Statt Feierei gibt es Grund zur Besorgnis

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Wenn sie Herrn zu Guttenberg, unseren Noch-Wirtschaftsminister, nach der wirtschaftlichen Entwicklung fragen oder Frau Merkel, unsere undefeated Bundeskanzlerin, kriegen sie eine dem Grundton nach positve Einschätzung der Lage zu hören. Mit 0,3 Prozent Wachstumsprognose für 2010 gibt man sich zufrieden. Das Tal der Tränen scheint überwunden. Und auch der scheidende Finanzminister Steinbrück schaute angesichts dieser Zahlen recht positiv gestimmt drein. Tenor: Es gehe wieder aufwärts.

Doch selbst beim Vergleich der Prognosezahlen verliert Deutschland den Anschluss bzw. steht kurz vor der Übernahme der berühmten „Roten Laterne“, wie der Euro-Bayer Stoiber konsequent sagen müsste. Nimmt man die IWF-Wachstumsprognosen der G7-Staaten (also der wirtschaftsstärksten Nationen dieser Erde) und legt sie nebeneinander, dann ist nur Italien mit einer Erwartung von 0,2 Prozent Wachstum in 2010 noch schlechter. Platz fünf, der eigentlich ein geteilter Vierter ist, geht mit immerhin schon 0,9 Prozent an Großbritannien und Frankreich. Platz drei mit 1,5 Prozent an die USA, Platz zwei mit 1,7 Prozent an Japan und Platz 1 mit einer fast schon moderaten Wachstumsrate von 2,1 Prozent an Kanada.

Bei der Prognose der Arbeitslosenquote sieht es hingegen richtig finster aus. Mit 10,7 Prozent rechnet der IWF mit Blick auf Deutschland für das Jahr 2010. Und damit wäre man sicher Erster was die Höhe der Zahl angeht und insgesamt Letzter bei der Beurteilung des gesamtwirtschaftlichen Allgemeinzustands. Wenn man um diese düstere Zukunft weiß bzw. wissen kann, verstehe ich nicht, warum man hierzulande lieber über Steuersenkungen streitet und der Frage nachgeht, wer künftiger Finanzminister werden soll, anstatt sich damit ernsthaft auseinanderzusetzen, wie man mit aktiver Konjunkturpolitik und entsprechenden Maßnahmen gegen den absehbaren Trend etwas unternehmen kann.

Ist ihnen das schon einmal aufgefallen? Wir interessieren uns nicht für’s Wachstum. Wenn Frau Merkel eine Sprechblase absondert und widersinnig behauptet, dass ihre mehr Netto vom Brutto Strategie, in der Konsequenz zu angeblich mehr Wachstum führen soll, hört man kaum Widerspruch, sondern fragt gierig nach der Höhe der persönlichen Entlastung. Ganz spannend ist auch die aktuelle Runde „Deutschland sucht den Super-Finanzminister“. In der Finalshow sind, der Überraschungskandidat Roland Koch von der CDU, ein ausgewiesener Experte in Mengen- und Mehrheitsfragen und zwei Aristokraten. Der eine, Hermann Otto Solms wird von der FDP ins Rennen geschickt. Doch was befähigt ihn? Als Schatzmeister der FDP hätte er seine Partei 1996 fast ruiniert, weil er vergaß die Festsetzung der Gesamtsumme für die Wahlkampfkostenerstattung des Jahres auf einem Antrag fristgerecht einzureichen. Damals ging es um 12,4 Millionen Mark.

Wenn ich da an das Millardenspiel im Finanzministerium denke, möchte ich doch fast und ganz spontan nach dem neuen Superstar der CSU, Freiherr zu Guttenberg rufen, der für den Posten ebenfalls gehandelt wird. Der kann ja auch alles. Außenpolitik, Wirtschaftspolitik und nun Finanzpolitik. Das er von Finanzen Ahnung haben muss, zeigen seine Erfahrungen bei der Verwaltung des Familienvermögens, die ihm übrigens auch den Job im Wirtschaftsministerium einbrachten. Die zu Guttenbergs, in Finanzfragen immer auf der Höhe der Zeit. Aktuell hat sich die Familie zu Guttenberg nach eigener Darstellung und aus Gründen der gesellschaftlichen Verantwortung selbst enterbt. Laut Spiegel-Informationen hat die Familie ihr Schloss in Oberfranken einer eigens gegründeten Stiftung in Österreich übertragen. Das wäre doch herrlich, wenn man einen so omnipotenten Hengst wie den Theodor zu Guttenberg aus dem kulturell besonders wertvollen Aristokratenstall kriegen kann.

Mit dem an der Spitze wirken doch düstere Prognosen oder hohle Sprechblasen ganz anders. Schauen sie sich mal in der Sendung „Neues aus der Anstalt – Folge 23“ aus dem März diesen Jahres die letzten Minuten zwischen Urban Priol und Georg Schramm an. Dort sprechen die beiden über zu Guttenberg und darüber, was ihn von seinem Vorgänger im Amt Michel Glos unterscheidet. (Im Video am Minute 6)

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Noch knapp eine Woche bis zur Bundestagswahl

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Wer die Diskussionsrunden der letzten Tage verfolgt hat, wird sicherlich einen Einblick darüber bekommen haben, wie sich die Parteien eine künftige Politik vorstellen und wie sie sie auch finanzieren wollen. Dabei ist es schon belustigend, wie dann die Spitzen mit Zahlen jonglieren, um dumm fragenden Journalisten zu erklären, woher das Geld für angebliche „Wohltaten“ denn kommen soll. Das alte Muster von Programmen und ihren Kosten ist nach wie vor ein beliebtes Thema. Und auch die Öffentlichkeit lässt sich damit einlullen. Die Frage nach dem Preis für Bildung zum Beispiel oder für bessere Sozialleistungen interessiert ungemein. Der Vorwurf, das Blaue vom Himmel zu versprechen, ist schnell formuliert. Auf der anderen Seite verzichtet die Kanzlerinnenpartei gar gänzlich auf Versprechungen und tut so, als sei das Verweilen im Ungefähren die bessere Wahl.

Ich wundere mich immer wieder über die Ausdauer, mit der man den fundamentalen Widerspruch dieser Zeit auszublenden versucht und der Finanzierung von politischen Aufgaben bis ins kleinste Detail nachspüren will, um so etwas wie eine programmatische Diskussion zu schaffen, die es dem Zuschauer dann erlauben soll, zwischen den Angeboten auszuwählen. Doch die Frage nach den Kosten eines politischen Programms ist doch inzwischen völlig belanglos geworden, wenn man sich immer wieder vor Augen führt, mit welcher Leichtigkeit mal eben eine halbe Billion Euro für die Finanzwirtschaft zur Verfügung gestellt wurde. Wenn also Herr Trittin von den Grünen wieder und wieder vorrechnen muss, dass er den Solidaritätszuschlag in einen Bildungssoli umwandeln will oder die SPD nicht Müde wird zu betonen, dass eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes notwendig wird, damit der riesige Schuldenberg nicht allein von den Schwächeren in der Gesellschaft bezahlt werden muss oder Union und FDP meinen, mit Steuersenkungen für ein konjunkturelles Wunder sorgen zu können, das von keiner empirischen Erfahrung je bestätigt wurde, dann ist das nichts weiter als schlecht vorgespieltes Theater.

Beschönigend nennt man das dann „Symbolpolitik“. Oder wie Georg Schramm sagen würde, „Der Urnenpöbel wird mit Zeichen abgespeist“ Politiker seien nur Hampelmänner, die in Berlin Demokratie vorspielen dürften, aber in Wirklichkeit an den Fäden von Interessenverbänden hingen, die das politische Handeln in Wahrheit bestimmen. Und das war im Jahr 2003 zur Verabschiedung von Dieter Hildebrandt aus der Kabarettsendung „Scheibenwischer“.

Heute ist klarer denn je, wie Recht Schramm mit seiner Analyse hatte. Die Frage heute kann doch nicht lauten, welche Programme wie finanziert werden können und wer in der Auseinandersetzung darum eine gute Figur abgibt. Die Frage heute muss doch lauten, wie die Demokratie und das Parlament so außer Kraft gesetzt werden konnten, dass Finanzströme ungeahnten Ausmaßes freigesetzt wurden, die in die Rettung von angeblich systemrelevanten Banken flossen und immer noch fließen. Aus welcher Logik leitet man denn eigentlich die Wichtigkeit der Frage nach der Finanzierung eines Bildungsprogramms oder die Finanzierung von sozialer Sicherheit ab? Das verstehe ich bis heute nicht. Wieso müssen solche Aufgaben des Staates, die zu regeln, unsere Verfassung eindeutug vorschreibt, im Gegensatz zum Finanzsektor, einem quälend langen Entscheidungsfindungsprozess unterworfen werden, bei dem sich die politischen Kontrahenten pausenlos mit der Frage nach der Bezahlbarkeit beschäftigen und sich gegenseitig Unseriösität vorwerfen?

Bei Anne Will im Ersten konnte man gestern zum Beispiel einen richtigen Schrecken kriegen, sofern man noch bei klarem Verstand war. Dort saßen zu Guttenberg und Steinbrück und lieferten sich einen belanglosen Schlagabtausch um die richtige Politik für dieses Land, bei dem am Ende herauskam, dass zu Guttenberg der Hübschere von beiden sei und Steinbrück der sportlich Coolere, weil er bei der Frage über die Wirkung von Änderungen an der Einkommenssteuer seinem Gegenüber zu Guttenberg vorschlug, nach draußen zu gehen, um die richtige Antwort auszukegeln. Der stimmte dann auch noch zu, obwohl er Herrn Steinbrück zuvor noch mit ernster Miene fragte, ob dieser gern mit populistischem Gehabe kokettiere. Die Krönung des Theaters war dann aber eine auf Initiative Steinbrücks zurückgehende, von Anne Will spontan gestellte Zuschauerfrage, ob das Publikum lieber einen FDP-Vertreter oder Herrn Steinbrück im Bundesfinanzministerium sähe.

Da möchte man doch am liebsten

Wer ganau hinschaut, muss einfach sehen, wohin die Reise gehen wird, wenn sich die letzten Umfrageergebnisse am Wahlabend in etwa so bestätigen werden. Am „Weiter so“ führt dann kein Weg mehr vorbei. Noch immer sind Verbriefungen erlaubt, noch immer können Finanzinvestoren (Heuschrecken) Unternehmensteile auf- und verkaufen, ohne dafür einen Cent Steuern zahlen zu müssen, noch immer läuft das Finanzkasino, während die Binnenwirtschaft unter einer der größten Rezessionen leidet. Wer das zu Guttenberg-Papier gelesen hat, weiß wie ein schwarz-gelber Fahrplan aussehen könnte. Wer in Steinbrücks Ministerium hineinschaut, wird feststellen, dass auch dort bereits darüber nachgedacht wird, zum Beispiel Zuschläge für die Arbeit an Sonn- und Feiertagen sowie in der Nacht künftig regulär zu besteuern. Auch die Erhöhung der Mehrwertsteuer ist entgegen allen Beteuerungen ein Thema. Da brauchen sie nur die Zeichen zu deuten, um zu begreifen, wer für jene Schulden bezahlen soll, die der Staat bereit war einzugehen, als er die Banken bedingungslos und uneingschränkt mit Milliarden versorgte.

Nutzen sie daher ihre beiden Stimmen am 27. September weise. ;)

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Neues aus der Anstalt – Oberstleutnant Sanftleben und die Tassenfrage

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Die gestrige Sendung Neues aus der Anstalt war mal wieder ein Highlight. Für mich besonders herausstellenswert war der Auftritt von Oberstleutnant Sanftleben, der mit Erwin Pelzig zunächst ein kleines Bilderrätsel veranstaltete. Richtig oder Falsch? Die Kanzlerin verlieh am 6. Juli 2009 zum ersten Mal die neue Tapferkeitsmedaille der Bundesrepublik, die Verteidigungsminister Jung am 13. August 2008 gestiftet hatte, unter anderem an einen Hauptfeldwebel der Bundeswehr. Welcher Fehler verbirgt sich nun in diesem Bild?

Anstalt

Pelzig wusste es nicht, bekam darüber hinaus aber einen köstlichen Anfall, bei dem er sich über den Militäreinsatz in Afghanistan aufregte. Frage an Sanftleben: „Wie war das denn mit den Tanklastzügen.“ Pelzig habe immer gedacht, die Bundeswehr bohre in Afghanistan Brunnen, doch nun sei man wohl auf Öl gestoßen. Vor dem Bild der Orden verleihenden Kanzlerin verlangt Pelzig vom Oberstleutnant eine Erklärung für den siebenjährigen Einsatz, der viel Geld kostet, viele Soldaten benötigt und zahlreiche Opfer fordert. Schließlich müsse man ja aktuell erfahren, dass eine Wahl dort total gefälscht wurde und ein korruptes Regime von uns Unterstützung erhält. Mit der Aufforderung endlich Antworten zu geben, reißt Pelzig dem Oberstleutnant vor Wut die Knöpfe vom Anzug und geht ab.

Sanftleben sieht die Heimatfront bröckeln und klärt dann erst einmal in Ruhe das Bilderrätsel auf. Falsch an dem Bild sei die Kanzlerin. Denn die Verleihung militärischer Ehrenabzeichen obliegt in Friedenszeiten ausschließlich dem Bundesverteidigungs-minister. Die Kanzlerin dürfe solche Orden nur im Kriegsfalle verleihen, weil sie dann den Oberbefehl über die Streitkräfte inne hätte. Mit dem Satz: „Das Bild kann weg.“ beendete Sanftleben dann die Tassenfrage, um dann etwas über den Kriegsbegriff im Verständnis unserer Verfassung zu referieren. Einfach genial, wie der Oberstleutnant erklärt, warum sich der Verteidigungsminister so sehr scheut, das Wort Krieg zu benutzen. Weil er keine Eier hat, wie Oli Kahn sagen würde.

Denn in unserem Grundgesetz steht im Artikel 26 das Verbot, einen Angriffskrieg zu führen oder an einem solchen teilzunehmen. Zuwiderhandlungen sind unter Strafe zu stellen. Die Bundesregierung müsse nun halt die Eier haben, dass Verbot entweder abzuschaffen oder sich stolz hinter diesen Artikel zu stellen. Dann müssten die Soldaten auch nicht blöd als Feiglinge auf dem Gefechtsfeld herumeiern, sondern könnten sagen, sie seien die Vertreter eines Verfassungsauftrages. Die Regierung könne aber auch den Verteidigungsfall nach Artikel 115 Grundgesetz ausrufen, um von Krieg sprechen zu können. Dann fielen aber solange die Bundestagswahlen aus, wie der Verteidigungsfall andauere. Da könne man sich gut vorstellen, so Sanftleben, dass der Abzugsbefehl für Afghanistan recht zügig ausgestellt würde. :)) :)) :)) :)) :))

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TV-Tipp: Neues aus der Anstalt – Folge 27

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Heute ist mein 30. Geburtstag und ich habe mich gestern gefragt, was mir der heutige Tag so bringen würde. Bei Wikipedia zum Beispiel schlägt man dann nach, um zu schauen, welch große Ereignisse es an diesem Tag in der Weltgeschichte gegeben hat. Da fand ich auf Anhieb nichts Spannendes. Dann fiel mir natürlich wieder ein, dass heute der Deutsche Bundestag abschließend über die Korrektur des Begleitgesetzes zum EU-Reformvertrag abstimmen wird und damit auch formal den Weg für die endgültige Ratifizierung eines Vertrages frei macht, der noch immer Regelungen in zahlreichen Zusatzprotokollen enthält, die meiner Meinung nach nicht mit dem Grundgesetz und der Demokratie vereinbar sind. Davor will unsere Bundeskanzlerin Angela Merkel in einer Regierungserklärung noch etwas zu der durch einen deutschen Befehl angeordneten Bombardierung eines Tanklastzuges in Afghanistan sagen. Das passt dann auch irgendwie alles zusammen.

Wie froh war ich dann, als ich gestern bei Freunden erfuhr, dass mir das ZDF heute ein wirklich tolles Geschenk macht. Die Kabarett-Sendung „Neues aus der Anstalt“ mit Urban Priol und Georg Schramm kehrt aus der langen Sommerpause zurück. Wie gewohnt live um 22:15 Uhr direkt nach dem heute-journal. Neben dem unerwartet schönen Wetter, ist das die beste Nachricht am heutigen Tage. Zu Gast sind Malmsheimer, Schmickler und Pelzig. Eine Topbesetzung würde ich sagen. Als kleinen Vorgeschmack auf den zu erwartenden cholerischen Anfall von Schmickler hänge ich hier mal einen Beitrag von ihm vom 5. September an. In der Sendung Mitternachtsspitzen im WDR-Fernsehen hat er einen ganz besonderen Wahlaufruf gestartet:

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Nachtrag zu Afghanistan-Wahl

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In der gestrigen NP-Ausgabe gab es außerdem ein Interview mit Rolf Tophoven, Leiter des Instituts für Terrorismusforschung. Darin antwortet er auf die Frage nach einem Rückzug deutscher Truppen wie folgt:

„Wer jetzt eine undifferenzierte Diskussion über den Abzug am Hindukusch führt oder auch wie der frühere Verteidigungsminister Volker Rühe von einem „Desaster“ spricht, betreibt das propagandistische Geschäft des Gegners. Ein übereilter Abzug würde von den Taliban als schmachvoller Rückzug interpretiert, als Sieg über die stärkste Militärmacht der Welt, die USA. Die Taliban würden das medial und psychologisch zu einem immensen Erfolg ausschlachten“

Dieses perverse Weltbild vertritt ja auch Innenminister „Opfer“-Schäuble. Demnach seien ein paar tausend Tote zwar schlimm, aber noch schlimmer wäre es ja, wenn die Weltmacht USA und ihre Nato-Verbündeten zugeben müssten, dass der Krieg falsch war. Aber hören sie auch dazu Volker Pispers, der dieses verhöhnende PR-Gerede von Kriegsbefürwortern bereits im Jahr 2007 entlarvte.

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Afghanistan hat die Wahl, die Neue Presse scheinbar nicht…

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…denn heute folgt auf Seite eins ein weiterer Kommentar vom Experten für Krieg, Terrorismus und Angst, Horst Schmuda, in dem er den Einsatz der Bundeswehr zu rechtfertigen versucht. „Die Angst wählt mit“ nennt er seinen Text und beschreibt eigentlich zunächst einmal die trostlose Lage in dem Land…

„Tote, Verletzte, geheime Absprachen, Stimmenkauf, Geisterwähler – der zweite Urnengang am Hindukusch seit der Befreiung von der talibanischen Verbrecherbande übersteigt so ziemlich unseren doch reichlich naiven demokratischen Horizont. Es konnte ja gar nicht funktionieren: Unsere tollen westlichen Werte, mit denen wir die Afghanen beglücken wollten, die von unserem Demokratieverständnis inspirierte Verfassung – all das scheint wie eine politische Transplantation, die mit den Verhältnissen in einem Land, in dem Stämme und Clans das Sagen haben, einfach nicht zusammenwachsen will. Karsai, der Abzocker dieser Wahl, einst Hoffnungsträger des Westens, der im eigenen Land nicht mehr Macht hat als ein Oberbürgermeister von Kabul – die Kritik an ihm wird immer lauter. Weil die westliche Wertegemeinschaft demokratische Anstrengungen des Präsidenten vermisst, der stattdessen den Schulterschluss mit religiösen Ultras und kriminellen Warlords sucht.“

Doch all diese bitteren Erkenntnisse vermögen es nicht, bei Horst Schmuda einen sinnvollen Gedanken auszulösen. Im Gegenteil. In seiner typischen Manier witzelt er wie immer unkomisch herum und fragt sogar scherzend…

„Und für so was setzen unsere Soldaten ihr Leben aufs Spiel?“

…, um dann aus der Tatsache, dass überhaupt jemand zur Wahl gegangen ist und damit ein an sich korruptes System am Leben erhält, eine plumpe Rechtfertigung für den Bundeswehreinsatz zu stricken.

„Böse Frage, sollte man ganz schnell vergessen. Denn der Mut vieler Afghanen, die den mörderischen Drohungen der Taliban trotzend unter Lebensgefahr wählen gingen, verpflichtet uns, das Land nicht vorzeitig aufzugeben. Denn im Grunde genommen geht es doch nur um eins: dass Afghanistan nicht wieder in die Hände irrer Steinzeitislamisten fällt.“

Mit der Wortkreation „Steinzeitislamisten“ bedient Schmuda mal wieder ein ganz übles Ressentiment, dessen Zweck darin begründet liegt, die Öffentlichkeit auf das alte schwarz-weiß Spiel Gut gegen Böse einzuschwören. Übel ist das deshalb, weil Schmudas angebliche „Steinzeitislamisten“ gar nichts Rückständiges an sich haben, sondern äußerst modern in Erscheinung treten. Das ist ja auch kein Wunder, schließlich war es die westliche Welt, konkret die USA, die diese „Steinzeitislamisten“, und Osama bin Laden war einer von ihnen, in Saudi Arabien erst angeworben, ausgebildet und schließlich mit militärischem Gerät ausgestattet haben, damit sie gegen die damals bösen Sowjets in Afghanistan zu Felde ziehen.

Damals hätte Horst Schmuda in der Neuen Presse Hannover wahrscheinlich den gloreichen Kampf der Mudschahiddin verteidigt und von den „Steinzeitbolschewisten“ geschrieben, die nie und nimmer in Afghanistan die Kontrolle übernehmen dürften. Die Feinbilder sind also austauschbar. Der Unterschied besteht nun aber darin, dass Deutschland auf der Welt militärisch wieder mitmischen darf. Schmudas Scherzfrage also, ob unsere Soldaten für sowas ihr Leben aufs Spiel setzen sollten, ist Ausdruck einer doppelten Beschränktheit des Autors.

Erstens sollte man sich nämlich die Frage stellen, wie es sein kann, dass deutsche Soldaten überhaupt im Kampfanzug in derartige Einsätze geschickt werden, bevor man eine Begründung darüber liefert, weshalb sie dort bleiben und kämpfen sollen. Zweitens sollte man sich dann fragen, woher wir das Recht ableiten, die Afghanen mit unseren „tollen westlichen Werten beglücken zu müssen“. Da müssen sie sich unbedingt das Denken der NATO vor Augen halten. Nato-Soldaten dürften demnach auch aßerhalb des Bündnisgebietes eingesetzt werden, wenn der Nachschub unserer Ressourcen gefährdet ist.

Volker Pispers sagte dazu treffend:

„Wir schützen nicht mehr das, was uns gehört, sondern wir schützen jetzt auch das, was wir gerne hätten.“

Aber sehen sie selbst.

Und zur ersten Frage, warum Deutschland überhaupt wieder eine militärische Rolle übernehmen konnte, gebe ich ihnen einen Beitrag von mir aus den NachDenkSeiten vom 16. Juli 2007 zur Kenntnis:

1. Anmerkung von A.T.

Zu Steinmeiers Aussage:

“Joschka Fischer und die Grünen haben rasch gelernt, wie wir in der Kosovo-Krise 1999 erlebt haben. Davon sind die Linken meilenweit entfernt, vor allem wegen ihrer beinahe nationalistischen Verengung.”

Hier wirft Steinmeier den Linken eine nationalistische Verengung vor, ohne auch nur einen kritischen Gedanken an die zur Normalität gewordenen Einsätze der Bundeswehr im Ausland zu verschwenden. Ist dieses militärische Engagement nicht eher die Folge eines neuen Deutschlands, dass sich nach dem Epochenbruch 1989/90 auf ein neues nationalistisches Selbstbewusstsein stützt? Ein Deutschland, das nach der Auflösung der deutsch-deutschen Teilung, die direkte Folge von Auschwitz, zu einer lang ersehnten Normalität tendierte? War es nicht Gerhard Schröder, der mit der nationalsozialistischen Vergangenheit kein Wahrnehmungsproblem mehr hatte, der das Denkmal für die ermordeten Juden als Ort bezeichnete, „wo die Leute gern hingehen“? Anders als seine Vorgänger, konnte Schröder unbefangener reagieren und ein neues Selbstbewusstsein propagieren, das Deutschland in die Lage versetzen sollte, als souveräner Partner an den Verhandlungstischen der Weltmächte mitreden zu können.

Das stieß vor allem bei den Opfern des Nationalsozialismus auf Vorbehalte, die sich darin äußerten, Deutschland könne mit dem Ende der DDR, die NS-Geschichte als abgeschlossen betrachten. Es wurde sehr schnell klar, dass die Möglichkeit einer Verdrängung der einen deutschen Geschichte durch die andere in Betracht gezogen würde. In den nachfolgenden Deutungen der Ereignisse, gemeint sind die Ausbrüche rechter Gewalt im Osten unmittelbar nach dem Fall der Mauer und das offenbar viel schnellere Ausbreiten des Rechtsextremismus auf dem Gebiet der ehemaligen DDR, ließen oberflächlich betrachtet nur den einen Schluss von der Nähe des DDR-Systems zu dem des Nationalsozialismus zu. Die Totalitarismusthese erfuhr nunmehr eine Renaissance. Doch das merkwürdige an der Diskussion ist, dass vor 1989 die DDR als linker Totalitarismus bezeichnet wurde und nach der Einheit rückblickend nur noch von der Ähnlichkeit bzw. Gleichartigkeit zum Nazi-Regime gesprochen wurde. [1] Damit entzog man der DDR und vor allem ihren Bürgern den gesellschaftlichen Kern und allen anderen die Möglichkeit über eine gesellschaftliche Differenz überhaupt nachzudenken.

Der Vergleich zwischen alter Bundesrepublik und der DDR wurde gar zu einem Tabu erklärt, da einer solchen Betrachtung die Anerkennung des DDR-Staates und der Gesellschaft vorausgehen müsste. „Tatsächlich werden die Ostdeutschen nur unter einer Bedingung vom Westen anerkannt: Sie müssen das Vergleichen zwischen der DDR und der Bundesrepublik unterlassen.“ [2] Auf der anderen Seite stand dem Vergleich zwischen der DDR und dem Nationalsozialismus auf der Basis des Diktaturenvergleichs nichts im Wege. Die neue Berliner Republik konnte sich daher mit dem neuen Bewusstsein schmücken, über zwei Diktaturen bzw. totalitäre Systeme hinweggekommen zu sein. [3] In dieser Konzeption avanciert der ganze DDR-Staat in der Wahrnehmung zu einem verbrecherischen Fehltritt der Geschichte, der zum einen diejenigen, die in ihm lebten, verunsichert bzw. mit dem Vorwurf konfrontiert, Teil eines Unrechtsstaates gewesen zu sein und die westdeutsche Gesellschaft gleichzeitig entlastet, wenn es darum geht, Aufarbeitung leisten zu müssen. „Die Bundesrepublik braucht die DDR, um sich über sie vom Nationalsozialismus abzustoßen.“ [4]

Die nationalistische Verengung, wie sie Steinmeier den Linken vorwirft, ist dann wohl eher im eigenen Haus zu finden, basierend auf einer neuen deutschen Staatsraison, die unkritisch gegenüber der eigenen verhängnisvollen Geschichte ist. Das Bekenntnis zu Verbrechen und Schuld wird dabei in eine bloße Floskel transformiert, um diese im Fokus der innerdeutschen Auseinandersetzung für eine bloße Aufwertung der SED-Diktatur im Vergleich zu benutzen.

Anmerkungen:

[«1] Franziska Augstein: Deutschland. Nationalsozialismus und zweiter Weltkrieg – Berichte zur Gegenwart der Erinnerung, in: Volkhard Knigge und Norbert Frei (Hrsg.), Verbrechen erinnern – Die Auseinandersetzung mit Holocaust und Völkermord, München 2002, vgl., S.228

[«2] ebd.

[«3] ebd. vgl., S.229

[«4] ebd. S.230

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Die Terrorangst ist zurück

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Und Horst Schmuda von der Neuen Presse Hannover ruft angesichts des Geständisses im Prozess gegen die so genannten „Sauerlandbomber“ eine neuerliche Warnstufe aus. „Alarmierendes Geständnis“ nennt er seinen Kommentar und will uns damit wohl sagen, dass wir angesichts der geschilderten Motive mehr Obacht geben und künftigen neuen Sicherheitspaketen gegenüber aufgeschlossen sein sollen. Aber lassen wir den wirren Unsinn mal auf uns wirken…

„Der deutsche, zum Islam konvertierte Angeklagte, der als der gefährlichste Terrorist Deutschlands gilt, diktierte den Terrorfahndern quasi ein neues Lehrbuch darüber, wie vom Islamismus verführte junge Menschen sich in einer gefährlichen Mischung aus Hass, Gewaltbereitschaft, Naivität und Verblendung an einem pervertierten Bild des islamischen Dschihad berauschen.[…]
Was für deutsche Ermittler durchaus alarmierend klingen dürfte, und die Frage, wie sicher die Sicherheit hierzulande noch ist, stellt sich deshalb seit gestern doch drängender als bisher.“

Also ein Intellektueller sozusagen, der den Fahndern gerade noch so ins Netz gegangen war und nun aus Gründen der Strafmilderung dem Gericht mal schön erzählt, wie so eine Terroristensache standardmäßig vorbereitet wird.

„Auch wenn die Angeklagten eher als Terror-Deppen dastehen denn als Genies der Verschwörung“

Aha, ein typischer Schmuda wieder. Terror-Deppen! Das ist lustig, denn Lehrbücher diktieren können sie ja. Theorie gut, Praxis schlecht also. Da staunt der Leser sicherlich, wenn er es vor lauter Angst noch merkt. Im Innenteil erfährt man dann vom total ernsten Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach:

„Wir haben vor kurzem eine ärgerliche Gesetzeslücke geschlossen. Die Ausbildung in solchen Terrorlagern ist nun endlich unter Strafe gestellt. Wer dort hingeht, plant keinen Abenteuerurlaub, sondern will mörderisches Terror-Handwerk erlernen. Hier werden verheerende Attentate geprobt, denen möglichst viele Menschen zum Opfer fallen sollen. In der Vergangenheit war das straflos. Wir konnten Wiedereinreise dieser Terror-Sympathisanten nach Deutschland nicht verhindern und mussten sie hier als Top-Gefährder ständig beobachten. In Zukunft wird das anders sein. Dann werden wir sie hinter Schloss und Riegel bringen.“

Da musste ich wieder lachen über den Geisteszustand unserer Volksvertreter. Wie will man denn eigentlich überprüfen, ob jemand das „mörderische Terror-Handwerk“ erlernt hat. Kriegen die in den Camps etwa ein Diplom, das sie auf dem Flughafen bei der Zollkontrolle im roten Kanal anmelden müssen? Bosbach sollte Komiker werden. Aber nein. Die Sache ist ja wirklich ernst gemeint. D.h., der demokratische Rechtsstaat Deutschland leistet sich ein Gesetz, in dem der Aufenthalt in solchen Lagern unter Strafe gestellt werden kann. Zwar müssen die rechtsstaatlichen Ankläger nachweisen, dass der potenzielle Terrorist ein solches Lager nur deshalb aufgesucht hat, um später Anschläge zu verüben, doch das ist, wie wir bei Bosbach oben sehen, kein wirkliches Problem. Zum Abenteuerurlaub führe da eben keiner hin. So einfach ist das mit den Beweisen.

Künftig zählen halt keine Taten mehr, sondern Absichten. Und welche Absichten jemand verfolgt, das bestimmt Wolfgang Bosbach. Der weiß schließlich ganz genau, wo die Terrorcamps liegen. Die sind wahrscheinlich mit deutschen Ortsein- und -ausgangsschildern gekennzeichnet und mit einer Art Verwaltung bestückt, die unseren Einwohnermeldeämtern ähnelt. Na ja, Spaß beiseite. Irgendwoher müssen ja die Fakten kommen. Na klar. Von den Geheimdiensten vielleicht. Die sind nämlich immer im Bilde. Auch wenn es darum geht, die Gefährdungsstufe zu benennen. Bei Wolfgang Bosbach klingt das heute so:

„Deutschland wurde bereits mehrfach konkret als potenzielles Anschlagsziel genannt und gehört nicht nur wegen der Beteiligung am Afghanistan-Einsatz zu den gefährdetsten Nationen.[…]
Es gibt keinen Grund zur Panik, aber Grund zu erhöhter Obacht. Denn im Vorfeld der Bundestagswahl besteht die Sorge, dass Terroristen versuchen könnten, durch Anschläge Einfluss auf die deutsche Beteiligung am Afghanistaneinsatz zu nehmen.“

Es besteht aber auch die Sorge, dass führende Unionspolitiker wie Bosbach oder Kriegsminister Jung einfach durchgeknallt sind. Franz-Josef Jung hat nach der “Hansa Stavanger”-Freilassung gesagt:

„Wir sollten über eine Verfassungsänderung nachdenken, die der Bundeswehr den Zugriff dann ermöglicht, wenn die Polizei nicht handeln kann, da sie beispielsweise gar nicht am Ort des Geschehens ist.“

Und Bosbach sagt im heutigen NP-Interview:

„Die Verfassungsänderung ist dringend notwendig. Die Bundeswehr soll nicht zu einer Art Bereitschaftspolizei gemacht werden. Aber es gibt hier eine Schutzlücke. Wenn nur die Bundeswehr mit ihren besonderen Fähigkeiten Gefahren abwehren kann, muss die Bundeswehr auch helfen dürfen. Die Bevölkerung darf in bestimmten Situationen nicht schutzlos sein. Schon heute kann die Bundeswehr im Katastrophenfall im Innern im Spannungsfall oder beim inneren Notstand eingesetzt werden. Aber gegen die akuteste Bedrohung, den Terrorismus, nicht. Das müssen wir durch eine Änderung des Grundgesetzes ändern.“

Wenn man so etwas Gedankenloses hört, gibt es nicht nur Grund zu erhöhter Obacht, sondern auch zum aktiven Handeln. Solche Wahnsinnigen, die 64 Jahre nach Hitler nichts mehr dabei finden, das Militär wieder zu einer innenpolitischen Waffe zu machen, gehören aus ihren Ämtern gejagt. Eine gute Gelegenheit bieten die kommenden Wahlen. Solche „bürgerlichen Biedermänner“ waren es schließlich auch, die am 23. März 1933 dem Ermächtigungsgesetz oder wie es auch hieß Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich zustimmten. Georg Schramm bezeichnete diesen deutschen Versuch aus der Weltwirtschaftkrise zu kommen mit den Worten:

„Der Roosevelt hat in Amerika den Staatskapitalismus ausgerufen und eingeführt und die Reichen geschröpft, und bei uns hat das bürgerliche Großkapital und die Hochfinanz einen Schlägertrupp engagiert, damit die systemische Bedrohung in den Griff gekriegt wird.“

Am 24. März 2009 erinnerte Georg Schramm in „Neues aus der Anstalt“ an diese historische Wahrheit. Schauen sie sich den folgenden Zusammenschnitt an, der auch Tonausschnitte der Rede von Otto Wels vom 23.März 1933 sowie eine verhöhnende Erwiderung des Reichskanzlers Hitler enthält. Denken sie dann bitte noch einmal über die Frage nach, welche Funktion der Terrorismus in Zeiten einer neuerlichen Weltwirtschaftskrise übernehmen könnte.

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Le 14 juillet: Ein wirklicher Feiertag

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Vive la révolution, vive la République, vive la France!!!

Für uns Deutsche heißt das eigentlich übersetzt, dass wir verpflichtet sind, heute Abend eine Flasche Bordeaux zu öffnen, um etwas zu feiern, das wir nie haben erfahren dürfen. Von dem wir aber profitieren. Die geglückte Revolution. Neidvoll blicken wir immer dann auf unseren Nachbarn, wenn die (Staats-)Bürger („citoyen“) für ihre Rechte kämpfen und sich dabei auch gegen die (Besitz-)Bürger („bourgeois“) zur Wehr setzen. Diese revolutionäre Tradition kennen wir Deutschen nämlich nicht. Max Weber brachte diese Schwäche des deutschen Bürgertums mit dem Unterlassen, einem Hohenzollern je den Kopf abgeschlagen zu haben, auf den Punkt. Seitdem feierten wir nur Tage des Scheiterns wie den 17. Juni oder Tage der herrschenden Bürokratie wie den 3. Oktober. Einen Tag wie der 9. November, der Gutes und viel Schlechtes in der deutschen Geschichte repräsentiert, wurde aus Angst nie ernsthaft in Erwägung gezogen.

Was mit uns Deutschen aktuell los ist, arbeitet Volker Pispers in seinem Dauerprogramm „Bis neulich“ sehr schön heraus. Viele Themen konnten sie in diesem Jahr bei wdr2 schon hören. Viel Spaß…

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Die FDP wehrt sich gegen Millionenstrafe

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Die Liberalen wollen gegen die Entscheidung des Bundestagspräsidiums Klage einreichen, weil sie der Auffassung sind, dass ihre eigene Aufklärungsarbeit zum Spendenskandal in NRW offenbar keine Würdigung fand. Der nordrhein-westfälische FDP-Vorsitzende Andreas Pinkwart sagte…

„Man muss sehen, dass die FDP trotz der eigenen Aufklärungsarbeit genauso behandelt wird, als hätte sie darauf verzichtet“

Ach Gottchen. Welchen Deal hätte man denn gern? Vielleicht so einen, wie beim verurteilten Steuerhinterzieher Klaus Zumwinkel. Der hat ja auch an der Aufklärung seiner eigenen Verbrechen mitgewirkt und zum Dank dafür, eine mildere Strafe erhalten. Das ist Deutschland. Weil die Justiz nicht über die Mittel verfügt, komplizierte Sachverhalte aufzuklären, dealt man sich durchs Strafrecht.

Das hatte im Fall Zumwinkel für helle Aufregung gesorgt. Aber ansatatt den Justizbereich besser auszustatten, will man nun Deals zwischen Staatsanwaltschaft und Beklagten generell zulassen. Also auch der „einfache Bankräuber“ soll dealen dürfen können, um ein besseres Urteil für sich herauszuholen. Da freut sich die Politik über ein scheinbar gelöstes Problem und glaubt wirklich, Gerechtigkeit geschaffen zu haben. Dabei wird ein Staatsanwalt nie auf die Idee kommen, mit einem Bankräuber zu dealen. Denn solche Fälle sind in der Regel klar aufzuklären. Systematische Steuerhinterziehung hingegen nicht. Hinter Leuten wie Zumwinkel sitzen meist kluge Anwälte und Berater, die wissen wie man bescheißt und ungeschoren davon kommt.

Was hat das nun mit der FDP zu tun. Viel, denn die Liberalen wollen anscheinend schon jetzt von der neuen Rechtsperspektive profitieren. Egal gegen welches Gesetz sie auch verstoßen haben mögen, Pinkwart begründet die Klage mit der eigenen Mithilfe, die zur Aufklärung des Spendenskandals und des groben Bruchs des Parteiengesetzes geführt hat. Das muss doch ein milderes Urteil zur Folge haben, so die einfache Logik. Dabei sollte sich Pinkwart für das schämen, was sein abgestürzter Kollege Möllemann abgezogen hat und lieber seine vorlaute Schnauze halten und die Kohle überweisen.

Unsere Medien schweigen zu diesem Vorgang mal wieder. Nur eine kleine Meldung (sieben Zeilen) in der Neuen Presse Hannover heute, die man im gleichen Wortlaut überall im Internet wiederfindet. Ansonsten kein Kommentar zu der absurden Forderung von Pinkwart. Dafür ein außergwöhnlich langer Kommentar auf Seite 1 über Michael Jacksons Abschiedsshow. Bei dem Geschreibsel könnte man glatt glauben, der „King of Pop“ sei gestern noch mal gestorben. Es ist wie Volker Pispers vor einer Woche treffend sagte. „Wenn man die Zeitung aufschlägt, möchte man zurück schlagen…“

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