die Braunkohle liefere.

Die eigenen Investitionen beliefen sich auf rund zwei Milliarden Euro. Eon verfügt in Osteuropa bislang kaum über eigene Erzeugungskapazitäten. Langfristig will das Unternehmen etwa die Hälfte seines Absatzes aus eigenen Anlagen abdecken. In Tschechien beliefert der Versorger 1,4 Millionen Strom- und rund 100.000 Gaskunden.

Quelle: manager magazin (2007)

Aha, E.ON würde am Stromimport durch eigene Dreckschleudern im Ausland, die man aus strategischen Gründen erichtet, um die dortigen Märkte zu beherrschen, dann doch wieder mitverdienen. Man würde aber nicht so viel Geld verdienen, wie mit abgeschriebenen deutschen Atomkraftwerken, die rund eine Million Euro pro Tag am Netz abwerfen sollen.

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Zum neuerlichen Fall der Einzelhandelsumsätze

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Die deutschen Einzelhandelsunternehmen setzten im März 2011 nach vorläufigen Ergebnissen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) nominal 2,0% und real 3,5% weniger um als im März 2010. Beide Monate hatten jeweils 27 Verkaufstage. Im Vergleich zum Februar 2011 ist der Umsatz im März 2011 unter Berücksichtigung von Saison- und Kalendereffekten (Verfahren Census X-12-ARIMA) nominal um 1,8% und real um 2,1% gesunken.

Quelle: destatis

Was ist nur los? Am Mittwoch ließ Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle noch vollmundig und süffig verkünden, dass der private Konsum eine entscheidende Stütze der Konjunktur bleiben werde.

„Die Reaktorkatastrophe in Japan, steigende Energie- und Rohstoffpreise und die anhaltenden Unruhen in Nordafrika und der arabischen Welt haben zwar ein paar Wolken am Konsumhimmel aufziehen lassen. Gleichwohl zeigt aber das weiterhin hohe Niveau des Konsumklimas, dass die Verbraucher die Auswirkungen dieser Ereignisse auf die deutsche Wirtschaft bislang als begrenzt beurteilen. Diese Einschätzung steht auch im Einklang mit Ergebnissen aus jüngsten Unternehmensbefragungen. Der Aufschwung in Deutschland steht auf einer soliden Grundlage. Der private Konsum wird in diesem Jahr eine entscheidende Stütze bleiben.“

Quelle: BMWi

Ich frage mich zwar noch immer, welche Auswirkungen die Reaktorkatastrophe in Japan und anhaltende Unruhen in der arabischen Welt auf den privaten Konsum in Deutschland haben sollen, aber vielleicht haben auch bei der GfK (Gesellschaft für Konsumübertreibung) und dem Brüderle ein paar Wolken oder sollte man sagen, eine trübe Suppe die Hirne vernebelt.

Demnach müsste man doch annehmen, dass der durchschnittliche deutsche Verbraucher Probleme mit der Umstellung seiner bisherigen Ess- und Trinkgewohnheiten hat. Denn natürlich war es doch bisher so, dass er mit Vorliebe japanische und arabische Importprodukte konsumierte, die nun ja wegen Fukushima einerseits und den Gadaffis andererseits nicht mehr den Weg nach Deutschland und in die Einkaufskörbe der Verbraucher finden. Denn laut statistischem Bundesamt sparen die Deutschen noch immer an Lebensmitteln, Getränken und Tabakwaren.

Der Einzelhandel mit Lebensmitteln, Getränken und Tabakwaren setzte im März 2011 nominal 2,8% und real 4,8% weniger um als im März 2010. Dabei lag der Umsatz bei den Supermärkten, SB-Warenhäusern und Verbrauchermärkten nominal um 3,0% und real um 4,9% niedriger als im Vorjahresmonat. Im Facheinzelhandel mit Lebensmitteln wurde nominal 1,5% und real 3,2% weniger als im März 2010 umgesetzt.

Die Langzeitenwicklung spricht Bände. Von einer Konjunkturlokomotive, die der private Konsum nun schon seit Jahren sein soll, fehlt weiterhin jede Spur. Trotzdem geht das Aufschwunggerede unwidersprochen weiter. Vorgestern das Konsumwumder, gestern das Jobwunder und heute einmal mehr die Ernüchterung, die kaum kritisch beachtet werden wird.

Einzelhandel bis März 2011

In vielen Meldungen ist mal wieder von unerwarteten Rückgängen die Rede. Die Überraschung ist nicht zu verstehen, zumal jedem halbwegs wachen Journalisten ein simpler Zusammenhang hätte auffallen können. Joachim Jahnke weißt in seinem Infoportal auf einen Verlust der Massenkaufkraft hin.

Der Rückgang des Einzelhandelsumsatzes folgt dem realen Einbruch der Massenkaufkraft. Im Januar 2011 lagen die Tarifverdienste nominal nur um 0,9% über dem Vorjahr, während die Inflation bei 2,0% angekommen war, also ein realer Verlust von 1,1%.

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NachDenkSeiten: Gebühren-Millionen für die Selbstzensur

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Auf den NachDenkSeiten finden sie heute einen sehr interessanten Beitrag über den wahren Missbrauch von GEZ-Gebührengeldern. Es geht dabei um die finanziellen Aufwendungen der öffentlich-rechtlichen Sender, die aus Gebührengeldern erbracht werden müssen, um das völlig blödsinnige Löschgebot des 12. Rundfunkstaatsvertrags sicherzustellen. Online-Angebote von ARD, ZDF und DLF dürfen nur noch sieben Tage im Netz abrufbar sein. Alles zu löschen und zu überwachen bzw. mit Ausnahmeregelungen zu versehen, damit es länger im Netz stehen bleiben kann, kostet unnötig Geld.

Diese Selbstzensur des Marktes haben gerade die privaten Dummfunkdudler durchgesetzt, die, wenn es andersherum gerade passt, das Wettbewerbsdenken immer besonders hochhalten.

„Bei den kommerziellen Fernsehsendern und vor allem auch von der damit verbandelten Verlegerseite gab es Anfang April massive Kritik, weil das ZDF dem privaten Konkurrenten Sat1 ab 2012 die Übertragungsrechte für die Fußball-Champions-League weggeschnappt hat. 50 Millionen pro Jahr für Fußballübertragungen sei ein Missbrauch von Gebührengeldern, wetterten die werbefinanzierten Sender und ihre Betreiber. Man mag da geteilter Meinung sein. Aber einen Aufschrei, dass bisher aus Gebühren mindestens 6 Millionen, vermutlich aber eher ein zweistelliger Millionenbetrag missbraucht worden ist, um Zeitungsverleger und Kommerzsender vor einem Informations-Wettbewerb zu schützen, hat man nicht gehört. Gebührenmillionen für nichts anderes, als ein schon finanzierte Internetangebot der Rundfunkanstalten wieder zu löschen oder bestenfalls in einem aufwändigen bürokratischen Verfahren durchzukämpfen, dass solche Angebote länger als sieben Tage im Netz bleiben dürfen – ein unsinnigerer Missbrauch von Gebührengeldern ist kaum vorstellbar.“

Quelle: NachDenkSeiten

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Wachstumsprognose: Es werden noch mehr Eier fliegen

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Kaum verkündet Brüderle, einen höheren Alkoholspiegel, quatsch, ein höheres Wirtschaftswachstum für dieses Jahr zu erwarten, fliegen auch schon die Eier auf Maschmeyers besten Freund und Bundespräsident Christian Wulff in Wiesbaden. Der war dort zu seinem Antrittsbesuch im Bundesland Hessen. Es ist natürlich etwas irritierend, dass der Herr Bundespräsident rund zehn Monate nach seiner Wahl noch Antrittsbesuche absolviert. Möglicherweise war der mutmaßliche Eierwerfer auch verwirrt und hatte vorher vergeblich versucht, jemanden über die neue Behördenrufnummer 115 zwecks Klärung des Vorgangs zu erreichen.

Aber ich war ja noch beim Prost-Brüderle:

„Der Aufschwung in Deutschland steht auf einem breiten Fundament. Die Inlandsnachfrage gewinnt zunehmend an Kraft. Das macht unsere Wirtschaft insgesamt widerstandsfähiger. Angesichts der aktuellen Rohstoffpreisentwicklung, der Katastrophen in Japan und der noch nicht ausgestanden Schuldenkrise im Euroraum wird sich das auszahlen. Unsere Binnenwirtschaft wird gleichermaßen von Investitionen und Konsum getragen. Die fast schon traditionelle deutsche Konsumschwäche ist überwunden – die Zuwächse des privaten Konsums liegen deutlich über denen des letzten Jahrzehnts. Das ist angesichts der hinter uns liegenden Krise eine beachtliche und erfreuliche Zwischenbilanz.“

Quelle: BMWi

Wenn ich mich an die letzte Weissagung der GfK (Gesellschaft für Konsumforschung) erinnere, dann war die Begründung genau andersherum.

Ein zuletzt unsicherer gewordenes internationales Umfeld sowie wachsende Inflationsängste haben im März dafür gesorgt, dass die Verbraucherstimmung leicht an Wert verloren hat. Diese Faktoren haben damit die nach wie vor günstigen Rahmenbedingungen für die Verbraucher, wie steigende Beschäftigung und Einkommen, überlagert. Dennoch bleibt das Niveau der Konsumstimmung weiterhin recht hoch. Mögliche Effekte der Natur- und Umweltkatastrophe in Japan können noch nicht berücksichtigt werden, da zum Zeitpunkt des verheerenden Erdbebens und seiner Folgen die Befragung bereits abgeschlossen war.

Quelle: GfK

Während Brüderles Aufschwung ein wackeliges internationales Umfeld nichts anhaben kann, warnt die GfK vor einer Eintrübung der Verbraucherstimmung gerade aus diesem Grund. Beide Behauptungen haben recht wenig mit dem privaten Konsum zu tun. Sie dienen mehr der allgemeinen Verwirrung.

Das Wegbrechen der internationalen Absatzmärkte ist absehbar, wahrscheinlich auch für Brüderle. Deshalb schwört er die Öffentlichkeit auf eine scheinbare Blüte des Binnenkonsums ein. Bei der GfK zeigt selbst die hirnrissige Kategorie einer irgendwie gemessenen „Kaufneigung“ der Deutschen nach unten, was einer gleichfalls hirnrissigen Begründung bedarf. Nur, weder Fukushima, noch Gadaffi oder die Finanzkrise sorgen für die hiesige Kaufzurückhaltung, sondern schlicht und ergreifend das fehlende Geld durch stagnierende oder real rückläufige Masseneinkommen. Zudem sind Brüderles Beschäftigungsrekorde teuer mit einer dramatischen Zunahme prekärer Beschäftigung erkauft.

Immer mehr Menschen sind zusätzlich auf Sozialleistungen angewiesen, zuletzt haben 7.456.373 Menschen in diesem Land entweder Arbeitslosengeld I, II oder Sozialgeld bezogen. Brüderles Jobwunder-Gehabe und Prognose über abnehmende Arbeitslosenzahlen und Vollbeschäftigung bleibt weiterhin lächerlich!

Die Wachstumsprognose der Bundesregierung ist ein Witz. Die Inlandsnachfrage wird nicht zu einer Stütze der Konjunktur werden. Im letzten Jahr trug der private Konsum gerade einmal mit 0,7 Prozent zum Anstieg des BIP (3,5%) bei. Für dieses Jahr wird laut Konjunkturprognose der Wirtschaftsforschungsinstitute eine Zunahme der Kaufkraft um lediglich 1,0 Prozent erwartet. Brüderle schwadronierte heute von einem kräftigen Kaufkraft-Plus. Woher soll denn nun der neuerliche Konsumboom kommen, der zum XXL-ten Mal angekündigt wird?

Meine Prognose ist, dass es noch mehr fliegende Eier auf Politiker geben wird. Wetten?

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Ein absurder Zinsschritt

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Die europäische Zentralbank (EZB) hat den Leitzins für die Eurozone auf 1,25 Prozent angehoben. Begründung: Inflationsgefahr.

Das ist natürlich armselig und falsch zugleich, weil die EZB einmal mehr die streng monetäre einer real wirtschaftlichen Betrachtung vorzieht. Wegen einer gemessenen Inflationsrate von 2,6 Prozent innerhalb der Eurozone wird einfach darauf geschlossen, dass es eine konjunkturelle Überhitzung geben müsse, die zu einer sog. Lohn-Preis-Spirale führe, der man mit restriktiver Finanzpolitik entgegentreten müsse. Denn Ziel der Zentralbank ist nach wie vor die Preisstabilität.

Zahlreiche Analysten und Experten hätten diesen Zinsschritt, den man inzwischen schon als „Wende“ bezeichnet, vorausgesehen und erwartet. Die Inflation sei schuld. Doch was ist in der realen Wirtschaft eigentlich los? In Deutschland herrscht Aufschwung. Wer’s glaubt. Die steigenden Preise hierzulande sind aber keinesfalls nachfrageinduziert. Die Einzelhandelsumsätze stagnieren bereits wieder, nachdem sie sich im letzten Jahr aus dem Krisenkeller etwas nach oben entwickelt hatten.

Im Rest der Eurozone herrscht Krisenstimmung. Griechenland, Irland und seit gestern auch Portugal hängen am Topf des europäischen Rettungsfonds. In den Volkswirtschaften bricht sich die Rezession abermals bahn. Dort wird man sich bei der EZB bedanken, weil Kredite für Investitionen, die dringend gebraucht werden wieder teurer und damit unattraktiv werden. Dazu kommen die harten Sparbedingungen des Rettungsfonds. Die Wirtschaft hat also keine Chance, sich zu erholen.

Mit dem Zinsschritt schadet die EZB der realen Wirtschaft zusätzlich. Zwar gibt die Zentralbank vor, besonders Spekulanten im Blick zu haben, die bisher mit billigem Geld weiter zocken gehen, doch die schreckt man doch nicht mit geringfügig höheren Zinsen ab, wenn sie ihr Geld für deutlich mehr Rendite weiterreichen und dabei immer noch einen guten Schnitt machen können. Fragen sie die Deutsche Bank, eine der schlimmsten Zockerbuden weit und breit.

Wer der Spekulation und der Zockerei Einhalt gebieten will, muss dafür sorgen, dass das Kasino geschlossen wird! 

Die steigenden Preise sind aber nicht nur eine Folge der Spekulation, sondern vielmehr Ausdruck eines Herdentriebs an den Finanzmärkten, der sich eben nicht nach wirtschaftlichen Indikatoren ausrichtet und auch nichts mit Angebot und Nachfrage zu tun hat, sondern damit, ob alle ins Risiko gehen oder nicht. Seit März 2009 gehen alle wieder rein. Die Kurse stiegen und das mitten im Abschwung. Es gab und gibt also keine Verbindung zur realen wirtschaftlichen Entwicklung. Dafür herrscht aber erneut der Glaube vor, dass eine Blase schon nicht platzen wird, obwohl die recht junge Erfahrung etwas anderes lehrt.

Es liegt eben an der Politik, dem unverantwortlichen Treiben an den Börsen und in den Banken ein Ende zu setzen. Doch die bleibt tatenlos.

Früher galten für Analysten und Volkswirte die Zahlen der Bundesbank zur Geldmenge als verlässliches Zeichen, ob eine Inflation bevorstehe oder nicht. Die Anhänger der Geldmengenlehre (Monetarismus), zu denen auch die EZB-Banker gehören, haben von ihrem geistigen Übervater und Chicago Boy Milton Friedman gelernt, dass Inflationsgefahr bestehe, wenn die für die Wirtschaft relevante Geldmenge M3 zunimmt. Doch heute schaut keiner mehr auf diesen Chart der Bundesbank, der ziemlich eindeutig in die andere Richtung weist.     

 

Quelle: Bundesbank

Im Prinzip müssten die Chicago Boys und Girls Deflationsalarm geben, wenn sie denn ihrer Dogmenlehre streng folgen. Es ist halt schwer zu glauben, dass bei Ausweitung von Staatsdefiziten und Rettungsgeldern in Milliardenhöhe, also einer vordergründigen Geldschwemme, keine Inflation entsteht.

Das Problem ist eben, dass das viele Geld niemals im wirtschaftlichen Kreislauf angekommen ist, sondern innerhalb der Banken- und Finanzwelt zirkuliert, quasi die Blase immer weiter aufbläht.

Wir retten eben keine Staaten und Volkswirtschaften, sondern immer noch Banken! 

Die Verluste der Banken muss aber nach wie vor die Volkswirtschaft begleichen. Deshalb sollen alle sparen und ihr Tafelsilber verkaufen. Nicht damit sie ihre Haushalte konsolidieren, sondern damit sie die Zinsen zahlen.

Der einzige Wirtschaftsweise mit Hirn, Peter Bofinger, fordert daher zurecht eine Art Marshall-Plan für europäische Krisenländer. Die Finanzgenies der europäischen Union, gemeint ist natürlich die deutsche Bundesregierung, scheinen nach Auffassung Bofingers eben nicht zu begreifen, dass man mit rigorosen Sparprogrammen nichts konsolidiert, sondern die Konjunktur abwürgt und das Problem der Haushaltdefizite nur verschärft.

Die EZB tut ihr übriges hinzu. Höhere Zinsen sind gegenwärtig Gift für die Konjunktur. Nicht die Gefahr einer Inflation, sondern die einer monetär nicht zu beherrschenden Deflation verschärft sich weiter. Denn offenbar gibt es weder Nachfrage nach Investitionskrediten noch die Bereitschaft der Banken, solche an private Investoren zu vergeben, damit diese wiederum in die Realwirtschaft investieren oder reale Waren und Dienstleistungen konsumieren.

Die Krise kommt nicht zurück, sie ist immer noch da. 

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Wie es gerade passt – Zu den Einzelhandelsumsätzen

Geschrieben von:

Das statistische Bundesamt betreibt mal wieder Irreführung. Heute gab es die Meldung, dass die Einzelhandelsumsätze im Monat Februar um 1,1 Prozent gestiegen seien. Schaut man in der Pressemitteilung etwas genauer nach, wird deutlich, dass der Vergleich nicht etwa zum Vormonat, wie sonst üblich, sondern zum Vorjahresmonat gezogen wird. Der Grund liegt auf der Hand. Im Vergleich zum Vorjahr steigen die Umsätze, im Vergleich zum Januar sinken sie.

Die deutschen Einzelhandelsunternehmen setzten im Februar 2011 nach vorläufigen Ergebnissen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) nominal 3,0% und real 1,1% mehr um als im Februar 2010. Beide Monate hatten jeweils 24 Verkaufstage. Im Vergleich zum Januar 2011 ist der Umsatz im Februar 2011 unter Berücksichtigung von Saison- und Kalendereffekten (Verfahren Zensus X-12-ARIMA) nominal um 0,8% gestiegen und real um 0,3% gesunken.

Quelle: destatis

Die jeweils positiveren Zahlen bestimmen dann auch die Überschrift. Allerdings setzt sich das Verwirrspiel in den Schlagzeilen der Medien fort.

„Umsatz im Einzelhandel steigt“

Der deutsche Einzelhandel setzt seinen Aufwärtstrend fort, das Tempo hat aber nachgelassen.

Quelle: Handelsblatt

„Umsatz im Einzelhandel überraschend gesunken“

Der deutsche Einzelhandel setzt seinen Aufwärtstrend fort, das Tempo hat aber nachgelassen.

Quelle: Rhein-Neckar-Zeitung

Was ist nun richtig? Wie immer hilft ein Blick auf die grafische Umsetzung der statistischen Daten. Über einen längeren Zeitraum betrachtet, erkennt man eine stetige Abnahme der Umsätze im Einzelhandel. Selbst die leichte Erholungsphase im Jahr 2010, die nach dem tiefen Einbruch in 2009 stattfand, ist bereits einer Stagnation gewichen. Ein Konsumboom oder eine Kaufrauschorgie sehen anders aus.

Einzelhandel bis Februar 2011

Das scheint inszwischen auch die Propaganda-Abteilung der Bundesregierung für den privaten Konsum, die GfK (Gesellschaft für Konsumforschung) begriffen zu haben.

Die Stimmung der deutschen Verbraucher kann ihr überaus hohes Niveau im März dieses Jahres nicht weiter verbessern. Sowohl Konjunktur- und Einkommenserwartung wie auch die Anschaffungsneigung müssen Einbußen hinnehmen. Der Gesamtindikator prognostiziert nach 6 Punkten im März für April einen Wert von 5,9 Punkten.

Quelle: GfK

Allerdings scheinen die Gründe für den überrschenden Pessimismus der GfK sehr weit hergeholt zu sein.

Ein zuletzt unsicherer gewordenes internationales Umfeld sowie wachsende Inflationsängste haben im März dafür gesorgt, dass die Verbraucherstimmung leicht an Wert verloren hat. Diese Faktoren haben damit die nach wie vor günstigen Rahmenbedingungen für die Verbraucher, wie steigende Beschäftigung und Einkommen, überlagert. Dennoch bleibt das Niveau der Konsumstimmung weiterhin recht hoch. Mögliche Effekte der Natur- und Umweltkatastrophe in Japan können noch nicht berücksichtigt werden, da zum Zeitpunkt des verheerenden Erdbebens und seiner Folgen die Befragung bereits abgeschlossen war.

Warum sollten Gaddafi oder Fukushima Auswirkungen auf die Kaufneigung der Deutschen haben? Liegt es nicht viel näher, die nach wie vor schlechte Einkommenssituation der Arbeitnehmer sowie die zunehmend prekären Beschäftigungsverhältnisse als Begründung für die Kaufzurückhaltung heranzuziehen? Was ist mit der Altersarmut, der Jugend- und Langzeitarbeitslosigkeit? Stattdessen Inflationsängste. Nein, es geht doch vielmehr um Existenzängste.

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Sprudelnde Steuerquellen?

Geschrieben von:

Die gute konjunkturelle Lage sorge angeblich für sprudelnde Steuereinnahmen, meldet die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf Regierungskreise.

Die gute Konjunktur spült dem Bund und den Ländern erhebliche Steuermehreinnahmen in die Kassen.

Ihr Steueraufkommen stieg im Februar gegenüber dem Vorjahr um 9,7 Prozent auf 39,5 Milliarden Euro, wie aus einer der Nachrichtenagentur Reuters am Freitag vorliegenden Unterlage des Bundesfinanzministeriums hervorgeht.

Mehreinnahmen sind zwar richtig, doch erweckt die Meldung den Eindruck, als seien die Steuerausfälle aus der Vergangenheit ausgeglichen, die durch Krise und permanente Steuersenkungen entstanden waren. Ein Blick auf die Datenreihen gibt Aufschluss.

Steueraufkommen

Grafisch sieht das dann so aus:

Steueraufkommen_Grafik

Die absolute Zahl an Steuereinnahmen nutzt aber gar nichts – obwohl auch hier schon einiges gegen die Behauptung von sprudelnden Steuerquellen spricht -, so lange man nicht einen Bezug zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) herstellt. Das nennt man dann Steuerquote. Sie gibt darüber Aufschluss, wie hoch der Anteil der Steuern am Volkseinkommen ist. Und da sieht das Bild etwas klarer aus.

Steuerquote
Steuerquote im Vergleich
Quelle: wikipedia

Gemessen am BIP fallen die Abgaben eher unterdurchschnittlich aus. Vor allem der internationale Vergleich bestätigt dieses Bild. Das liegt daran, dass Deutschland auf Steuern auf Vermögen und Unternehmertätigkeit systematisch verzichtet.

Im aktuellen Monatsbericht des Finanzministeriums heißt es unter dem Punkt Entwicklung der Steuer- und Abgabenbelastung in den Mitgliedstaaten der OECD:

Die deutsche Steuerquote im Jahr 2008 betrug 23,1 %. Sowohl der OECD-Durchschnitt (+ 2,7 Prozentpunkte) als auch der EU-Durchschnitt (+ 3,4 Prozentpunkte) liegen darüber (Abbildung 1).

In Deutschland spielen allerdings die Sozialversicherungsbeiträge eine wesentlich stärkere Rolle bei der Finanzierung von Sozialleistungen als in den meisten anderen Staaten. So finanziert Dänemark fast die gesamten staatlichen Ausgaben über Steuern, die Sozialbeiträge umfassen hier lediglich 1 % des Bruttoinlandsprodukts. Für internationale Steuerbelastungsvergleiche ist daher die Abgabenquote aussagekräftiger (Abbildung 2). Der EU-Durchschnitt im Jahr 2008 liegt zwar mit + 1,3 Prozentpunkten über der deutschen Abgabenquote von 37,0 %, der OECD-Durchschnitt liegt jedoch um – 2,2 Prozentpunkte darunter. Wie bei den Steuern, so weist Dänemark auch bei den Abgaben die höchste Quote auf. Die Differenz zu Deutschland ist allerdings mit + 11,2 Prozentpunkten bereits erheblich geringer als beim Vergleich der Steuerquoten.

An dieser Interpretation der OECD-Studie „Revenue Statistics“ können sie sehr schön sehen, wie man die Lage schönzureden versucht. Fakt ist, dass sowohl Steuer- wie auch Abgabenquote (einschl. Sozialabgaben) unterhalb des Durchschnitts liegen oder allenfalls mittelmäßig sind. Das Gerede von einer zu hohen Steuer- bzw. Abgabenbelastung bestätigt sich hingegen nicht. Demzufolge ist auch jede Meldung, die von angeblich sprudelnden Steuerquellen kündet, mit äußerster Vorsicht zu genießen. Durch diese Art der Berichterstattung soll wohl nur der Weg für künftige Steuersenkungsfantasien bereitet werden, wohingegen die in der Vergangenheit systematisch vorangetriebene Verarmung des Staates verschleiert wird.

Gleichzeitig stützen steigende Steuereinnahmen die Aufschwungspropaganda der Bundesregierung, die die nach wie vor hohen Defizite in den öffentlichen Haushalten einfach völlig ausblendet.

Das kassenmäßige Finanzierungsdefizit im Kernhaushalt des Bundes – in Abgrenzung der Finanzstatistik – belief sich im Jahr 2010 auf 44,3 Milliarden Euro. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) nach vorläufigen Kassenergebnissen zu den Kernhaushalten des Bundes und der Länder weiter mitteilt, lag das Defizit des Bundes mit einer Zunahme um 9,8 Milliarden Euro deutlich über dem des Vorjahres. Es war damit nahezu doppelt so hoch wie das Defizit der Kernhaushalte der Länder insgesamt (22,3 Milliarden Euro).

Quelle: destatis

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Sparwütige und juristische Kleingeister

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Die bevorstehenden Landtagswahlen rufen erneut jene Kleingeister auf den Plan, für die es nur eine politische Aufgabe zu geben scheint. Sparen und Schulden bremsen. Die Verbindlichkeiten der öffentlichen Haushalte sind hoch und die Rezepte dagegen dünn. In Nordrhein-Westfalen hat gerade ein Verfassungsgericht den Nachtragshaushalt der rot-grünen Landesregierung mit dem schönen wie treffenden Titel, „Nachtragshaushalt für 2010 – Landesregierung zieht Schlussbilanz für Schwarz-Gelb“, auf Grundlage falscher Annahmen über die wirtschaftliche Entwicklung gekippt. Die Richter sahen die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts nicht ausreichend durch die Landesregierung begründet und unterstellten sogar eine verbesserte Wirtschaftslage.

Auf die im Jahr 2010 unerwartet deutlich verbesserte Wirtschaftslage habe die Landesregierung lediglich die Ergebnisse der November-Steuerschätzung umgesetzt und die deutlich positiver als erwartet verlaufende wirtschaftliche Entwicklung in der Begründung erwähnt, weitere Ausführungen zum Fortbestehen einer Störungslage jedoch unterlassen. Damit beruhe ihre Einschätzung der gesamtwirtschaftlichen Lage weiterhin auf Daten, die seit Monaten überholt seien, obwohl bei Vorlage der Ergänzung zum Gesetzentwurf aktuelle Daten bekannt gewesen seien.

Quelle: VGH NRW

Die Landesregierung habe es unterlassen, zum Fortbestehen einer Störungslage Stellung zu beziehen. Da reibt man sich verwundert die Augen und möchte wissen, ob die Richter ihre eigene Sehstörung übersehen und nicht erkannt haben, dass sie das Budgetrecht des Parlaments mit dererlei Rechtssprechung aushebeln. Denn ein einfacher Blick in die Finanzplanung hätte genügt, um zu begreifen, warum die Landesregierung gezwungen war, eine höhere Neuverschuldung in Kauf zu nehmen.

Allein 1,3 Mrd. Euro muss die Landesregierung zusätzlich bereithalten, um eine Zweckgesellschaft der krisengeschüttelten WestLB abzusichern, für deren Schrottpapiere die Vorgängerregierung unter Rüttgers eine Bürgschaft ausgestellt hatte.

Für die dort gelagerten Risikopapiere mit einem Einkaufswert von 23 Milliarden muss das Land als Mehrheitseigentümer der Landesbank mit bis zu 5 Milliarden bürgen. Auch diese Vorsorge ist eine Altlast der Vorgängerregierung und resultiert aus den Fehlern des früheren Ministerpräsidenten Rüttgers.

Quelle: NachDenkSeiten

Nun kann man, wirtschaftliche Lage hin oder her, nicht an der Tatsache vorbei, dass die Folgekosten der Finanzkrise als Sondervermögen getarnt in erheblichen Maße die Ausgabenseite der öffentlichen Haushalte belasten. Laut Meldung des statistischen Bundesamts vom 21. Februar 2011 hat sich der Schuldenstand aller Etats im abgelaufenen Jahr um 18 Prozent auf fast 2 Billionen Euro erhöht. Davon entfallen allein 232,2 Milliarden Euro, also über 76 Prozent der Neuverschuldung, auf die Rettung von Banken. Wortwörtlich ist zu lesen:

Wesentlich zum Anstieg beigetragen haben die im Jahr 2010 neu gegründeten (beziehungsweise in Geschäftsbetrieb gegangenen) „Bad Banks“. Die Übertragung von Risikopapieren der Hypo Real Estate in die FMS Wertmanagement sowie die Stützungsmaßnahmen der Ersten Abwicklungsanstalt für die WestLB erhöhten den Schuldenstand zum Jahresende um 232,2 Milliarden Euro.

Die Stützung der WestLB wird also explizit genannt und herangezogen, um eine Schieflage der öffentlichen Finanzen zu beschreiben. Wie kommen also die Richter in Münster dazu, die Störung eines gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts anzuzweifeln? Mehr Störung geht ja schon fast nicht.

Schlimm genug, dass für die Verluste der Banken der Steuerzahler aufkommen muss, nun wird aber auch noch so getan, als könne man die entstandenen Defizite durch verstärkte Sparanstrengungen an anderer Stelle kompensieren. Wir haben ja Aufschwung. Prost. Ein übles Spiel. Die brutalen Haushaltssanierer stehen schon bereit und wettern gegen eine angebliche Politik des Schuldenmachens und schimpfen über unsolide Finanzpolitik. Dabei waren gerade sie es, die mit ihren Bankenrettungsschirmen dafür gesorgt haben, dass die Verschuldung deutlich zulegte.

Aber das ist natürlich kein Problem. Schließlich gehören von der Pleite bedrohte Finanzinstitute wie Naturkatastrophen zu jenen schlimmen Ereignissen, die laut grundgesetzlich verankerter Schuldenbremse eine Erhöhung der Staatsschulden über das vorgeschriebene Maß hinaus erlauben.

Im Falle von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen, können diese Kreditobergrenzen auf Grund eines Beschlusses der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages überschritten werden.

Quelle: Art. 115 Grundgesetz

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