Erwählte können nur Versagen

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Das Versagen war heute das bestimmende Thema des Tages. Wissen Sie, wie viele Abgeordnete des Bundestages der Kanzlerin ihre Stimme versagten. Die Meinungen gehen da weit auseinander. Die genaue Zahl der Abweichler schwankt von Medium zu Medium. Vielleicht bekommen wir das amtliche Endergebnis mit den Kommentaren von morgen serviert. Für die Versager und das Versagen im Amt findet sich hingegen kaum eine kritische Stimme. Es dominiert die Freude darüber, dass es nun endlich mit dem Regieren losgehen müsse. Auch diese Einschätzung weist auf ein Versagen hin.

Wie enttäuscht wohl die meisten sein werden, wenn sie herausfinden, dass sich die Regierungsarbeit kaum von der in den Koalitionsverhandlungen unterscheiden wird? Über das erste Thema, zu dem sich die wiedererwählte Bundeskanzlerin am Mittwoch im Bundestag erklären wird, ist außerdem gar nicht ernsthaft verhandelt worden. Merkel wird etwas zum Europäischen Rat in Brüssel vortragen, zu dem sie am Donnerstag aufbrechen wird. Egal ob mit der FDP oder mit der SPD an ihrer Seite, auf europäischer Ebene macht die Kanzlerin einfach so weiter wie bisher. Ihr Versagen wird einfach umgedeutet.

Der geplante Wettbewerbspakt soll weiter vorangetrieben werden. Die Staats- und Regierungschefs sollen sich auf ein deutsches Europa verpflichten und jedes Jahr neoliberale Reformen umsetzen, die von der EU-Kommission streng überwacht werden. Widerspruch von der SPD, die einmal forderte, dass die bisherige Krisenpolitik ein Ende haben und es auch so etwas wie einen Impuls für die wirtschaftliche Entwicklung geben müsse, sucht man vergebens. Deutet man das bereits vorab bekanntgewordene Abschlussdokument des noch stattfindenden Gipfels richtig, ist nicht weniger als eine Troika für alle das Ziel von Angela Merkel.

Kommt künftig ein Land in finanzielle Schwierigkeiten, muss es die Bedingungen der Kommission zunächst akzeptieren, um im Gegenzug Kredite und Hilfen zu erhalten. In diesem Szenario fällt den nationalen Parlamenten nur die Rolle von Beratern zu, deren Rat weder gebraucht noch an den Entscheidungen etwas ändern wird, die in Brüssel unter Ausschluss der gewählten Volksvertreter getroffen werden. Und wir regen uns über Putin auf, der der Ukraine billiges Gas und einen Rettungskredit ganz ohne Daumenschrauben in Aussicht stellt.

Merkel geht es natürlich bei ihrem Gerede um Wettbewerbsfähigkeit vor allem um Kontrolle, die sie mittels Schocktherapie in Europa erlangen will. Mit Demokratie hat das alles nichts mehr zu tun, obwohl die Bilder aus der Ukraine mit dem unverständlichen Boxer, der Präsident werden will, etwas anderes suggerieren. An der SPD geht das übrigens auch vorbei. Sie reiht sie wieder ein. Der neue Außenminister Steinmeier findet es empörend, wie Russland die Notlage der Ukraine ausnutze. Dabei sollte er sich über seine Kanzlerin empören, deren Ziel es ist, die Eurozone in den Würgegriff zu nehmen.

Kurz vor der Wahl forderte die SPD noch eine Entschuldigung von Angela Merkel für die Behauptung, die 150 Jahre alte Partei sei europapolitisch total unzuverlässig. Die Sozialdemokraten drohten gar ernsthafte Konsequenzen an und sprachen von zerstörten Brücken, die sie nun aber bereitwillig abstützen werden, während Merkel mit ihrem Panzer darüber rollt. Die Sozialdemokraten sind tatsächlich total unzuverlässig, aber nicht Merkel gegenüber, sondern den noch verbliebenen Wählern. Diese Totalversager werden auch weiterhin versagen, weil sie sich entgegen der Auffassung Brandts, auf den sie sich immer berufen, eben doch als Erwählte und nicht als Gewählte begreifen.

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Die Koalition der großen Coups

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Alle schreiben, das Gabriel und der SPD ein großer Coup gelungen sei. Trotz ihres Wahldebakels habe die Parteispitze ein aus SPD-Sicht gutes Verhandlungsergebnis erzielt, das auch die Basis überzeugen konnte. Bei der Vergabe der Ministerposten ernten die Spitzengenossen ebenfalls staunende Blicke. Die Union steht zu Beginn der 3. Großen Koalition als vermeintliche Verliererin da. Doch verlieren wird und kann auch nur die SPD.

Das Regieren unter Angela Merkel ist zu einem quälenden Prozess verkommen. Entscheidungen werden nicht getroffen, sondern so lange hinausgezögert, bis es nicht mehr anders geht. Warum sollte die SPD daran etwas ändern können, zumal die nächsten Wahlen ihre Schatten schon voraus werfen. Viele fragen, was die Union eigentlich aus ihrem Programm in den Koalitionsvertrag hat einbringen können. Die Antwort: Kaum etwas. Das ist aber keine Niederlage, sondern Absicht derer, die bloß so weitermachen wollen wie bisher. Der Union reicht Angela Merkel als unangreifbare Übermutti und ansonsten reicht es ihr, die SPD in ihrem Eifer auszubremsen.

Nicht nur Merkel, sondern auch Schäuble, der als Finanzminister über besondere Rechte in der Regierungsmannschaft verfügt, werden zu gegebener Zeit intervenieren. Die Vorboten treten bereits in Erscheinung. Die zu kurz gekommenen Jungpolitiker in der Union wie Mißfelder und Spahn kritisieren den Koalitionsvertrag ganz offen, obwohl sie ihn zum Teil selbst mit aushandelten. Über viele Dinge müsse im Verlauf der Legislaturperiode noch einmal gesprochen werden, so die Auffassung. Und das wird auch so geschehen mit Unterstützung der sogenannten Experten an ihrer Seite wie auch den Medien.

Glaube an den Weihnachtsmann

Die SPD hingegen glaubt fest an das Gegenteil und erweckt auch den Eindruck, sie könne in dieser Koalition politische Erfolge erringen. Die Sozialdemokraten scheinen immer noch nicht verstanden zu haben, wie politische Entscheidungen in diesem Land unter Merkel vorbereitet werden. Dabei hätten sie aus der beispiellosen Demontage ihres zunächst gefeierten Kandidaten Steinbrück etwas lernen können. Zu viel Lorbeeren und Bewunderung vom Gegner ist trügerisch. Dennoch nutzte die Parteispitze um Gabriel deren vergiftetes Lob erneut als Argument, um die eigenen Leute in einem aussichtslosen Kampf hinter sich zu scharren.

Politische Entscheidungen unter Merkel werden durch das öffentliche Klima bestimmt. Gerade beim Thema Rente ist der eisige Gegenwind schon deutlich zu spüren. Die Stimmungsmache läuft bereits in den Medien mit Begriffen wie „Wahlgeschenk“ oder „Wohltat“. Die SPD merkt das nicht, sondern sonnt sich noch im Lichte eines Koalitionsvertrages, der nicht das Papier wert sein wird, auf dem er geschrieben steht. Die Sozialdemokraten werden mit einer Union, die sich aufs Bremsen verständigt hat und die Medienmacht im Rücken weiß, um halbherzige sozialpolitische Korrekturen im Koalitionsausschuss ringen müssen, während die Opposition mit der Umsetzung eines viel besseren Pakets frohlockt.

Posten als Belohnung fürs Scheitern in Vergangenheit und Zukunft

Der erhoffte Glanz, von dem auch die Wähler Notiz nehmen würden, bleibt ein frommer Wunschtraum derer, die mit einem Pöstchen im großen Personalkarussell entlohnt worden sind. Union und SPD wollen insgesamt 33 Parlamentarische Staatssekretäre ernennen. Ein neuer Negativrekord. Hinzu kommen die beamteten Staatssekretäre wie der unsägliche Asmussen, der bei der EZB aufgrund seiner mittelmäßigen ökonomischen Fähigkeiten mehr oder weniger kaltgestellt, nun ausgerechnet ins Arbeitsministerium entsorgt werden muss (was genau dahinter steckt, hat Jens Berger etwas genauer analysiert).

Hinzu kommt noch das Bundestagspräsidium, das noch vor Abschluss der Koalitionsgespräche in einem Akt großer Einigkeit zwischen Union und SPD aufgestockt werden musste. Die Posse des Postengeschachers liefert aber die Chefin selbst. Auf ihrer Pressekonferenz kündigte Kanzlerin Angela Merkel eine neue Stelle in ihrer Machtzentrale an. Ein neuer Staatssekretär soll sich um die Belange der Geheimdienste kümmern. Und zwar wegen dem, was andere die NSA-Affäre nennen, sie aber lieber als Angelegenheit bezeichnen würde. Das ist Kanzlerinnen-Duktus und zu diesem passt dann auch Klaus-Dieter Fritsche, der offenbar als Entschädigung für die beim Postengeschacher arg zu kurz gekommene CSU befördert werden soll.

Bleibt eigentlich nur noch Ursula von der Leyen, die künftig das Verteidigungsressort leiten soll. Diese Personalentscheidung gilt als faustdicke Überraschung und als mehr oder weniger gelungener Coup der Kanzlerin. Was daran nun aber gelungen sein soll, erschließt sich wohl nur den Hauptstadtjournalisten. Auf die erste wirklich gute Frage von Günther Jauch (Verstehen sie etwas von Verteidigungspolitik?) antwortete die designierte Ministerin gestern mit einem sehr ausführlich vorgetragenen und bezeichnenden Nein.

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